Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 22, 1899, Image 10

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    i
Das 23itMcfud.
S?o Jtnioni Andrea.
hatte der
abgcnom
du
Auf seinem Sterbebette
Vater ihr das versprechen
mcn.
Wovon wollt ihr leben. Anna.
und die drei Kleinen? Ich habe nicht
irückleaen können aar nichts. Tie
lange Krankheit auch wodl meine
tintnt llnbefDnnenbeit. . . Mein arme
Kind. eS hilft nichts: du mußt ein Litt
aehiA einnicken!"
Lieber Vater, ich habe doch etwas
(ttmi Wenn ick auch der Kleinen
halber nicht wieder in Stellung gehen
kann, so bleiben mir Privatftunden in
Mulit. lina'llch und vramosiict)
Ter sterb.nskranke Mann wollte sich
ii'doch nicht dabei beruhigen. Tas
reicht allenfalls für dich allein hin.
Aber die drei Kleinen, vor allem das
zarte Blondköpfchen! Nein. Anna, du
niubt dich anders entschließen. Sprich
mit dem Bürgermeister! Ter wird dir
behilflich sein, ein besuch in aller
fform aufzusetzen. Es ist doch keine
Schande; ich bin ja Beamter. Taß
wir so heruntergekommen und in Noth
gerathen sind, ist hauptsächlich meinem
langen Leiden und auch der lanawieri
gen Krankheit der Mutter der Kleinen
zuzuschreiben. Tas rniifet du alles in
dem Bittqesuch anführen, hörst du?
So wurde das Versprechen ihr fast
abaeruna.cn. Tie Pflege des Vaters
nahm sie noch eine Weile derartig in
Anspruch, da sie es vergaß
Als dieser aber einige Wochen später
in der Erde ruhte und der erste Schmerz
vorbei war. stand das Bittgesuch wie
ein Schreckgespenst vor ihr. Es demii
thigte sie, es brachte sie um alles Selbst-
gc ühl.
War es denn etwas andres als eine
bessere Art von Betteln, zu der sie sich
hergeben sollte? Sie, das reife, qe
sunde und kräftige Mädchen! Was
würde ihre Mutter dazu gesagt haben
die feinfühlende Frau, die bis an ihr
Lebensende auf ihren alten, wenn auch
devo edierten Adel stolz gewesen war?
Wie hatte sie ihrer Tochter Anna ans
Herz gelegt, keine ehrliche Arbeit im
Leben zu scheuen! Sie sollte dem Pater
die Wirthschaft führen, es ihm an
nichts fehlen lassen hcirathen würde
er wohl nicht wieder.
Er that es aber doch, als kaum zwei
Jahre über ihrem Tod vergangen
waren, und die zweite Frau nahm den
Platz im Hause ein, auf den ihre Mut-
ter sie selber hatte stellen wollen. Anna
fühlte bald, daß sie nun überflüssig fei.
Uebcrdies versagte es sich die Stiefmut-
ter nicht, es sie gelegentlich fühlen zu
lassen.
Ta verließ Anna das Vaterhaus und
ging als Erzieherin nach England
Fünf Jahre war sie dort thätig, zu
frieden mit ihrem Beruf, der sie für
den Verlust der Hennath entschädigte
Ganz unerwartet rief dann ein Brief
des Vaters sie zurück. Meine arme
Frau ist feit langem bettlägerig, ich
fclbst sieche langsam dahin. Meine
armen Kleinen, drei reizende Geschöpf
die mütterliche Pflege
Möchtest du sie nicht
chen, entbehren
und Aufsicht,
übernehmen?"
Anna kam. Tie kranke Frau be
gegnete ihr anfangs mit Scheu und
Mißtrauen; aber im Fluge gewann sie
die Herzen der Kinder. In ihrer kind
lich selbstsüchtigen Liebe für Schwester
Anna vergaßen diese ganz, daß in der
dumpfen Stube, wo jeder Sonnen
strahl durch Jalousien ausgeschlossen
wurde, eine arme leidende Frau sich in
mütterlicher Eifersucht verzehrte die
Frau, die zwar das erste Anrecht an sie
hatte, aber nie mehr in ihrem Leben
Gebrauch davon machen sollte.
- Toch auch die Stiefmutter wurde mit
so viel Freundlichkeit und Umsicht gc
pflegt, daß ihr geheimer Groll gegen
Anna sich in Dankbarkeit und Vcr
trauen verwandelte. Sie fühlte, daß
das Sterben ihr leichter wurde, seit
dem sie ihre Kinder in Annas Obhut
wußte.
Einmal, in einem vertraulichen
Äugcnblick, faßte sie die Hand der
Sticsiochter. Anna, ich habe dich der
könnt. Vergicb mir! Gott weiß, wie
bald meine armen Kleinen doppelt vcr
waist sein werden. Verlaß sie nicht!
Ich bitte dich, gieb sie nicht in fremde
Hände! Es ist die letzte Bitte einer un
glücklichen Mutter!"
So war sie dahingegangen. Kaum
ein halbes Jahr später folgte ihr Gatte
ihr nach: des Bahnmeisters Kinder
warcn verwaist.
Wie verirrte, frierende Küchlein drück
ten sie sich an die ältere Schwester, ohne
noch recht zu verstehen, daß diese fortan
ihr einziger Halt im Leben sei. Sie
mußte ihnen von den Eltern erzählen.
Das Andenken der Mutter war fast
schon gänzlich in ihrem kleinen Gcdächt
niß erloschen.
Abends, wenn die Kinder schliefen,
ordnete Anna den Nachlaß ihres
Vaters. Viel war es nicht. Was für
sie dabei übrigblieb, waren einige un
bezahlte Apotheker- und Kaufmanns
rechnungen. zu deren Deckung sie ihre
eigenen turnen riourne angreifen
mußte. .
Und dann überlegte sie. womit sie
wohl am sichersten Geld verdienen
könnte. Tie Kinder durften aber nicht
allein bleiben. Sie mußte also die
Arbeit aus jeden Fall ins Haus be
kommen. Zunächst verkaufte sie von der einst
stattlichen, jetzt schon etwas verbrauch,
tcn Hauscinrichtung, was nur irgend
i'.i entbehren war. Tie Leute kamen ih
entgeacn und nahmen ihr gern gege
leidlich gute Zahlung die Sachen ab
Ebe die zweite Frau krank wurde, warcn
.Badnmcistcrs" in dem Städtchen
sehr beliebt gewesen. Freilich, man war
mit dem guten Rath stets freigebiger
als mit der That.
Was werden Sie nun thun, Fräu
lein Anna? Wieder nach England
gehen?" wurde sie gefragt. Für die
Kleinen ist doch wohl gesorgt. Tie
Mutter soll ja wohthadend gewesen
sein, sagt man. Vielleicht bringen t
sie gleich in eine gute Erziehungsan
ftalt. Sie bekommen doch mit Ihren
Kenntnissen jederzeit eine gute stelle
Tie Kinder sind noch zu klein,
saate Anna. Ich gebe sie nicht von
mir. Vorläusig gedenke ich hier zu blci
den und Klavier- und Sprachuntcv
richt zu ertheilen
Sie hat es mit Fleiß und Energie
zu einer recht hübschen Fertigkeit au
dem Klavier gebracht. In England
hatte man sie für eine Virtuostn" ge
halten. Hier, in der kleinen Stadt
verstand man freilich nicht viel von
Musik, und mehr als fünfzig Pfennig
höchstens eine Mark würde niemand für
eine Unterrichtsstunde geben. Anna
mußte, um das Geschäft" wenigsten
in Gang zu bringen, sich zu diesen
Preisen bequemen. Noch mehr! Tie
Zu
meisten von ihren Schülern hatten
Hause kein Instrument. Anna wurde
daher in aller Freundschaft von den
Eltern ersucht, die Kinder bei sich üben
zu lassen.
Von dieser Am an kamen die arme
Lehrerin und ihr Klavier nicht mehr
zur Rnhc: vom frühen Morgen bis oft
spät Abends wurde auf dem Klavier
und den Gehörsnervcn Annas crbav
munqslos hcrumgcpaukt
Ein paar Monate lang ertrug Anna
es mit himmlischer Gcduid. Tann kam
sie zu der Einsicht, daß dies Geschäft"
bei weitem aufreibender als einträglich
war. Nicht einmal die Miethe würde
aus dem mißhandelten Instrument
herausgeschlagen wie konnte sie mit
den drei kleinen Guchwistern davon
eristircn ?
Kurz entschlossen verkaufte sie da
Klavier und schaffte sich dafür eine gute
Nähmaschine an. Auf ihrer letzten
Stelle in London hatte sie auf Wunsch
ihrer Lady" einen Schnciderkursus
durchmachen müssen, damit sie die
Garderobe ihrer kleinen Zöglinge, die
stets im Hause angefertigt wurde, mit
besserem Verständniß beaufsichtigen
könnte.
Tenkt euch blos, Bahnmeister!
Anna schneidert!" sagten die Leute
verwundert. Ihrer Meinung nach war
das eine unpassende Thätigkeit für die
Lehrerin".
'Ach, sie wird wohl von Musik nicht
viel verstanden haben, " sagten die Müt-
cr, deren Kinder bei Anna Klavier
unterricht genossen hatten.
Und mit den Sprachen hapert
auch wohl!" bemerkten ein paar Tomen
aus dem Honoratiorcnkrcisc, denen noch
inige französische Sätze aus dem kleinen
Plotz gclausig waren
Aus diese Weile verlor Anna sehr
bald den Nimbus der gelehrten und
sprachkundigen Lehrerin. Tie Mütter
hielten den Umgang ihrer Töchter mit
der Schneiderin" für weit weniger
förderlich als ehemals mit der ' Er-
zicherin. Freilich, Arbeit konnte man
ii)r ja gelegentlich zukommen lassen
Man war neugierig, ob sie wenigstens
etwas von englischen Moden verstand.
Tas schien so. Aber diese horrenden
reise! Zwölf Mark für die Facon bei
einem einfachen traßenllelde! Wer
konnte das erschwingen? Ta kam man
doch besser weg wenn man eine kleine
chncidcrin ins Haus nahm, die Zu-
thaten allein kaufte und schließlich mit
nähen half. ,
Enttäuscht sah Anna nach einiger
cit, daß auch die Schneiderei nicht
genug abwarf, um vicr Mcnschcn, sich
nd ihre kleinen Geschwister, zu ernäh-
ren wenigstens nicht in der kleinen
reisstadt.
Und die Kinder wurden größer, und
nicht lange währte es, so mußten die
beiden Knaben in die Schule gehen.
Wenn sie in eine größere Stadt zöge,
eine Pension anfinge? Sie hatte großes
Organisationstalent und die nöthige
pädagogische Erfahrung. Aber die
Mittel dazu fehlten. Jedenfalls durfte
sie die mühsame Schneiderei nicht eher
aufgeben, bis sie einen besseren und
einträglicheren Erwerbszweig gefunden
hatte.
Allmählich zogen die vielen Freunde
und guten Bekannten des verstorbenen
Bahnmeisters sich von feinen Waisen
zurück. Es kam ihnen nun doch die
Erkenntniß, daß sie wirtlich arm"
und hilfsbedürftig waren. Außerdem
andcn ne Fräulein Anna für ihre
tzige gesellschaftliche Stellung etwas
clbstbewußt und damenhaft. Da
sie vor kaum einem Jahr sich um ihren
mgang gerissen, hatten sie längst vcr-
gcsscn.
Selbst dcr Bürgermeister, dem das
rifche Mädchen mit dem sanftcn, abcr
chercn Auftreten so gut gefallen hatte,
war mit ihrer neuen Berufsthätigkeit
nicht einverstanden, obgleich er sich aus
Rücksicht auf den Stadtklatsch nicht so
häufig bei ihr sehen ließ, Wie sein Herz
wünschte. Er glaubte im geheimen!
nocy immer, sie wäre vielleicht eine
passende Frau für ihn, und er dachte
im Ernste daran, dcr matcricll gcsinn
tcn Bürgerschaft ein Beispiel von Jdca
lismus zu geben und eine Heirath aus
reiner Neigung zu schließen.
Wirtlich. Fräulein Anna." sagte
er. als er eines Nachmittags bei ihr
vorsprach, glauben Sie ' mir. die
Schneiderei ist unter ihrem Stande.
Wenn Sie mich, dem alten Freund Ih
rcr seligen Mutter, um Rath gefragt
hätten, ich würde etwas anderes für Sie
ausgesucht haben."
Was zum Beispiel. Herr Bürger
mcistcr ?"
Lieber Himmel. Sie sind doch ein
hochgebildetes Madchen, haben Ihr
Eramcn als wisscnschastliche Lehrerin
bestanden "
Und meine kleinen Geschwister?"
fragte Anna, ihn unterbrechend.
Tie geben Sie in eine Erziehung
anstatt. Sie können sie ohnehin nicht
immer bei sich haben. Wenn Sie z. B.
wieder ins Ausland gingen oder
wenn Sie sich verändern sich vcrhci
rathen "
Er stockte und bemächtigte sich einer
ihrer Hände, die durchaus die Näh
arbeit nicht lassen zu wollen schienen.
Mit einem warmen Blick, dcr Anna
etwas stutzig machte, suchte er ihre
Augen.
Mir fehlen die Mittel, Herr Bü
germeister," sagte sie kurz, meine &c
schwistcr in einem guten Institut
unterzubringen selbst wenn sie größer
waren."
Sie scherzen. Tie Mutter dcr
Kleinen hatte doch gewiß etwas Vcv
mögen."
Anna zuckte die Achsel. Ter Bürger
mcistcr hatte ihre Hand fahren lassen
und hüstelte nervös in sein Taschentuch
Wir sind alle vier gleich arm und
unversorgt zurückgeblieben," sagte Annv.
und sah ihn an.
O , das ist sehr betrübend, wirk
lich! Ihr Herr Vater deutete mir bei
seinen Lebzeiten das Gegentheil an
Ich glaubte, daß für die drei Kinder
gesorgt sei. Was werden Sie denn
nur mit den Kleinen ansangen?"
Sie bei mir behalten, Herr Bürqcv
mcistcr. Freilich mußte ich zu diesem
Zweck cincn andcrcn Erwcrbszwcig er
greifen. Tie Stunden brachten mich
kaum auf meine Kosten, wenn, wie dcr
Amerikaner sagt, '-time money" ist
tc Schneiderei nun. vorläufig wer
den wir dabei nicht verhungern."
Er fand sie großartig, bcqchrcns
wcrthcr als jc; sie sah auch hübscher in
dem edlen Eifer aus als je. Abcr,
sich gleich von vornherein mit den drei
Kindern belasten, das verlangte doch
reifliche Erwägung. Und bewegt drückte
cr ihr die Hand und ging fort.
weider ersieht sich das Schicksal oft
gerade die Edelsten und Muthigstc,n zum
Prüsstcin aus. Annas Elfcr und Crner
frcudiqkcit wurden auf eine harte Probe
gestellt.
ete arbeitete oft die Nächte durch
wenn der Tag nicht ausreichte, nur um
ihre Kunden pünktlich zu bedienen
Aber auf cincn griincn Zweig konnte
ie nicht kommen.
Tie Leute wußten sie und ihre Lei-
stungen nicht genügend zu schätzen. Sie
machten sich untereinander wein, Anna
schneidere mehr zu ihrcm Vergnügen
Tie erste beste Näherin entsprach ihren
Anforderungen am Ende ebenso gut
vor allen Tingen kamen sie, wie gesagt,
billiger" dabei fort. Trotz allcdcin
ward Anna nicht klcinmüthig.
Ta crkranktc das klcme Blondköpf-
chen an dcr gefährlichen Tiphtheric
Tie beiden Knaben wurden in die
Küche einquartiert, um vor Ansteckung
behütet zu werden. Es war mitten im
Winter.
Tie, Anordnungen dcs Arztes muß-
tcn rasch und gewissenhaft ausgeführt
werden. Anna sah sich genöthigt, ein
paar ihrer besten Kunden abzuweisen:
das Leben ihres Kindes ging ihr übcr
alles.
In dieser Zeit der äußersten Bedräng
niß, die dcr Ausfall dcr Einnahmen
und die kostspieligen Ausgaben im (st
folge hatte, entschloß sie sich zu dem
Bittgesuch.
Am Bett ihres Lieblings war es, in
einer ciug lallen Nacyl, wahrend die
beiden Knaben in dcr Küche schliefen.
armen Buben zum erstenmal
attcn sie ohne ihre warme Milchsuppe
u Bette gehen müssen!
Tas Blondköpfchen warf sich im Fie-
der wimmernd umher, und wollte dcr
chlaf es einmal in seinen sanftcn Arm
nehmen, dann mußte ihn Anna mit
dem gcfürchtctcn Jnhalicrapparat wie
der verscheuchen.
In einem dieser jammervollen Zwi-
chcnräume von Stunde zu Stunde,
zwischen dem Wimmern und den lauten
Klagen dcs Blondköpfchens, schrieb
Anna ihr Bittgesuch eiligst auf, ganz
wie das Herz es ihr im Äugenblick ein
gab. Es war dcr Nothschrci einer er-
(litten Seele der Hilferuf drei vcr-
waistcr, unmündigcr Kindcr aus dcm
Munde dcr mit dcm Elcnd ringenden,
mütterlichen Schwcster!
Tcn nächsten Morgen früh trug sie
das Schreiben auf die Post. Sie wußte
lbst nicht mehr, was sie geschrieben
hatte. Nur keines Fremden Rath und
Mitwirkung! Ihr Unglück war ihr zu
heilig. Tie lieben Nachbarn mit ihren
lbstqcfälllgcn Betrachtungen sollten
es ihr nicht entweihen.
Tas Blondkopschcn genas doch es
war ein Blümchen, das dcr Frost an
gehaucht hatte und das mit tausend
Äcngftcn gehegt und gepflegt werden
mußte, damit es nicht ausging.
Eines Tagcs trat dcr Bürgermeister
bei Anna ein, gchcimnißvoll, sehr bc
wcgt. Fräulcin Anna, es wcrdcn von dcr
Regierung Erkundigungen übcr Sie
eingezogen. Man scheint sich höheren
Orts für Ihre Familie zu intcreisiren
Wissen Sic, was das zu bedeuten hat i
Als sie nicht antwortete, fuhr dcr
Bürgermeister fort: Ich habe natitr
lich gesorgt, daß nur das Beste berichtet
wird r- dcr Wahrhcit gemäsz ver
steht sich."
Ich danke Ihnen !" sagte Anna
ruhig. Weiter war nichts aus ihr hcr
auSzubckommcn.
Sie sah blcich, üdcrwacht. vergrämt
aus. Tem Bürgermeister ging das
sehr nahe. Tas alte, zärtliche Jnter,
esse, das er so männlich unterdrückt zu
haben glaubte, regte sich. Er wäre
gern langer geblieben. Abcr fie begegn
ncte tirn so zurückhaltend. Er fühlte
sich besangen, als ob er ihr etwas fr
zubitten hätte.
Er kam den nach ten Zag wieder,
Anna war weder zutraulicher noch mit
thcilfamcr als zuvor; abcr sie sah wie
verklärt aus. Ihre Wangen blühten
... : . v :c st.. si . . . i i . .
iniiHT, lyik Iiucn Iirulllicu. a
war nur mit ihr vorgegangen?
Ir konnte ia Niemand ahnen, was
Anna in ihrer Briefmappe auf dem
Sophatisch verborgen hielt: ein Schrei
den, an sie persönlich gerichtet, allerdings
mehr von persönlichem als osfizie!'cm
Eharaktcr. Ein paar Zcilcn nur, von
einer festen, männlichen Hand:
Sehr geehrtes Fräulein! Ihr Gesuch
vom 15. dieses Monats wird nach Krüf
ten befürwortet werden. Es ist mir
eine besondere Ehre, Sie versichern zu
dürfen, daß es hier lebhaftes Interesse
wachgerufen hat. Ich hoffe, Ihnen dem
nächst günstige Mittheilungen machen
zu können. Verlieren Sie inzwischen
nicht Ihr Gottvertraucn und Ihren
schönen, edlen Muth! Hochachtungsvoll
Werner, ckrctär im königlichen Eivil-
kabinett."
Als mit dem März dcr Frühling ins
Land kam, siedelte Anna mit ihren
kleinen Geschwistern in ein Ostsccbad
Tann lcuchtcten ihre Augen auf. Es
kam wie eine Offenbarung übcr sie.
Sie ergriff die Hand des Fremden.
Herr Werner aus Berlin nicht
wahr? Sie find eö, dem ich jene unser
geßlichen. freundlichen Zeilen und die
Bewilligung meines Gesuches verdanke!
Hier, schauen Sie das Blondköpfchen
an! Als ich damals meine öffentliche
Bitte um Unterstützung verfaßte, rang
das Kind mit dem Tode. . ."
Ein Zimmer war eigentlich nicht
mehr frei; abcr Anna räumte dcm Gast
ihre Wohnstube ein.
Ticscr meinte, in seinem Leben die
Ferien noch nicht so schön verbracht zu
haben.
Tie Kindcr besonders das Blond-
lopschcn, gewannen im c türme sein
Herz. Er hatte vor Jahren ein umgc
blühendes Weib verloren und war seit
dcm ein einsamer Mcnsch gcwcscn.
Jetzt war es, als ob sein Herz neue
Knospen schlug im Sonnenschein aller
dieser lachenden Kinderaugcn. die
sämmtlich den dunkleren, tiefblauen
dcr älteren echwestcr Anna glichcn
Als er nach Ablauf von vier Wochen
den Kindern mittheilte, daß cr nun
morgcn fort müßte, ließen sie die
Köpfchen hängen.
Kommst du bald wieder?" fragte
das Vlondtopschcn
Ich denke doch wenn eure Schwester
Anna es nämlich erlaubt
eis saßen aus dcr Vcranda in Annas
i,ami!icncckchcn, Es war um die Zeit.
wo die Kinder zu Bett gebracht wurden
-ic sagicn ocm neuen uncl" unge
wöhnlich zärtlich und ausfuhrlich Gute
nacht.
Als Anna, die Klcine an dcr Hand.
mncingcycn wouic. fragte ferner
eigenthümlich gcprcßt: Tarf ich Sic
nachhcr noch auf cincn Augcnblick hicr
erwarten, Fräulcin Anna? Es ist ja der
letzte Abc,."
io cr oursic: coe Minute, oie er
dich darauf ein: wenn das Laub, das
hier die Veranda beschattet, ansärc
roth zu werden, dann komr.e ich
hole mir meine Frau und meine Kni
der."
iirat
ufo
Gacnl'lcnncn und SpSferce.
Über, wo sie nach kurzer Vorbereitungs- noch unter ihrem Tache weilte hätte sie
zeit eine Pension für Badegäste eross- festhalten mögen
nete
Tcr -tadtklatsai wollte wissen, eine
hochgestellte Persönlichkeit Hütte sich für
sie dahin verwandt, daß ihr von höch
stcr Stelle eine bedeutende Summe als
Erziehungsgcld für ihre Geschwister
angewiesen worden sei. Wer anders
als der Bürgermeister könnte das wohl
gewesen sein? Um so mehr verwunderte
man sich, da Anna mit den Ge
schwistcrn jetzt das Städtchen verließ,
anstatt die Kleinen in ein Erzichungs-
Institut zu thun und rau Bürger
meister zu wcrdcn
Ein Jahr war vcrgangcn. Annas
Farnilicnpcnsion, das Strandhaus",
erfreute sich eines starken Zuspruchs,
so da sie daran dcnkcn konntc, ihre
Räumlichkeiten zu erweitern. Tie in
ihrem Hause herrschende Solidität und
Sauberkeit hatten sich einen Ruf cr-
worden.
Tie beiden älteren Knaben besuchten
letzt schon die Schule. Blondköpfchen,
das sich in der köstlichen Seeluft voll-
ständig erholt hatte, wurde von den
Pcnsionsgüstcn verhätschelt.
i3 war cm sonniger Morgcn ndc
Juli, um die Zeit der Badcstundcn.
Im Strandhaus" war es so still, daß
man vor dcr Thür das Rauschen dcr
See hörte. Tie Sonne streute goldene
Lichterchcn in das üppige Grün der
Waldrebe und dcr Klcinatis, dic dic
Veranda an der Front umrankten.
In dem Vorgarten schnitt Anna
rische Blumen für dcn Speisctisch,
währcnd das Blondköpfchcn in seinem
hellen Kleidchen wie ein Schmetterling
hin und her gaukelte.
Ich halte dir dcn Korb, ia. Anna?"
zwitscherte das kleine Mädchen. Tarf
ich diese Stiefmütterchen pflücken? Aber
diese Ro,e. bitte, bitte! Tie sollst du
haben." Und sie gab auch nicht nach
bis die Schwester die rothe Rose an ihre
Brust steckte.
Hier, diese Levkojen darfst du
pflücken. Thu' sie abcr hübsch in dcn
Korb! Ich muß in dic Küchc."
Kcinc von dcn bcidcn Schwestern ach
tcte auf dcn Fremdling, der schon zum
zweiten Mal langsam am Strand
hause" vorbeiging. Als Schwester
Anna in das Haus trat, guckte cr übcr
das grünc Stakct, das das Gärtchcn
von dcr Landstraße trennte.
Ist das deine Mama. Blondköps-
chen?" fragte cr freundlich.
Xsl5 mno, oem oie coeuiung oiecs
Namens fremd war, schaute dcn unbe
kannten Herrn verwundert an, sagte
abcr flink: Eine Mama habe ich nicht
Das ist unscre liebe Schwester Anna
Willst du uns besuchen?"
Allerdings. Tarf ich hcreinkom-
men?"
Ta hielt Blondköpfchcn cs doch für
gerathen, ins Haus zu laufen.
Anna, Schwcstcr Anna, da ist cin
remder Herr!"
Einen Augcnblick, dann trat die Ge-
rufcne auf die Veranda erhitzt von
dcm Hcrdfcucr, frisch und stattlich zu
gleich in ihrcm saubern, hellen Mor-genklcid.
Der Fremde stand ihr gegenüber.
Mit unvcrbolcncm Wohlgefallen glitt
sein Blick übcr das anmuthigc Frauen-
bild.
Mcin Name ishWerncr," sagte er
schlicht. Ist bei Ihnen noch ein Platz-
chen frei für einen abgearbeiteten Be-amtcn?"
Ucbcrrascht und fragend schaute
Anna auf dcn stattlichcn Fremden mit
dem dunklen Vollbart, den die ersten
Silbcrfädcn durchzogen.
Während sie fort war, schrieb er beim
scheine dcr Lampe etwas auf.
Es wuroe inzwischcn dunkel. Tic
letzten von dcn Badcgästcn, die noch
braunen sancn, zogen ,ch m ihre Zim
mcr zurück.
Ta kam Anna wieder heraus. Ihr
Blick siel aus das Papier unter seiner
Hand.
Clever .nimrnci," vamic ie cr-
schrecken, cr scheint seine Rechnung
auszusetzen. Tas darf er mir nicht
anthun! Nein, wenn cr morgcn Ab-
schied nimmt, sage ich ihm, wie sehr
wir uns frcucn würden, wenn er uns
nächstes Jahr wieder besuchen will und
und dann er wird verstehen."
Werner stand auf.
fräulcin Anna," sagte er, wäh-
rcnd cr das Papier zulammcnboa
wollen ic die Gütc haben, dicö
durchzuschcn?"
Also doch!" dachte sic, die unglüch
liche Rechnung! Konnte cr mir dic nicht
erlassen?"
cie war ganz roth geworden. Ihre
Augen wichen den seinen aus. Er
sollte nicht sehen, daß sic feucht gcwor-
dcn warcn.
Was ist cs?" stammelte sic.
Ein Bittgesuch. Sie wurden mich
zu großem Tank crpfllchtcn. wenn eie
es sofort erledigten sagen wir: in fünf
Minuten. Ich gchc derweil im Garten
auf und nieder
Sic stand, das Papier in dcr beben-
dcn Hand. In dcm Gärtchcn vor dcm
Hause inirsqtc dcr Ziics unter einen
schritten
Tas Herz klopfte ihr zum Zcrsprin-
gen. ivuns Minuten war eine kurze
Zeit dennoch lang genug, um sic bis
aus dcn Grund zu erschüttern.
Als Werner zurückkam, hielt sie noch
immer das schreiben in dcr Hand und
dcn Blick darauf gcscnkt. Ihr Ecsicht
gluhtc.
Ter Morgen eines großen Glücke
ging leuchtend in ihrer Seele auf.
'juin, Fräulein viniiar fragte er
leise.
Sic wandte sich ihm zu. Ein Helles
Lächeln breitete sich über ihr Antlitz
Bewilligt!" sagte sie, und ihre
Stimme klang tief und rein wie eine
Glocke.
Turch das Gcranke vor dcr Veranda
stahl sich cin Mondstrahl und blieb
r: 1 i .. v es v . r. .
inucni un vcin vlvnvcn iiuiiiji ocs
Mädchens ruhen. Tas dunkle dc
Mannes ncigte sich ihm zu; da war es.
als ob eine Glorie beide umwob.
Taß du es nur weißt. Geliebte.
flüsterte er, ich habe mich ehrlich nach
dir gesehnt, seitdem ich dein Bittgesuch
las. In deine opferfreudige.
TaS Telmenhorstcr KreiSblatt"
schreibt: ..Vor langer als . Jahren
wohnte hicr ein alter Arzt Namens
Oppermann. der ein großer Natur
sreund war und der Nachwelt eine im
Museum zu Oldenburg befindliche
große, alle hier wild lebenden Vogel
raffen umfassende Eiersammlung sowie
eine große Anzahl ausgeslopstcr ein
heimischer Vögel hinterlassen bat. Auch
dic in die Rinde cinacciöten Zeichuun-
gen in dcm Buchcnbcstande unseres
Thiergartens nahe dcr Oldcnburgischcn
Ehaussce. als der Hirsch dcr Tiana
u. s. w. rühren von ihm her. Tiefer
Tr. Oppcrmann hatte eines TagcS
cincn Hasen lebendig gefangen, dcn er
seinem Freunde ftonipli in Bremen, dcr
ebenfalls cin Thicrfrcund war und auch
in seinem Garten wilde Thiere in
Käfigen zu seinem Vergnügen hielt, zu
gedacht hatte. Er sagte daher zu seinem
alten Arbcitsmann: Jan. Tu kannst
dcn Hasen woll in'n Sack kriegen und
bringen cm na Bremen, na dcn ahlcn
Konitzli an'r Slicvmühlcn."
Jawoll," sagtc Jan, micnthalbcn
kaun dc Rcis' foglict loSgahn."
Jan wußte wohl, daß dcr alte
Konitzki nicht knauscrig mit ZrinkgcrM
war; auf cincn Bremer Gulden konnte
er leicht rechnen. Tahcr war cr so
hurtig und machte sich, als cr noch ein
tüchtiges Buttcrbrod cingcstcckt hatte,
mit Mcistcr Lampe sofort auf dcn Wcg.
Allcs gcht gut, bis daß cr kurz vor
Bremen nach Wahrthurm kommt.
An dcr Ochtung es ist Montag
stehen dic Eigarrcnmachcr und angeln.
Jan kommt mit ihnen in's Gespräch
und erzählt natürlich von dem Hasen
und dem alten Konitzki und gcht dann
nach dcr Voßmcycr'schcn Wirthschaft,,
um fein Buttcrbrod zu essen und cin
Glas Braunbicr zu trinkcn.
Tie Eigarrcnmachcr habcn indcsscn
ihrcn Plan gcschmicdct. Sie nehmen
dcn Hasen aus dem Sack und setzen
Voßmcicr's großcn Katcr hincin.
Unscr Jan gcht, ohne auch nur eine
Ahnung von dcm Streich, der ihm ge
spielt ist, zu haben, mit seinem Sacke
ruhig weiter und kommt denn auch
endlich auf dcr Tchlcifmühle an.
Tcr altc Konitzki, hoch erfreut Übcr
die Sendung, sagt: Kumm her, Jan,
wi will cm glicks in't Buur fetten."
Im Gartcn, vor eincm gcräuinigcn
Käsig, langt erst dcr alte Konitzli in
dcn Sack, um Lampe herauszuholen.
zieht aber schleunigst seine Hand mit
einem lauten Schmerzensschrei wieder
heraus und sagt: Mi hctt dat Lork
bqten!"
Jctzt wird die Sache mit Vorsicht
näher untersucht und man findet eijjcn
großen Kater im Sack. Ten Tcibel
kann ick abcr ncch brukcn, dat kannst?
den Toktor man fcggcn," sagtc dcr alte
Konitzti, und so mußte Jan ohne Trink
geld wieder abschieden.
Erst überlegt er, er will den Tack
mit dem Katcr in die Weser werfen,
dann abcr sagt cr sich wieder, dcr
Tottor müsse doch auch sehen, daß es
hicr nicht mit rechten Tingen zugehen
könne. Und so in seinen Gedanken
kommt cr wieder bei Voßmcicr an und
trinkt crst auf seinen Aerger einen, sagt
abcr niemand etwas.
Tie Eigarrcnmachcr haben ihn schon
kommen schcn und auch seine trübselige
Miene richtig taxirt. Tcn Katcr aus
dcm Sack und dcn Hascn wicder hincin
. . :n. . , i :-. ii
zu innigen, ,,i vus eri eines Augen-
blicks und so zieht Jan dcnn mit dem
Langohr wicder dcr Heimath zu.
ju Hause angekommen, erzählt er
nun, wie cs dem alten Konitzki und ihm
ergangen sei, daß der Hase sich in einen
Kater verwandelt hätte und dat de
ganze Geschichte nicks als Spökcree wör.
Tat kann ,o gar nich angahn, sagt
darauf Tr. Oppcrmann und revidirt
dcn Sack, wo er Lampe ganz friedfertig
vorfindet. Nu äbertüg Ti doch, Jan,
dat et cu Hase is."
Och wat," sagt Jan. dat is nicks
als Ogcnvcrblcnneree. In Telrncn
horst is ct cn Hase und in Bremen iZ
et en Kater. Sebn se. liier kät be
mi bäten un dcn ohlen Konitzki hctt bc
klcit! Nicks as Ogcndlcnnen un Spökcree!"
Seele eröffnete es mir dcn Blick. Tie
hat die Vorsehung dir zugeführt, dachte
ich, zur Entschädigung für dic lange
Einsamkeit deiner jüngeren Jahre! Gc-
wisz, cs war cm romantischcr Gcdankc,
Anna! Aber cr ließ mir seine Ruhc.
&) mußte dich aufsuchen. Und als ich
dich sah, da sprach mein Hcrz: der oder
keiner reichst du dein Bittgesuch cin,
altcr Knabe!"
Abcr ich bringe dir gleich drei
Kinder in dem stilles Haus, du Guter!"
murmelte sie.
Tcsto besser!" sagtc er, dann wird
es mau langer nu uno ooc sein.
Tic ließ es geschehen, daß er sic an
seine Brust nahm. Ein unsägliches
Wonnegefühl durchzittertc sic, daß sic,
die bisher nur gelebt hatte, um
Tchwächcrcn eine Ttützc zu fein, jctzt
an einem tarieren eine solche gcsun
den hatte.
Wir nehmen morgen nur cincn
kurzen Abschied," fuhr cr fort. Richtc
Vin Tchildbürgerstückchkn.
In dcm Torfe Türnpclshauscn soll
große "n ncuer Gcrneindcweg angelangt wer-
dcn. Ter Gcomctcr kommt, richtet den
Weg und steckt ihn mit Mühe und An
strengnng durch Pflöcke ab. Das Werk
wird vollendet, dcr Gcomctcr bcgicbt
sich zum Gcmcindcvorstcher und sagt:
Jctzt bitte ich, geben Sie acht, daß die
Pflöcke über dcn Sonntag nicht gcstoh-
lcn wcrdcn." Am Montag kommt dcr
Gcomctcr wieder. Siche da: die Pflöcke
sind fort. Ter Porsteher hat sie, damit
sie nicht gestohlen würden, im Gemeinde
Hause aufbewahren lassen!"
?ondcrlmre Ursache.
Frau: An was ist denn das Kind
der Haiiöincistcrin gestorben. Arnia?"
Tienstinädchcn: Ich qlaubc an Alters-
schwächc!"
5cine !5cwcssiil?r!iiig.
Baron: Waren Sie bisher auch bei
einem seinen Herrn in tcuuiigk
Lakai: ..Freilich, da probircn Tic
einmal eine von seinen Eigarrcn!" jl
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