Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 22, 1899, Image 12

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    Ein kritischer Tag.
Don Zhcodor rtopee.
.Und das sage ich Tir, mcin Junge,
inirft Tu Tflfrn nit ver'ekt. bann
m,i Tir k,in, Hf Anuna auf das Rad!
tl UU - T I, I
ick in Teinem Alter war. saß ich
längst in der Secunba! Mir ist's nicht
so leicht geworden wir itr, aver sreinaz.
i, bähe in Teinem Alter schon gemußt.
daß man arbeiten muß. um im Leben
vorwärts zu kommen', x oyn. ocm
diese Worte galten, eine hoch ausgcschos
sene. schmächtige Gestalt war eben im
Begriff gewesen, mit einem gewaltigen
Stoß Bücher unter dem Arm. das Zim
mcr zu verlassen, um nach der -chule zu
chen. -
Tie in strengem Ton gesprochenen
mnrtf he 9(sltfrs bannten ibn an die
Stelle, wo er sich just befand. Er hatte
schon die Thüre geöffnet, leise schloß er
sie wieder und mit seiner noch knaben
haft, unsicheren Stimme sagte er: Ich
thu meine Schuldigkeit, Vater, ich ar
bcite mehr, als mancher andere, und . . .
und... Tu thust mir Unrecht!"
, Ter K.inileiratb svrana von seinem
Stuhle auf. mit großen Augen starrte
er seinen Sohn an. Was Wie ! Xu
willst Deinem Vater widersprechen?"
Mit großen, hastigen Schritten ging
er im Zimmer auf und ab. Zuweilen
blieb er stehen und warf einen flammen
den Blick auf den ..Jungen", der noch
immer wie angewurzelt stand. Ter an
strenge Subordination gewöhnte Beamte
hielt auch in seiner Familie auf eine ei
fenharte Disziplin.
Ich thue Tir also Unrecht?"
Er lachte laut und zornig auf.
Soll ich Tir vielleicht Abbitte leisten?
Ja. das ist unser berühmtes fm de
fiöclc! Faullenzen und dann noch den
von Gott gesetzten Autoritäten über den
Mund fahren!"
Tas schmale Gesicht des Sohnes zeigte
Leichenblaße, aus der fest unter den
Arm gepreßten Bücherreihe löste sich ein
Buch und siel polternd zur Erde. Tie
Mutter, welche noch am Frühstückstisch
saß und mit bangem Herzen der Szene
beiwohnte, schrie in leisem Schreck auf.
Ich bin kein Faullenzer. Vater." kam
es bescheiden, aber bestimmt über die
blutleeren Lippen des Sohnes, mir
ward das Lernen schwer, besonders die
Mathematik..."
Schweig!" donnerte jetzt der Kanz
leirath. Dann ging er mit großen
Schritten auf seinen Sohn zu. nahm ihn
am Arme und führte ihn schweigend zum
Fenster.
Muß Dir mal ins Gesicht sehen,
mein Junge, die Angst vor der Vcr
fctzung scheint Dich.. ." Er verschluckte
die übrigen Worte, schob seine große,
weiße Hand unter das Kinn feines Soh
nes und starrte mit dem strengsten Aus
druck, dessen seine Augen fähig waren,
in das junge, schmale Knabenuntlitz.
Merkwürdig! 'Der Blick des Sohnes
schlug sich nicht niederwärts; nur die
blutdurchströmten Aederchen feiner Au
gen und die zuckenden Lippen verriethen
die große, seelische Erregung, in der er
sich befand. Es mochte aber noch etwas
anderes in den blassen Zügen des Kna
ben zu lesen sein; denn der Kanzleirath
zog seine Hand langsam zurück, der
schränkte die Hände auf dem Rücken und
begann seinen Gang durchs Zimmer wie
der aufzunehmen.
Alfred darf jetzt wohl gehen?" be
merkte die Mutter, er kommt sonst zu
spät in die Schule."
Geb!" .
Adieu", sagte der Sohn an der
? fm. Tnck nur die Mutter nickte ihm
zu. und ihr Blick voll zärtlicher Liebe
trifft das Herz ihres Kindes wie ein
Sonnenstrahl.
Qnmn hiittp sich die Tbür aesckloffen
hri stritt der Kanzleirath auf den Tisch
zu. an dem seine Gattin saß, schob die
Hände in die Rocktaschen des Jaqueis
und fragte: Nun, was meinst Tu zu
dieser Frechheit?"
Komm, setz Dich, Du bist sehr er
regt." erwiderte die Mutter, einen Stuhl
heranziehend.
Tn ttr Kanzleiratb sckte sich nickt.
er umklammerte nur die Stuhllehne mit
zorniger Kraft und rief:
Erregt? Empört bin ich! Aber so ist
hns Geschleckt von heutzutage ! Undank-
barkeit. Auflehnung gegen die väterliche
Gemalt, er weist mich zurück. er reklin-
zirt mich, dieses firnd von sunszcyn Jay
r?n ..."
Alfred ist am achten Januar sechzehn
Safire geworden. Fritz." wandte die
Mutter mit sanfter Stimme ein. Ueb
rigens muß ich Dir sagen. Alfred ist
fleißig, auch seine Lehrer geben ihm das
Zeugniß, wie Du weißt."
Mütter nehmen immer die Partei
ungerathener Kinder," brauste der Kanz
leirath auf. Zwei Jahre in der Ober
tertia, und noch keine Gewißheit, ob er
versetzt wird!"
Alfred ist sehr mittelmäßig begabt
das weißt Du. Zwingen wir ihn doch
nicht zu einer Carriöre, für die seine
Kräfte nicht ausreichen. Sieh ihn dir
mal an. wie er aussieht von dem vielen
Stubenhocken!"
Hab ich ihm nicht versprochen, ein
Rad zu kaufen, wenn er versetzt wird?
Tann kann er hinaus in die freie Natur,
und in ein paar Wochen hat er die ro
then Backen wieder. Du siehst, ich bin
zu jedem Opfer bereit und nun. . . Ich
thue ihm Unrecht!" sagt der Bengel.
Es ist zum rasend werden." .
Mit dem Vorwurs, da er ein fraui
lenzer ist, hast Du ihm auch Unrecht ge
than, Friedrich.
.So? Du auch? So ist's recht! Faul-
lenzen, faullnizcn.. . er weiß, was ich
damit meine! Er sollte die Worte seines
Vaters nickt auf die Goldwaage legen!
Aber ich sehe, eine Aussprache mit Tir
hat keinen Zweck, ich rege mich nur noch
m.'hr auf. Ich muß ins Bureau."
Noch acht Tage fehlten bis zum Ver.
sckunastermin. Auf der kleinen Familie
laa eS wie ein Gewitterbann. Ter
Vater blieb schweigsam, der Tobn sah
mit immer wachsender Bangigkeit dem
Tage des Schulschluffes entgegen, und
die Mutter weinte heimlich manche
Thräne.
Einigemal versuchte sie. das Gespräch
wieder auf das Gebiet zu lenken, auf
dem es so schwere, ungelöste Fragen
gab; der Vater aber wich beständig die
scn Bemerkungen aus. Er mußte sich
die Sache selbst sehr zu Herzen genom
men haben, denn er befand sich viel
allein in seiner Stube, und sein Gesicht
sah verhärmt aus. Tem Sohne gegen,
über er war das einzige Kind, das
sie besaßen war er wohl wortkarg,
aber nicht unfreundlich; die Worte der
Mutter hatten doch wohl eine weiche
Stelle seines Vaterherzcns getroffen.
Je näher der Tag kam, desto stiller
wurde er, es lag etwas in seinem Ge-
bahren, was das Mitleid feiner Gattin
wachrief.
Am Abende vor der Verletzung traf
sie ihn in seiner Stube, wie er. den
Kopf in seine Hand gestützt, vor sich
binstarrtc. auf den leeren Schreibtisch.
Er schreckte auf. wie aus tiefem Nach-
sinnen.
Warum gehst Tu so leite, Alane!"
Sie wußte nicht, wie es über sie kam.
aber ihr Herz wallte über, sie mußte ihm
ein freundliches Wort sagen. Sie legte
die Hand auf seine Schulter und beugte
z zu ihm hinab.
Tu hast etwas auf dem Herzen.
Fritz. Tlch druckt noch etwas anderes.
als das ! Sprich doch emmal ein
Wort ! Das ist nicht zu ertragen, so
wie wir jetzt miteinander leben, wir
drei."
Da hatte er zu ihr aufgeblickt und.
was er sonst selten that, er legte wie in
einer Anwandlung von Zärtlichkeit
seine Hand auf ihre Finger, die sich
auf die Kante des Schreibtisches stütz
ten. Na ja, sieh mal, Du mußt doch
selbst eingestehen, es ist unser einziges
Kind, der Alfred, und ihr grauen habt
dafür weniger Verständniß aber
meinst Du denn, daß es eine Kleinig-
kcit.ist. alle leine Lieblmgsmünsche so
einsargen zu müffen? In dem Jungen
wollte ich noch einmal selbst leben, er-
reichen, was ich nicht erreichen konnte. .
und nun alles hin, der ganze schöne,
stolze Bau bricht zusammen.'. . .wahr
schcinlich wenigstens! Die Möglichkeit
ist ja wohl noch vorhanden, glaube ich.
meinst Du nicht auch ? Morgen wird
sich ja alles entscheiden ! Aber sei so
gut, Marie, uud laß mich jetzt allein. .
und was neulich anbetrifft eine Un
verschämtheit war es doch von dem
Jungen! Bitte, sprich nicht, hörst Du?
Ich bin m einer Stimmung, in oer
Tu mich schonen mußt."
Und wortlos hatte sie sich entfernt.
Endlich, endlich war der Tag da.
Die Stunden des Vormittags dehn
ten sich für die Mutter zu Ewigkeiten
aus. Mittags kam ihr Mann aus
dem Bureau, jede seiner Bewegungen,
sein Gesicht verriethen die Aufregung,
in der er sich befand. Tas Dienst
mädchen richtete den Mittagstisch her.
Man wartete nur noch auf das Ein
treffen des Sohnes.
Endlich wurde die Entreeklingel ge
zogen, kurz und leise.
Das war er.
Nur einen kurzen, forschenden Blick
warf der Kanzleirath in das ernste,
blasse Gesicht des Eintretenden, dann
wußte er, daß die letzte Hoffnung dahin
war. Ohne ein Wort zü sprechen,
überreichte ihm sein Sohn das Zeug
nißheft. Der Vater las aufmerksam
Note für Note; es dauerte länger, als
er wohl zum Lesen gebraucht hätte
Dann gab er es dem Wartenden zurück.
ohne jede Bemerkung, fetzte sich an den
Schreibtisch und forderte die Hausfrau
aus. das Ellen austragen zu lauen.
Es wurde nicht viel gesprochen. Aber
gerade die Schweigsamkeit des Vaters
lastete schwer aus dem Sohne. Jeder
war froh, als das Mahl beendigt war,
Zieh Dich an. Alfred, wir wollen
einen Spaziergang machen!" sagte der
Kanzleirath. Mutter und Sohn wech-
selten einen bedeutungsvollen Blick. -
Nach wenigen Minuten gingen Vater
und Sohn die Treppe hinab. Im
Hausflur stand em Dlenftmann, war
tend, neben einem prächtigen Zweirade,
das ihm augenscheinlich zu einstweiliger
Obhut anvertraut war.
Der Kanzleirath blieb stehen und
reichte dem Dienstmann ein Geldstück.
Es mochte reichlich ausgefallen sein.
denn dieser dankte sehr aufmerksam.
lehnte das Rad an die Wand und ent-
fernte sich.
Na. wie ge fällt Tn's?" sagte der
Kanzleirath zu seinem Sohn.
Dieser starrte seinem Bater in 3 Ge
sicht,, als ob er eine Erscheinung sähe.
Dann blickte er auf das blitzende, gra-
ziöse Vehikel und wieder auf seinen
Bater, aus denen Augen ein Strahl
warmer Vaterfreude bricht.
Das. ...das. ...Rad....?" Aber
der Sohn vermag die Frage nicht aus
zusprechen. Es dringt etwas tief aus
dem Herzen herauf, überwältigend, es
schießt ihm heiß in die Augen, große
Thränen rinnen langsam über die
blaffen Wangen.
Na. na." sagte der Vater und legt
seine Hand auf die Sckulter des Soh
nes. macht Tir das Ting wirklich so
viel Freude?"
Ter aber schüttelt verneinend den
Kopf.
.Es ist nicht wegen deö Rades, Pa
ter." kommt es in abgeriucnen Lauten
über seine Lippen, aber daß Tu
ich bin doch " j.
.Laß das Vergangene ruhen, mein
Junge! Tein Fleiß ist in Deinem Zeug
niß anerkannt worden, ich denke. Tu
wirst auch auf andere Weise ein tüch
tiger Mensch werden. waS?"
Ter Sohn antwortete nicht. Er
suchte die Hand des Vaters. Und
dieser reichte sie ibm, und einen Augen
blick halten sie sich fest mit warmem
Drucke.
In diesem Augenblicke wurden sie
Freunde für das ganze Leben.
Der letzte Schritt.
Skizze von Iran; jiurzlshelm.
Mit einem wüsten Brummschadcl
wachte der Lieutenant von Schellhausen
auf und starrte verwundert in das blin
kende Sonnenlicht, das voll zum Fcn
ster hcreinströmte. Zunächst war es
ihm unmöglich, einen klaren Gedanken
zu fassen, nur das sah er ein, daß ihm
etwas höchst unbehaglich zu Muthe
war. Schnell sprang er ans dem Bette
und tauchte seinen Kopf tief in das
Waschbecken.
Ha. das kühlt." rief er aus. und
dann klingelte er den Burschen, er solle
ihm schnell eine starke Taue Kaffee
brauen, worauf er sich langsam daran
machte, seine Toilette zu vervollständi-
gen.
Allmälig kehrte ihm auch das Be-
wußtsein zurück und die Gedanken wa
ren gar nicht danach angethan, seine
griesgrämige Laune zu verbessern. Sein
Johann schien das sofort zu bemerken,
denn es brachte ihn gar nicht aus dem
seelischen Gleichgewichte, als ihm sein
Herr bei der denkbar ungünstigsten
Gelegenheit einen Stiefel an den Kopf
warf.
Ist der Zangenberg noch nicht dage-
weien?
" r4, :.. t. ....
n,vA), umin uui viiin vsiuuur.
Und-"
Hab' ich ihn herunteraeworfen, als
er nicht gehen wollte. Hat er gesagt,
er käme nach 11 Uhr wieder."
'S ist gut. Abtreten!"
Himmel, woher sollte er bis 11 Uhr
3000 Mark beschaffen; denn so viel
war er dem Wucherer schuldig. Und
eigentlich konnte er es dem Manne nicht
verdenken, wenn er keine Geduld mehr
haben, sich sogar an das Regiment
wenden wollte. Er hatte ihn lange ge
nug hingehalten. Aber was thun?
Sein Kredit war längst er chöpft, das
Vermögen seiner Eltern hatte er langst
durchgebracht. Und wenn Zangenberg
feme Drohungen ausführte, pah, dann
gab es noch das Letzte, um der Schande
nicht mehr direkt in's Auge sehen zu
mliffen: Tie Kugel.
In verflossener Nacht hatte er ge
spielt. r hoffte, sich so vielleicht zu ret
ten. Aber auch das war vergeblich.
Im Gegentheil hatte er eine ncueSchuld
gemacht. Eine Ehrenschuld, die er eben
falls nicht einlösen kann.
Er nimmt den Revolver zur Hand.
Wie der Lauf in dem funkelnden Son
nengolde blitzt! Tann wirft er sich
aufs Sopha. Was soll er eigentlich
noch herumlaufen? Geld erhält'ei doch
nirgends.
Ob seinen Tod Jemand bedauern
wird? Er bezweifelt's. Seine Eltern
sind todt. Geschwister hat er nie ge
habt. Höchstens werden seine Kamera
den sagen: Schade um ihn, er war
ein schneidiger, treuer Kamerad." Und
doch, Marie vielleicht, jenes arme kleine
Mädchen, das ihn so lieb hatte. Er
hatte das Mädchen wirklich gerne, das
hübsche muntere Ding. Und wie sie an
ih mhing! Tie hätte ihn am Ende zu
einem tüchtigen Menschen machen kön
nen, hätte sie ihn nur früher kennen
gelernt. Vielleicht auch Kommerzien
raths Lore, die eine schiefe Schulter
hatte und bisher trotz ihres Reichthums
mcht unter die Haube gebracht werden
konnte. Denn alle Männer fürchteten
sich vor ihr und ihrer bösen Zunge.
Und unbarmherzig rückte der Uhr
zeiger weiter und in seinem Schädel
hämmert's und tost's, als hätte Krupp
eine Werkstätie hineingebaut. Und die
lachende Sonne! Ach, noch einmal muß
er hinaus, nach emmal muß er die fri
sche Luft genießen
Draußen begegnet ihm Mimi, die
Opernsängenn, die ihn ob seiner Gala
zu dem Wege muß er sich in Para-
deuniform werfen verwundert ansieht.
Ach, auch die hat manchen Goldfuchs
von ihm im Ehampagner davongetra
gen. Hätte er jetzt das Geld, er wäre
gerettet. Und wie sich seine Gedanken
drehen und wirbeln. Er athmet weit
auf, athmet die köstliche Luft mit vol
lem Behagen ein. Ta fällt's ihm ein,
von Marie muß er doch Abschied neh
men. Er trifft sie auch glücklich zu
Hause. Wie sie sich freut ! Nein, er
kann ihr wirklich nicht sagen, daß sie
sich jetzt auf ewig trennen müßten.
Wohl merkt sie, daß ihm etwas fehlt.
sie fragt ihn, sie quält ihn, sie küßt ihn.
Nein, er scheidet mit einem Auf Wie
versehen." Er hätte gar nicht geglaubt, daß es
ihm so schwer fällt, auch das Mädchen
lassen zu müssen.
Da. da läuft ihm Zanqenberg gerade
in die Arme. Ein Ausweichen ist un-I
möglich. Ter hatte ibm jetzt nicht kom
men brauchen. Natürlich redet er idn
sofort an. Tas alte Lied. Ader er laßt
sich noch beruhigen bis heute Abend
Tann muß es aber bestimmt sein.
Herr Lieutenant.
So. Auch das wäre noch üderstan
den. Vom Kirchthurm schlägt es II.
Mehrere Kameraden kreuzen seinen
Weg. Wenn die wüßten, was in ihm
vorgeht! Auch die werden ihn bei ihren
fidelen Abenden missen. Und das alles
geht zu Ende, und nur das. trostlose
Nichts bleibt.
Er greift nach seiner Eigarrentasche.
Gerade noch ein Stück drinnen. Mit
einer gewinen Andacht brennt er sie an.
saugt den Rauch ein. Es dürfte mahl
die letzte sein. Tann zählt er seine
Baarschast. Sie reicht zu einem opu
lenten Frühstück sogar. Gut, auch das
muß er sich noch leisten. Wenn nur jetzt
schon alles vorüber wäre!
Noch schwankt er. Giebt es denn
gar keinen Ausweg? Keinen? Sosehr
er sich aber auch anstrengt und fein Ge
Hirn martert, es bleibt ihm nur der
letzte Schritt.
Noch einmal regt er seine stolze Ge
statt, noch einmal denkt er an Marie.
In weitem Bogen fliegt der Rest der
Eigarre weg. Und dann
geht er schnurstracks zum Kommerzien
rath und hält um Lore's Hand an.
Alutterl.
Humoreske von Wilhelm Herbert.
Ter Jagdgehülfe Hans galt bei dein
Herrn Grafen ein großes Stück. Er
war ein famoser Jäger immer zu
schwanken und schnurren lgeleat
dabei eine goldtreue Seele.
Hans," sagte der Graf, morgen
Abend will ich auf den Rchdock pir
fchen un Silberhölzl Tu weißt
schon sorg', daß mir kein altes Weib
in den Weg kommt!"
Zu Befehl, Herr Graf!" lachte der
Hans und trollte sich vom Schlosse in's
Torf hinunter.
Unterwegs ließ er die alten Weiber
durch seinen Kopf passiren: Er schmun
zelte vergnügt vor sich hin, wie er sich
ausdachte, daß er sie alle mit Lügen
und Listen morgen Abend'auseinanoer-
sprengen wollte.
Plötzlich blieb er stehen und stutzte.
Sapperlot! Sein Mutterl! An fein
Mutterl hatte er noch gar nicht ge
dacht. Aber nein! 's Mutterl is ja kein
altes Weib!" murmelte er vor sich
hin.
Und doch, wie er an. die tausend
Falten in ihrem guten Gesicht dachte
und an den gebeugten Rücken, auf dem
ihr die Jahre hockten, da war's ihm
schier bedenklich geworden.
Fur'eln Klnd. für einen Sobn blieb
ja 's Mutterl "ewig 'jung aber für
einen Jäger gar einen Grafen!
Ein alt's Weib ist's ja net."
brummte er. aber ein alt's Weiberl
halt doch!"
Er kraute sich hinter den Ohren.
Eine harte Nuß das!
Schlau mußte er's anfangen ganz
schlau; denn merken durfte 's Mutterl
nichts davon er hatt' sie ewig ge
kränkt! Ja, Herrendienst ist schwer!
Er seufzte tief auf, schaute seine
Joppe an und brummte: Thust mir
leid. Joppl! Wirst es für den reinen
Muthwillen halten: aber 's geht net
anders! '
Dann zog er die Joppe aus. hängte
sie über einen Zaunstock am Weg und
riß und zerrte uud gab nicht nach, bis
sie unten im Arm einen Mordstriangel
von einem 'ocy hatte.
Befriedigt sah er fein Werk an. hing
die Joppe über die Schulter und ging
yeim.
i-cyau, Neunen, fegte er. einen
Mordstriangel hab' ich in das Jöppl
'reingerissen hängen bin ich 'blie
ben! Wirst's mir's wohl morgen Abend
flicken müssen!
Gleich flick ich's heut' gleich!"
sagte sie geschäftig.
Er stutzte.
Na. na." wehrte er dann und fuhr
schnell in die Joppe hinem, morgen.
Da brauch ich's net da zieh ich den
alten Jauker an. weil ich mich draußen
in's Holz legen und auf den Grafen
warten muß. der den Rehbock an-
purschl!"
So. so. auf den Grafen mußt war
ten morgen Abend! Und genau da
muß ich das Jöppl flicken! Und der
Triangel schaut aus, als wär er mit
Flelsj hmemgemacht! Holla," dachte
sich das schlaue Mutterl. mich lügst net
an! Da steckt was Anderes dahinter!"
Und sie studirte sich's auch bald aus,
was es war.
Sicher hatte ihn die Reitbauerntochtcr
Louise, das hoffärtige Ding, auf ihre
Seite gebracht und für morgen Abend
in's Silberhölzl bestellt aber wart'
nur, da kommt noch ein Drittes
reiß dir nur 's Jöppl zusammen 's
Mutterl weiß doch, wie sie d'ran ist!
Gelt, ülcutterl." sagte er am andern
Abend, wie die Schatten länger wur
den. ich muß jetzt fort wegen dem
Grafen, weißt' jetzt flickst mir mein
Jöppl?"
O Tu falscher Tropf Du! Aber
wart' ein bißt! Mußt schon früher auf
stehen, wenn Du ein altes Mutterl
betrügen willst.
Schnell hat sie die Hornbrille her-
unter, horcht Und wartet noch eine
Weile und lauft dann dem Wald zu,
dort versteckt sie sich und lauert, bis die
Lie?l kommt.
Lange dauert's nichts rührt sich
Ta auf einmal horte man so einen
vorlichtigcn schritt.
Ada da i't sie!
Wart'. Tu stiehl' mir meinen Bu
den!
neu springt da? Mutterl au?
den Weg hinaus.
Aber da stehen alle zwei paff!
Tann aber fangt sie zu lachen und
fast gleich damit zu weinen an vor
Gluck. Ter gute Bub ! Also wirtlich
nicht gelogen:
Grüß Gott. Herr Graf!" ruft sie
und knirt. ..Grüß Gott! Wie mich
das freut!"
.Mich auch!" sagt der Graf, macht
ein Gesicht, als hätt' er einen ganzen
volzdirndaum vcrfchluckt. und ver
schwindet.
Capra," denkt der Hans, wie er's
erfahrt, der Rehbock hin s Jöppl
hin und dem Herrn Grafen sein Humor
bin 's ist halt doch was dran: Ein
Bißl ein altes Weid ist's Mutterl halt
doch!"
Zyür müde Augen.
Viele Leute, die gezwungen sind,
mehrere Stunden hintereinander zu
schreiben, zu lesen oder sich mit irgend
einer muhlamen Handarbeit zu bcschüf
tigeu. klagen darüber, daß ihre Augen
ermüden unö zu schmerzen anfangen
Ein französischer Schriftsteller, dem es
ähnlich erging, hat letzt, wie da
Dresdner Journal schreibt, ein ein
faches Mittel gefunden, um schwache
Augen während andauernder Arbeit
frisch zu erhalten. Als er. wie es
häufig vorkam, einmal eine halbe Nacht
durchsitzen mußte, um einen bestellten
Artikel am andern Morgen abliefern zu
können, drohten seine schon den ganzen
Tag angespannt gewesenen Sehwerk-
zeuge völlig den Treust zu versagen
Mit größter Mühe arbeitete er weiter.
kaum noch im Stande, zu sehen, was
er schrieb. Da fiel fein müder Blick
plötzlich auf ein paar Streifen und
Läppchen bunten Seidenzeuges, das
feine iyxau zur Herstellung einer Mo
saikdecke brauchte und auf feinem
chrelbtliche liegen gelassen hatte. Un
willkürlich blieben seine Augen einige
Sekunden an den lebhaft gefärbten
Flecken haften, und als sie dann zur
Arbeit zurückkehrten, machte er die
Wahrnehmung, daß sie bedeutend we
niger ermüdet schienen. Jetzt findet
man auf dem Pult des Mannes stets
einen mit buntem Papier streifenwelie
beklebten Ständer, der dicht neben dem
Tintenfaß seinen Platz hat, so daß der
Arbeitende bei jedem Eintauchen der
Feder seinen Blick auf den leuchtenden
Farben ruhen lallen kann, eitdem
will der Schriftsteller keine Ermüdung
seiner Augen mehr verspürt haben.
Wahr Heimath.
Was ist die Heimath? Ist's die Scholle.
D'rauk deines Vaters Haus gebaut?"
Ist s jener Ort. wo du die Sonne.
Tas Licht der Welt zuerst erschaut?
O nein, o nein, das ist sie nimmer.
Nicht ist's die Heimath, heiß geliebt;
Du wirst nur da die Heimath finden,
Wo's gleichgesinnt Herzen giebt !
Tie Heimath ist. wo man dich gerne
Erscheinen, ungern scheiden sieht.
Sie ist's, ob auch in weiter Ferne
Tie Mutter sang das Wiegenlied !
praktische Wissenschaft.
Ihr Sohn wird als Arzt Spezialist,
nicht wahr?"
Jawohl, für Nasenkrankheiten!"
Sapperlot, wird der 'mal die Mäd-
chen an 'der Nase rumzuführen ver-
stehen!"
Wiedergegeben.
Schloßfräulein (zum Schäfer): Ihre
Tochter sollte sich mit Lesen beschäftigen,
damit sie nicht o dumm bleibt."
Schäfer: Ja. ich Hab's ihr auch
schon gesagt, daß sie ja doch kein gnädi-
ges Fräulein ist.
Lin Optimist.
Fräulein: Sie wären wahrlich der
Letzte, den ich lieben könnte!"
Junger wann: Wirnicy: Ach Sie
sind zu gütig, daß Sie nach mir keinen
Anderen lieben wollen!"
Strolchkumsr.
Schutzmann (zu einem auf der
Erde liegenden betrunkenen Strolch):
Stehen Sie osort aus!"
Strolch: Nee, det thu ick nich, det
wäre ja ein Aufstand der Polizei jejen-
über."
Nachsichtig.
Papa: Nun, Hänschen, bist Du mit
Deinen Geburtstagsgeschenken zufrie-
den?"
Das fünfjährige Hänschen: Gott,
man muß schon bei den schlechten
Zeiten!"
Frauen ogif.
Gatte: Aber Kind, ich habe im
Momente kein Geld für eine so kostbare
Sommertoilette, ich muß die Staats
steuer bezahlen."
Gattin. So? Welcher Staat steht
Dir näher?"
Tie Folgen sind gewöhnlich die
Früchte des Nichtfolgens.
Wer nicht aufstehen will, dem nützt
kein Wecker.
Betrachtung.
TaS Regenwetter ist wie ein Titot
tant. der deklamiren will: Entweder
fangt's gar nicht an. oder es hört gar
nicht auf.
Kein l?erstänniz,
Vater (zum Musiklebrer): Wozu
bringen Sie meiner Tochter Noten
zum vierhaudigen Spiel, ist sie denn
ein Ane. der da mit vier Händen
spielt!"
Gffcnberzig.
Hausfrau (zum Tienstmadcheit. die
einen Zag vorder im Tbeater gewefens:
Wie gefiel Ihnen denn die Liebes
szene?" Tienstmädchkn: Großartig, ich bade
bedauert, daß ich nur das Zusehen
hatte."
ifofoniii.
Gründer: ..Herr Baron. eS wird ein
neues Bankinstitut begründet, möchten
Sie nicht einige Anteilscheine neh
men?" Baron: Nein, nein, der Schein
trügt, daher natürlich auch die Scheine."
5ti.tf-lw.
Michel: Mir scheint. HanS. Tu bist
bös auf mich!"
Hans: Gewiß. Tu stichelst ja im
mer. gestern hast mir sogar eine Ohr
feige gegeben."
Redensart.
Professor: ..Tas ist Alles leeres
Gerede, ich liebe bei allen Tingen den
Kern!"
Herr: Tann ist nütJhn: gut
Kirschen essen. Herr Profeuor!"
Unter Dienstboten,
Marie. Tu warst im Theater, nun,
was hat es dort gegeben?"
Hübsch war's, zum Schluß ist eine
Gräfin gestorben."
Hab' mir's gleich denkt, wie ich di'e
vielen Kränz ins Theater bringen sah,
daß es eine Leiche ist!"
?cbr einfach.
Bäuerin (zu ihrem aus der Stadt
heimkehrenden Sohn): Na, Michel,
was ist Dir denn am liebsten?"
Michel: A Bier!"
Bäuerin: Jessas, na, was trinkst
denn nachher drauf?"
Michel: A Schnaps."
Lcdenkliche Anhänglichkeit.
iJm Zuchthaus.) Fremder: Sind
denn Ihre Gefangenen mitunter auch
anhänglich?"
Gcfangenwärtcr: Die meisten kom
men wieder!"
Seltenheit.
Karlchen: Papa, was ist denn die
seltenste Münze auf der Welt?"
Papa (traurig): Der Zehntausend
Tollarschein!" Bescheiden.
Herr Lieutenant, warum lächeln
Sie stets, wenn Sie auf der Straße
gehen?"
Hm. ist schon so meine Gewohnheit,
bin halt immer freundlich und liebcus
würdig." Loshaft.
Erster Freund: Fräulein Richter ist
doch eine reizende junge,, Dame, dabei
sehr begabt, malt auch'schr schön."
Zweiter Freund: Malen? Meinst
Tu, ihr Gesicht?"
Ausrede.
Madame: Minna, wer ist denn der
Soldat da in der Küche?"
Köchin: Mein Bruder, Madame!"
Madame: Na, die letzte Köchin hat
ja aber behauptet, es wäre ihr Bruder."
Köchin: Ja, Madame, dann war
sie jedenfalls meine Schwester."
Offenherzig.
Frau (zu ihrer Köchin): Es freut
mich, Anna, daß man Sie bei mir
falsch angeschwärzt hat, die Leute, wo
Sie früher in Stellung waren, sagten,
Sie wären grob, indeß merke ich das
nicht!"
Köchin: Na, ich bin ja erst seit acht
Tagen da!"
Im ptiysikalischen Rolleg.
Professor (in einem Vortraa über
Galvanismus): Und was denken Sie,
meine verren. wurde wodl acscheben.
wenn Sie in einer Hand Gold, in der
anderen Hand ein Stück Silber bät-
ten?"
Ein Hörer: Ich würde mich oan,
kolossal freuen."
Lin treuer Viener,
Herr (zum Diener) : Friedrich, wenn
Du mir heilig und theuer versprichst,
mich nicht mehr zu betrügen, erhältst
Du monatlich 10 Mark Zulage."
Nach längerer Uebcrlequnq spricht
Friedrich achselzuckcnd: Für 10 Mark
geht's wahrhaftig nicht; da habe ich gar
zu viel Schaden."
Billiges verlangen.
Jongleur: So, meine Herrschaften.
jetzt kommt der große Riesensaltomor-
tale! Nun bitt' ich mir aber aus, daß
was auf'n Teller kommt; denn wenn
ich mir zu Ihrem Vergnügen den HalS
breche, dann will ich wenigstens auch
etwas davon haben."
Man haßt vielleicht Niemand so sehr
als einen aufrichtigen Freund.