Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 18, 1899, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2luf dcm Zimmerlatz,.'.
nk Psingsttrinnerung von B. Herw i,
.Und nu is Allen? fertig. Frau Tok
tcr, nu kann der Feiertag kommen.
Alles blitzblank gescheuert und reine,
und der Kuchen prachtvoll gerathen; wir
werden uns Pfingsten nicht blamiren.
wcnn'S der liebe Himmel man nicht mit
dem Wetter thut."
.AlsoderKuchen ist gerathen. Jette?"
fragte die noch wunderhübsche HauZ
fra'u.
..Prachtvoll. Frau Tolter. wunder
schön, der Bob tonnte sich gar nicht
von der Küche trennen, das riecht so
nach Feiertag, sagt er. und dabei
sticdißt er mir eine Mandel nach der
anern weg "
TaS muht Tu nicht mehr erlauben.
Jette. Bob ist ein großer Mensch und
muß solche Kindereien lassen."
Mutter!" rief da eine jubelnde
Knabenstimme und kräftige Arme um
fingen die zierliche Frau. Mutter, beim
Kuchcnbacken werde ich noch zusehen,
wenn ich selbst Student geworden bin:
aber wenn Ihr Beide meint, daß
Mandeln nehmen eine Sünde ist, na.
so habe ich meine Strafe weg. es waren
nämlich meist bittere die mir in die
Finger kamen. Brrr!" Er schilt
leite sich.
Ein Tertianer. Bob!" mahnte die
Mutter; Na, Jette, sag', und welchen
Unsinn hat er noch getrieben?"
, ..Unsinn?" ärgerte sich die Alte; Er
vird schon keinen Unsinn nich machen.
Geholfen hat er mir. Ganze Berge
Maien hat der gute Junge in den üeU
ler geschleppt, daß sie kühl bleiben,
dann hat er Kalmus zerschnitten, und
ich auch aber schlimm ist's nicht."
Ein weiß umwickelter Finger kam
zum Borschcin.
Die Doktorin erschrak einen Augen
blick.
Was ist denn geschehen, Jette?"
fragte sie.
'Unjeschickt war ich. Frau Tokter;
ich lachte über seine Späße, und schnitt
und schnitt und dachte so an all die
schönen Pfingsten, die wir schon erlebt
Na. Frau Tokter, Ihnen brauch' ich
doch nicht zu erinnern, und schnitt mir
einmal anstatt in den Kalmus in den
Finger, daß das Blut man so spritzte,
ich fiel Ihnen rein in Ohnmacht. Aber
da hätten Sie den Jungen mal sehen
sollen, wie er lief und Wasser holte und
Leinwand und wusch und verband, er
ganz allein, als ob er sich's vom Batcr
abgesehen. Und was mir da so durch
den Sinn ging, können Sie sich wohl
denken. Nun thut's aber auch gar nicht
mehr weh."
Die Köchin war wieder an kne Arbeit
gegangen.
Tie junge Frau stand, wie in Er
innerung versunken, ein süßes Lächeln
umspielte den feinen Mund.
Sie hat ganz Recht." flüsterte sie.
ganz wie damals, merkmürdig ist's,
gciz wie er," und liebevoll zog sie
ihren Knaben an sich und legte ihm die
Hand auf den blonden Kopf.
Wie wer. Mama?" fragte Bob,
und was war ebenso? Ach. sag es mir
doch. Früher hast Du mir an solchen
Abenden oft Märchen erzählt, nun laß
es mal eine wahre Geschichte sein, bitte,
Mama bitte."
Er zog sie liebevoll zum Fensterplatz.
Eine Erinnerung ist's, mein Kind,
aus der Zeit, da Papa und ich noch
Nachbarskinder waren. Es war auch
am Tage vor Pfingsten, so wie heute;
viele, viele Jahre sind seitdem bergan
gen. Wir hatten damals hinter dem
Hause einen großen Zimmerplatz, auf
dem viele fleißige Leute arbeiteten. Ich
habe Dir ja schon öfter davon erzählt,
auch von dem weiten Hofe mit dem
prachtvollen Ahornbaum in der Mitte.
Da spielten wir Kinder viel umher;
der liebste von allen Gespielen, war uns
aber Robert, der Sohn unseres Wirth-,
des Zimmermeistcrs Steffens. Stun
dcnlang waren wir auf dem großen
Platz, wo die Zimmerleute arbeiteten
mit riesigen Sägen, unter denen der
feine, gelbe Holzstaub wie eine dichte
Wolke hervorquoll, mit scharfen Hobeln
die Bretter glatt machten und als Ab
fall die schönen Holzlocken an die Erde
fallen ließen, die wir dann zu Allonge
.Perrücken formten uns an den Kopf
steckten. Dicht neben dem Holzplatz
war ein kleines, schattiges Gartchcn,
keil? Zaun trennte es vom Arbeits
räum, eine doppelte, dichte Reihe von
Flicderbäumen. Akazien und Goldregen
bildeten die Grenze. Diese Pracht ist
nicht zu beschreiben, wenn Alles im
Lenz grünte und blühte; damals frei
lich empfanden wir Kinder den Zauber
nicht so. wir spielten mit den Blumen
und Blättern, machten uns Kränzchen
aus den Fliederblüthen und ließen sie
durch die Schulbücher, in die wir sie
legten, flach preffen. Hoch oben saßen
wir auf den eng geschichteten Balken
und pflückten die schönsten Flieder
zweige, rissen die Akazienblütter ab und
murmelten dabei, so wie wir es von
den Großen gehört hatten: Er liebt
midj liebt mich nicht von Herzen"
:c. Und dann, überschauten wir das
weite Reich vor uns. Damals erschien
die Welt so groß, trotzdem der Platz
von Gebäuden umgeben war. Hinten
begrenzte in ein massiver, rother
Prachtbau; wir wußten, es war ein
Krankenhaus, wir sahen von unserem
Thron aus die barmherzigen Schwestern
im Anstaltsgarten spazieren gehen und
sahen die vielen Fenster im Abendson
nenschein blinken. Mit unserem Spiel
Kameraden Robert Steffens saß ich am
V
Der SgmlWgH.
Jahrgang 19. Beilage zum Nebraska Staats-Slnzeiger. No. 32.
liebsten dort oben, wir plauderten,
phantasirten und machten Zukunfts
Pläne."
Nun kommt's von Papa", unter
brach Bob freudig die Erzählung der
Mutter und hörte mit verdoppelter
Spannung zu.
Jawohl, mein Kind! Er sollte auch
Zimmcrmcister werden, wie fein Vater,
konnte sich aber dazu nicht entschließen,
denn in ihm schlummerten andere
Wünsche. Tiefe vertraute er mir an,
wenn wir auf dem sammctwcichen
HolzspähneBoden spazieren gingen: er
hatte viel Elend und Noth gesehen,
schon damals half er soviel, als er es
vermochte. Jeden Sonnabend nach
Schluß der Arbeitszeit war es Sitte,
daß sich die armen Frauen der Nach
darschaft einfanden, um die reichlichen
Holzabfalle zusammenzusuchen, die sie
in großen, grauen Säcken nach Hause
trugen.
Tas gelbe Hofthor war fest verschlos
scn, vor ihm sammelte sich der Haufe
der bedürftigen, schlecht gekleideten
Frauen. Anfangs zehn bis fünfzehn,
schwoll die Maffe oft bis vierzig, fünfzig
an; gegenseitig suchten sie sich den Bor
rang streitig zu machen, um nur ja eine
der ersten zu sein, sobald die Paradies
Pforte sich geöffnet, das schob und
drängte und schimpfte und lachte ,
wie oft standen wir Kinder vom Weitem
und sahen zu, sehnsüchtig mit den ar
men Weibern den Moment des Auf
schließe? erwartend.
Dann strömte der Haufe unter Joh
len vorwärts, eine überlief fast die an
dere. sie stürzten sich auf die besten Klötze
Abfallholz und schlugen sich oft um be
sonders vortheilhafte Stücke. Wir hal
seit dabei häufig, namentlich den Alten,
und mühten uns ab, ihnen die schweren
Säcke auf den Rücken zu heben. Jahr
aus, Jahr ein ging das so weiter.
Später beobachteten wir das Treiben
weniger, wir hatten Pflichten zu erfül
len, ich mußte der Mutter in der Wirth
schaft helfen, und Robert hatte zu ler
nen. Wir sahen uns wohl noch und
sprachen uns. aber die alte, rechte Kin
derfröhlichkeit war nicht mehr Vorhan
den.
Da standen einmal wieder an einem
Sonnabend die Weiber auf ihrem Po
sten vor dem Hofthor. Ein herrlicher,
wonniger Maitag war es. der Tag vor
Pfingsten. Alles grünte, blühte und
duftete .... Flieder und Goldregen wa
ren mit lila und gelben Blüthen über
schüttet. Ich hatte große Sträuße ge
pflückt und alle Räume damit ge
schmückt.
Jetzt half ich der Mutter beim Feier
tagskuchen. Tie Fenster der Küche
standen offen, vom Hose klang das Zwit
schern der Bögel. die in dem alten
Ahornbaum nisteten; es klang das
Schwatzen der Frauen vor dem geschlos
senen Thore, und vom nahen Kirch
thurme klangen die Glocken.
Feiertagsstimmung war in mein
junges Herz gezogen. Mit Rührung
und tiefem Mitleid sah ich dem unruhi
gen Treiben der armen Weiber zu.
Wie bescheiden sind ihre Ansprüche,"
dachte ich bei mir, ach. wer sie doch
glücklich machen, wer ihnen doch mehr
helfen könnte "
Nun wird das Thor geöffnet! ich sehe
wieder das alte Drängen und Stoßen
und höre das freudige Rufen der Ersten
das ärgerliche Stöhnen der Letzten
fast unabsichtlich folge ich ihnen.
Robert, der am Fenster steht, dabei
einen Gruß zuwinkend ich wollte
wieder einmal beim Sammeln des Hol
zcs helfen. Da plötzlich bricht ganz in
meiner Nähe ein Zank aus, ein kurzes,
erbittertes Kämpfen, ein kleines Brett,
von wuchtiger Hand geschleudert, saust
durch die Luft und trifft eine arme
Frau, die dicht neben mir am Boden
hockt, am Kopf und betäubt sie so
heftig, daß sie ohnmächtig zusammen
sinkt. Einen Moment stand ich wie erstarrt,
dann stürmte ich vom Platz bis zum
Thor.. ..
Robert!" schreie ich. und Mutter!"
und eile wieder zurück.
Bald kniete er neben mir vor der
Bewußtlosen. Man brachte Waffer,
Deine gute Großmutter Tücher, das
Blut sickerte aus einer Wunde am Kopfe
.. ..nun fanden sich einige mitleidige
Frauen die streitenden Kampfhähne,
die den 'traurigen Vorfall veranlaßt,
hatten sich wohlweislich verzogen zu
den nöthigen Hülfsleistungen, und die
Aermste wurde behutsam über den Platz
nach dem nahen Krankenhause getragen.
Wir gingen neben ihr; d?r wackere
Freund hielt ihre kalte Hand und drückte
das feuchte Tuch an ihre Stirn an
dem Portal sprach er mit der Pfört
nerin, ließ sich bei der Oberin melden
und that dies Alles so gewandt und
sicher, daß Jeder seine Freude daran
haben mutzte.
Tann wurde die Frau untersucht
und befragt.. .'.Wittwe war sie, kin
derlos. der Mann lange vorher beim
Bau verunglückt, einsam stand sie in
der Welt, allein die arme Jette
Bach."
Jette .... Mutter .... Jette unsere
Jette?"
Ja, mein Liebling, aus dem elen
den, verlassenen, verwundeten Weibe
ward unsere Jette, von jener Stunde
an sorgten wir für sie.
Am anderen Tage es war ein won
Niger, herrlicher Pfingftmorgen. gingen
wir wieder zu der Kranken. Einen
großen Busch Flieder und Goldregen
hatte Robert heruntergeholt, ich hatte
Maiblumen im Garten gepflückt und
rothe Primeln die Blumen legten
wir ihr auf's Bett und streichelten die
knochigen Händ. Ihre Lippen zuckten,
es war. als ginge ihr ein großer Schmerz
durch die Seele. Endlich brachte sie es
heraus.
Nu grade zu Pfingsten," stöhnte sie;
mein einzigstes, allerschönstes Fest, da
bin ich immer in. die Kirche gegangen
und ?!achmittags auf den Kirchhof, und
da war's mir immer, als käme von
oben auch ein Tropfen Trost in mein
armes Herz und nu nu hat mir
der liebe Gott das auch genommen."
Ein mild blickender Mann hatte sich
dem Bett genähert und sagte warm und
eindringlich, indem er seine Hand ihr
auf's Haupt legte: Klagen Sie nicht
so unrecht, liebe Frau. Menschenliebe
ist Gottesliebe. Wer seinem Nächsten
hilft und Gutes thut, erfüllt die gött
liche Mission, die in die Herzen gelegt
ist. Tas ist die erste Ausgietzung des
heiligen Geistes. Und dann schauen
Sie dort hinaus, wo Alles blüht und
grünt, da steht an dem großen Altar
der Natur ein beredterer Priester, als
wir es zu sein vermögen, und predigt
die große Lehre von dem Wiedererstehen
und dem unvergänglichen Schaffen des
Gottesgeistes. Seien Sie zufrieden,
meine Tochter, mit Ihrem Pfingsten
Menschenliebe an Ihrem Lager
und das große Frühlingsfest vor Ihren
Blicken...."
So ungefähr sprach er, verstehst Du
das wohl, mein Sohn? Mir hat es sich
unauslöschlich eingeprägt'.... Diese
halbe Stunde war uns Beiden wie ein
Gottesdienst gewesen. Ja, ein Früh
lingsfest war es auch für uns. lachen
der, blauer Himmel, goldiger Sonnen
glänz, Vogelgczwitscher in den Lüften
und Elockenklang die rechte Be
gleitung zu unseren Empfindungen.
Dann standen wir unter unseren
blühenden Bäumen still.
Lieschen, nun ist's fest," sagte mein
Gefährte ernst, nun kenne ich meinen
Weg, helfen und lindern und trösten,
das ist das Rechte, das Schönste. Denke
an diesen Pfingstmorgen und denke an
diese Stunde denke aber auch an
mich, wenn ich fern sein werde."
Tann reichte er mir ein Sträußchen
Goldregen und Flieder.
Dies soll unser Wahrzeichen sein."
Und so blieb es.
Jedesmal zum Psingstfest, wo er
auch fein mochte, sandte er mir duftende
Fliederblüthen, und nach Jahren
wieder an einem solchen sonnigen Mai
tage da prangten sie in meinem
Brauibouauet, das ich zur Kirche mit
nahm, als ich Deinem geliebten Vater
die Hand zum Lebensbunde reichte
und Flieder duftete uns aus den Guir
landen entgegen, mit denen die gute
Jette die Pforten des neuen Heims ge
schmückt. Tie alte, treue Seele! Jetzt jammert
sie, daß das Psingstfest in diesem Jahr
so früh fällt und der Vater am Ende
keinen blühenden Flieder auftreiben
wird.
Und nun. mein Junge, weißt Tu
Alles; hat Tir meine kleine Geschichte
gefallen?"
Ja. Mama, sehr," sagte der schöne
Knabe, aber Eins weiß ich schon viel
länger als heute was ich einst wer
den will...."
Die Frau sah den Knaben fragend an.
Auch Doktor, wie der Vater! Weißt
Tu, Mama, das Verbinden bei Jette
ging wirklich ganz famos; nun weiß ich
aber auch, warum sie dabei so gerührt
war."
Ja. es ist ein herrlicher Beruf,
mein Kind, aber ein schmerer und un
säglich mühevoller ; wie lange bleibt
heut nur wieder der Vater!"
Hurrah," rief Bob und stürmte da
von. denn er hatte die Schritte des
Heimkehrenden gehört, er mußte ihn
zuerst begrüßen
Tie Sonne war untergegangen
Tie Glocken waren verklungen Tie
Vöglein saßen stillinden Resten
Auf den Straßen war noch viel Ge
wühl Jeder haftete, um mit den
Vorbereitungen zu Ende zu kom
men Grüne Maien wurden von
den in den Straßen haltenden Bauern
wagen geholt Verhüllte Kuchen
bleche wurden getragen duftende,
köstliche Blumen.
Tas gehört nun einmal Alles zu dem
herrlichen Frühlingsfest, das seinen
Zauber immer wieder auf's Neue in
die Menschenherzen ergießt jener
zartlila Strauß Fliederblüthen aber
gehört erst recht dazu, den der ernste,
doch so liebevoll blickende Mann seinem
Weibe in die Hand drückt.
Mein Pfingstgruß. Lieschen," sagt
er innig.
Tankbar schaut sie zu ihm auf und
küßt die Blumen.
Bob und Jette sehen sich bedeutungs
voll an; sie haben es beide nicht anders
erwartet, und beide sind sehr stolz
darauf, daß sie nun die Bedeutung der
Gabe kennen.
IDie Jim zu einem Schwager
kam.
Novellelke von Herzceg, ?eulsch von
Armin R o n a k.
Böse Frauen hat es immer gegeben
und wird es immer geben; aber ein
schlimmeres Weib als Bettn Cliff hat
die Natur sicher nicht erschaffen. Als
hätte man sämmtliche keifenden, zän
kischen und bissigen Frauen von ganz
Texas und Mexiko in einem Keffel zu
sammengebraut und daraus Betty Cliff
als Extract distillirt. Selbst die Neger
mütter drohten ihren Kindern mit Betty
Eliff. wenn sie weinten. Reisende die
sich im Urwalde verspäteten, hüteten sich
wohl, in Cliffs Farm einzukehren; sie
hörten lieber das Brüllen des Jaguars
als das ewige Gckäufe der berüchtigten
Betty.
Armer Jim! So hieß nämlich Bet
iys Bruder. Er war bereits tief in den
Treißigen und sein Haar spielte be
denklich ins Graue. Er wäre so gern
seine Schwester losgeworden; aber Betty
hatte zehntausend Tollars in der Farm
stecken, und dieses Geld konnte Jim we
gen der schlechten Ernten nicht beschaf
seit. Sie zu verheirathen, war aber
ganz und gar unmöglich. Nicht, als ob
Betty .gegen das Heirathen gewesen
wäre )m Gegentheil, sie hätte auch
den häßlichsten Neger mit Vergnügen
genommen; aber es fand sich in ganz
Amerika kein Mensch, der es gewagt
hätte, Betty Eliff zum Altar zu führen,
nicht einmal unter den Cowboys von
Texas, und die sind doch zu Allem fü
hig. Eines Tages hatte Jim Cliff Ge
schäfte in der Stadt. Er verspätete sich
etwas beim Whisky, und als er feinen
Pony bestieg, um nach Haufe zu reiten,
begann es bereits zu dämmern. Als er
den Urwald erreichte, war es vollends
dunkle Nacht; nur hin und wieder blickte
der Mond durch das dahinziehende Ge
wölk und beleuchtete spärlich den schma
len Pfad, des zu Jims Farm führte.
Jim Cliff ritt ruhig seines Weges,
und verließ sich auf den Jnstyikt seines
Pferdes, das sich auch im Finstern gut
zurechtfand. Auf einmal blieb sein
Pferd stehen.. . Was war das? Von
der Lichtung her tönte ein schreckliches
Gebrüll herüber, das Jim bis ins Mark
erzittern machte.
Jim's Haare standen zu Berge, sein
Pony schnaubte und zitterte am ganzen
Leibe. Sein erster Gedanke war. nach
der Stadt zurückzukehren, diese lag aber
an die zehn Kilometer hinter ihm wäh
rend bis zu seiner Farm deren nur noch
zwei oder drei waren. Das wollte Jim
Cliff denn doch nicht thun, er hätte sich
selber dafür ausgelacht. Nach kurzem
Ueberlegen setzte er seinen Karabiner in
Bereitschaft und nöthigte sein wider
strebendes Pferd, sich gegen die Lichtung
in Bewegung zu setzen. Von einem
mächtigen Baume gedeckt, hielt er dann
vorsichtig Umschau.' Richtig, von dort
kam es, jetzt hörte und sah er ganz ge
nau. Unter den niederhängenden Zwei
gen eines großen Baumes stand die
dunkle Gestalt eines Reiters unbeweg
lich wie eine Bronzestatue. Der Reiter,
dessen Pferd, ungesattelt war, hielt seine
Arme auf den Rücken verschränkt, reckte
den Kopf in die Höhe und brüllte dazu
aus vollem Halse. Bald sprach er zu
seinem Pferd, bald schrie er um Hülfe
bald bat er inständig mit ersterbender
Stimme, bald fluchte er, daß man es
meilenweit hören konnte.
Halloh, ist denn ein Mensch in der
Nähe, der den Strick um meinen Hals
durchschneiden könnte. Ruhig. Drill,
halt still, mein süßes Pferdchen, nur
noch zehn Minuten oder eine Viertel
stunde! Ich war Tir ja immer ein gu
ter Herr, gab Tir Hafer und Heu,
soviel Tu wolltest, während ich selber
hungerte. Halt still, mein Schatz, rühr
Dich nicht, miserabler Gaul, willst Tu
mein Henker scin. elende Schindmehre?!
Hollah! He!"
Jims Pony hatte in diesem Moment
seinen Kameraden gewittert und wie
herte ihm lustig zu. Tie lebendige
Statue horchte auf und schrie dann
triumphirend:
Hierher, mein Freund, nur gerade
aus. hier bin ich."
Guten Abend," sagte Jim. seinen
Pony parirend.
Den Henker auch ist das ein guter
Abend, bin durchaus nicht davon ent
zückt!" Was machst Tu denn dort unter
dem Baume?"
Dumme Frage! Siehst Tu denn
nicht, daß ich an dem Ast gebunden
bin?"
So so. Warum machst Tu denn die
Schlinge nicht los?"
Einfältiges Geschwätz! Tu siehst
doch, daß meine Hände auf den Rücken
festgebunden sind!"
Aha, Tu bist gewiß mit Meister
Lynch zusammengetroffen." Jim lachte
laut auf und trat etwas näher.
Aha. jetzt erkenne ich Tich erst! Tas
bist Tu ja, Galgenvogel, Bob Trapp!
Haben sie Tich also doch einmal erwischt
Tu Liebhaber fremder Pferde? Und
wer hat Tich denn so schön hierherge
hängt?" Ter Besitzer dieses Pferdes und seine
Nachbarn. Zu zehn kamen sie über
mich, die Gauner."
Ich verstehe. Wahrscheinlich mein
ten sie. daß ein solcher Gentleman auf
besondere Art gehängt werden muß.
Tarum setzten sie Dich auf Dein Pferd,
damit dieses Tich hängt, wenn es das
Stehen auf einem Platze fatt bekommen
hat. Tas Thier scheinst Tu aber gut
gezogen zu haben! Bist Tu schon lange
hier?"
Langweile mich nicht mit Deinen
Fragen, sondern schneide lieber endlich
den Strick durch."
Fällt mir gar nicht ein! Deine Pa
trone würden mir ja dafür das Haus
über dem Kopf anzünden."
Sie werden es nicht erfahren. Jim.
schneide mich ab, und ich werde Dir
stets dankbar dafür fein. Du weißt,
ich war immer Dein Freund."
Jawohl! Vorigen Sommer hast
Du mir einen Schimmel gestohlen."
Darüber sprechen wir lieber nicht,
die Sache ist ja kaum der Rede werth.
Ich habe den Gaul für fünf Tollars
verkauft, auf Ehre. Ter Transport hat
mich ja mehr gekostet. Aber nun, Jim,
laß mich nicht 'änger hier reden!"
Tu bist fc.t gut aufgehoben, viel
Vergnügen!"
Tu wirst mich doch nicht im Stiche
lassen?"
Ten einen Gefallen kann ich Dir
thun, das Pferd unter Tir wegziehen."
Taß Tu Tich nicht unterstehst.
Trill beißt!"
Jim wandte sich ab und ritt kaltblü
tig davon. Bob schrie ihm mit wach
sender Verzweiflung nach:
Jim Cliff! Tas ist doch nicht Dein
Ernst! Komm doch zurück, guter Jim!"
Keine Antwort.
Jim! Halt! Tu wirst es bereuen!
Jim Cliff! Tu Schurke! Du Gauner!"
Der Farmer ritt lachend weiter. Es
gefiel ihm ungemein, daß der freche
Pferdedieb endlich seinen Lohn bekom
men hatte. Er war schon ziemlich weit,
als aus der Ferne die Worte zu ihm
drangen:
Mr. Jim Cliff, ich liebe Ihre
Schwester."
Was war das? Jim riß sein Pferd
herum und horchte gespannt; aber er
hörte nichts weiter. Mit klopfendem
Herzen ritt er zurück. Erst ging es im
Schritt, dann im Trab, schließlich
spornte er sein Pferd zum wildesten
Galopp an. Tie Aeste der Bäume
schlugen ihm ins Gesicht, er bemerkte es
nicht; er hatte nur den einen Gedan
ken: Mein Gott, wenn der Mensch nur
nicht inzwischen erstickt ist! Ganz außer
sich Athem kam er an die Stelle zurück.
Entschuldigen Sie, Herr Trapp,"
sagte er freundlich, beliebten Sie nicht
etwas zu sagen?"
Herr Cliff, ich liebe Ihre Schwe
ster." Und haben Sie ehrliche Absichten?"
Ich halte hiermit um ihre Hand
an."
Herr Bob, der Antrag eines so aus
gezeichneten Gentlemen ist für mich sehr
schmeichelhaft." .
Tann schneiden Sie mich vom Ast,
damit wir uns umarmen können."
Jim nahm sein Messer hervor.
Ich willige mit Freuden in Ihre
Heirath," sagte er. jedoch nur dann,
wenn Sie Ihr Wort geben, daß Sie
mit Ihrer zukünftigen Frau Texas für
ewig verlaffcn."
Ich verspreche es. Er war ohne
dies meine Absicht, drüben in Mexiko
eine große Pfcrde-Exportgescllschaft zu
gründen."
Jim wußte gut, daß Bob sein Wort
zu halten pflegte; in dieser Beziehung
war er ein tadelloser Gentleman. Ganz
bewegt hob er scin Messer, da rief aber
Bob dazwischen:
Einen Moment noch, wenn ich bit
ten darf; nur keine Uedercilung! Sa-
gen Sie. Herr Jim. wie diel geben Sie
rigenrlich der Braui milk"
Ei. Herr Bob. verliebte Leute fra
gen nicht nach der Mitgift! Jedoch
ich gebe tausend Dollars."
Was," schrie Bob entrüstet, nur
tausend Dollar?, schämen Sie sicki nicht?"
Ist Ihnen das zu wenig?"
Tausend Tollars lächerlich!
Unter zweitausend mache ich die Sache
nicht."
Jim Cliff wurde zornig. So ein
Gauner und zweitausend Tollars! Ge
fällt es ihm nicht mit taufend, so bleibe
er. wo er ist. Tamit gab er feinem
Pferde die Sporen und ritt davon.
Eine Weile wartete er. daß Bob ihm
nachrufen würde, dann überlegte er sich
die Sache und rief zurück:
Herr Bob, ereifern wir uns nicht,
ich gebe zwölfhundert Dollars."
Der Pferdedieb schien zu fühlen,
welchen Werth er in Jim's Augen
momentan hatte und sagte kurz:
Ich bin ein reeller Mann und handle
nicht."
Aber bedenken 'Sie. Herr Bob, was
aus Ihnen wird, wenn ich Sie jetzt
verlasse."
Ich verbitte mir entschieden, daß
Sie sich in meine Privatangclegen
hciten mischen."
Sehen Sie. Bob, einem Anderen
würde ich das nicht thun; aber Sie sind
ein hochanständiger Mensch und aus
guter Familie. Ich gebe fünfzehnhun
dert, wollen Sie?"
Bob würdigte den Antrag keiner
Antwort.
Sechzehnhundert Tollars, wollen
Sie auch nicht?"
Bob's Pferd hatte inzwischen den
Rasen zu seinen Füßen abgcrast und
rückte um einen Schritt vor. Tcr Halb
gehängte konnte sich nur noch mit feinen
Knieen an dem Pferde festhalten.
Bob, fchrie Jim in der höchsten
Erregung, Sie beuten meine Lage zu
sehr aus! Sechszchnhundert, wollen Sie
nicht? Ich gebe Ihnen auch ein Paar
Jägerstiefel, ganz neu; mir sind sie zu
eng. aber Sie haben einen kleinen Fuß
und können sie bequem tragen."
Sechszehnhundertfünfzig. die Stie
zel und einen neuen Sattel," kam es t
röchelnd aus der zugeschnürten Kehle '
Bob's.
In Gottes Namen," rief Jim und
schnitt seinen zukünftigen Schwager
eilends vom Baum.
Bob Trapp fiel auf den Rasen, er
holte sich aber rasch, rieb sich den Hals,
der die Farben der Tricolore zeigte und
machte einen tiefen Zug aus' Jim's
Whisky-Flasche. Tann ritten sie zu
sammen wohlgemuth nach der nahen
Farm.
So bekam Betty Cliff einen Mann
und Jim den langersehnten Schwager.
Der Schnljung mit der Meister
geige.
Ueber eine neue Anwendung eines
alten Gaunerkniffs wird aus Wien be
richtet: Unlängst trat in den Laden,
in der Martinsstrasze in Währing
etablirten Delikatessenhändlers ein
Junge, dem äußeren Ansehen nach ein
Schuhmacherlchrling, der unter dem
Arme eine Geige trug. Ter Junge
machte ein sehr trübseliges Gesicht und
klagte dem Geschäftsmanne, daß er um
60 Kr. für seinen in der Nähe etablir
ten Meister Aufgeschnittenes holen und
die Leige zu einem Jnstrumentenmacher
behufs einer kleinen Reparatnr tragen
solle. Nun habe er aber auf unaufge
klärte Weise 3 Kr. verloren. Er bat
daher, der Geschäftsmann möge einst
weilen für die 30 Kr. die Geige in.
Empfang nehmen, er werde sich das
Geld irgendwo auftreiben und läng
ftens in einer halben Stunde des In
strument wieder abholen. Durch da?
Mißgeschickt des Burschen gerührt. xoiU
ligte der Mann ein, gab ihm das Ber
langte und behielt die Geige in Pfand.
Während er sie noch in der Hand h,elt,
trat ein eleganter Herr in den Laden,
um Schinken zu kaufen, und fragte,
auf die Violine weisend, ob der Ge
fchäftsmann musikalisch sei. Er be
trachtete das Instrument dann genauer
und bemerkte zu dem Telikatesscnhänd
ler. daß die Violine eine Meister
geige fei, für die er gerne 120 fl. gäbe.
Er ließ 5 fl. als Angabe zurück und
versprach, am nächsten Tage wiederzu
kommen, um sich Antwort zu holen.
Inzwischen kam der Bursche zurück und
bezifferte den Wirth der Mcistergeige
mit 80 fl.. welche ihm später nach
mancherlei Unterhandlungen der Deli
katessenhändlcr, über den erungenen
Profit vergnügt, schmunzelnd aus
folgte. Mit dem Gelde verließ der
Bursche den Laden. Nun wartete der
Geschäftsmann auf den eleganten
Herrn, der die Geige kaufen wollte,
doch dieser kam nicht. Jetzt stiegen dem
Telikateffenhändler doch einige Beden
ken auf, er tteß die Geige schützen und
erhielt die niederschmetternde Auskunft,
daß sie höchstens 3 fl. werth sei.
Nunmehr sah er, daß er raffinirten
Gaunern zum Opfer gefallen sei. Wie
es schon geht, braucht Derjenige, der
den Schaden hat, für den Spott nicht
zu sorgen. Tie Geschichte von der Geige
wurde bald im Bezirke ruchbar, und
alsbald erhielt der Geschäftsmann meh
rere Antrüge zum Kaufe von alten
Meistergeigen.
Triftig Grund.
Warum verheirathen Sie denn
Ihre Tochter noch immer nich?"
Hm, sie will noch warten." Auf
was denn?" Nun. bis Einer
kommt!"