Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 08, 1899, Page 190, Image 10

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Der Hausfreund.
und eben eine große Reise antrete. Das
war der letzte Brief. Sie hörte nie
mehr etwas von ihm. Sie weinte viel,
bis ein Umstand eintrat, der ihre Ge
danken für eine Zeit lang ablenkte.
Das Mädel kam zur Welt. Josefine
wurde es getauft. Er hieß Josef. Sie
sollte wenigstens seinen Taufnamen
tragen, wenn sie sonst den Namen der
Mutter tragen mußte.
Mit jener großen Liebe, die Gott
dem Weibe ins Herz gelegt hat, widme
te sie sich ihrem Kinde. Leicht wurde ihr
die Erziehung nicht. Die Eltern starben
ihr. Sie hatte Niemanden. Und sie war
furchtbar arm! Schwer mußte sie ar
beitcn. die Nacht mußte sie zum Tage
machen, um das Auskommen zu sin
den. Denn der Kleinen durfte nichts
abgehen. Die wurde erzogen und mußte
lernen, als ob sie reicher Leute Kind
wäre. So wuchs sie heran, gut, brav
und schön, ein frappantes Ebenbild
der Mutter von einst. Leute, welche
Leni ehemals gekannt hatten, schlugen
d!e Hände über dem Kopfe zusammen
über die Ähnlichkeit.
Und es kam auch der Tag, daß sich
Einer in die Josefine vergaffte. Er war
bei einer Eisenbahn angestellt. Durch
Prctection war er dort hineingekom
wen. Die Protectiön hatte er verloren,
und so kam er nicht vorwärts. Das
mußte aber einmal doch geschehen, und
sobald er zum definitiven Beamten er
nannt war, wollten sie heirathen. Dar
auf warteten sie schon beträchtliche Zeit.
Du Realisirung des Wunsches rückte
nicht näher. Jede Ernennung brachte
ihnen eine Enttäuschung. Er war brav,
fleißig, sein Bureauchef gestand ihm
das zu, aber er fand nirgends eine
Brücke zu dem einzigen, allmächtigen
Manne, zu dem Generaldirector, der
sein Glück ach! das Glück so Vieler
in Händen hielt. Wie zu diesem
Manne gelangen, wie sein Herz rüh
ren? Da faßte Josefine einen Entschluß,
den sie vor der Mutter und dem Ge
liebten geheim hielt. Die hätten sie
scnst schön heimgeschickt. War sie doch
im Begriffe, einen Kinderstreich zu be
gehen, der seine Zukunft unter Um
ständen gänzlich vernichten konnte.
Daß sie ihn dadurch lächerlich machen
konnte für immer, das war ihr. nicht in
den Sinn gekommen. Josefine that
nänilich nicht mehr und nicht weniger,
als daß sie direct zu dem allmächtigen
Eeneraldirectsr ging.
Der sah sich das schöne, junge Blut
lange an, schüttelte das Haupt, fuhr
sich mit der Hand über die Stirne,
schüttelte dann wieder das Haupt und
f'vg um ihr Begehr. Sie sagte resolut,
was sie hergeführt habe. Der General
director hörte ihr mit halbem Ohr zu.
Wo hatte er dieses Gesicht schon gese
ben? Wie heißen Sie?" frug er end
lich. Jostfine Schwarz!"
Schwarz?" Festen Blickes fixirte er
das Mädchen . . . Mit einemmale er
innerte er sich an etwas, woran er schon
.lange, lange vergessen hatte . . . Ihr
Vater?" frug er rasch. Ich habe
ihn nie gekannt. Er ist schon lange
todt!" Die Mutter?" Leni
Schwarz!"
Dem großen Herrn wurde es ganz
eigen zu Muthe. Er konnte den Blick
des Mädchens nicht aushalten ... Es
ist zu dumm, daß ein Generaldüector
den Blick eines solchen Kindes nicht
aushalten kann. Zu dumm, daß er sich
von einem solchen zufälligen Zusam
mentreffen bestimmen ließ, der Sache
Ernst beizumessen. Aber er frug doch
weiter. Mit kühler Ruhe, wie sie einem
so mächtigen Herrn eigen ist, frug er
Dieses und Jenes. Richtig war es die
selbe Leni Schwarz. Ujid wenn er die
Rechnung stellte und von dem Mädel
hörte, wie alt es auf die Stunde sei,
dann wußte er noch mehr ...
Was kam ihm doch auf einmal in
den Sinn, dem großen Herrn? Er
wurde barsch, fuhr sie an. Sie solle ih
res Weges gehen. Schlechte Beamte das,
die sich von Mädchen protegiren lassen.
Wenn er keinen anderen Protector
hat . . ." sagte sie dreist. Und ohne
sollen geht es nicht bei der Bahn, sagt
er immer," setzte sie naiv hinzu. Da
mußte er lächeln. Und es wurde ihm
auf einmal weich ums Herz. Aeußerlich
schien er aber rauh. Es passe einem so
jungen Mädel nicht, was sie gethan
habe, sagte er. Die Mutter soll selbst
kommen. Morgen gleich. Um elf Uhr
werde er für sie zu sprechen sein.
Daheim glauben sie, die Pcpi sei
vtirllckt geworden, als sie beichtete.
Dc.nn sahen sie, daß der Kinderstreich
ernst war. Der Geliebte war böse,
stürzte fort, wollte nicht mehr wieder
kon.men. die Mutter fchalt, aber am
nächsten Tage ging sie doch zum Gene
raldirector. 'Vielleicht doch! Was thut
eu'e Mutter nicht alles für ihr Kind?
Und als sie heimkam, konnte Jose
sine es gar nicht fassen, was für Aen
dnung mit der Mutter vor sich gegan
gen sei. Sie schien verjüngt, sie schien
eine Andere geworden zu sein. Es
dauerte lange, bis die Kleine sie dazu
brachte, zu sagen, was sie beim Gene
raldirector erreicht habe. O, mehr als
Jcsefine gedacht hätte. Er sei ein Jung
geselle und bedürfe dringend für sein
Hauswesen eine Leiterin. Dafür hätte
er sie engagirt. Und in Zukunft sei es
mit der Arbeit und der Plackerei vor
bei. Was den jungen Herrn anbelangt,
wenn die Pepi durchaus auf ihm be
stünde, müsse man eben sehen, daß er
rasch vorwärts kommt . . .
Und Josefine sagte zu ihrem Lieb
sttn vorwurfsvoll: Da haft Du immer
gesagt, daß der Generaldirector für
Leute, die keine Protectiön haben, nicht
zugänglich ist? Bei dem gibt es leine
Protectiön . .
R e g e n w e t t e r.
Wenn mein SchLtzchen schmollt
Mir ein bißchen grollt,
Sieh, dann denk' ich immer:
Lange währt es nimmer.
Bis das Ungewitter zieht vorbei.
Weißt du. der April
Thutauch, was er will;
Doch von kurzer Dauer
Sind die Regenschauer,
Und dann folgt der wunderschöne
Mai.
Glossen.
Wer nicht liebt Wein, Weib und Ge
sang. Der bleibt ein Narr sein Leben lang."
Ein trefflicher Spruch ich räume es
ein;
Nur müssen die drei auch genießbar
sein.
0
GünstigerMoment.
Du warst also in Gesellschaft Dei
nes Bräutigams während der Mond
finsternis draußen. Habt ihr auch den
Moment der totalen Verfinsterung ge
nau beobachtet?"
Ach nein, Tantchen, zu der Zeit ha
ben wir uns geküßt."
0
Surrogat.
Hausfrau: Mina, warum rasselst
Du denn so furchtbar mit dem Blechge
schirr?" Köchin: Ach Jott. Madam, mein
Dragoner kann heut' nich' kommen und
da imitiere ick mir 'n bißchen Säbelje
rassel." AuseinerVertheidigungs
rede. Vertheidiger: Und dann bedenken
Sie, meine Herren Geschworenen, noch
diesen Umstand: bei seinen langen Ar
men hätte der Angeklagte einen viel tie
feren Griff in die Kasse thun können,
als er ihn faktisch gethan!"
Ein Eingefleischter.
Sie: Kein Wunder, wenn Dir
der Kopf weh thut, Du hast ja gestern
wieder 6 Maß Bier getrunken."
Er: Die hätten mir nicht geschadet.
Weiberl; aber vorm Bettgehen hab' ich
noch ein Glas Wasser getrunken."
0
Grausame Strafe.
Wie strafen Sie Ihren Mann.wenn
er Sie einmal besonders ärgert?"
Dann muß er auf den Junggesel
lenstand schimpfen."
0
Das Alter brüstet sich immer mit
seiner Erfahrung, selbst dann, wenn es
nie eine gemacht hat.
Wie man sich verlobt.
Ekizz? on ?r truij4 0 (Vrnil Aoa4
Frühling und Sonnenlicht.
Die Zweige des Goldregenbaumes
beugten sich unter dem Gewicht der
schweren Blumendolden. Die Päno
nien glühten beim Kuß der Sonne, und
der Flieder erfüllte die Luft mit mil
dem Wohlgeruch, während der wilde
Wein seine frischen, grünen Ranken
um die hell gemalten, schlanken, eiser
nen Pfeiler liebkosend schmiegte.
Zwei Damen befanden sich auf der
Veranda; sie waren Schwestern, ob
gleich sie einander eigentlich wenig gli
chen. Die ältere, Amalie, die Frau des
Hauses, war eine reife Schönheit niit
strahlenden, dunklen Augen, schwarz
zem Haar und üppigen Formen. Sie
stützte sich aufrecht stehend an eine
Säule und starrte gedankenvoll vor
sich hin.
Die Schwester Betty saß auf der
Treppe, die Hände um das eine Knie
gefaltet. Sie war ein ganz jungesMäd
chen, fast noch Kind.mit blonden Locken
und lächelnden, blauen Augen.
Betty erhob den Kopf.
Sage mir, Amalie, wie machtest
Du es damals, als Du Dich verlob
test?" Damals, als ich mich verlobte?"
Ja. Was sagte er und was sagtest
Du?"
Das dessen entsinne ich mich
nicht."
Aber Amalie, das mußt Du doch
noch wissen!"
Betty. Du bist ein großes Kind.
Du denkst doch wohl nicht daran. Dich
zu verloben?"
Nein; denn ich glaube eigentlich,
daß ich bereits verlobt bin."
Aber Betty"
Das Unglück geschah gesternAbend,
wenn ich verlobt worden bin; denn wir
beide sprachen kein Wort. Nur "
Nur?"
O, Du verstehst mich recht gut
denn, siehst Du, das Ganze ging
folgendermaßen zu. Als wir gestern zu
Abend gegessen hatten und Du am Pia
no saßest und phantasirtest, Dein
Mann war im Schaukelstuhl fast einge
schlummert kam der Leutnant her
aus zu mir auf die Veranda. Ich saß
ebenso hier, wie ich jetzt sitze, und da
setzte er sich neben mich. Dann weiß ich
eigentlich nicht, wie es weiter zuging;
aber er schlang seinen Arm um meine
Taille."
Und das erlaubtest Du, Betty?"
Nun, wenn man auf einer Treppe
ohne irgend welche Rückenstütze sitzen
muß, dann sitzt man doch viel besser
so."
So. das thut man? Weiter?"
Plötzlich fühlte ich seinen großen
blonden Schnurrbart auf meiner
Wange. Ich habe bisher stets geglaubt,
daß es unangenehm fein müsse, mit ei
nem solchen Schnurrbart in Berührung
zu kommen; aber das war keineswegs
der Fall. Der Bart war so fein und
weich. Und denk Dir, plötzlich nahm er
sich einen Kuß!"
Er nahm einen Kuß?"
Ja, er nahm nur einen, denn die
anderen bekam er. Es waren gar nicht
so wenige. In demselben Augenblick
kam das Mädchen mit der Lampe, da
erhoben wir uns beide und traten in
die Stube. Bemerktest Du nicht, wie
roth wir waren? Und daher müssen wir
wohl verlobt sein nicht wahr?"
Aber sagte er denn nicht ein einzi
ges Wort?"
Ja, als er ging, drückte er mir die
Hand und flüsterte: Morgen werde
ich mit Deinem Schwager sprechen."
Er sagte Du, das war doch sicherlich
deutlich genug."
Nun, dann werden wir also hören,
was mein Mann sagt, sobald er zu
Mittag nach Hause kommt.
Wir können ihn jeden Augenblick
erwarten. Amalie. Ich hörte die Loco
motive pfeifen."
Die Hausfrau beugte sich über das
Geländer und sah auf den Weg hinab.
Dort kommt er. Aber er kommt
nicht allein, der Leutnant begleitet
ihn."
Da kannst Du sehen, daß es den
ncch eine Verlobung war. Ach mein
Gott, ich schäme mich so feh! Ich .
glaube, ich laufe ins andere Zimmer." '
Zu spät, zu spät! sie sind bereits
hier." i
Der Leutnant stand in der offenen '
Gartenthür, kühn und kräftig in seiner 1
dicht anschließenden Uniform, während
die Sonne auf seinen blanken Knöpfen '
spielte und seinen dicken blonden
Schnurrbart fast vergoldete.
Er führte die Hand militärisch an :
die Mütze, sein Gesicht strahlte.
Betty hatte sich erhoben und stand
mit gesenkten Augen da und spielte er
röthend an den Atlasschleifen ihres
Kleides.
Hinter den jungen Leuten wechselte
das Ehepaar schelmische Blicke.
Es mußte sicherlich doch eine Verlo-
bung sein.
G a st w i r t h s-G e b u r t s t a g.
Dein Stammwirth feierte gestern
seinen Geburtstag?"
Ja. er gab ein paar Flaschen vom
schlechtesten zum besten."
0
Appell.
Angeklagter: Jessas. seien S' still,
Her.r Staatsanwalt! So arg wie Sie
setzt mi' ja als nit mei' Alte 'runter!"
n
Stille Freude.
Emporkömmling (früher als wenig
skrupulös bekannt): ' Ja, rasn man
sieht, wie sich die Menschen begaunern,
freut man sich, daß man das alles hin
ter sich hat!"
EinguterKerl.
Sie: Nun, wenn ich Dir so unaus
ffehlich bin, warum läßt Du Dich nicht
von mir scheiden?"
Er: Aus purem Mitleid mit mei
nem Nachfolger."
Der erstaunte Ehemann.
Der ältere Student dort, welcher
nächstens ins Examen steigt, ist schon
verheirathet."
Ehemann: Ach, kann ein Mensch
gleichzeitig so viele Prüfungen ertra
gen?!" 0
Findig.
A: Der Postsckretär hat ja eine so
reiche Frau gefunden!"
B.: Ja, es geht nichts über die Fin
digkeit der Post!"
0
Schneidig.
Herr (am Meeresstrand): Was ha
ben Herr Leutnant denn vor?
Leutnant: Bloß 'mal Briefmarke
am Ocean anfeuchten."
o
Jmmerderselbe.
Wie ich sehe, sind Sie von Ihrer
lebensgefährlichen Krankheit wieder
glücklich genesen." i
Händler Hirsch: Ja, des Tod hat
noch einmal mit sich lassen handeln."
Ein O p t i m i st.
Eben bist Du durchgefallen und
säufst Sekt?"
Bemoostes Haupt: Trinke aufsGe
lingcn beim nächsten Mal!"
0
Bezeichnend.
A. : Wie der Assessor fromm Hut,
wenn er bei seiner reichen Tante
weilt!"
B. : Ja, der ist sehr tausendmark
scheinheilig." 0
Gedankensplitter.
Frauen bleiben ewig Kinder, wenn
sich's um etwas Glänzende handelt.
Wenn man sagt: Die Welt spricht."
ist diese oft nur ein altes Weib.
Ein guter Vorsatz gleicht einem Nc
genschirm: man vergißt ihn leicht.
Mancher verspottet den thörichten
Glauben der Einfältigen und hält sich
für klug, weil er nichts alaubt; er weiß
aber nicht, daß er selber den größten
Unsinn glaut, nämlich: er sei klug.
i
A
n.