Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 24, 1898, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Pas tLeikKricH.
V u in o ttdft n o II i .
Liebe Luise," Kiiitc der utvb:utzl
rviaiu violi'C bdiaUich iMiiiii::i?i'l:ili zu
seiner rvia ii, ai-; ie ,iü iliv gemuüilich
heun Nid)inittiia.s uiffee las.. ..Wsir.t
Tu, was mir da eben in den 3 tun
kommt" Luichen mnntc das natür
lich nicht und fall erwartungsvoll
Ach mochte wühl einmal Butter
mil.iK-'UiUipen mit 3i)rup essen. da
war in liifincr Kindheit mein Vicl
Üngvtutter." Er lehnn- sich behaiilieh
junuf, Mic-J einige ftmtnwllc Ringe
au-:- seiner (Zigarre in die Luft und
schien schvn im Vorgefühl in Oiniupeu--fuppc
mit Sonip zu schwelgen.
Es war sv still und tranlich in den,
große Wohnzimmer, die Minder waren
hinansgestarmt. anster dem Ehepaar
sasien nur noch Tante Lina, diev'ousiue
der Hausfrau, und dieser eine treue,
thalige Hülse i der große Wirthschaft,
und die Erzieherin der Binder, eine
kleine, lebhafte brünette Xanie, an dem
Kasfeetisch.
N'uu, Lui-scben?" fragte der Haus
Herr ei wenig gereizt, das; seine Ehe
halste sich nicht sogleich siir das alte
Leibgericht begeisterte. vch sage Dir,
es ist etwas köstliches, aber dicke Grau
pen iiiüffe es sein, so diek wie die
Kuppt' von meinem kleinen Finger,"
und er hob wichtig seinen stattlichen,
rothen, kleinen Finger in die Hvlie, der
wie eine mäßige runde Rübe anssah.
Taun müssen sie lange koche. ich
glaube, M'utter sagte, mehrere Stirn
den, das; die Suppe hübsch rnnd und
sämig wird, und 2yrup kommt hinein
nach belieben, delikat, sage ich Dir,
delikat!"
Tie Hausfrau und die Cousine, beide
unverfälschte Sächsinnen, wechselten
einen verstäiidnißinnigen Blick, sie
schienen dies ostfriesische Trathiinent
fiir einen zweifelhaften bienus; zu IjaU
ten.
Hier giebt es solche enormen Oiriiti
pen gar nicht," wandte sie schließlich
ein. Natürlich nicht," erwiderte der
Hausherr eifrig, hier giebt es nur die
miserigen kleine Graupen für die
pladderigen Suppen: solch ordentliche
Graupen giebt es nur in Ostfrieslaud.
Aber ich will doch gleich an die betref
sende Firma nach Leer schreiben, die
kann mir dicke Graupen besorgen, also
das laß nur meine Sorge sein. Ich
will gleich ein ordentliches Quantum
bestellen, die Suppe werdet ihr alle sehr
gern essen," fügte er mit wunderbarem
Optimismus hinzu, den Bindern wird
sie ebenso ieblingsfntter werden als
mir. Solch nationale Gerichte müßten
entschieden mehr gekocht werden," pole
misirte er weiter, weil meine Kinder
überhaupt so wenig ostfriesische Gerichte
kennen. Luise, Tu sollst sehen, mein
Leibgericht wird noch eine Hanptnnm
mer auf Seinem Küchenzettel."
Tamit stand er auf, man horte
ihn auf dem dem Borsaal noch
mit Stentorstimme Aus der Jugend
zeit" summen; dann verschwand er in
seinem Zimmer. Die Epistel mit der
Graupenbestellung wurde am nächsten
Morgen von dem Führer des Milch
Wagens zur Stadt befördert. Nach
einigen Tagen traf richtig die ver
heißnngSvolle Sendung aus dem gefeg
neten Ostfriesland ein.
Frau Luischen und Tante Lina
schüttelten bedenklich die Köpfe, als die
Graupen schon im Urzustände ein Kali
der wie mäßige Pillen zeigten; und
welche Ausdehnbarkeit besaßen sie erst,
als sie einige Stunden sachte gekocht
hatten!
Ta sie bis Mittag zu des Hausherrn
Betrübniß noch nicht gar geworden
waren, wurde die Delikatesse bis auf
den Abend verschoben, Erwartung?
voll drängten sich die Kinder um den
Eßtisch, der Pater hatte sie lüstern gc
macht und daß man Syrup nach Be
lieben aus dem GlaSschülchcn nehmen
dürfte, verlieh der Suppe einen wun
derbaren Reiz in ihren Augen.
Auf das Glockenzeichen das Fnt
tersignal, wie es Herr Franz Kolbe
nannte fand sich die zahlreiche Tisch
gesellschast allmählich vollzählig ein; der
blasse, vornehme Bolontär, der Ober
und der Unter-Perwalter und die bei
den langaufgeschossenen Eleven, denen
die Arbeit in der frischen Luft allezeit
einen Löwenappetit verschaffte. Die
Hausfrau hob den Teckel von der Tcr
rine; ein säuerlicher Geruch, wie er nur
der heißen Buttermilch eigen ist, ver
breitete sich im Zimmer. Ta erschien
auch der Hausherr mit seiner Lampe.
Welch heimathlicher Tust": rief er
athmend aus. da werden ja lauter
Kinder - Erinncrnngen wach! Meine
Herren," wandte er sich an seine Adjn
tauten, da lernen Sie seht ein Na
tionalgericht ans meiner Heimath ken
neu: Buttermilchs - Graupen mit
Shrup." Oh," meinte der Ober
Bcrlvalter, ein Westfalc, bedächtig und
bedenklich, die kenne ich schon," und
schien seinen dampfenden Teller mit
nicht zu großem Entzücken zu begrüßen.
So?" erwiderte der Hausherr eifrig,
ist sie nicht ausgezeichnet?" Ter Herr
brummte etwas in den Bart, das weder
wie Beifall noch wie Mißbilligung
klang.
Inzwischen sah sich der Hausherr
triumphirend im Kreise herum! Ach. er
mußte eine bittere Enttäuschung er
leben. Der Volontär saß hastig und
sichtlich ohne große Freude und erklärte
auf die Bemerkung des freudcstrahlen
den Hausherrn, die Suppe schmecke
:ie:;" und i!'e:nni:ji.V'. Berte 'v; i
tuen waren so vorsichtig, daß in!: ne
sich nach Belieben uu-slfge:: tonnte.
2el)r dost war be: :nO(xt Haus
vater aber, als er auf leine hoffiinngs
vollen Sprößlinge blickte, die anfangs
mit Entzücken eine Haine.;? Surup in
ibre Suppe gerührt hatten, nun aber
sehr lang'am und unlustig aßen. Eis
Am zog einen schiefen Mund. !arl sah
sehr nach Opposition aus und Fritz
schien der Ansti'ter zu sein.
Tiei'er älteste Semn des Hauses war
ein hoffnungsvoller Onarlaner, der ei
neu freien Sonnabend und Sonntag
auf dem (S ite verlebte und sein: Leib
gerichte zu Haute erwanet hatte. Tenn
sein Mütterchen pflegte ihn an diesem
Zage pianumerando" für die nächste
Woche zu verziehen, da er dann in der
rauhen fremde weilen mußte. Fritz
war so recht in den Flegeljahren als
Quartaner ist man das ja immer und
zwar von Herzensgrund. Er schnitt
den Geschwistern Frapen, puffte Kath.
chen unter dem Zisch und raunte Elfe
zu: Tiefe gräßlichen dicken Graupen
sind Pillen, ich schlucke sie heil herunter,
ihn's doch mich! Heißa, vivat Pillen
schlucken!" Eise lachte, verschluckte sich.
und der Störenfried bekam einen zor
nigen Blick von seinem Bater.
'ie kleine biouvernante iah ernit und
drohend zu der rebelliickmi kleinen
Schaar herunter und lösielte inu'terhaft
das jchreckliche Leibgericht innen,. x"
stillen pries sie heule ihren geringen
Appetit, der ein stetes Bedauern in der
eßlustigen Familie hervorrief. So war
ihr doch ein zweiter Zeller sicherlich er
spart. Tie fürsorgliche Tante Lina hatte
einen wahren Thurm von köstlichen
Schinken- und BJnrstbroben aus den
Tisch gestellt, in der sicheren Borans
setung. damit mehr Beisall z finden
bei Gros; und Klein, als der Hausherr
mit feinem Leibgericht. Verlangend
waren die Auge der Kinder und der
Eleven darauf gerichtet. Stumm und
gedrückt saßen alle vor der Suppe und
suchten so schnell wie möglich mit der
Telikatcsse sertig zu werden.
Tie Hausfrau und Taute Lina, die
sich lächelnd ansahen, boten pflichtfchul
digst zum zweite Male die Suppe an,
wunderten sich aber nicht, daß jeder
eilig und erfreut dankte. Nur der
Hausherr erbat sich sehr ostentativ einen
zweiten Teller. Als aber auch die Kin
der auf das Angebot schaudernd
Tanke, Tanke!" riefen und begehrlich
die Hände nach den Butterbröden aus
streckten, brach der mühsam verhaltene
Groll des Baters los: Wenn Ihr noch
hungrig seid, so eßt von der guten
Suppe; dies Butterbrodefsen ist Thor
heit und Berwöhnnng. Tie Suppe ist
da zum Sattesten!"
Aber Franz!" wandte Frau Luis
chen ein, wenn die Kinder doch noch
hungrig sind." Tamit goß sie aber
nur Ocl in's Feuer. Fraueulogik !
Ich sage ja, laß sie die Suppe essen."
polterte er weiter. Tiefe Berge But
terbrödc sind mir schon langst zuwider;
die Kinder sollen reell essen lernen, was
aus den Tisch kommt !"
Eine peinliche -tille entstand. An
gesichts dieses Zornes ihres Herrn und
Gebieters erklärten auch die Herren,
völlig gesättigt zu sein, die Kinder
sahen beschämt ans ihre Teller und nur
Friß flüsterte Tante Lina zu: Hast T
auch genug Sonntagsputer? morgen
werde ich einen wahren Wolfshunger
haben."
Schweigend wurde die unerquickliche
Mahlzeit beendet. Tie Herren empfah
len sich, der sehr verstimmte Hausherr
verschwand mit feiner Lampe in feinem
Arbeitszimmer, das dem Eßzimmer ge
genüber aus demselben Flure lag. Die
Kinder sagten: Gute Nacht" und stoben
die Treppe hinan nach dem Schlafzim
mer. Ihren Schreck und Kummer hat
ten sie schnell vergessen, morgen war ja
Sonntag: da gab es Zncker in den
Kaffee und Stuten, an dem man sich
schadlos halten konnte.
Tie Haussrau war sehr ärgerlich, ihr
Mutterherz blutete, daß die Kinder, vor
allein der arme Fritz, hungrig zu Bett
gehen wußten. Ich begreife Franz
nicht," grollte sie. Tie armen Kin
der! er ist doch sonst nie so, und was
sollen die Herren denken! Nein, Man
ner sind doch oft unberechenbar!"
Hab' Tich nicht." fiel Tante Lin
chen trocken ein. Sie werden' über
leben. Teinc Kinder und die Herren!"
Tic drei Tarnen setzten sich oben im
Wohnzimmer um den Tisch. Tie kleine
Gouvernante holte Frchtag's Ber
lorcnc Handschrift" hervor, aber selbst
die lustigen Scenen zwischen Halm und
Hummel kominten die Stimmung nicht
wieder in Schwung bringen. Tante
Linchen gähnte viel und herzhaft,
schließlich rollte sie ihre Arbeit zusam
inen. Leg' mir, bitte ein Zeichen in's
Buch, daß ich nachlesen kann, und laßt
Ench nicht stören, Kinder; aber ich bin
todtmüde."
Frau Luischen sah ihr etwas erstaunt
nach. Man las weiter; da wickelte auch
sie ihre Arbeit zusammen, streckte Frän
lein Eise die Hand hin über den Tisch
und sagte schelmisch: Wissen Sie was,
Fräulein Elfe? Ich bin entsetzlich
hungrig und mal ehrlich Sie doch
gewiß auch? 'Wir wollen in's Eßzimmer
gehen, ich habe gesehen, 'daß Lina die
Buttcrbrvoe zugedeckt auf das Büffet
gesetzt hat."
Tie Lampe brauchen wir nicht,"
fuhr sie fort, als Fräulein Elfe, die sich
sofort gern der Expedition anschloß, die
Lampe ergreifen wollte. Wir gehen
im Tnnkein und sind leise, meii: Mann
in.nich! es nicht z,, merke::, es wurde
üir. ärgern und au'rege::. Aber daß
wir hungern sollen. sehe ich doch nicht
ei::!" setzte ffe gereizt hinzu.
Leise schlichen ffe sie Treppe hinab,
die Et'.zinurertliar war liiibsch artig und
knarrt: auch nicht ein bischen.
Als sie in das Zimmer traten, horten
;e ein R'jfckiel und Huschen. Tie
graulichen Manie!" flüsterte Frau puts
chen. Ta muffen nöthig Falle:: ge
stellt werden."
Man tappte zum Büffet.
Was bedeutet das" raunte sie.
Tee Zeller ist abgehoben. Na. die
Bniierbrode io wenigstens da. Bitte,
bedienen Sie üch. Hoffentlich fasten
Sie im Tunleln. was Linien gerade
das Angenehmste ist." rügte tie schon
mit Wonne effeud, binzu.
Eine Weile war es lodtenstil!, beide
waren ganz in ihren l'ier.'.'ß verlieft,
Ta sah man durch die Tliürspalle einen
Lichtschein, vorsichtige Schrille kamen
quer über den Flur auf das Eßzimmer
zu.
Mein Mann, mein Mann!" flüsterte
die Hausfrau. Was will denn der
hier. ' und ne zog ranleiii Elle
mit st an sie Thür, so daß iie von
dieser völlig verdeckt wurde, als der
Hausherr eintrat. Schnurgerade ging
er auf das Büffet und die Butter
blöde z.
Ein schallendes (hellichter tonte ihm
enlgegen. Seine Frau und Fräulein
Elie kamen lachend hinter der Thüre
hervor und im Schein der Lampe
vollbeleuchiet stand -i ante Luischen.
ein Wnrslbrod in der Hand, zwischen
Büffel und Borv.'lIaiifehriint. Auch sie
lachte, daß ihr die Thränen über die
Wangen liefen.
Ach so, das waren die Mau'e",
sagte Luise. Linchen Tu. was wolltest
Tu dem: hier? Ja", sagte sie, und
tarn ans ihrem Bersteck hervor, ich
war so entsetzlich hungrig und" fügte
sie neckend hinzu und Ihr, was
wollt Il)r denn hier?" Wir waren
auch, so entsetzlich hungrig." Ich
will's nur gestehen", rief der Hausherr
und Lachte, daß die Fenster dröhnten,
ich war auch so entsetzlich hungrig und
dachte an die Butterbröde! Aber kommt
jetzt mit dem Teller in mein Zimmer,
ich habe noch eine Flasche guten Mosel
dort stehen. Tas soll unS wieder auf-
helfen!"
Bald saßen die vier gemüthlich in
dem Arbeitszimmer des Hausherrn.
Er füllte die Gläser. Ein Pereat
meinem Leibgericht!" rief er, verzeiht,
ich hatte nie gedacht, daß sich der Ge
schmack so ändern könnte. Nicht wahr,
Luischen, Tir ist's auch sehr lieb, wenn
es für immer vom Küchenzettel ver
schwindet!" Und die Glaser klangen fröhlich an-einander.
bei: ste vo:: den Kindern. Ter Bater
macht den Impresarii' und unter zeichnet
Kontrakte, walirend die Mutter Eiie::
locht, waicht und Mostnms mit Flittern
und unechien (ioldfrau: benabt.
Papa und Mama (nirarnbiua waren
al:. und nun war ilue Todter
ibre einzig: Ho"nung. Ter Solin
war ein nichtiger Jongleur und
it,ta.i:d es. geschickt mit Tellern
und MeMiugkugel:: zu langen: aber
das war doch nichts, um davon ordent
I zu leben. Poala dagegen tonnte
ibr Citnck machen. Wenn sie nur klug
genug war, tugendhaft zu fein und sich
nicht an den ersten Besten fortzuwerfen,
tonnte sie vielleicht einen (trafen oder
hi einfaches Stpäiiychcn.
2tr,$e von Y a r $ r 1 1 1 i 11 jz.
Hinter der Manege, dicht beim Arti
steiieingang. Ein Duft nach Sägefpänen, Gas und
neuen Brettern, wie immer im Eirkus.
Bon hinten vernahm man das Stam
pfen der Pferde, von vorn die lärmende
Eirkusmufik mit Pauken und Trom
mein. Durch eine Oeffnung in dem großen
Borhang, der die Thüre zur Manege
verdeckt, sah man die Kopse der Zu
schauer reihenweise in dem amphithea
terartigen Raume. Eine junge Tame
machte zu Pferde dcu Sprung durch die
Toiincnbündcr, zwei Elvwns begleiteten
sie mit den üblichen Witzen, und der
naive Theil des Publikums applandirte,
wie gewöhnlich.
In dem schmalen Gange, der um den
Eirkus herumlief, lagen einige Tekora
tionsgegenstände zur Pantomime, eine
zusammengerollte Teckc für die Atroba
ten und ein paar Barrieren.
Ein frierender Kunstreiter im Win
terniantel über dem Trikotanzuge, lehnte
sich an die Wand und nntcrhieli sich
mit ein paar Kavallerieoffizieren, die
ein trauriges Französisch sprachen, wäh
rend einige Stallknechte hin und her
liefen.
In dem kleinen Winkel neben der
Portiere stand eine Familiengruppe.
Ter Bater war ein dicker, feister, gelb
blasser Mann in schwarzem Frack mit
gelben Handschuhen und einer großen,
unechten Tiamantuadcl aus der Brust.
Er iviu bercit-3 zu steifbeinig, um zu
reiten, sah aber unecht jugendlich au?
mit seiner blanken, schwarzen Perrücke
und seinem geschwärzten Schnurrbart.
Tie Mutter war eine kleine, dürre,
brünette Erscheinung mit zottigem,
schwarzem Haar und stechenden, schivar
zeii Augen. Sie trug ein dünnes Woll
kleid mit Fettflecken und vieler Garni
rung, einen verschossenen Plüschmantel
mit mottenzerfressenem Pelzwert und
auf dem Kopf einen beuligen Strohhut
mit zerzausten Federn. Niemand hätte
ihr angesehen, daß sie in ihrer Jugend
eine Eirtus-Primadonna gewesen war
und unter Hornmusik und Peitschenknall
tuf dem Pfcrderückeit davousaust war.
während die Elowns hinter ihr Purzel
bäume schlugen und das Publikum
Bravo' schrie. Nun faß sie für ge
wöhnlich unten bei der Thür, mit den
Händen in einem abgenutzten Muff, um
die Billets abzunehmen. Heute Abend
war sie aber frei, denn ihre Tochter
sollte zum ersten Mal auftreten.
Tas war eine wichtige Begebenheit,
fast eine Lebensfrage für die Familie:
denn wenn die Artisten alt werden, le-
Baron lieiratben. vielleicht sogar einen
Prinzen oder einen reichen Bankier, man
hatte dergleichen schon gebort.
Und sie war bnbsch. wie sie da stand.
die kleine 'Kiola, ein wenig angillich
und frierend, aber lieblich in ihrer duf
tenden Iugendfriiche mit den blitzenden
Augen und dem reichen, schwarzen
Haar, in dein ein paar große Neffen
steckten.
Ihre Figur konnte man nicht sehen,
da sie in einen alten, weißen Mantel
eingehüllt war. den die Mutter iorgfal
lig um die entblößten Schultern zu
sammenzog. Tie Nummer war vorüber. Beifalls
salve:: erlonen vom Saal. Tie Künsi
lerin wurde vorgerufen und tan: dann
keuchend hinaus.
Nun kam Paola an die Neibe.
Ein schneeweißes Pferd mit weißer
eidenichabrake, die mit Üio'en gestickt
war, wurde vvrgeuibrt.
Mama Earainbino nahm vorstchlig
den Mantel von den Schultern der
Tochter, und dann stand Paola. strah
lend von Schönheit und fugend, vie
eine kleine Fee in einer Wolle rofen
rothem Atlas, mit Silderflittern be
setzt, und an ihrem Halse und aus den
Annen funkelten Schiuucksachen aus
Theaterbrillanten.
Mama Earainbino ordnete mit sorg
fältiger Hand die kurzen Tarlatan
Nöckchen, befestigte ein Nosenstränßchen
an der einen schütter und zupfte ein
wenig die Frisur zurecht. Dann tiißte
sie die Tochter, wobei ein paar Thrä
nen aus ihren abgenutzten Muff herab
sielen. Paola stampfte aus dein mit Kreide
bestreuten Brett am Eingang auf und
schlug mit den Füßen ans wie ein
Huhn auf einem Blumenbeet, dann
Hißte sie den Bater und reichte ihm die
Hand.
Papa Earainbino richtete sich stolz
empor, legte das stereotype Künstler
lächeln um seine Lippen und schritt zum
Eingang. Tie Musik spielte eine rau
schende Quadrilleumelodie, der Bor
hang wurde zur Seite gezogen, die
Kunstreiter in ('jalalivree stellten sich
aus beiden Seiten des Eingangs auf,
und Paola schwebte an der Hand ihres
Baters herein und begrüßte das Publi
kum mit einem Lächeln.
Einen Augenblick stand sie verwirrt,
von: Gaslicht geblendet und erschreckt
über die Mauer von Köpfen, die rings
um sie aufgetbürmt war; aber dann
faßte sie sich Muth und sprang graziös
auf das Pferd, ordnete ein wenig die
roseurothen Tarlatan - Röckchen und
spielte mit ihrer kleinen Peitsche mit Sil
bergriff und ließ die Augen über das
Publikum hingleiten, während das
Pferd im Schritt an der Barriere herum
wanderte.
Ein kleiner Junge in blauer Livree
mit mehreren Reihen kleiner (ioldknöpfe
ging an den Baiikrcihcn entlang und
trug einen Stahldrahtstandcr mit klei
neu Sträußchen, die er zum Kauf feil
bot. Es waren ganz einfache Sträußchen
ans Immortellen, gefärbtes MooS und
bunten Gräsern, aber sie sahen bei Licht
nett aus.
Als Paola vorbeiritt, sah sie in der
ersten Reihe, wo die Löwen" saßen,
einen jungen Manu mit einem solchen
Sträußchen in ber Hand stehen.
Sie erkannte ihn sofort wieder. Sie
hatte ihn am Tage vorher am Borrnit
tag bei der Probe gesehen.
Er war durch den Stall gekommen
und stand am Artisten-Eingang und
hielt den Borhang zur Seite, indem er
in den Eirkus hineinsah und sie mit
unverschämten, verliebten Blicken be
trachtete. Sie crröthete Über ihr arm
liches Probekostüm eine blaue Baum
wollbluse und ein paar schmutzige Tar-latan-Röckchen
und ritt eilig hinaus.
Der Direktor hatte gesagt, es wäre
ein Gras, und das war er wohl auch,
denn er sah so elegant und hübsch aus.
Ein kostbarer Pelzmantel umschloß
seine schlanke Gestalt, fein Gesicht war
feingeformt, aber ziemlich blaß, und
ein kleiner, gestutzter Schnurrbart ver
schattete seine hübschen Lippen mit dem
etwas schlaffen Zuge am Munde.
Nun stand er da und sah sie mit dein
selben unverschämten, verliebten Blick
an und hielt ein Sträußchen in der
Hand. Das war sicher siir sie.
Ihr Herz klopste vor Entzücken. Er
war ja ein schöner, vornehmer Herr,
und cö war ihr erstes Bouquct.
Papa Earainbino, der stolzerhobeneu
Hauptes und mit seinem stereotvpen
Lächeln neben dem Pferde hinschritt.
knallte nnn mit seiner langen Peitsche,
und das Pferd sauste im Galopp da
von. Paola hatte sich aufgerichtet und stand
in graziöser Stellung ans der weißen
Silberschabracke und führte unter stiir
mischen: Beifallsjubel ein paar kühne
Uebungen aus.
Als sie an dem jungen Mann vorbei-
stimmt.
A'.: Man mag über Richard Wagner
sagen, was man will, aber ein Gutes
hat seine Musik doch."
B.: 'Was denn?"
A.: Er hat ie etwas geschrieben,
was die Inngeus ans der Straße pfei
fen können."
Gerade das Geczeiilboil.
Junge Frau (uns der Stadt zu dem
Stubenmädchen eines ländliche Gast
Hofes): Könnte ich vielleicht etwas Pn
der bekommen !"
Stubenmädchen: Puder? Ich weiß
nicht, was das ist !"
Junge Frau: Nun, womit stäuben
Sie denn Ihr Geficht ein, wenn Sie
ausgehen?"
Stubenmädchen (lachend): Ich stäub'
mir' nicht ein, ich wasch' mir'S ab!"
Der Pedant.
Registrator (zu einem Bürcauschrci
ber. dem er ein von jenem ausgesühr
tcS Schriftstück zurückgibt): Herr
Schmidt, hier fehlt i' I Pünktchc.
Machen Sie's 'mal fälwcr driewcr, daß
nich zw ccrlee Schrift würd!"
i:t:, bog er sich vor und schleuderte das
S'.uu.stch:;: mit sicherem Wurf gerade
gegen ibre Brust.
Sie ergriff es mit einein -.'aaieln:
aber im selben Augenblick tba, das
Pserd einen heftigen Satz, sie verlor die
Balanee. '::! mit dem Kopf auf die
Barriere und blieb bewußtlos, die kleine
Hand trampsljast um das Sträußchen
geschloffen, liegen.
Das Alles geschah in einer Sekunde.
Tas Publikum stieß einen Schrei des
Schreckens aus. und Papa Earainbino
nurz'.e wie toll, zu feiner Tochter Irin
und trug sie mit Hilfe einiger Kunst
reiter hinaus.
Tie Musik war verstummt, und durch
den Saal ging es wie ein Brausen des
Meeres in: Sturm.
Ter elegante, junge Mann erhob sich
und ging. Sein bleiches ('iesicht war
noch, bleicher, als gewöhnlich.
iraußen aas der Aliobalendecke lag
lAuua mit geschlossenen Augen, das
Sträußchen war noä, trampshaft gegen
die Brust gedrückt. Tas gelbe Besicht
des Baters glich einer odlenmaske. die
Mutter lag schluchzend zu ihrer Füßen.
Ringsum standen Artisten, und unter
ihnen der alte Elouni, Mister Bvllle.
Er hatte die Heine Paola noch ans
seinen Armen getragen: denn er hatte
ihre Mutter schon in jener Zeit gekannt,
als sie, eine verblühte, angemalte
Schönheit, den Earainbino mit ihrer
Hand beglückte.
Tas dumme Bouquct verursachte
das ganze Unglück," murmelte der
Elown.
EswarihrerstesBougnet," schluchzte
die Mutter.
Ein ganz gewöhnlicher Strauß,"
sagte eine der Damen verächtlich.
Mama Earainbino erhob den Kops
mit den thränengesüllteii Augen.
Er ist aus Immortellen," sagte sie,
die welken nicht. Mein erstes Bonquet
war aus Rosen, und sie welkten, und
dann war es allzu kostbar!"
Der Direktor trat hinzu. Der Arzt
war ja geholt. Das Publikum mußte
beruhigt werden.
Er ging hinein und kündigte an,
Mademoiselle Paola wäre außer aller
(Gefahr.
Der Elown. Mister Bottle, mußte
auftreten, aber das Publikum lachte
nicht über seine Narrenpossen, und er
war auch nicht sonderlich lustig. Die
Thränen bildeten tiefe Furchen in der
Schminke auf seinen Wangen: aber er
ließ sich oft auf die Nase fallen in den
Sägespäneii, damit die Leute nicht se
ben sollten, daß er weinte.'
Indessen lag Paola noch immer be
wußttos. Ein einziges Mal öffnete sie
die Augen, drückte das Sträußchen
lächelnd an die Brust und schloß sie
wieder, um sie niemals wieder zu off
neu. Der Arzt kam, sagte aber, da könnte
er nichts mehr machen.
Der Doktor hatte Recht. Paola war
außer aller Gefahr, außer aller Gefahr
des Künstlerlebeiis.
Sie war dahingegangen, rein und
unschuldig, mitten im Beifallssturm,
im glücklichsten Augenblick ihres Lebens.
Wie sie mit einem Lächeln um den
Mund dalag, schien sie nur eingeschlum
mert zu sei, mit einem Strauß au der
Brust.
Es war kein kostbares Primadonnen
bonquet mii prachtvollen Rosen, die so
leicht welken und die die Künstlerin oft
mit ihrer Ehre bezahlen muß.
Es war ein schlichtes Immortellen
sträußchen; aber diese welken nicht und
können auch das Grab schmücken.
Tie Trauung auf dem Baum.
Wenn zwei Negritos ein Bolks
stamm ans den Philippinen die Ehe
eingehen wollen, versammelt sich der
ganze Stamm, und die Brautleute er
klettern zwei Bäume, die nahe bei ein
ander stehen. Ihre Eltern biegen dann
die Zweige, woraus jene sitzen, solange
einander z, bis sich die Köpfe des jun
gen Paares berühren. Wenn das er
reicht ist. ist der Ehebund geschlossen;
nun folgen allerlei Festlichkeiten, und
ein phantastischer Tanz vervollständigt
die Zeremonie.
Leftcmdend,
Moderner Maler (im Gasthaus spei
send) : Sonderbar grüner
Spinat!!"
Ix.iuvj Alit-Ni,
Bräutigam , ines Madchens ?.:: ii
oeinmintem Alter, als deren Mehnrts
ichein 'in s Standesamt heicha;,t wer
den muß): Jetzt hin ich dock, neugie
rig, um wieviel Jahre meine Brau! in
der nachneu luude a't.'rn wird!"
31 üXr.in frischen.
Bürgermeister ti'or dem Emp'aug
des Zon:gs: Aber. Herr Amtmann,
ick: tagte ibnnt dach, dar, Sie die Wate
drei Mau bock aufstellen lasten."
Amtmann: , braus ab probirt.
Herr Bürgerin:, er. ;wei Mann Iiocki.
das ging och, aber als der dritte auf
dein zweiten stand, da purzelte er immer
run:er!"
In, JEtf'.'r.
Der Herr KanUeiea:!) ist in seinem
Märten damit beschäftigt. Blumen zu
hegießei:. Plötzlich fangt es an in
strömen zu regneu. Was thut der
Herr Rath? Er gehl in's Hans, holt
sich einen Regenschirm und gießt ruhig
weiter.
UV.'tbu oMommcii
Junge Frau izt: ihrem von der Reise
zurückgekehrten Mann) : Hier habe ich
Dir Alles aufgeschrieben, was ich wah
rend der Zeit an Wirtschaftsgeld ge
braucht habe."
Ehemann (die Blatter durchlesendi :
Das hatte ich nicht erwartet."
Frau : Wärmn ?"
Ehemann : Weil T mir schriebst,
Tu verzehrst Dich in Sehnsucht !"
Technischer .rtfchntt.
Schloffer : Weshalv soll denn das
Schlüsselloch an der Hausthür mit
Phosphorlösung bestrichen werden?"
Hausherr: Damit es meine Stu
denten finden !" '
Ausverkauf "
Ladnerin: Wie theuer soll ich den
Hut. der vierzehn Mark kostete, jetzt
auszeichnen ?"
Prinzipal: Schreiben Sie darüber:
Früher neunzehn Mark, jetzt vierzehn."
An der Iftriikkicsstmise,
Feldwebel: Sie Esel schreiben ja
gar Pferd mit B"! Sind Sie denn
in der (Geographie gar so schlecht be
wandert l"
(Rute versalze.
Gefangnißinspettor: Sie haben
Ihre Strafe nun abgebüßt, ick) wünsche
nur, daß diese wiederholte Strafe dazu
beitragen möge, daß Sie sich endlich
bessern. Zeit dazu ist och immer!"
Sträfling: Na, wenn ick och Zeit
da; habe, denn pressirt's ja nich so!"
iudlich.
Der kleine Fritz (zum Onkel, der
Student ist, als er gehört, daß dieser
durchgesalleu ist): Du, Onkel, thut
das nicht weh, wenn man dnrchfällt?"
Unter Gaunern,
Was hast Tu denn für Teinc Uhr
bezahlt?"
Sechs Monate."
Aus dem Geschichtsunterricht,
Wieviel Todten zählten die Perser
nach der Schlacht in den Thermopplen?"
Gar keine, denn cs war schon zu
dunkel dazu."
bedenken.
Hausfrau (zu dem stellesiichendeii
Tieiistmädchen): Sie kriegen also
fünfzig Thaler Lohn und zu Weihnach
ten ein neues Kleid!"
Tienstmädchen innschlüssig): Wis
fen Sie, das find aber noch vier Wochen
bis Weihnachten!"
Nachhilfe.
Freund: Na, bist Tu denn Sonn
tag mit dem störrische Gaul glücklich
wieder nach Hause gekommen ?"
O ja, aber das ganze Dorf hat
schieben müssen!"
?as fornuU davon.
Kühl die Nacht und sternenhelle
Grüße schickt' ich in die Ferne:
Tragt sie hin zu Liebchens Schwelle.
Ach ihr lieben trauten Sterne.
Doch im Schweigen tief verborgen
Blieben stumm die einlhnei, juiifi-n
Ach. und früh am nächsten Morgen
)-uiu iui ? gieiq ia) an oe
Schnupfen!
Wdiü rcidachtia.
Ach, Ernilie, ich bin eine unglück
liche Frau!"
Ja. warum denn?"
Mein Mann ist wir. während ich
im Seebad war, untreu geworden!"
Bilde Dir doch so was nicht ein!"
Ja denk' Dir nur: er hat sich 's
Schnupfen abgewöhnt!"
triistviig.
Trinker (der bemerkt, wie einem Pa
tienten die Glieder mit Branntwein
eingerieben werden): Das muß ich
jetzt aber gleich an die Gesellschaft gegen
Mißbrauch geistiger Getränke schrei-ben!"
Ausaloich.
Wie kommt's nur, daß der Baron,
?r rii ?imiiM i ii it jt 1 1 a tt "V ivfitor
i ii i . t. ti uiy nvui ; u ii yi, i i ii -c wnn i
des Bankiers, seine abgeblühte A e l t e st c
nahm ?"
Der Jüngsten hat die Natur am
Meisten mitgegeben und der Aellesten
ihr B a t e r !"
i
i