Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 18, 1899, Image 12

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    Per CSnvnfcpf.
S,n Srltimp aus cvnikiindikn. 2?an S. M.
Wir sind eine kleine, aber gemahlte
Gesellschaft an Bord der Batavia".
die von dem Hafen, deren Namen sie
trägt, nach Singapore unterwegs ist.
Wie wir so nach dem Tinncr auf Teck
uns behaglich in unseren langen Rohr
stuhlen lehnen, läßt unser fünfglicdri
gcr Kreis an Jnternationalität nichts
zu wünschen übrig. Ta ist der Kam
tan. Jobn A. Campbell aus Belfast,
besten büschige Augenbrauen den ein
zigen Haarwuchs auf seinem im Hebn
gen absolut kahlen Schädel bilden.
Ueber ihm sitzt, oder liegt vielmehr.
Willem Boek. ein dicker Holländer.
Auf ihn folge ich. Karl M. auS Bre
wen. seit fünf Jahren ohne Unter
brechung in Bangkok ansässig, momen
tan auf einer dringend nothwendigen
Erholungsreise nach Hause begriffen.
Mein Nebenmann ist Gaston Jolifet
"6g Paris", wie er stets hinzusetzt,
damit nicht etwa Jemand denken könnte.
Gaston Jolifet könne irgendwo anders
wohnen, als im Mittelpunkt der Welt.
Zwischen dem Franzosen und dem Ka
pitän streckt Fergusson seine unendlich
langen Beine aus. ein Schotte, wie er
im Buche steht: hager und schnig, mit
knochigem Gesicht ; ein glühender Ber
ehrer von Whisky mit wenig Wasser.
Wir sind alle weit in der Welt
herumgekommen. Tas bewegteste Le
bcn hat aber unstreitig der Schotte
hinter sich, den nur feine natürliche
Schweigsamkeit hindert, seine (Zreig
nisse zum Besten zu geben. Heut'
Abend aber hat er sich fleißig mit der
Flasche beschäftigt, und wir wissen, daß
jetzt schon ein kleiner Anstoß genügt,
um ihn zum Erzählen zu bewegen.
Ter Kapitän hat von seinen Fahrten
an der hinterindischen Küste berichtet
und seiner Ansicht Ausdruck gegeben,
daß dort für einen zivilisirten Europäer
nichts zu holen sei.
Was wissen Sie denn von dem Le
den im Innern ?" fragte plötzlich der
lange Fergusson, indem er sich das
große Glas, das vor ihm steht, zu
einem Drittel mit Whisky füllt und
das Verdünnen mit Wasser ganz der
gißt. Ihr i Seepferde seht ja doch
nichts, als die Küste und ihre armselige
Mischöevölkcrung. Von den Geheim
nissen des Jnnenlandes, von den
Schätzen, die da zu holen sind, von
den Verbrechen, die dort für ein paar
bunte Steinchen begangen werden, habt
ihr ja keine Ahnung!"
Seht mal, der kommt auch daher!"
sagte er nach einer Pause und dreht
einen breiten goldenen Ring, den wir
für seinen Trauring gehalten haben,
halb auf dem Finger herum. Der
dicke Boek pfeift leise und richtet sich
halb auf.
Donnerwetter, das ist ein Stein
dien!" Keiner von uns kann einen Ausruf
des Staunens zurückhalten. Auf dem
Ring sitzt ein dreieckiger, flachgeschlif
fener Rubin von herrlichstem Feuer
und jener an frisches Taubcnblut er
innernden Farbe, die nur den besten
und kostbarsten Steinen eigen ist.
Ter kleine Jolifet springt ganz er
regt auf. Warum tragen Sie den
Stein denn nicht sichtbar? Wie kann
man so etwas verstecken!" Ter Fran
zose versteht nicht, daß man einen
kostbaren Schmuck nicht auch zum
Schmücken benutzt.
Weil ich nicht Lust, habe, mir von
irgend einem Malayen oder Chinesen,
der etwa auch Geschmack an rothen
Steinen findet, Löcher in den Leib
bohren zu lassen." lachte Fergusson.
Wo haben Sie den Stein her?"
Ja, das ist eine lange Geschichte,"
sagt der lange Schotte und greift nach
dem Glase.
Erzählen! Erzählen!"
Na, meinetwegen!" Er leert das
Glas mit einem Zug, und sein braun
gebranntes, hageres Gesicht röthei sich;
der Schimmer der Abendsonne kann es
nicht sein, denn die ist untergegangen.
Ich war" so erzählt er- vor
zehn Jahren, oder so etwas, in Selan
gor, da oben, in der Mitte zwischen
Burma und dem Acquator. Reizen
des Ländchen, wissen Sie, mit einem
sogenannten Sultan an der Spitze, der
Whisky trank, wie ein Nigger, was
ich für sehr schädlich halte für einen
Nigger. Ich kam mit dem alten Kna
ben wenig in Berührung. Ich stand
zwar in seinen Diensten, um die Wege
bauten in feinem Urwaldkönigreich zu
beaufsichtigen, für die er ab und zu
mal ein paar tausend Rupien hergeben
mußte. Im Allgemeinen hatte ich we
nig zu thun und trieb mich oft ganze
Tage im Dschungel herum, um zu
schießen, was mir vor die Büchse kam,
vom wilden Büffel bis zum Tiger.
Es war eine ziemlich anstrengende und
gefährliche, aber lohnende Jagd.
Eines Tages es war etwa zwei
Stunden vor Mittag, in der ärgsten
Hitze stießen wir, ich und mein indi
scher Diener Pertal Singh, bei der
Verfolgung eines angeschossenen, jun
gen Leoparden, auf eine Lichtung im
Dschungel, in deren Mittelpunkt, ganz
von Schlinggewächsen überwuchert, ein
uralter, verfallener brahminischer Tem
pel stand.
Auf dem freien Platz vor dein Tem
pel lag unser Leopard verendet.
Ich überließ dem Diener die Sorge
für unsere Jagdbeute und schritt mit
einem gewissen Gefühl der Befaizgen
hcit, das mir sonst nicht gerade eigen
ist. überie von hohem Grase verdeckte
Schwelle. Im Innern hatte die tro
pische Wildnis; noch nicht Eingang ge
funden. Die mabtizen Säulen, die
die glatte Decke stützten, standen noch
unversehrt. Zwischen ihnen hatten rie
sige schwarze Spinnen ihre Netze aus
gebreitet, und beim Weitcrfchreiten
konnte ich noch gerade rechtzeitig zurück
springen, als eine lange, grünlich schil
lernde Schlange, durch meine Annähe
rung aus ihrem Mittagsschlas auf.
gestört, dicht vor mir in einer Spalte
zwischen den grauen Quadern der
schwand.
Die weite Halle, in der mein Tritt
auf den Steinplatten des Fußbodens
ein unheimlich dröhnendes Echo weckte,
gab mir ein solches Gefühl der Einsam
keit und des Verlaffenseins. daß ich
meine Inspektion schnell beendete und
erleichtert aufathmcte. als ich wieder
blauen Himmel nnd blendende Sonne
über mir hatte.
Ich fragte den Diener aus. der in
zwischen der erlegten Bestie das Fell
abgezogen hatte, ob er den Tempel
kenne, und wie lange er schon verlas
sen sei.
Wenn der Sahib auf Pcrtal Singh
hört, hütet er sich vor dem Tempel. Er
steckt voll von Schlangen, und drei
Leute aus dem Torf am Fluß sind hin
eingegangen und nicht wieder heraus
gekommen." Es siel mir auf. daß der Inder beim
Sprechen seine Augen nicht erhob und
überhaupt nur zögernd Auskunft gab.
Warum suchten die Eingeborenen,
die doch sonst die größte Angst vor
Schlangen und Skorpionen haben,
einen alten verlassenen Tempel auf.
dessen kühle Räume ein bevorzugter
Tummelplatz für allerlei kriechendes
Gethier fein mußten.
Mit Mühe brachte ich endlich das
Geheimniß heraus.
Der große Hanuman, der Gott mit
dem Affenkopf, wohnt in dem Tempel,
und seine Schätze sind dort begraben."
Jetzt wußte ich, was die Eingcbore
nen suchten. Aber: Wo sind die Prie
ster des Hanuman?"
Alle gestorben, Sahib! Nur einer
lebt noch im Torf am Fluß ein alter
Mann."
Mehr wußte der Inder nicht zu
sagen.
Auf dem Rückweg kamen wir durch
das Torf, das, kaum tausend Schritt
von meinem Bungalow entfernt, sich
an derselben Seite des Flusses aus
dehnte. Bei einer kleinen, etwas abseits ge
legenen Hütte winkte mir mein Be
gleiter: Hier wohnt der Hanuman
Priester." Ich konnte der Neugier nicht wider
stehen und trat durch die niedrige Thür
Öffnung in das Innere der elenden
Behausung. In einer dunklen Ecke
des scheinbar verlassenen Raumes lag
auf einem mit Baststricken bezogenen
Bambusgestell wie es die Eingebore
nen dort allgemein als Ruhelager be
nutzen, ein steinalter Mann mit lan
gem, silbernem Bart, der magere,
braune Körper unbedeckt. Um seinen
Hals hing eine Schnur mit einer Horn
kapsel daran.
Ten Greis störte mein Eintritt nicht.
Unbeweglich, mit geschlossenen Augen,
lag die hagere Figur da.
Ich grüßte ihn laut mit dem den in
dischen Brahminen geläufigen Gruß.
Er rührte sich nicht. Ich trat näher,
erfaßte die herabhängende Hand und
fühlte, daß aus dem armseligen Körper
vor mir das Leben schon seit mehreren
Stunden entflohen sein mußte.
Eine unbezwingliche Neugierde hielt
mich zurück, meinen Tiener herein
zurufen. Ich beugte mich über den
Todten und öffnete die auf seiner Brust
ruhende Kapsel. Mit großer Vorsicht
zog ich daraus ein zwei Mal zusam
mengefaltetes Stück eines getrockneten
Palmenblattes hervor und trat damit
an die Thür. Zu meiner Ucberraschung
sah ich darauf, mit rothex Farbe ge
malt, das Bild des vor wenigen Stun
den verlassenen Tempels, darunter in
deutlichem Umriß den Kopf eines
Löwen, weiter nichts.
Enttäuscht faltete ich das Blatt wie
der zusammen und legte es in die Kap
sel zurück. Tann trat ich hinaus und
schickte meinen Diener zum Dorfältesten,
um für die Bestattung des Brahminen
zu sorgen.
In den folgenden Tagen konnte ich
die Zeichnung, deren Geheimniß der
Alte mit in's Grab genommen hatte,
nicht aus dem Kopf bekommen. Immer
tanzte vor meinen Augen der Löwen
köpf. Woher kam er, und was bedeu
tete er? Auf der malayijchen Halbinsel
gibt es, wie Sie wissen, gar keine
Löwen. In welcher Beziehung stand
dieser Kopf zu dem Tempel? '
Eine Woche später war ich früh mor
gens aufgebrochen, um die Arbeiten an
der neuen Straße zu inspiziren, und
ritt gegen Mittag wieder nach Haufe,
gefolgt von Pertal Singh, der meine
Büchse trug.
Plötzlich bemerkte ich zu meiner Rech
ten eine enge Oeffnung in dem hier
besonders dichten Gebüsch, scheinbar der
Anfang eines Fußpfades, wie ihn die
Eingeborenen zur Verbindung zwischen
ihren Dörfern durch das Dickicht
brechen. Aber nach jener Seite hin lag
meines Wissens kein Torf. Ich stieg
ab. befahl dem Inder, auf mich zu
warten, und drang, die Büchse über der
Schulter, durch die schmale Lücke in das
Dschungel ein.
Ter Pfad war offenbar selten betre
ten. aber doch unschwer zu verfolgen.
Er führte schnurgerade, ohne Biegung,
durch daS Gedusch. Nach etwa zehn
Minuten wurde es vor ihm bell, und
Hochs: erstaunt trat ich heraus auf die
wohlbekannte Lichtung. Vor mir lag.
von blendender Sonne bestrahlt, die
altersgraue Ruine, der Tempel des
Hanuman.
Meine Neugicr war von neuem
machtig erregt. Auf meine hohen Rei
tcrstief'cl vertrauend, die ich für ziemlich
schlangensicher halten durfte, trat ich
durch die steinerne Pforte in die hohe,
fensterlose Halle. Eine wohlthuende
Kühle ließ mir den Aufenthalt darin
heut weniger unheimlich erscheinen, als
bei dem ersten Besuch. Ein Rundblick
überzeugte mich, daß alles unverändert
war. Eben wandte ich mich zum
Gehen, als mein Blick auf dem Fuß
boden haften blieb. Turch eine der
Luftöffnungen an der Tecke .fiel ein
Sonnenstrahl in die Dunkelheit und
malte dicht neben mir auf den Boden
einen grellleuchtcnden, scharfumrissenen
Fleck. Erregt trat ich näher. Tie
Sonne zeichnet? auf der grauen Platte
deutlich und unverkennbar den Kopf
eines Löwen.
Ich warf die Büchse von mir und
kniete vor der Platte nieder. Mit vor
Erwartung zitternden Händen wischte
ich Staub und Sand bei Seite und sah,
ohne davon noch überrascht zu werden,
dieselbe Zeichnung mit feinen Strichen
in den Stein eingeritzt.
Mit Hilfe meines Jagdmessers ge
lang es mir in wenigen Minuten, die
nicht sehr schwere Platte zu lockern und
an einer Seite zu heben, dann umzu
drehen und zu stürzen. Mit der breiten
Klinge grub ich in fieberhafter Hast den
Sand heraus, und nach kurzer Zeit stieß
meine Hand auf Widerstand. Vorsichtig
grub ich weiter, und bald lag vor mir
ein silbernes Kästchen, so groß wie meine
Faust.
Ich sprengte den Teckel auf und wäre
beinahe von staunendem Entzücken über
wältigt hingesunken.
Meine Augen ruhten auf dem Schatz
des Hanuman. Leuchtend und glitzernd
im Sonnenlicht lagen vor mir große
und kleine Rubinen, Saphire und
Smaragden, meist ungeschliffen, aber
schon in dieser Form von unermeßlichem
Werth. Mit gieriger Hast wühlte ich
in diesem Juwclenberg. die schönsten
Steine heraussuchend, um sie bewun
dernd zu betrachten und in der Sonne
funkeln zu lassen.
Ein breiter Schatten verdunkelt die
Halle. Ich blicke auf und lasse vor
Entsetzen das Kästchen in die Grube zu
rückfallen. Im Eingang zum Tempel
steht hochaufgerichtct ein mächtiger
Tiger, wüthend mit dem Schweif die
Flanken peitschend, die gräulichen Augen
funkelnd wie die Smaragden vor mir:
Ter Wächter des Tempels.
Gebannt, wie der Vogel durch die
Schlange, kniee ich regungslos, meine
Blicke einbohrend in die wie Phosphor
leuchtenden Augen des Feindes. Jetzt
duckt sich der geschmeidige Körper zum
Sprunge. Im selben Augenblick ist der
Bann gelöst; ich reiße die Büchse, an mich
und ohne anzulegen schieße ich beide
Läufe gleichzeitig ab.
Es ist zu spät. Tas im Sprunge
tödtlich getroffene Thier reißt mich mit
sich nieder, und von der ungeheueren
Masse begraben, sinke ich bewußtlos zu
Boden.
Als ich wieder zu mir kam, stand die
Sonne 'schon tief am Himmel. Mit
schmerzendem Kopf und zerschlagenen
Gliedern wälzte ich mich unter der tod
ten Bestie hervor. Mein erster Gedanke
war das Kästchen. In der Grube fand
ich es nicht; mit seinem kostbaren Inhalt
war es verschwunden. Ich fiel von
neuem in Ohnmacht.
In völliger Dunkelheit wachte ich auf.
Mühsam schleppte ich mich zum Aus
gang. Da stand vor dem Tempel an
dem Stamme einer Palme gebunden
mein Pferd. Von Pcrtal Singh war
nichts zu sehen."
Der Schotte goß mit unsicherer
Hand den Rest aus der Flasche in sein
Glas.
Ist der Kerl nicht gefangen worden?"
fragte der kleine Jolifet.
'Seine Leiche wurde zwei Wochen
später, mit einem Messerstich in der
Seite, vor einem chinesischen Gasthaus
in Singapore gefunden."
Und die Steine?"
Verschwunden! Ten Rubin fand
ich in meiner Tasche."
Theodor Storm als Humorist
Mit dem Humor ist es eine eigene
Sache. Schier unübersehbar ist die
Reihe der Schriften, die mit der Etikette
humoristisch" versehen sind. Aber
größtentheils sind es taube Blüthen auf
dem Baume der Literatur; sie schim
mern und leuchten einige Augenblicke in
dem Sonnenglanze des Tages, dann
werden sie von dem ersten Lüftchen herab
geweht, um auf immer zu verschwinden.
Ganz besonders scheint dies das Schick
sal aller Geisteserzeugnisse der profes
sionellen Humoristen zu fein. Wenn
man heut zu Tage die zahllosen Bände
eines Saphir, Oettinger u. s. w. durch
blättert, so ist man förmlich überrascht,
unter all' der Witzhascherci, an der sich
eine ganze Generation amüsirt hat. fast
auch nicht eine Stelle wahren, herz
erquickenden Humors zu finden. Ab
gesehen von den wenigen großen Humo
ristett (Cervantes, Rabelais. Jean
Paul, TickenI u. s. w.). die aus ihrem
unerschöpflichen Füllhorn die Mensch
hcit mit den köstlichen Gaben überschüt
tetcn, verdanken wir hauptsächlich sol-
chcu Tichtern. deren eigentliche Be
dcutung auf anderen Gebieten liegt,
die feinsten und edelsten Blüthen des
Humors. Ich erinnere nur an Her
mann Kurz. Gottfried Keller und Ju
ftinus Kerncr.
Auch Theodor Storm, der große
Lyriker und Novellist, bat uns trotz
seiner im troßen und Ganzen ernsten
Geistesrichtung mit einigen bumorifti
scheu Perlen beschenkt. Als Probe las
sen wir 2 seiner TöntjeS" folgen:
.Tree to Bedd."
ES wohnte einmal in einem Torfe
eine alte Frau, die hatte viel Geld und
Gut. Nun hatte wohl mancher lang
fingrige Bursche sich gern sein Meil da
von genommen: aber die Frau stand
in dem Ruf. als könne ihr nichts vcr
borgen bleiben. Trotzdem fanden sich
jedoch drei Burschen, die nicht für voll
dran glaubten und sich beriethen, wie
sie Abends der Alten ein gut Stück
Geld abholen möchten. Nun aber pflegte
die Frau, wenn sie AbendS beim Spin
nen das erste Mal gähnte, zu sagen:
Tat wer Een to Bedd," wenn sie zum
zweiten Mal gähnte: Tat weren Twee"
und wenn sie beim dritten Mal gesagt
hatt: Tat weren Tree!" so setzte sie
hinzu: 'Nu kaam ick!" Und ging zu
Bette.
Als nun Abend geworden war. so
kam der erste von den drei Tiebcn und
guckte in das Fenster, da saß die Alte
noch bei ihrer Lampe und spann.
Oho!" sagte sie und gähnte: Tat wer
Een!" Ter Bursche' aber glaubte, die
kluge Frau habe ihn gemeint und wisse
um ihr ganz Vorhaben. Ta machte er
lange Beine und lief zu den Anderen
zurück und erzählte ihnen, wie es ihm
ergangen. Tarauf kam der Zweite
dran; der guckte auch in's Fenster, da
gähnte die Frau zum zweiten Mal und
rief: Oha. dat weren Twee!" Ta
glaubte auch er, weil er der Zweite war,
und lief zurück, wie der Erste.
Jüm sind man all dumme Jun
gens," rief der Tritte, und machte sich
ebenfalls auf den Weg. Als er aber
an's Fenster kam, da gähnte die Alte
zum dritten Mal und rief: Oha, dat
weren Tree!" Tann stieß sie das
Spinnrad von sich, stand ans und setzte
hinzu: Nu kaam ick!" Ta lief auch
Tritte auch weg ; die Frau aber ging
ruhig in ihr Bett.
Tcnn," pflegte mein Vater zu sagen,
wer ein bös Gewissen hat, den kann
ein altes Weib mit der Nachtmütze
durch's Schlüsselloch jagen."
Weshalb sie den Nachtwächter
nicht begraben wollten.
(Auch eine Torfgeschichte.)
Im Kruge am Fenster saßen drei
Gäste, die eben aus der Stadt zurück
gekommen waren; sie unterhielten sich
leise, aber eifrig. Der kleine wallbei
nige Krüger mit der weißen Zipfel
mütze ging neben den Tischen auf und
ab und suchte vergebens seinen Antheil
von den Neuigkeiten abzubekommen.
Tie am Fenster waren unbarmherzige
Menschen, je mehr der Krüger die Ohren
spitzte, desto flüsternder und eifriger
wurde das Gespräch. Es war nicht mehr
zum Aushalten; endlich ging dem Krü
ger die Natur durch, er stand entschlos
i'en still und fragte:
Js dar wat Nyes passeert in de
Stadt, Jochum Peterscn?"
Wat Nyes? Ah nä, Carsten nä
Nyes is dar eigentlich nich passeert."
Aber die Unterhaltung am Fenster
wurde trotzdem immer eifriger und im
mer leiser. Der gequälte Krüger fal
tete die Hände auf dem Rücken und
setzte seinen trostlosen Spaziergang fort.
Aber nein, es war platterdings unmög
lich! Noch einmal wandte er sich an die
Unmenschen:
Kunn ick dar denn nich en bäten
Teel an nehmen, wat dar Nyes in de
Stadt passeert is?"
Ja dat kunn Carsten ja noch,"
antwortete' Jochum Peterfen, wandte
aber in demselben Augenblick dem Fra
ger den Rücken. Das war zu viel.
Mein Gott," schrie der kleine Krü
ger, wat is dar denn passeert, Jochum
Petersen?"
Ja, Carsten, dat is 'ne dumme Ge
schichte!" En dumme Geschichte, Jochum Pe
tcrscn?" Ja, Carsten se will'n de Nacht
Wächter nich begraben."
De Nachtwächter nich begraben,
Jochum Peterfen? Tat is ja wat Uter
ordentliches!" Se Wille ein abers doch nich begra
ben. Tat isn Teuuelsspill; se sind
damit all bi de Landvagt West und bi't
Amthuus. AVer dat helpt Allens nix.
se willn em doch nicht begraben. Na.
nu sind se damit na de Regcerung."
Wat Jochum nich seggt! Tat is ja
ganz wat Uterordcntlichcs! Aver. mein
Gott, warum willn se de Nachtwächter
denn nich begraben?"
.Ja, Carsten wil he nich dood is."
, Tar hcw ick ja denn keen Wort ge
gen to erinnern."
?itt Kosakenstückchen.
Zwei Kosaken, den Uriadnikis (Un
teroffizier bei den Kosaken) Archipof
und Schzcdorf, hat der Czar vor einigen
Tagen eigenhändig den ihnen von ihm
verliehenen Anna Orden überreicht.
Tiefe Kosaken waren nebst ihrem Vor
gesetzten, dem Obersten des russischen
Gencralstabs Artamanof, eines Heeres
Abtheilung des Ncgus Menclik von
Abyssinien beigegebcn, die im vorigen
Jahre nach dem Weißen Nil zog. Beim
Zusammenfluß der Sobata und des
Weißen Nils wurde Halt gemacht und
die abwünische Flagge gehißt. Ter
Weiße Nil theilt sich an dieser Stelle in
drei Arme, von denen der mittlere eine
beträchtliche Breite und viele Krokodile
bat. Es wurde beschlossen, das gegen
üdcrliegende Ufer zu erkunden, aber
Niemand von den Soldaten entschloß
sich hinüber zu schwimmen. Ter Kosa
kcnoderft Artamanof. der mehrmals be
merkt hatte, daß die Adyssinier keine be
sondere Meinung von dem Muth und
der Entschlossenheit der Weißen im All
gemeinen und der Russen im Brsonde
ren haben, wollte bei dieser Gelegenheit
den Abyssiniern zeigen, was ein Kosake
kann. Ohne feine Begleiter, die beiden
Kosakenunteroffizicre. zu verständigen,
warf er sich rasch entschlossen in den
Fluß und begann hinübcrzuschwimmcn.
Sofort folgten ihm seine Untergebenen.
Tie Adyssinier standen ganz entsetzt da
und schauten verblüfft den waghalsigen
Kosaken nach, wie sie unversehrt das
andere Ufer gewannen, es untersuchten
und wieder zurückkehrten. In der Nähe
des Ufers schössen mehrere Krokodile auf
sie zu, aber durch einen kühnen Sprung
retteten sich die Kosaken an's Ufer zu
den Abyssiniern. die sie stürmisch be
grüßten. Für dieses kühne Stückchen
sind die Kosaken von dem Czaren be
lohnt worden.
Ziege als riegöverbündtte.
Als die Stadt Eßlingen auf öffcnt
lichcm Reichstag 13130 Kaiser Karl den
Vierten beleidigte, sandte dieser ein
Exckutionshcer gegen die Stadt, um
eine ihr auferlegte Strafsumme von
109.000 Goldguldcn beitreiben zu las
sen. Tie Summe konnte jedoch nur
zur Hälfte von den Bewohnern erpreßt
werden. Um nun die Eßlinger dafür
in anderer Weise empfindlich zu schädi
gen, ließ der Anführer des kaiserlichen
Heeres alle Ziegen von der Alb" in
Schwaben herunter und in die reichen
Weinberge der Stadt Eßlingen treiben,
damit dort die Weinstöcke abgefressen
würden. Tie Verwüstung, welche die
näschigen Thiere in den Weingärten an
richteten, war eine so große, daß in den
nächsten Jahren keine Traube zu ge
dcihen vermochte.
Sr kennt die Frauen.
Es ist sonderbar, ich kann meine
Frau nicht dazu bringen, mir etwas
auszubessern oder anzunähen! Heute
Morgen bat ich sie um einen Knopf für
die Weste; sie hat sie nicht angerührt."
Tu hast sie gebeten?" fragt der
Freund. Ja, was soll ich sonst
thun?" Bitte nie eine Frau, etwas
auszubessern! Das hilft nichts. Mache
es wie ich! Wenn mir etwas entzwei
geht, frage ich meine Frau, wo die ab
getragenen Sachen hinkommen, ich
müßte den Gegenstand dort hinlegen.
Dann verlangt meine Frau, den Ge
genstand zu sehen. Ich halte ihn hin
ter meinen Rücken und entgegne: Nein,
nein. Tu kannst nichts mehr damit an
fangen! Tann fordert meine Frau sehr
energisch, daß ich damit herausrücke.
Es geschieht. Mit weiblichem Stolz
erklärt sie sofort: Tas ist ja aber noch
sehr gut! Es braucht nur Und
dann geht sie sofort daran, den Schaden
auszubessern."
Eine Explosion im I. Jahr
hundert.
Man sollte meinen, daß nur unserem
Jahrhundert, mit seinem kolossalen
Fortschritten auf allen technischen Ge
bieten schreckliche Katastrophen vorbe
halten find. Die französische Geschichte
erzählt aber schon von einer gräßlichen
Explosion im sechzehnten Jahrhundert.
Unter der Regierung des Königs Hein
rich II. war ein großer, und runder
Thurm zur Befestigung der Bastille er
baut worden. In diesem Thurm lager
tcn 200 Pfund Pulver. Da, eines
Abends, explodirte das Pulver mit ent
sctzlichcm Krach, der Thurm zerfiel in
Trümmer, so daß kein Stein auf dem
andern blieb. Sehr viele Häuser und
Kirchen in der Umgebung wurden zer
stört, und Eisenthcile von dem Dache
des Thurmes flogen mehrere Meilen
weit.
Tie schmerzhafte Cedille.
Eine vornehme" Dame in Köln, so
wird der Frankfurter Zeitung" be
richtet, deren Schulbildung nicht ganz
im Einklang mit ihrem Wohlstand war,
stellte eines Tages einen ihrer Gäste der
übrigen Gesellschaft als Herrn von
Frankois statt Franois" vor. Als
nun der Herr bemerkte: Gnäd'ge Frau
gestatten, habe eine Cödille" unter
dem c". erwiderte die Dame ganz
theilnehmend: Aber, mein lieber Herr
von Frankois. Sie sollten entschieden
etwas dagegen thun das muß doch
sehr schmerzhaft sein!" Offenbar 'war
sie der Ansicht, daß es sich um eine Art
Hühnerauge handle.
warum.
Sie: Alle Bekannte sind des Ruh
mes voll, wie vortheilhaft mir das neue
Kostüm steht. Tu allein verlierst kein
Wort darüber."
Er: Ja sieh', liebes Kind, die ande
ren Leute verlieren eben nur Worte
ich aber das Geld!"
Sie kennt ihn.
Frau: Siehst Du, diesen blauen
Hut muß ich haben."
Mann: Aber Schatz, ich denke
Frau: Du denkst? Was ist denn
das wieder für eine Gewohnheit."
?channnz.
Ich weiß. Sie habcn jetzt Geld und
wollen mir keines leihen!"
Wieio winen Sie das?"
Weil 2ie gleich bei meinem Koni
men Ihren Rock zugeknöpft dabei,!"
.U'l.
Wie konntest Tu nur die junge
Tarne ungeplüiioert vorbeilassen?"
Räuber: Ader ich werde mich doch
unrasirt wie ich bin keiner jungen
Tame nahern."
ReiniaiinzslNiN,?!.
Madame: Minna, die Trcppenge
lander sind immer schmutzig. Ich war
heute bei Frau Bergfeld, da waren sie
spiegelblank."
Minna: Ja, Madame. Frau Berg
feld hat auch die drei kleinen Jungcns!"
Trmujz!
.. Sag', liebe Freundin, lebst
Tu glücklich mit Tcincm Mann?"
Natürlich! Ter soll sich unterstehen,
mit mir nicht glücklich zu leben!"
Doppelt erfreulich.
Unteroffizier (zu einem Rekruten):
Freut 'mich, daß Sie so leicht be
greifen!.... Und Sclchcr ist Ihr
Vater? Tann freut's mich doppelt!"
An; dem nimeii.
Und zu welcher Klasse der Thiere
gehört der Mops?"
Wenn er gerollt ist. zu den Fischen,
und wenn er nicht gerollt ist, zu den
Säugthieren!"
furchtbarer verdacht.
Junger Ehemann (seine Frau an
der Küchcnthüre überraschend): Tu er
röthest, Emma, Tu wirst so verlegen
(streng): hast Tu vielleicht wieder ge
kocht?"
Der ?onntagsrciter.
Reiter: Ich will nach dem Thier
garten reiten geben Sie mir ein Pas
sendes Pferd!"
Pferdeverlciher: Ja was verstehen
Sie dcnn unter passendes Pferd?"
Reiter: Ganz einfach! Geben Sie
mircin's, das ebenfalls nach dem Thier
garten will!"
l?ersübrcrisch
Richter: , Wie können Sie eine
so widersinnige Behauptung aufstellen,
daß Sie durch das Lesen des Kochbuches
zum Ticbstahle einer Kiste Eier derlei
tet wurden?"
Angeklagte: Ja. sehen Sie, Herr
Richte da liest man immer: Nehme
4 Eier nehme 6 Eier " und
woher nehmen und nicht stehlen?!" -
Bei'm Kaffeeklatsch.
Frau Räthin: Und was ich
Ihnen, natürlich unter Diskretion,
mittheilen muß: Tie Frau Lieutenant
ist also richtig ihrem Manne untreu!"
Frau Direktor: Was Sie sagen! O
wie interessant! Na, heute treffe ich
die Frau Tottor, der werde ich es im
Vertrauen" auch mittheilen!"
Frau Räthin: Ach da hilft Ihnen
Ihr Vertrauen Nichts die Toltorin
sagt Nichts wieder!"
Die probe.
Tie Mutter giebt dem kleinen Hans
zwei buntbemalte Zuckerfigurcn, vcr
bietet ihm aber, davon zu essen, da die
Farben sehr giftig wären. Hans und
sein jüngerer Bruder Franz spielen da
mit. Eines Morgens aber fehlt eine
der Figuren. Hans", sagt die
Mutter, wo hast Tu die Figur ge
lassen?" Ich hab' sie Franzen zu
essen gegeben." lautet, die Antwort,
Und wenn er noch lebt, wenn ich aus
der Schule komme, esse ich die andere
sichste!"
Sprachkenntniß.
Kellnerin (zum Gaste, der ihr ein
Trinkgeld gegeben): "Merci, Mon
sieur .... Gelt'n S', ich kann gut
Englisch?"
Grob.
Fräulein A.: Was würdest Tu
darum geben, wenn Tu mein Haar
hättest?"
Fräulein B.: Ich weiß nicht, was
hast, Tu denn dafür gegeben?"
Stimmt.
Sohn: Papa, was veranlaßt denn
die Männer, bei der Verlobung immer
der Braut einen Tiamantrinq zu
schenken?"
Vater: Meistens die Braut!"
In l?erlegenbeit.
Handlungsgehülfe: Herr Chef. zwe.
Reisende sind da."
Chef: Was nun? Zwei Plagegeister
und nur einen Hausknecht!
Durchschaut.
Baron (arg verschuldet): Herr Kom
merzienrath, ich bitte um die Hand
Ihrer einzige Tochter Rebekka."
Kommerzienrath: Ihr Antrag ist
mir nicht unschmeichelhaft, Herr Baron,
aber sagen Sie. weshalb soll denn
grad' ich Ihre Schulden bezahlen?"
Zu spät.
Fräulein: Sie wollten mir schon
lange eine Locke verehren. Herr Lieute
nant!" Lieutenant: Grad' gestern letzte ab-
geschnitten, gnädiges Fräulein
müssen schon die nächste Ernte abwar-ten!"