Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 25, 1899, Image 12

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    Die luusjpcthcFc
Cin HeiiereS O'tidi'.Aidicn von 23. Zrnkinz
Wenn Iran Tippelmann die An
schassung irgend eines neuen yudichen
Stiickes für die Zimmereinrichtung oder
eine? ihr praktisch erscheinenden Gerä
theS für Küche oder HauSwirthschaft bei
ihrem Manne nicht durchsehen konnte,
so pflegte sie diesen Gegenstand bei der
nächsten Gelegenheit dem Gatten als
Angebinde zu Weihnachten oder zum
Geburtstage zu verehren.
Tas ist eine sehr empfehlenswerthe
Manier, die in konsequenter Turchsuy
rung dem Tippelmann'schen Haushalte
schon manchen ansehnlichen Inventar.
Zuwachs eingetragen hat. So sind die
Portieren zwischen der guten Stube und
dem Eßzimmer ein MvurlSlagsgeiaienr,
das die liebende Gattin schon vor Iah.
ren ihrem Eheherrn machte, der Servir.
tisch hat seiner Zeit als Gabe für den
Mann unter dem Weihnachtsbaume ge
standen, und auf dieselbe Weise sind
viele andere nützliche Jnventarstücke in
den Besitz der Familie gekommen.
Herr Tippelmann freute sich bei sol.
chen Ueberraschungen natürlich immer
ungeheuer, gab der auf des Hauses Zier
bedachten besseren Hälfte einen herz
lichen Tankeskutz und bezahlte ganz im
Stillen die Rechnung, die ihm nach der
üblichen Frist von dem betreffenden
Geschäfte über das Geschenk zugeschickt
wurde.
In der allerjüngstcn Zeit hatte sich
nun in der Tippelmann'schen Faniilie
ein Mangel bemerkbar gemacht, der von
der Hausfrau mehr und mehr als
drückender Uebelstand empfunden wurde.
Es fehlte nämlich eine Hausapotheke.
In den abgelaufenen 15 Jahren der
Ehe hatte man unbegreiflicher Weise
ein solches Möbel garnicht vermißt.
Tie Gläser, Büchsen, Schachteln und
Tüten, worin der eiserne Bestand an
Pfeffermünzthee, Wurmkuchen,Cholera.
Tropfen und allen den übrigen zahl,
reichen Hausmitteln, die in einer mit
Kindern gesegneten Familie immer zur
Hand sein müssen, verwahrt wurden,
hatten bisher an verschiedenen Stellen
der Wohnung ihr Tomizil. die Thee
düten im Küchenschranke, die Pulver,
und Pillenschachtcln im oberen Auszuge
der Nachtschränkchens, die Gläser und
Fläschchen auf dem Borte des Wasch,
tisches. Zur Hand waren sie dort im.
wer gewesen, und diese Ordnung der
Dinge würde auch wohl für die Zukunft
, noch vollständig befriedigt haben, wenn
nicht eines Tages eine Freundin der
Frau Tippelmann bei einem Damen
Kaffee eine Anwandlung von Migräne
bekommen und diese günstige Gelegen,
heit benutzt hätte, den versammelten
Damen einen Einblick in ihre nagelneue
und reizend eingerichtete Hausapotheke
zu gewähren, der sie nun ein Migräne
Pulver zur Bekämpfung ihres Leidens
entnahm.
Die Migräne schwand sofort, so daß
Frau Dippelmann nachträglich aller.
Hand Zweifel an der Echtheit des An.
falles aufstiegen. Dafür aber empfand
Frau Dippelmann seit dieser Stunde
eine Sehnsucht nach dem Besitze eines
ähnlichen Apothekenschränkchens, und
diese Sehnsucht wuchs von Tag zu Tag.
Schade nur. daß der Gatte so gar
kein Verständniß für die Zweckmäßigkeit
eines solchen Möbels besaß!
Als sie ihm, anknüpfend an die Vor.
lesung einer sehr lehrreichen Auseinan.
Versetzung aus Klenkes Hauslexikon",
zuerst mit den Gedanken vertraut zu
machen suchte, vertheidigte er zunächst
hartnäckig die bisherige Gepflogenheit
des Hauses und schlug dann vor. das
eine der oberen Schränkchen im Büffet
den Apothekerwaaren einzuräumen.
wenn diese durchaus ganz unter sich
bleiben sollten.
Der Barbar! Als ob eine Hausfrau
ihr Vusiet zu dergleichen Zwecken her
geben würde!
Vergeblich blieb es auch, daß Frau
Dippelmann ihren lieben Kurt in den
nächsten Wochen mit großer Beharrlich
keit vor die Schaufenster der Möbel
Magazine führte und ihn dort durch
den Anblick allerlei niedlicher Schränke
chen zur Sinnesänderung zu verlocken
suchte, und so griff sie denn schließlich
zu ihrem alten oft erprobten Trick
Herr Dippelmann bekam die Haus
Apotheke zum Geburtstage. Eigentlich
hatte er diesmal Gardinen für die gute
Stube erhalten sollen, aber damit hatte
es zur Noth auch Zeit bis zum Weih
nachtsfeste.
Anfangs hielt Herr Dippelmann in
seiner Harmlosigkeit das in der That
sehr niedliche Möbel für einen Ziaar
renschrank, und daher war seine Freude
zunächst aufrichtiger als gewöhnlich
Als er aber probeweise ein Kistchen sei
er Trabucos hineinstellen wollte, zeigte
oer Raum zu wenig Tiefe; und auf die
Bemerkuilg. daß man den Schrank
wohl werde umtauschen können, erhielt
er nun erst von der Gattin über den
Zweck desselben die rechte Aufklärung.
Seine Stimmung wurde dadurch we.
sentlich gedämpft, wenn er sich das auch
nicht merkn ließ.
Am nächsten Tage war es das erste
Geschäft der Hausfrau, die neue Apo.
theke einzuweihen. Natürlich gehörte
sie ins Wohnzimmer, und weil dort
sonst keine passende Stelle an den Wän
den verfügbar war, so mutzte der Re
gulator seinen Platz, an dem er nun
schon 15 Jahre der Familie gute und
böse Stunden geschlagen hatte, aufge
den und wurde an die Fensterseite ge
hängt. Freilich hatte er da eine sehr
ungünstige Beleuchtung, man mußte.
immer ganz nahe herantreten, um das
Zifferblatt erkennen zu können; dafür
aber hing die Hau-apctheke nun sehr
wirtuna-voll über dem Servirtische.
Tie ganze Familie betlieitigte sich am
Elnkramen des -chranlchens. Alle al
ten. langst ausrangiltcn Medikamente
wurden bervorgcsucht. sogar das vor
staubte Gläschen mit Jakobsöl. das
der Hausherr mal vor 10 Jahren zum
Einreiben der erkälteten Sckulter be
nutzt hatte und dessen Inhalt jetzt zu
einer zähen, braunen Kruste zusammen
getrocknet war, und ebenso der defekte
Jnhalir Apparat, von dem der In
strumentenmacher schon im vorigen
Winter erklärt hatte, daß das absolut
unbrauchbar gewordene Ding auch
nicht wieder reparirt werden könne. Tie
Marublum, Pseffermunz und Brust
thee - Tüten mußten natürlich auch
heran, und so war das Schränkchen
bald stattlich gefüllt. Trotz des vom
Hausherrn erhobenen Einwands, daß
die Geier.Apotheke ja im Nachbarhaus
sei, man also jeden Augenblick alles
Nothwendige erhalten könne, holte Max
noch am selbigen Vormittage zur
Komplettirung des Schrankinhaltes
eine Rolle Heftpflaster, ein Packet Ber
bandwatte, einige Gazebinden und ein
Fläschchen Karbolwaffer, und schon am
Nachmittage konstatirte Frau Tippet
mann beim Oeffnen der Hausapotheke
mit Genugthuung, daß es darin schon
gerade so röche, wie in einer richtigen
Apotheke. Ta sie sich bei dieser Ge
legenheit dem nasalen Genusse etwas
lange binaeaeben hatte, so theilte sich
der widerliche Geruch auch dein ganzen
Zimmer mit, und man mußte gleich
nachher eine Weile Fenster und Thüren
aufsperren, wobei Herr Tippelmann
sich einen Schnupfen zuzog.
Zum Glück war Mentholin in der
Hausapotheke vorhanden, und so wurde
Herr Dippelmann der erste Patient kl
ner Frau, die sich von nun an mit
wahrem Fanatismus der Hellkunst be
mächtigte und stets nach neuen Opfern
auf der Suche war. DieOstertage
selbst lieferten schon günstige Gelegew
heit in Fülle. Bekanntlich hat der
Reichthum an allerlei Gebäck und
Zuckerwerk, den diese Tage mit sich
bringen, für Kinder und Erwachsene
leicht Beschwerden zur Folge; diesmal
aber war Mama Dippelmann mit ihren
Marzipaneiern, mit dem schweren Öfter
kuchen und sogar mit gefüllten QMo
ladensachen so freigebig, daß schon am
Abend des ersten Festtages alle drei
Kinder Veranlassung gaben, mit Mag
nesta und doppeltkohlensaurem Natron
aus der Hausapotheke einen Feldzug
gegen die deutlich bemerkbare Magen
verderbniß zu beginnen. Am anderen
Morgen nahm die Hausfrau selbst ein
Antlpyrln Pulver und rieth dem (sat
tcn zum Gurgeln mit übermangaw
saurem Kali, da sie bei ihm eine Hals
entzündung im Anzüge glaubte. Auch
die Kinder mutzten gurgeln, um der
m.n. k,k
illlCUUUl) UUIJUUIUIU. '
Als am dritten Feiertage Mathilde,
die geschäftige Hausmagd, beim Glä
serspülen, dem diesmal des Hausherrn
schöne? Spezialalas mit dem Mono
gramm zum Opfer fiel, sich eine kleine
Hautwunde am rechten Daumen zuzog,
wurde auch sie sofort in Behandlung
genommen. Zur Auswaschung mit
Karbolwasser und einem ArnikaBer.
bände waren alle Vorbedingungen vov
Handen, und obwohl Mathilde mit
aller Energie gegen ein solches Versah.
ren protestirte und erklärte, daß sie
Arnikatinktur an Wunden durchaus
nicht vertragen könne, setzte Frau Tip
pelmann ihren Willen durch, und acht
Tage lief das Mädchen mit einem so
umfangreichen Verbände an der Hand
umher, daß von Hausarbeit gar keine
Rede sein konnte. Dann zeigte sich
nach Mathildes Ansicht infolge der
Tinktur die kleine Wunde so bösartig,
daß man zum Arzte schicken mußte, der
kopfschüttelnd den Finger schnitt und
die Sache in weiteren acht Tagen wieder
glücklich m Ordnung brachte.
Wenn diese Erfahrungen den Kuriv
eifer der Frau Dippelmann auch nicht
gerade anfeuerten, so dauerte doch die
Lust zum Quacksalbern noch eine ge-
räume Zeit fort, niemand war vor ihren
Medikamenten sicher, und die Kinder
ergriffen schon die Flucht, sobald sie die
Mutter eine verdächtige ., Bewegung
nach dem verhängnisvollen Arznei
schränkchen machen sahen.
Da ereignete sich bei einer kalten"
Abendgesellschaft im Dippelmann'schen
Hause, daß der Hausherr einer feiner
vielen Lleblingsspeisen diesmal waren
es in Gallert gekochte Rippchen von
jungem Wildschwein reichlich viel
Ehre angethan hatte; selbst das von
Herrn Dippelmann sofort angewandte
Hausmittel, nämlich ein nicht zu klei
nes Gläschen Hennessy" mit drei Ster
nen, wollte dagegen nicht anschlagen.
Das war nun etwas für die Haus
frau. Mit Begeisterung eilte sie an
ihre geliebte Hausapotheke und kam
mit einem Büchschen zurück, dessen In
halt sie als Pepsin Magnesia bezeich,
nete. Herr Dippelmann machte gute
Miene zum bösen Spiele, sperrte ge
horsam seinen Mund auf und bekam
einen Kaffeelöffel voll des Pulvers auf
die Zunge geschüttet und einen Schluck
Waffer nachgegossen.
Die Kur hatte eine ganz unerwartete
Wirkung.
Wie wahnsinnig sprang Herr Dip.
pelmann empor, lief räuspernd, hustend
und prustend im Zimmer umher uud
drohte, nachdem Athem und Redekraft
nach und nach wiedergekehrt waren, mit
sofortiger Andieluftsetzung der ganzen
vermaledeiten Hausapotheke, wenn ihm
von deren Inhalte noch einmal irgend
etwas nahegebracht würde.
Selbstverständlich war Frau Tippel
mann nicht wenig getränkt, und mit
Recht. Seine besten Absichten so miß
verstanden zu sehen, ist schmerzlich.
und zudem mußte sie ganz gewiß, daß
Herr Tippelmann sich irrte, wenn er
daS ihm kunstreich applizirte, wohl
thätige Pulver für eine Mischung von
Ziegelmehl und Torfftreu erklärte. Es
war PepflnMagnesia und nicht, ande
res. dabei blieb sie. bis der in der Ge
scllschaft anwesende Troguist Müller
die . Schachtel zur Hand nahm und
deren Inhalt schnell als Zahnpulver
feststellte.
Tiefem fachmannischen Urtheile at
genüder konnte grau Tippelmann ihre
Behauptung, daß sie noch niemals
Zahnpulver in ihrer Hausapotheke
aufbewahrt habe, nicht lange aufrecht
erhalten; kleinlaut mußte sie schließlich
die Möglichkeit eines Versehens zu
geben.
Seitdem ist die wackere Tame in der
Wahl ihrer Kur-Odjekte sehr vorsichtig
geworden, beschränkt ihren medizini
sehen Eifer fast ausschlietzlich auf die
wehrlosen Kinder und hört es ungern,
wenn man, was im Kreise ihrer Be
kanntschaft merkwürdig häufig geschieht,
von dem Nutzen der Hausapotheken im
Allgemeinen und der sanitären Wirkung
des Zahnpulvers als innerliches Mittel
im Besonderen spricht.
Nebel.
Ein furchtbares Eisenbahnerlebniß. Bon
E. König.
Vor einer Reihe von Jahren, an
einem Novemberabend, hatte ich Ver-
anlassung. auf der South Eastern
Railway von Canon Street in London
nach der Station Spa Road zu fahren.
Nach einem kalten, nebligen Tage war
die Zahl der Passagiere gering. In
dem Coupee zweiter Klaffe, welches ich
bestieg, befand sich nur ein Reisender,
ein untersetzter Mann von etwa sieben
unddreitzig bis vierzig Jahren. Er
schien in einem Buche zu lesen.
Als wir die Glaskuppel des Borouqh
Marktes erreicht hatten, hielt der Zug
an, und ich war zum ersten Mal im
Stande, meinen Reisegenosscn zu be
trachten. Es geschah dies, als er das
Buch auf den Sitz warf und geradeaus
blickte. Er war etwas über Mittel-
qröße und hatte die breiten Schultern
eines Athleten. Seine Gesichtszüge
machten auf mich einen unheimlichen
Eindruck, obschon sein Antlitz, von den
Augen abgesehen, die einen eigenthüm.
lichen Schimmer hatten, nicht häßlich
war.
Ich wußte nicht, daß wir so nahe
beim Krystallpalaste sind." sagte er
brüsk.
Beim Krystallpalaste?" wiederholte
ich etwas überrascht, wir sind nicht in
der Nähe des Krystallpalastes. Der
Borough-Markt würde sich geschmeichelt
fühlen, wenn er wüßte, daß er für den
sydenham-Palast gehalten wurde."
Borouqh-Markt! Natürlich habe ich
nur einen Spatz gemacht," lachte mein
Gefährte; aber sein Lachen war kein hei
teres. ;
Er nahm sein Buch wieder auf.
Wiewohl er aber die Augen auf die
-äeite gerichtet hielt und hier und da
ein Blatt umwendete, war es äugen
scheinlich, daß sein Lesen wenig mehr
als ein Vorwand war. In dem Wagen
war es so finster, daß es ganz unmöglich
schien, die Buchstaben zu erkennen.
Plötzlich ging mit meinem Reisege.
fährten eine Veränderung vor. In fei
nen dunklen Augen glühte ein Feuer,
und um seinen Mund war ein Aus-
druck, die mich zugleich abstießen und
anzogen.
Sind Sie viel gereist?" fragte er
plötzlich, mit dem Rücken gegen die
Thür lehnend und mich neugierig be-
trachtend.
Ich war nie von der Insel weg!"
entgegnete ich.
-,,AH," sagte er, ich war überall.
In Italien. Rußland. Indien. China.
Timbuctu. überall überall. Ich war
in der Nähe des Nordpoles und am
Südpol." '
Wirklich? Sie müssen ein großer
Reisender sein, mein Herr!" ant
wortete ich.
Ich war niemals auf dem Mond.
Niemand kann ein großer Reisender
sein, wenn er nicht dort gewesen ist."
Dann fürchte ich, daß es außer
Jules Verne deren nicht viele giebt."
So ist s, so ist s! Und doch würde
eine kleine Reise über diesen abscheu.
lichen Nebel und über die Wolken hin
aus angenehm sein. Sind Sie nicht
auch meiner Meinung?" '
Nicht ganz," entgegnete ich. Ich
für meinen Theil würde weit lieber an
meinem Kamin sktzen."
Sie wollen wirklich? Sehen Sie
er; riechen Sie diesen Nebel?"
Er ritz das Fenster auf und wahr-
lich der Nebel, der hereindrang, war
schlimm genug.
Ich gebe zu, daß er weder für die
Augen, noch für den Hls angenehm
ist! bemerkte ich.
Ich weiß, Sie wollten Ein
Jeder würde froh sein, hinauszukom
men," fuhr mein seltsamer Geführte
ort. Dabei funkelten seine Augen in
einer Weise, die mir Grauen einflößte,
und um seine Mundwinkel zuckte es ver
dächtig.
Natürlich hatte ich unter solchen Um
ständen den lebhaften Wunsch. Spa
Road zu erreichen.
.Ja. derjenige, welcher die Londoner
vom Nebel befreien tonnte, würde ein
großer Wohlthäter derselben sein!"
sagte ich.
Sein?" flüsterte mein Reisegefährte
mit seltsamem Ernste. .Nun. ich bin
dieser Mann!"
Während er sprach, duckte er sich
nieder und sah mit einem Blick zu mit
empor, der mich erschreckte. Er knöpfte
seinen Rock zu und streifte die Aermel
in die Höhe, indem er wieder flüsterte:
Ich bin der Mann. Ich kann Sie
von diesen Nebeln befreien ich kann
mich selbst davon befreien!"
Jetzt fuhr mir der Gedanke durch den
Kopf, daß ich mit einem Wahnsinnigen
allein war. Ich erkannte den wilden
Glanz seiner Augen.
Wir werden zusammen nach dem
Monde reisen." zischteer. Adieu, ihr
Nebel! Sagen Sie mit mir den Nebeln
Lebewohl!"
Ich hatte mich nun aufgerichtet und
machte mich zum Kampfe bereit, der
voraussichtlich nahe war. Ich konnte
mir nicht verhehlen, daß ich ihm als
Gegner nicht gewachsen schien, aber ich
hoffte, ihn die wenigen Minuten hin
halten zu können, welche nöthig waren,
um Spa Road zu erreichen.
Unser Ballon würde in einer solchen
Nacht schwerlich steigen." sagte ich mit
erheuchelter Gleichgültigkeit. Betrach.
ten Sie nur die Dichtigkeit des Nebels.
Wie sollen wir hindurchkommen?"
Tas hat etwas für sich!" nickte er.
indem er sich niedersetzte. Doch das
Bestreben verlohnt einen Versuch. Ja.
es ist eines Versuches werth!" Wieder
sprang er auf und näherte sich mir.
Dann zog er seine Hände a.s den
Taschen und unternahm einen Griff
nach meinem Halse.
So fangen wir es an. so bekomme
ich das Gas für die , Luftfahrt. Ich
todte Sie zuerst, um Ihnen einen Vor
fprung zu geben. Tann nehme ich selbst
einen Anlauf und folge Ihnen."
Ein Hilferuf, den ich ausstieß, ging
in dem Schalle eines Nebelsignals ver
loren, dann schwankten wir vor und
rückwärts in dem Waggon in einem
Kampfe, der buchstäblich ein solcher auf
Leben und Tod war.
Plötzlich ließ mich der Wahnsinnige
los und hielt einen Augenblick in feinem
Angriff inne, und gleichzeitig fuhr zu
meinem Schrecken der Zug ohne auch
nur seine Geschwindigkeit zu vermin
dem, durch meine Station. Ich be
fand mich im unrechten Zug, und nun
gab es keine Hoffnung auf Beistand
früher, als bis wir New Croß erreich
ten. Die Mitreisenden hatten offenbar
meinen Hilferuf nicht vernommen.
Plötzlich stürzte sich der Irre ohne ein
Wort der Warnung wieder auf mich
und zwar mit einer so unwiderstch
lichen Wucht, datz ich zu Boden stürzte.
Wir werden zum Mond fahren!"
kreischte er. Ich habe ein Messer: wir
können uns den Weg durch den Nebel
schneiden!"
Ich war hilflos. Trotz meines
Sträubens befand ich mich nun ganz
und gar in seiner Gewalt !
O wie langsam schien mir doch der
Zug zu laufen! Mir kam es vor, als
ob er wie eine Schnecke kröche!
Und wie eigenthümlich lebhaft meine
Gedanken waren! Ich sah mein Heim
und die lieben Menschen, die mich in
demselben erwarteten und fragte mich,
was sie wohl sagen würden, wenn sie
von meinem Tode hörten! Ich ertappte
mich bei dem Gedanken, wie hätzlich die
Augen des Wahnsinnigen waren und
bemerkte sogar die Farbe seiner Hals
binde blau mit weißen Tupfen.
Plötzlich hörte ich, wie in einem
Traume, den Menschen, der auf meiner
Brust saß, zischen:
Wir werden nun den Weg zum
Monde durchschneiden; mein Messer ist
scharf. Ich will es an meinem Halse
versuchen!"
Ist es so recht, mein Freund? He?"
fragte er lachend. Verlassen Sie aber
ja den Waggon nicht, bis ich zu Ihnen
hinaufkomme!
Ich bin geschwind." sagte ich. und
ich muß gestehen, daß ich meine eigene
stimme Nicht erkannte. Wenn ich
aber zuerst gehe, holen Sie mich sicher
lich nicht mehr ein. Fangen Sie an,
ich werde dann folgen!"
Ich soll anfangen?"
Ja, Sie sind muthiger, stärker, und
haben das Messer. Sie müssen den
Weg bahnen!"
Freilich, freilich. Das habe ich
ganz vergessen!" schrie er. Freilich!
Ich mutz den Weg bahnen!"
Immer noch aus mir fitzend, zog er
langsam seine blitzende Klinge über
seinen Hals. Im nächsten Augenblicke
war ich mit Blut Übergossen. Gleich
zeitig entfiel das Messer seiner kraft
losen Hand. Aufspringen, die offene
Wunde erfassen und ihre Ränder an
einander pressen war für mich das Werk
eines Augenblicks, obschon das plötzliche
Entrinnen aus der Gefahr mich tau
mein machte. Im nämlichen Momente
erreichten wir die Station New Croß
und ein Portier riß die Wagenthür auf.
Glücklicherweise war die Wunde,
welche der Wahnsinnige sich zugefügt
hatte, nicht tödtlich, und einige Zeit
nach meinem Erlcbniß vernahm ich,
daß der Aderlaß eine wohlthätige Wir
kung auf sein Gehirn ausgeübt hatte.
Er war ein höchst gefährlicher Wahn
sinniger gewesen, dem es gelungen
war. aus einer Privatirrenanstalt zu
entfliehen.
Als ich auf die Uhr in New Croß
geieyen. yatte ich zu meinem ctaunei
gewahrt, daß die Fahrt in der unHeim
lichen vcfcl!ichast kaum funtzeyn Mi
nuten gedauert hatte. Es waren aber
die längsten und fürchterlichsten meines
Lebens gewesen!
Ttt Mutter Bild.
Eine Geschichte, die aus einem fenti
mentalen Roman oder aus einem
Rührstück gesprungen zu sein scheint.
wird mit voller Garantie für deren
Wahrheit in amerikanischen Blättern
erzählt. Helden der Geschichte sind ein
kleiner Schiffsjunge und der berühmte
Admiral Temey. Wenige Augenblicke
vor Beginn der Seeschlacbt vor Manila.
als eben das Commando gegeben war
Klar zum Gefecht", fiel einem Schiffs
jungen an Bord deS Flaggschiffes feine
Jacke über Bord. Sofort erbat er die
Erlaubniß, feine Jacke holen zu dürfen
Als ihm diese verweigert wurde, sprang
er an der anderen Seite des Schiffes
über Bord, holte seine Jacke, zog sie an
und stellte sich in die Reihe. Er wurde
wegen Ungehorsams in Haft genom
men. Admiral Tewey sollte nach der
Schlacht das auf mehrere Jahre Ge
fünqniß lautende Urtheil unterzeichnen
Er fragte, was den Schiffsjungen
eigentlich veranlaßt hatte, ungehorsam
zu sein. Ter Schuldige, der ganz tue
dergeschlagen war. zog als Antwort auf
des Obertommandnenden Frage ein
fach eine Photographie auZ der Tasche
der Jacke und hielt sie dem Allgewal
tiqen mit den Worten hin: Die Mut
ter!" Er sagte, die Jacke mit dem Bilde
der Mutter hätte er um alles in der
Welt nicht miffen wollen. Tewey küßte
den kleinen Mann mit Thränen in den
Augen, ließ ihn frei, und sagte: Boys.
die für der Mutter Bild ihr Leben
lassen, geben es auch für das Vater
land und brauchen nicht m Eisen zu
liegen."
Aus der Zopfzeit.
Kurfürst Wilbelm I. von Hessen
war ein Fürst, der es mit dem Volke
aufrichtig wohl meinte. Er war streng
aber gerecht, nur einen Fehler hatte er
er war sehr geizics. Doch darunter hatte
das Volk wenia oder aar nickt zu leiden,
vielmehr verband sich bei ihm mit dem
(en aar oft ein vrakti cder feinn
Während seiner Regierungszeit gab es
noch keine Eisenbahnen, das hinderte
indeß die Bewohner der kleineren Städte
und des Landes nicht, die Residenz Kas
fel zu besuchen. Auf Leiter und son
stigen Wagen trafen sie an Sonn und
Festtagen schaarenwei e dort ein. Eines
Tages war auch eine größere Anzahl
tudenten aus Marbura gekommen
und hatte sich auf einem Rasenplatze
ganz in der Nahe des romantisch vele
genen Schlosses Wilhelmshöhe gelagert,
allerband Allotria treibend.
Als nun der Kurfürst in Begleitung
eines Adjutanten aus dem Schlosse
trat, da vergaßen die lugendfrohen Mu
fensöhne sich so weit, laut über den
Zopf, den der Landesherr trug, zu
spotten.
Aber," flüsterte der Adjutant em
pört, das ist ja unerhört, die spotten
über Euer Körnalicben Aoin!"
..La Er ne nur spotten," erwiderte
ruhig lächelnd der Kurfürst, ein jeder
von ihnen läßt einen Louisd'or hier
sitzen und das kommt meinen Bürgern
wieder zu Gute.
Tie Feder der ExKaiserin.
Wenn die Kaiserin Eugenie jemals
etwas über ihren Gatten schreibt, ge
braucht sie stets die Feder, mit welcher
der Friede von Paris unterzeichnet
wurde. Alle diejenigen, welche Theil
an diesem historischen Ereignitz hatten,
wünschten die Feder als Erinnerung zu
behalten.
Die Kaiserin war aber so einig, zu
bitten, daß nur eine einzige Feder dazu
verwandt würde und zwar die. welche
ihr als Andenken zu behalten allem zu
kam. DaS wurde ihr bewilligt. Der
Halter hat die Gestalt einer Feder, die
aus der Schwinge eines Gotdadlers ge
zogen ward und ist reich mit Diamaw
ten verziert.
In' Sachsen is' an'n scheensden.
De Reichen hawen scheenes Gäld;
De Bauern hawen scheenes Fäld;
Met drinkd ä scheenes Bierchen ;
Mer siehd Sie scheene Dhierchen,
Hier giebd es scheene Flisse
Und scheene Rägengisse.
Der Brodz hadd scheene Heiser,
Der Schbieler scheene Deiser,"
Der Lährer scheene Bischer,
Das Mädel schöne Tiecher.
De Hausfrau scheene Hauwen,
Der Schlossen scheene Schrauwen.
Mer dridd off scheenes Flasder;
Mer roochd än'n scheenen Gnasder.
De Gardcreider" scheene geh'n:
J'n Sachsen is Sie alles fcheen.
Ein neues Milieu.
Lebrer: Nun. Känscben. wer bat
alle die schönen Felder und Wiesen und
Berge gemacht, die Du hier siehst?"
Känscken: ..Ich weik nickt. Wir
sind ja erst hierher gezogen."
in nettcL Anfang.
Professor (zu seiner ihm eben ander
lobten Braut): Darf ich Sie jetzt
Meta nennen?"
Sie: Aber warum denn, meine
Eltern haben geglaubt, Marie wäre
gut genug."
Es ist stets verdächtig, wenn die
Groben höflich werden.
tt 5uertz.
Der Abend senkt sich nieder
Auf'S rege Erdenthat.
So ruhig kehrt er wieder
Und grüßt uns allzumal.
Und stille wird'S und heimlich.
Tas Boglein träumt schon Icis , 4
Nur Nachtigall noch jubelt
Tie alte, fuße Weis'.
ES dunkelt ! Bor den Thüren
Ta sitzt och Alt und Jung.
Tie Alten sitzen ruhig.
Tie Jungen auf dein Sprung'.
Und stiller wird'S und stiller.
Bald sitz' ich ganz allein
Am grünbelaudten Fenster
In meinem Kammerlein.
Sei mir gegrüßt du Abend.
Gegrüßt, ibr hellen Stern'.
Ihr bringt mir liebe Freuden,
Gedanken in die Fern'!
Und stiller wird'S und stiller.
Jetzt bin ich ganz allein;
Ta tritt zu mir willkommen
Erinnerung herein.
Ich seh' den schönen Garten,
Am weindekränzten Haus.
Tie blüh'nde Riesenrose,
D'rin Vöglcin ein und aus.
Ten Birnbaum vor der Thüre.
Ach! voll der schönsten Frucht.
Und unter ihm die Treppe
Umrahmt des Epheus Wucht.
Und hier auf grünen Bänken
Ta sitzt ein Greisenpaar,
Gott ! meine alten Eltern
Mit silberweißem Haar.
Wie zittern ihre Hände, '
Und ich so weit, so weit !
Ich gebe der Erinn'rung
Mit Wehmuth das Geleit.
W. Hartmann-Ankuin.
Protzerei.'
Parvenu: Ich sag' Ihnen, wenn
Se 'mal in meinen Geldspind blicken
wollten, müßten Se erst e Brille mit
dunklen Gläsern aufsetzen, sonst wären
Se geblendet."
Ver Bretterdieb.
Richter: Nun erzählen Sie kurz,
was haben Sie auf dem Gerüst ge
macht?"
Strolch: Ick habe 'n bisken abje
rüstet." Geinüchlich.
Wie kommt es, daß Ihre Semmeln
seit einiger Zeit bedeutend kleiner ge
worden sind?"
Ja wissen Sie, wir haben drei neue
Kunden hinzugekriegt !"
Nlißglückter Hinweis.
Lehrer (im französischen Unterricht):
Was heißt also les yeux (Augen)
Müller?"
Müller (schweigt).
Lehrer: Na, was hab' ich denn
rechts und links von der Nase?"
Müller: Warzen!"
Begrenztes llergnügen.
A. : Sie waren mit Ihren vier Töch-
tern in Norderney? Amüsirt?"
B: O ,a! Ich habe viel Vergnügen
ausgestanden!"
Ein guter Kerl.
Anaefallcner (zum Räubers .,Es
thut mir sehr leid, daß ich kein Geld bei
mir hab', aber ich werd' allen meinen
wohlhabenden Freunden und Bekannten
diesen Waldweg zum Spazierengehen
empfehlen !
Darum. '
A.! . Merkwürdig d?r ferr Wiislor
hat NUN auch die dritte Verlobung wie
der zurückaeben lassen, wie man so
etwas nur fertig bringen kann."
B.: Ei, dem macht s sogar vielen
Svaß. er liest sich nämlich aar zu aern
in der Zeitung!"
. Das kehte.
Erster Student: ..Wenn d,s vM
bald anders wird und meine Gläubiger
nickt unterlassen, mick auf Sckritt imfc
Tritt zu verfolgen, dann bin ich leider
gezwungen "
Zweiter Student: Deine Gläubiger
zu bezahlen?"
Erster Student: Zu Hause zu blei
ben und aus Langeweile zu studiren."
Melanchalische Betrachtung.
Lieutenant (eine BallGesellschaft be
sehend, in der sich keine Uniform befin-
det): So öde. traurig und trostlos
würde die Welt nach der militärischen
Abrüstung also überall aussehen!"
Aus Aalau.
Meier: Wie kommt hn& imtVr
Freund Krause keine Haare mehr hat?"
Sckiihe: Das weint Tu nicht? D!
Neger haben Krauses (krauses) Haar!"
An der Börse.
A.: ..Ist es denn wirklick wabr? Kr
hat sich's Leben genommen?"
B.: Allerdings, er hatte falsch spe
kulirt und deshalb griff er zur Pistole."
A.: Was dazu für eine Kouraae ac
hört !"
B.: ..Saaen Sie das nickt. ?ith
denke mir fo einen Entschluß gar nicht
so schwer. Fortleben, sich wieder auf
raffen und feine Verpflichtungen erfül
len ist viel schwerer."
C.: Und das allerlchwerste ist: rick
ig spckuliren!"
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