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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (April 13, 1899)
wahnsinnig? 9uS btn ist. .'iftfn (int Untft'iittungs Nich i'cn a. v . 8 I o u j m o n . 1. sictiircn Tie noch dickn Brief. Scidcl. stecke Sie ihn hier in dcn Umschlag, und nchmcn -ik ihn mit zur Post. Tann können -ik das Bureau schlicken." .Jawohl. Herr Walter. Ich werde die Schlüffcl des Bureaus wie immer in Ihrer Wohnung abgeben. ut! Auf Wiedersehen!' Nach diesen legten Worten verließ der Fabrilbcsitzer Walter sein Pomp toir. in dem er dcn ganzen Nachmittag angestrengt mit seinem Buchhalter, Kassircr und Korrespondenten Seidel gearbeitet hatte. Ta auf dem Fabrik grundstuck auch das villenartige Wohn haus des Besitzers" lag, so betrat er schon einige Minuten später seine Woh- nung. wo er von seiner jungen Frau I mit einem herzhaften Kusse begrüßt wurde. .Tu siehst so vergnügt aus. Walter sagte sie. Tu hast gewitz eine gute Nachricht bekommen." Jawohl, mein Schzß, eine sehr gute Nachricht. Eine große Sorge ist von mir genommen worden. Ich habe den Prozeß um die sechzigtausend Mark in letzter Instanz gewonnen." piott fei gedankt!" erklärte Frau Walter. Dieser Prozeß hat Tir große Sorgen gemacht. Ich habe es Tir an gesehen, wie bekümmert Tu in letzter Zeit stets warst." Ja. mein liebes Kind, es ging mir auch an den Kragen. Wenn ich den Prozeß verloren Hütte, währe ich wahr scheinlich bankerott gewesen. Ich habe starke Verpflichtungen: das baare Geld ' steckt im Geschäft und ist nicht ohne Weiteres herauszuziehen; ich wäre in Zahlungsschwierigkeiten gerathen, be sonders da in den nächsten Wochen Wechsel fällig sind. Tas ist jetzt Alles gehoben. Die letzte Instanz hat zu meinen Gunsten entschieden, die Zah lung muß binnen einigen Tagen erfol gen, und wir sind aus allen Schwierig leiten heraus. Nun kannst Du aber auch einen Wunsch äußern, einen recht großen Wunsch; es soll mir Freude machen, ihn Dir rückhaltlsos zu er füllen." Es klingelte draußen, und das Dienstmädchen brachte die Schlüssel des Comptoirs, die Scidcl abgegeben hatte. Letzterer war ein alter, im Dienst der Firma ergrauter Mann, schon in den fünfziger Jahren. 'Walter hatte Seidel von dem früheren Besitzer der Fabrik, als er diese kaufte, mit übernommen und ihn als gewissenhaften und fleißigen Arbeiter schätzen gelernt. Seidel ging, wie jeden Abend, wenn er aus dem Geschäft kam, nach einem Bierlokal, wo er als Junggeselle seinen Stammtisch hatte. Als er das Lokal betrat, sah er bereits drei ältere Herren an dem bekannten Platze sitzen. Er be grüßte sie, nahm sodann ebenfalls Platz und sah still in fein Glas. Ein viertes und fünftes Mitglied des Stammtisches kam, die unterhalb tung wurde sehr lebhaft. Nur Seidel blieb still und starrte mit finsterem Ge ficht fortwährend vor sich hin. Er war fönst ein guter Gesellschafter gewesen seine Schweigsamkeit mußte deshalb auffallen. Was haben Sie denn Seidel?' fragte ihn ein Mitglied des Stamm tischcs. Ist Ihnen ein großer Acrgcr pafsirt, oder haben Sie irgend ein Un- glück gehabt?" Nein," erklärte unwirsch Seidel Lassen Sie mich iu Ruhe! Ich leide an fürchterlichen Kopfschmerzen, schon seit längerer Zeit, so daß ich beinahe rasend werden möchtX Das hämmert und pocht m meinen Schläfen und oben am Scheitel, daß ich manchmal glaube, mein ganzes Gehirn beginnt zu gähren, ungefähr wie Brodtciq. wissen eie Ich fühle, wie das Gehirn emporsteigt und die Ächüdclmandung durchbrechen will." Aber, Scidcl, was find das für Ideen!" agte einer der anwesenden Freunde. Es gährt ja manchmal in dem Kopf eines Menschen, aber dann sind es doch nur die Gedanken, nicht das Gehirn selbst." Seidel antwortete nicht, sondern sah wieder finster vor sich hin. Nach unge rayr einer naiven 'feiunoe Horchte er plötzlich auf. Der Name Fischer war am Tisch genannt worden. leidet lachte laut auf. Es war ein eigenthümliches erzwungenes Gelächter. Jis.'r!" sagte er dann. Ich habe ihn brüte Nachmittag, als ich nach dem Geschäft ging, genossen." Am Tisch entstand allgemeines Er- staunen. Ich meine dcn Kanzlcirath Fischer, fuhr Scidcl fort. Ein ncttcr, alter Herr; er hat sich gar nicht verändert." Die anderen Mitglieder des Stamm- tischcs sahen sich erschrocken an. Einer von ihncn lcgte seine Hand auf Seidel's Arm und sagte: Lieber Freund, Sie irren sich wohl. Sie wissen doch, daß Kanzleirath Fischer vor sechs Wochen begraben worden ist." Das weiß ich. das weiß ich." ver fetzte Scidcl. Aber trotzdem habe ich ihn heute getroffen. Das war ja das Originelle. Gleich hinter dem Stadt thore stand er in der Ecke und winkte mir mit der Hand. Er schien nicht bc fonders vergnügt zu sein." I Scidcl blickte wieder vor sich hin und schien gar nicht zu wissen, was um ihn vorging. So bemerkte er wohl auch nicht die sonderbaren Blicke, welche die (laste und Stammtischgcnosscn mitcin ander austauschten, vs ent iand eine peinliche Stille. Seidel trank fein Bier plötzlich aus. stand auf und er. klärte: Ich muß gehen. Zu Hause wartet wahrscheinlich mein Vater auf mich. Er ist auch todt. Aber die Todten kommen jetzt Alle, das geht schon scit acht Tagen so. Bald sehe ich dort einen Todten, bald da einen. Ich fürchte mich nicht. Ich habe ihnen ja nichts aetban. Wenn sie nur reden wollten! Aber es ist eine unheimlich stille Gesell chaft. Dann bezahlte er. nahm Hut und Stock und entfernte sich. Die Thür hatte sich kaum hinter ihm geschlossen, als sich der Alp löste, dcr auf der Stammtischacscllschaft lag. Der Mann ist vcrruckt geworden!" DoS scheint er wirklich zu fein." ..Er sah schon so verstört aus. wie. er kam." ..Und die Kopsschmeri.cn. die er schon seit Wochen hat !" so ging c durcheinander, und daran schloß sich eine Erörterung über die Geisteskranl bcit Seidel's im Besonderen und den Wahnsinn im Allgemeinen. Seidel aber schritt nach seiner Woh nung, legte sich hier einige Bogen Pa Pier zurecht und schrieb eifrig bis gegen Mitternacht. 9 brennt es. Mir thun sie nichts mehr die Ba.illcn." Der Bürgermeister hatte inzwift ikiilesaegcnwart genug Messen, die Wasserflasche zu ergreifen, die in dem Comptoir stand, und sie in den Ofen zu gieße. Und während Seidel noch inimer in dem Comptoir herumtanzte und schrie: ie sind verbrannt. ie sind verbrannt, sie nnd verbrannt Typhus. Eholcra. Diphthrritis. Pocken. Allcs verbrannt!" zoqcn die beiden Männer die nasse Asche aus dem Ofen, in der Hosinung. noch Neste dcr ver brannten Scheine zu finden. Allein vergebens. Mühsam suchte Walter nach Worten. Er tastete nach einem tuhl: dann wankte er wie vernichtet hinaus. Dcr Bürgermeister folgte ihm. er fürchtete eine Katastrophe. meidet aber schien plötzlich eincii neuen WahNqcdanicn zu haben, denn er stürzte barhäuptig zur Thür hinaus. 3. Es waren drei Tage vergangen, und die sechzigtausend Mark waren mit den ?msen bei Walter eingelaufen. Die ganze Summe betrug etwas über ein undsechzigtausend Mark, und mit einen, gewissen Gefühl der Befriedigung legte der Fabrikbesitzer am Nachmittag das Geld in den feuer- und diebessicheren Gcldschrank. Er wollte es nicht erst nach der Bank schaffen, da doch m den nächsten Tagen schon Zahlungen fällig wurden. Walter und Seidel arbeiteten in den Vormittagsstunden gemeinsam in einem Zimmer. Es kam ein Wechsel, der bezahlt wer den mußte. Walter öffnete den Geld schrank, nahm die erforderliche Summe heraus und ließ dann den schrank offen stehen, wie er es immer that, wenn er im Comptoir war. Eine Viertelstunde darauf kam dcr Portier und sagte Walter leise in das Ohr, der Bürgermeister fei draußen und wünsche ihn ohne Zeugen zu sprechen. Dieser Besuch war sehr auffallend und erschreckte den Fabrikbesitzer. Er eilte hinaus und ließ, wie gewöhnlich, wenn er nur in die Fabrik ging, dcn Schlüssel im Schloß des Geldschrankcs stecken. Er traf auf dem Hof den Bürger meistcr, und dieser begann nach dcr ersten Begrüßung: Ich komme in aller Elle u -Tönen, um Sie au warnen. Von verschiedenen Seiten geht mir die Mittheilung zu, daß Ihr Buchhalter Seidel Nicht richtig im Kppfe fei. Ich habe schon vorgestern von einem Herrn der Gesellschaft, in der er verkehrt, die Nachricht gehört, daß er Zeichen von Verrücktheit gebe, aber ich habe nicht daran geglaubt. Heute früh war auch die Frau bei mir, bei welcher Scidcl schon seit einigen Jahren wohnt. Sie erzählte mir, daß der Mann vollständig aus Rand und Band gerathen sei. Er schreibe die Nächte hindurch; dann halte er laute Reden in seinem Zimmer und fange Nachts an zu singen, habe sogar einmal den Versuch gemacht, Möbel zu demoliren, kurzum benehme sich wie ein Wahnsinniger." Ich bin Ihnen jedenfalls fehr dank bar, Herr Bürgermeister," erklärte Walter. Ich werde den Unglücklichen scharf beobachten." Haben Sie denn selbst noch nichts an ihm gemerkt, Herr Walter?" Nein, Herr Bürgermeister. Er hat soeben erst zwei Briefe geschrieben. Bitte, kommen Sie doch mit in das Comptoir, und sehen Sie ihn sich ein- mal an." Als die beiden Herren in das Comp toir eintraten, bot sich ihnen ein son derbarer Anblick. Trotz des Sommers brannte in dem eisernen Ofen bei Comptoirs Feuer. Die Thür der Feuo rung fiano offen, uns vor dem Ofen tanzte Seidel auf und ab. Mensch, was machen Sie denn?" fragte Walter überrascht. Seidel grinste, stieß dann ein qe zwungenes Lachen aus und sagte: Da brennen sie, -da brennen sie, die Bocil- lcn! Typhus, Cholera, Diphthcritis. Pocken, Allcs muß vcrbrennen, Alles muß vcrbrennen!" Er zeigte einen Hundertmarkschein, dcn er in dcr Hand hielt und im n stcn Augenblicke m das Feuer warf. Da, da brennt er! Das ganze Geld ist verbrannt, Allcs, was da im Schrank lag. Ich habe es gelesen, es sind Ba- killen auf dem Papiergeld, die müssen vernichtet werden. Mit einem lauten Schreckcnsschrci eilte Waltcr nach dem Gcldschrank und riß dic Thür auf. Das Packct mit dcn einundscchzigtausend Mark in Bank noten war weg.. Er stürzte auf dcn Buchhalter zu, packte ihn an dcn Schul tcrn und rief: Mensch, Sie haben das Geld verbrannt !" Scidcl lachte nur grell auf: Ja, ich habe es verbrannt. Es war die höchste Zeit. Die Bacillen kamen aus dem chranle heraus. Reihenweise, in qan- zcn Kolonnen, kamen sie marschirt. Ich habe die Feuerzange genommen und das Packct dort in den Ofen geworfen, ein Streichholz angezündet, und da Am Nachmittag wurde Scidcl. als er eben wicdcr in seine Wohnung zurück kehren wollte, istqenommcn. Er wehrte sich verzweifelt, schlug wüthend um sich, aber man band ihn und brachte ihn nach der Jrrenabthcilung des städtischen Krank, nhauscs. Man nahm dasclbn eine Leibesvisi- tation Seidel's vor und steckte ihn, da er tobsüchtig war, in eine Zwangsjacke. In einer Rocktasche Seidel s fand man einen Bricf an das Gericht, welcher Bc- schuldigungcn gcgcn unbckanntc Per fönen enthielt. Der Bürgermeister veranstaltete eine Haussuchung in dcr Wohnung des Seidel, und hier fand man mehrere Dutzend Bogen, beschrieben mit An klagen unsiniqstcr Art gegen verstorbene Personen odcr gänzlich unbekannte Individuen. Tas Gerücht von der Bcrrückthcit Scidcl's und dem kolossalen Schaden, den er seinem Chef durch Verbrennung der Banknoten zugefügt hatte, ver breitete sich natürlich in der Stadt, und von allen Seiten kamen jetzt Leute nach dcr Polizci, wclche Mit theilung davon machten, daß sie in dcr letzten Zeit Anzeichen von Irrsinn bei Seidel bemerkt hätten. Es war kein Zweifel: Scidcl war unzurechnungs fähig, er litt offenbar an Verfolgunqs- Wahnsinn. Für dcn Chefarzt des Krankenhauses. Doktor Stein, war der Fall äußerst interessant wegen dcr Plötzlichkeit, mit wclcher bei Seidel der Wahnsinn zum Ausbruch gekommen warGeradc Ver folgunqswahnsinn zeigt sich sonst qe- wohnlich längere Zeit vor dem Aus bruch; das Gehirn des Patienten dcgcnerirt lanqfan, bevor es zum wirk lichen Wahnsinn kommt. Bei Scidcl aber waren zwischen dcn ersten An zeichen, die er von Gciftesgestörthcit gab. bis zum vollen Ausdruch des Wahnsinns nur wenige Tage vev gangen. Kurze Zelt, nachdem man cidcl in die Zwangsjacke gesteckt hatte, beruhigte er sich. Er führte zwar noch verwirrte Rcdcnsartcn. schwatzte, sehr viel, wollte überall Gestalten sehen, die ihn 0er folgten; zeigte aber dic anderen Merk male des Verfolgunqswahnsinns nicht die sich sonst gerade in diesem ersten Stadium einzustellen pflegen. Mit die cn Merkmalen l t es eine eigenthümliche Sache. Ter Laie sieht sie nicht, selbst dem Arzte, dcr nicht speziell auf diesem Gcblct sich Mchäs tiqt hat, werden lie nicht ohne Weitere auffallen. Wohl sieht sie aber dcr kundige Jrrcnarzt. Toktor Stcin war erstaunt, sie nicht zu nndcn. Er ließ Seidel in eine Zelle bringen welche in dcr Wand, versteckt hinter einem Ventilationsgittcr, eine Ocfsnung hatte, durch welche man den Insassen auf das Genaueste beobachten konnte ohne daß dieser eine Ahnung davon hatte. Diese Zelle lag direkt neben dem Arbeitszimmer des Chefarztes, und an dem Loch, durch welches er die Zelle veidel s überblicken konnte, saß stcin jetzt stundenlang mit jener Geduld, die man nur bei dem Forscher findet, der flch ganz und gar m einen interessanten Fall vertieft. Nach einer zweitägigen Beobachtung betrachtete Doktor Stcin dcn Jrrsiniii gen mit ganz anderen Augen als früher. So lange Seidel in seiner Zelle allein war, so lange er sich unbe- odachtct glaubte, gab er sich inert würdigcrweise durchaus vernünftig. Er erschrak nicht, er zuckte nicht zusammen. er sah nicht scheu' in die Ecken; er saß ganz ruhig an seinem Tische und las. sein ganzes Gebühren war das dc; geistig vollständig normalen Menschen. obald aber die Thür geöffnet wurde. veränderte sich fein Benehmen. Dann zeigte er einen kläglichen Gcsichtsaus druck, lief schcu im Zimmer auf und ab, deutete entsetzt nach den Ecken, klagte über fortwährende Belästigung durch Geister und dunkle Gestalten. und erzählte von Kämpfen, die er mit Ungeheuern gehabt haben wollte. Am dritten Tage wußte Toktor tcin ganz genau, daß er in Scidcl einen imulantcn vor jich habe, dcr feine Sache nicht einmal besonders qe- schickt machte. Für ihn war Seidel jetzt nicht mehr dcr intcrcsi'ante Fall, an einem Schwindler warcn lcinc tudicn zu machen. Tas Interesse des Arztes verwandelte sich jetzt in Zorn über dcn frechen Gauner, dcr die Absicht hatte, auch ihn, dcii Mann dcr Wissenschaft. ... 11. .X X. ;(,, h... ! ja muu;ui. uiiu i'u um i'uiull lui), Klarheit über die Motive zu bekommen. auS denen Seidel Wahnsinn hcuchc)tk, machte er einen eingehenden Bericht an dic Polizci nnd an den Untersuchung? richlcr. Gar schlimm sah es inzwischen bei dcm Fabrikbesitzer Walter aus. Der Verlust dcr cinundscchzigtauscnd Mark hatte ihn ruinirt; er stand vor seinem Koiikursc. Es war acht Tage nach dcm Vorfall mit Seidel, Waltcr faß wicdcr in fei nein Comptoir und ardcitctc. alZ unver muthct dcr Bürgcrmeistcr eintrat. Ich habe zweimal geklopft. Herr Waltcr." sagte er. ohne daß Sie mich gehört habcn. Wahrscheinlich sind Sie sehr beschäftigt. Abrr ich muß Sie stören; ich bringt Ihncn cine ange nehme Nachricht." Seien Sie willkommen, Herr Bür qcrmeister. Ich kann angenehme Nach- richten brauchcn." Tcr Bürgcrmcistcr sctztc sich und fuhr mit freundlichen! Lächeln fort: Was meinen Sie wohl, lieber Walter, wenn das Geld nicht verbrannt wäre; wenn eidcl nur simulirtc und nicht gcistcs- krank wäre? Ich sehe schon. Sie ver stehen mich nicht. Na, Sie werden wohl nicht vor Freude um dcn Vcr stand kommen! Hier habcn Sie Ihre einundscchzigtausend Mark wieder. scidcl ist ein Gauner, er hat einen rafsinirten Betrug versucht, aber er hat sich eine zu schwere Aufgabe gestellt und ist gescheitert. Außerdem spielt eine jener Zufälligkeiten mit. welche oft dic schönsten Kombinationen eines Gau ners über dcn Haufen werfen. Na, wollen Sie sich nicht endlich diese Brief taschc ansehen? Sie finden darin ein- undsechzigtausend Mark. Ich bitte mir allerdings einen anständigen Finder lohn aus. nicht für mich, sondern für einen armen Teufel, der heute früh bei mir war und mir diese Tasche abgc liefert hat." Ich ich vcrstchc nicht," stotterte Waltcr ganz verblüft. Es ist ein Taglöhner," erklärte dcr Bürgcrmcistcr. Der Mann licß sich hcute früh bci mir mcldcn und erzählte mir Folgendes: tonn zwölfjähriger ohn hütet Vich außcrhalb dcr Stadt auf dein Geineindeanger. vor acht Tagen, nachdem dcr Gaudicb Seidel hier die Verbrcnnungskomödie ini Bureau uns vorgcmacht hatte, trieb er sich auf dem Gemcindcangcr herum. Ter Hirtenjunge sah dcn baarhäupii- gcn, aufgeregten Hiann kommen, uno natürlich fiel ihm diese Erscheinung auf. Er blieb hinter dem Busche, hinter dem er lag, ganz ruhig und sah darauf, wie Seidel anscheinend zwecklos sich in dcn Weidengcbüschcn am Bach herumtrieb ; es entging dcr Aufmerksamkeit des Knaben auch nicht, daß Scidcl einen Gegenstand in eine hohle Weide hinein steckte. Als sich dann Seidel entfernt hatte, um in einem großen Bogen um die Stadt nach seiner Wohnung zurück zukehren, untersuchte der Hirtenknabe die Weide, konnte aber in ihr Inneres nicht eindringen. Am nächsten Tage erfuhr der Junge von dcr Vernichtung des Geldes und von der Unterbringung Seidel's in einer Irrenanstalt, und nun machte er seinem Vater Mitthei lung. als dieser Abends von der Arbeit kam. Tarauf hat nun dieser Taglöh- ncr cine Untersuchung dcr Wcidc ange- stellt, und durch Hincinfchlagcn eines Loches dicht über dcm Erdboden gelang es ihm. in den unteren Theil des höh len Stammes hineinzufassen. Torthat er die Brieftasche gefunden." V 4 Im Opcrationssaal des Kranken- Hauses waren alle Vorbereitungen zu einer fchwcren peranon genossen. Fertig zur Aufnahme des Patienten tand dcr große Opcratlonstiich: Aus einigen kleineren milchen lagen oie Instrumente ausgebreitet, die mit ihrem blankpolirtcn Stahl und ihrer Man niqfaltigkeit selbst einem starknervigen Menschen beim Anschauen ein Grauen einflößen konnten. Waschbecken mit Wasser. Schwämme, Tücher, lagen bc- reit. Dic vier Hilfsärztc und der Chef arzt. Toktor Stcin, trugen schwarze Schürzen mit langen, bis an das Handgelenk reichenden Aermeln aus Gummistoff. Eine Anzahl handfester Wärter war im Saale aufgestellt, dann auch einige Zuschauer, dic man wohl ausnahmsweise zugelassen hatte: dcr Bürgcrmcistcr, dcr Untersuchungsrich ter und noch einiqc Herren au der Stadt. Auf einem Wink des Chefarztes wurde der mit einer Zwangszacke bc kleidcte Scidcl in den Opcrationssaal gebracht. Man setzte ihn auf einen Stuhl in dcr Nähc dcs Opcrations tischcs, und man sah es ihm an, wie unheimlich ihm zu Muthc war. Wenn es sich aber um wichtige tfauc handelt, find ja die Aerzte bekanntlich gefühllos. So schien auch Toktor Stcin dcn Mann in der Zwangsjacke gar nicht beachten. Er wandte sich an die Aerzte und an die anwesenden Gaste und sagte: Meine Herren, wir haben hier mit einem ivall von Waynssnn zu thun, dcr durch krankhafte Verande runa dcs Gchirns entstanden ist. Lassen wir dcn Mann wie bisher weiter leben. o wird der Wahnsinn beständig zunch- inen, und ein valoigcr ji.oo wno ci- von seincm Leiden erlöftn. i.c Wissenschaft kann aber nicht unthätig zuschcn; sie muß vmuchcn, das Uebel beicitigen, und o Haben wir un denn entschlossen, mit dem Mann da einer Operation zu machen, die aller- ding höchst gefährlich ist. Tik Statist belehrt uns darüber, daß von fünfund zwanzig Opcrirten kaum Einer 1 dem Leben davonkommt. Ta aber im anderen Falle der Patient doch unrett bar verloren ist. so muß die Operation gewagt werden. Es ist die letzte Hoff nung. 'Wir werden jetzt den Patienten chloroformiren, werden ihm dann dcn Schädel öffnen, so daß di? erkrankte Stelle des Gehirn bloß liegt, und werden dicke entfernen. Tas Erpcri ineiit ist für die Wiffcnscha't von hoch stcr Wichtigkeit." Dann wandte er sich zu den Wär tcrn: Brinqcn 8ic dcn Patienten hierher!" Lcichcnblaß war daS Gesicht Seidel' wahrend der Rede des Chcsarztcs gc worden. Sogar jene Anwesenden, die nicht Acrztc waren, fahrn wohl, daß Scidcl das Verständniß für die Rede keineswegs fehlte, und konnten deutlich das Entsetzen beobachten, das nch au seinem Gesichte widerspiegelte. Als sich die Wärter Scidcl uähcrtcn. war dicscr kaum im Stande, sich zu er hcbcn. ..Vorwärts! Vorwärts!" saqte dcr Chcfarzt. lcqcn Sic ihm dic Chloro kormmaske an." Tie Assistentürzte griffen gleichzeitig nach dcn Sägen und dcn andcren In strumcntkn und schicncn bereit, sich an das unglückliche Opfer der Wissenschaft zu stürzen. Da verlor Seidel seine Fassung Widerstand wäre vergeblich gewesen. da er in dcr Zwangsjacke steckte. Eine Flucht war nicht möglich, denn die Wörter hielten ihn rechts und links an den Armen fest. Er warf sich also plötzlich vor dcm Chcfarzt auf die Kni und lammcrte: Um Gottcswillcn. opcriren Siö mich nicht! Ich bin ja gar niait verrückt!" Ueber das Gesicht dcs Arztcs flog ein grimmiges rachcln. ..tcycn feie auf," sagte er. Wir wissen da bcffcr. ein Wahnsinniger giebt zu. daß er geisteskrank sei. Allerdings ist 1a eine merkwürdige Besserung mit Ihnen vorgegangen. Als ich gestern bei Ihnen in der Zelle war,, verstanden ic mich nicht und schwatzten unge reimtcs Zeug. Heute habcn Sic nicht nur vcrstandcn, was ich sagte, sondern Sie scheinen auch ganz vernünftige Ideen bekommen zu haben. Ich lasse mich aber dadurch nicht täuschen. Vor würts. legen Tie ihn auf dcn Opcra- tionstisch!" Jetzl vcgann ciocl um iquc zu schreien und auf einen Wink dcs Chcfarztcs waren die Wärter ron ihm zurück. Tcr Untcrsuchungsrichtcr erhob sich und sagte: Seidel, diese Brieftasche, die sich früher in Ihrem Besitz befand, ist mit einem Inhalt von einundsechzig tausend Mark in einer bohlen Weite auf dem Gcmeindcanger gefunden wor dcn. Sie haben Ihren Wahnsinn simulirt, um sich in dcn Bcsitz dcs Geldes zu setzen. Tie sehen, Sie sind entlarvt. Wollen Sie ein Gcständniß ablegen?" Seidel licß dcn Kopf auf dic Brust sinken und sagtc: Ja." Dann können wir das Protokoll so fort hier aufnehmen," erklärte dcr Un tcrsuchungsrichtcr. Dcr Protokollführcr, dcr sich in seiner Begleitung befand, faß im nächsten Augenblick an dcm Operationstisch, an dcm man die furchtbare Manipulation mit Seidel angeblich hatte vornehmen wollen, und nach kurzem Zögern ent schloß sich Seidel zu einem vollen Gc ständniß. ,,ch yavc, tagic er, ,.cil meine Lebens gewünscht, einmal Geld zu be kommen. Ich habe viel mit mir g? kämpft, bis ich mich dazu entschloß einen wichen Schwindel in tozcnc zu setzen. Ich wußtc, daß die cinundscch zigtauscnd Mark, die Herr Waltcr im Prozeß gewonnen hatte, ankommen würden, und in ihren Bcsitz wolltc ich mich sctzcn, ohne mich zu gefährden Ich überlegte Folgendes: Wenn ich mich wahnsinnig stellte, mich in dcn Bcsitz der cinundftchzigtauscnd Mark brachte. und fo that, als ob ich sie vcrbrannt hättc, so konnte mir gar nichts wcitcr gcschchcn. Man steckte mich dann in ein Irrenhaus, und aus diesem entließ man mich wahrscheinlich nach einiger Zeit, wenn ich wieder vernünftig gc wordcn zu sein schien. , Als Wahnsin nigcr konnte ich gerichtlich wegen meiner Handlungsweise nicht belangt werden Ich wollte mich dann noch eine Zeitlang hier in dcr Gegend aufhalten und wenn aller Verdacht geschwunden, mit dcm Gelde mir jenseits dcs Meeres oder im europäischen Auslande eine neue Zu- kunft gründen. Ich habe nur einen Hundertmarkschein wirklich angezündet, dic anderen Papiere, dic im Ofcn brannten, warcn Makulatur." Tcr verunglückte Schwindel Seidel's fand seine Bestrafung Seitens dcs Schwurgcrichtcs. Ter Taglöhner da- gegen, dcr das Geld aufgefunden und abgeliefert hattc, erhielt von Waltcr eine reichliche Bclohunng, die Gläubiger dcs Fabrikbcsitzcrs ihr Geld, und die Kriminalgcschichte wurde um einen in tcrcssantcn Fall reicher. Ergötzliches aus dem englischen Unterhaust. In einer englischen Revue erzählt ein alter Parlamentarier allerhand er götzlichc Geschichten aus dcr Zcit seiner dreißigjährigen Thätigkeit im englischen Unterhauie. Keiner einzigen Sitzung, behauptet er, habe er beigewohnt, in der sich nicht Stoff zum Lachen geboten it Halle. Ein ständiger Anlaß zur itcr seit wird durch dcn Hut gegeben. Der unersahrenc Abgeordnete, dcr zum erst, Male das Hans betritt, weife gur mA)t, was er mit ihm machen soll: aber es pafsirt auch noch alleren Mitgliedern des Hauses, daß sie sich über die vieln Vorschriften, die sich an die Kopfdc dcckung knüpfen, nicht recht im Klaren sind. Das HuM'idetz" ist nämlich sehr kouiplizirk. Zunächst muß man ohne Hut zu seinem Sitze gehen, darf aber dann dcn Hut wicdcr aufsetzen. Wehe abcr dem, dcr mit dem Hute sich von seinem Sitze erhebt! Als einmal ein neuer Parlamentarier sich erhob, ohne dcn Hut vorher abzunehmen, be kam er von allen Seiten des Hauses lebhafte Zurufe. Er blick stehen und bemühte sich vergeblich, dahinter zu kommen, was es gäbe. Da ging Tr. Taillier auf ihn zu, nahm ihm den Hut ab und drückte ihn mit höflicher Verbeugung in die Hand. Es ist auch vorgekommen, daß Tir William Hai court und Mr. Chaniberlain am Schlüsse einer höchst wirkungsvolle Rede sich auf ihren Hut setzten und so dic ganze Wirkung ihrer Reden unter dein aUgciiicinen Gelächter zerstörten. Ein Mitglied war lange Zcit bekannt als der Mann, dcr auf seinem Hute saß"; man behielt den Fall so gut im Gedächtniß, weil ein irisches Mitglird damals, als er das Mißgeschick be- merkte, aufgestanden war und gesagt hattc: Herr Präsident, erlauben Sie mir, dcm vcrchrtcn Mitglied? zu gra tulircn, daß. während er auf feincin Hute saß, sein Kopf nicht darin war." Niemand darf stehend mit dem Hute angetroffen werden, auch wenn er sich nur erhoben hat, um mit einem Mitgliede in leiner Näbe ju prechen. Auch der sitzende Parlamen tarier muß ihn manchmal abnehmen. 0 z. B. wenn ein anderer auf feine vrage antwortet oder feinen Namen erwähnt. Ist er zufällig in diesem Moment ohne Kopfbedeckung, so er greift er seinen Hut, setzt ihn auf und nimmt ihn sofort wieder ab. Oft kommt es dabei vor. daß Mitglieder sich in der Eile einen falschen Hut auf- enen. 0 ergrin wac tone einmal einen Hut. der ihm viel zu klein war. was große Heiterkeit hervorrief. Sehr kölnische Szenen ereigneten sich zu Zeiten, wenn es die schwierigste Sache von der Welt war, im Unterhaus? etwas zu essen zu erhalten und die hungrigen Parlamentarier in Schaaren das Speisezimmer bestürmten. Tas ereignet sich immer, wenn auf eine wichtige Rede eine uninteressante folate. Jedermann stürmt zum Büffet und der Wirth ist bald am Ende seines Wikes. Bei Nachtsitzungen ist das natürlich noch schlimmer. Vor ein oder zwei Jahren war es. da mußte der Leiter des Restaurants während einer Nacht tzung schleunigst in einer Troschke neue Eßvorräthe holen. Er kam zurück, beladen mit Butter, Käse, Eiern. Brod und anderen guten Sachen. BMd mußte aber noch einmal geschickt wer- den. In jener Nackt sollen 2000 Spiegeleier und 000 Scheiben Butter konsumirt wordcn scin Bcschci- dcnhcit gehört nicht zu den Tugenden des Parlamentariers. Umsomchr vcr dient dcr Fall bci einem Mr. Smith Erwähnung. Jemand sprach von ihm im Verlauf feiner Rede als dem sehr ehrcnwcrthcn und gelehrten Mann" eine Phrasc, die auf Advokaten häufig angewendet wird. Nun paßte dieser Titel aber rechtmäßig nicht auf Mr. Smith. Es wäre indessen gewiß Nie mandem eingefallen, zu widerivrechen. Mr. Smith 'aber sprang sogleich auf und rief: Ich bitte dcn schr ehren werthen Herrn um Entschuldigung, aber ich bin nicht aclcbrt." Eine ständige komische Figur im Hause war lange Zcit hindurch ein kürzlich verstorbener Abgeordneter, der fünfzig Jahre lang inimer und immer wicdcr versuchte, eine Bill durck,n- bringcn, durch dic verboten werden sollte, hochgclcgcnc Fenster von außen zu reinigen. Jahr sur Jahr hatte er seine Bill eingebracht, und zuletzt, als er sein letztes Stündlein nahen fühlte, verließ er das Parlament mit einem seltsamen Schlußcssckt. An seiner Ab- chicdsiede crst erkannten Alle, daß sie seine Bill stets mil;vcrstaden hatten Er erklärte, nicht an das Geschick der Fenstcrrcinigcr habe er gedacht, sondern an das Publikum darunter, aus das ic fallen könnten." Auch schön." Kaiser Wilhelm I., damals noch Kö- nig von Preußen, sah eines Tages, auf einer teinvank dcr .karlsbader Pro rncnade sitzcnd, einen Ungarn aus sich zukommen, welcher ruhig dcn Sitz ne den ihm einnahm und rauchte, ohne sich um ihn zu bekümmern. Wer ist denn er?" fragte dcr König, ein wcnia vcrdrosscn über diesen achtlosen Gleich muth. Bin N. Odry, ungarischer Komitats-Vizegespan." chon." antwortete dcr König mit gedämpftem Unmuth. Nach kurzer Weile hob Odrn an: Und wer ist denn er ?" Tcr König von Preußen." A u ch s ch ö n," bemerkte dcr unqa schc Komitats-Viceqcspan. qlcichailtig weiterranchend. Vtr Dachdasc, Gast : Sie. Kellner, ist Pas uien braten?" .Kellner (gchrimnißvoll): Fast!" r