Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 17, 1898, Image 12

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KMvrt.
f on v o ( b a t 2 d m ! d !
I.
bin iv-.'.ch'o- " riet ;o ct:te Per
kiben Tarnen tu t da Nachlicht. Die
berbiuderte sie jedoch nicht, in einem
fort über das zu reden, muh sie sprach
los machte.
Tie nnbere Tarne, ihre altere Sdnnc
er, an bereu Schläfen sich bereit er
grauende Haar streifen Zeigten, at).
nachdem ber erste Eindruck ber iitter
warteten Botschaft vorüber war. siitl
und sinnenb vor sich hin. wie um sich zu
sammeln. '.'lach einer Weile sagte sie:
Nein, aber Diese Freude! Wenn
man bedenkt. Das; die l'iatter das
lück noch erleben soll auf ihre alten
Jaae!"
Noch eine dritte Person befand sich
im Zimmer. Ter Mann der alleren
Schwester. In legte mechanisch einen
Briefbogen in Quartformat zusammen.
faltete ihn wieder auseinander und legte
ihn abermals zusammen, um lanicnuo)
das Papier zum dritten Male zu öffnen
und zu lefen.
'ITnitt-d Suit's CUMil;it'."
stand am Mobs bes Bogens und barnn-
ter im blauen Tnirf ber schreib
Maschine :
Sehr geehrter Herr!
Ich freue mich. Ihnen heute endlich
die sichere Mittheilung machen zu kon
nen. baß die Nachforschungen nach Ih
rem Schivager. Herrn Robert Nissen,
ein günstiges Resultat ergeben haben.
Herr Robert Nissen lebt und befindet
sich als Reitlehrer ,z Chicago, in den,
latterj'all von Mr. Edward ttiugson.
ES ist Ihrem Herrn Schwager auf
Veranlassung des hiesigen Konsulats
sofort eine Abschrift von, Testamente
seines verstorbenen Herrn Paters zuge
stellt worden mit der Aufforderung
seine legitimen Ansprüche gellend zu
machen.
Ich gralulire Ihnen von Herzen zu
dem Erfolge, welchen Ihre uneigen
nützigen Bemühungen als Pormund
um ben Perbleib des bereits verschollen
geglaubten Schwagers gehabt haben.
Hochachtungsvoll
Frctierik Cpp.
'Breslan, 2.1. Juni
Es handelt sich jeht darum," meinte
er, den Brief ins d'ouvert und das
Eouvert in die Brusttasche steckend, das',
Eure Mutter nicht mit einem Male den
Inhalt des Schreibens erfahrt. Man
ins; sie langsam und vorsichtig vorbe
reiten, denn, wenn sie sich auch niemals
usikrte, so bin ich boch fest davon über
zeugt, daß sie, ebenso wie 'hr und ich,
Robert langst da drüben gestorben nnd
verdorben geglaubt hat."
Tas glaubt sie bestimmt." bestätigte
seine Iran. Seit vierzehn Jahren
glaubt sie es Tamals hatten wir die
letzte Nachricht über ihn. Tafe er selbst
geschrieben hat, ist ja über zwanzig
Jahre her. Tu weißt doch: schon als
wir uns verlobten, galt er für todt."
Tas heißt, beim seligen Pater, bei
der Mntter nnd bei Tir galt er für
tobt, bei mir nicht Erinnerst Tu
Dich nicht, wie ich immer sagte: Gebt
Acht, der taucht noch mal aus, der
schreibt blos nicht, weit's ihm schlecht
geht. Sobald er ein gemachter Mann
ist, läßt er von sich hören," fiel ihr die
ledige Schwester ins Wort.
Ganz recht, das war aber nicht nur
Teilte Ansicht, das war die allgemeine
Ansicht, bis wir erfuhren, baß man ihn
so elend und krank gesehen habe."
Ja, aber ich Hab's doch geahnt, daß
er nicht umgekommen ist, wenn ich auch
diese Ahnung immer für mich behielt."
Die Eljcleitte warfen sich bezeichnende
Blicke zu.
Ihr könnt Euch ruhig mit den Au
xicn zuzwinkern, ich bin doch die Einzige
gewesen, die "
Na ja doch, Helene! meinet
wegen!" rief ungeduldig die Andere.
Ich denke, wir streiten uns jetzt nicht
darum, wer von uns dies oder jenes
gedacht hat, wir wollen uns lieber
freuen, daß der Robert am Leben ist.
Hoffentlich besucht er uns und wir sehen
hn gesund wieder, wenn ihm die Erb
schaft ausgezahlt wird."
Wenn ihm die Erbschaft ausgezahlt
wird? Was soll denn das nun wie
der heißen? Wie? Willst Du viel
leicht damit andeuten, daß ich wich da-
gegen sträuben konnte ? Willst Du
vielleicht durchblicken lassen, daß ich
ihm seine paar tausend Thaler vorent
halten werde, weil seine Ansprüche ver
jährt sind?" x
Du bist wohl nicht recht gescheidt!
Wer hat denn das behauptet?"
O, ich kenn' Dich schon,... Dich
kenn' ich!"
Jept legte sich der Schwager ins
Mittel.
Helene!" sagte er streng meine
Frau und ich, wir nehmen alle erdenk
liche Rücksicht auf Dein excentrisches
Wesen, aber was zu viel ist, ist zu viel.
Man kann ja wahrhaftig kein harrn
loses Wort mehr reden, ohne daß Du
irgend eine geheime Absicht dahinter
, vermuthest. So ctivas ist mir noch gar
'nicht vorgekommen. Anstatt Dich mit
uns zu freuen über das große Glück,
anstatt diesen Tag als einen festlichen
z begehen, kommst Tu wieder mit
grundlosen Argwöhrnmgen und bringst
Unfrieden in dieses Hauö!"
So ! also Unfrieden trage ich
in dieses Haus? Aha! das heißt doch
.mit anderen Worten: verschon uns künf
?tig mit deinen Besuchen! Na, ich
hab' mich noch niemandem aufgedrängt,
mein Vebtag nicht Ich werd' ir.tr
das merken
Sie ging anf's Sofa zu. wo ihr
Eapc lag. wari es sich um bie Schuld
ter. nahm ihr'Tt Sonnenschirm vorn
Zück, und raick. Mn:t "r.:i, verließ sie
das Zimmer.
Mit einem irischen, weißen Häub
chen auf dein !opf saß die siebenzig
jährige Mutter am Fenster. Hier war
ihr ieblingsplK. Das i'cben und
treiben aus ber Straße, die vorüber
fahrenden Trvschken und Lastwagen,
die Eguipagen, Bicizcles, die Passanten
boten ihr eine Zerstreuung. Stunden
konnte sie so zubringen, das blae,
runzlige Gesicht an die satte Scheibe
gedruckt. In steter Bewegung verän
derte sich fortwährend das Bild, das
ihr die Außenwelt bedeutete. Und in
dieser Welt wurde ihr das unznlang
liche Ereignis;: wenn ein Pscrd auf dein
glatten Asphalt stürzte, wenn ein
Schornsteinfeger auf dem Dache eines
Nachbarhauses sich zeigte, wenn zwei
Gassenjungen sich prügelten, wen ein
Scheerenschleifer rasselnd sein Rad
schnnrren ließ u. s. w.
Tas geistige Auge der Matrone aber
war ost derartigen Geschehnissen bge
wanbt und nach innen gekehrt, Sie
konnte mit aufnierlfamen Blicken hin
unter schauen, wahrend ihre Gedanken
ganz wo anders waren, bei ihren lieben
Todten oder Lebenden daheim und in
der Ferne, bei den Mindern undAiin
Deskindern, beim Wascheschrank, beim
ttochtopf. bei. den Werthpapieren, die.
ach. so wenig Zinsen brachten, bei den
Motten, die trok penetrante Naphta-
lins das Sopha und Die Polsterstühle
der guten Stube arg zerfräße.
In dem PielcrU'l und doch Wenig
ihres PorsteliiingskreiseS gab es zwei
Ideen, gewissermaßen zwei feste Punkte,
um die ich all ihr Denken und Sinnen
drehte, die Helene" und der Robert".
An diese Namen knüpften sich die
Hauptsorgen und Hauptwünsche ihres
Alters.
Tas Mädel" war nun schon weit
über dreißig und hatte noch leinen
Mann gefunden. Perblüht war sie vor
ihren Augen. Einst ein lustiges, roth
backiges, vollwangiges, frisches Ting,
und jetzt? Ach, du lieber Himmel !
Tas war so langsam hingewelkt und
hatte sich abgehärmt. Das ganze
Wesen halte sich dabei verändert. Per
schroben war sie geworden, verbittert,
so na, halt so ganz anders als
früher.
lind der Robert! Taufendnial hatte
sie sich schon gesagt: er muß todt sein,
sonst hätte er doch ein einziges Mal
wenigstens geschrieben in vierzehn Iah"
ren. Und wie der Pater starb, da
gab'S doch eine Erbschaft! Aber auch
damals meldete sich der Robert nicht.
Also lag er gewiß unter der Erde
Tennoch träumte ie oft und deutlich.
wie der Sohn, der, noch halb ein
Knabe, hinübergeqangcn war, plbl'.lich
als bärtiger, kräftiger Mann vor ihr
stand, sie um Perzcihung bat und gc
lobte, bis an ihr Ende bei ihr zu
bleiben.
Tcrfelbe Traum kehrte in launig-
fachen Variationen wieber und versetzte
sie immer von Neuem in Aufregung
und nährte von Neucm die ganz er-
loschen? Hoffnung.
3.
Helene kam nach Hause.
Was ist Tir?" fragte die Alte, als
sie an dem craltirtcn Mädchen die ihr
nur zu wohl bekannten Zeichen einer
heftigen Gemüthsbewegung bemerkte.
Nichts."
Tu hast Dich gewiß wieder mit
Deiner Schwester gezankt?"
Ich hab' Dir' was mitzutheilen."
meinte ablenkend die Tochter.
Du?"
Ja."
Was denn?"
Etwas Freudiges."
Freudiges?" wiederholte lang
sam und mißtrauisch die Matrone.
Da wär' ich doch begierig: das Neue,
was man so zu hören bekommt, ist ge
wohnlich nicht angenehm."
Doch, sehr angenehm."
Hast Tu Dich etwa verlobt?"
Nein."
Na, dann wüßte ich wirklich
nicht.. .."
Etwas noch Angenehmeres ist's."
Noch Angenehmeres?" Tie
Greisin sah erstaunt und forschend in
Helenes Gesicht.
Na. Mutier, denk nur mal nach, ..
Was war das Liebste, was Dir auf
Deine alten Tage Passiren könnte?"
Die Gefragte schwieg. Was sollte sie
auch darauf antworten? Das hatte doch
keinen Zweck.
Nun, Mutter?"
Geh, laß mich!" meinte sie müde.
Helene näherte sich ihr: Mntter,
kannst Tu Tir faktisch nichts Angeneh
mcres denken als meine Verlobung?"
Helene!" Vorwurfsvoll, bittend,
beschwörend klang ihr der Name von
den trockenen Lippen.
Ja, ja, Mutter!"
Helene!" schrie die Alte und um
krampfte zitternd die Arme der Tochter.
Ta küßte Helene die Mutter auf die
Stirn nnd rückte sie im Sessel zurecht,
von dem sie hcrabzuglciten drohte.
Mit gläsernem, wirren Blicke starrte
die greise Frau lor sich hin, langsam,
tonlos die Lippen bewegend.
Ja, ja, er lebt! Sei doch nur
ruhig. Mutter, der Robert lebt!"
Und sie war ruhig, ganz ruhig, die
Mutter für immer.
:ifljii schlatt.
ei:- i "riwbn :nniC'j? fli. 3i"J.li'n.
Ssn v .
Ja, das Reiten will gelernt sein."
tagte Herr Frik Bu tu icke aus Berlin,
feines Zeichens Ratender in Baumwolle
von Bergheiitier V Eo.. zu den Mitrei
senden im Eiseubalmeoup,''. die schon
seit einer Weile staunend den Schil
derungen zuhörten, die er ihnen mit der
größten Zungenü'i'.igfeU von seiner
hervorragenden Persönlichkeit und seiner
Bedeutung als Menich. Zeitgenosse und
Reisender machte.
Praktisch, gewandt." sagteer, und
vor allein gerissen muß der Mensch sein,
wenn er weiter kommet', will. Ta traf
ich z, B. gestern Abend meinen Kollegen
von Zhaiheimer A- Eotnp. Frage ihn
über alles aus. ganz diplomatisch natür
lieh, und der harmlose Mensch ist so
naiv, mir zu erzählen, baß er heute auch
nach Stuttgart wolle und nennt mir
alle Firmen, bei denen er die Absicht
habe, vorzusprechen. Merkte mir na
lich alle und überredete dann das harnt
lose Menschenkind, anstatt heute Mor
gen schon abzufahren, einen Zug zu
überschlagen und mit mir mit zehn Uhr
einen Frühschoppen im Hotel Metropoi
zu trinken. Ter Kerl fiel richtig darauf
herein und wartet vielleicht jetzt noch
vergebens int Metropol auf mich.
Denn ich fuhr heute früh mit dem ersten
Zug schleunigst ab und bin schon gegen
drei Uhr in Stuttgart, wahrend er erst
heute Nacht dort ankommen kann. Bis
dabin habe ich ihm bei meiner Eie
wanbtheit und Routine die Munden
natürlich weggeschnappt. Ja. geri'seu
muß man sein!"
Bumicke lachte, daß die Eoupsenster
klirrten.
Bempfinge fünf Minuten Auf
enthalt, nach Hailsinge umschteige," rief
in diesem Augenblick der Kondukteur,
und der Zug hielt.
Was, fünf Minuten Aufenthalt,
das lang! ja, um ein ganzes Diner ein
zunehmen," sagte Bumicke zu ihm.
Bei uns in Norddeutschland hält man
in solchen Nestern überhaupt nicht!"
M'r habe a Zugkreuztütg hier,"
antwortete der Kondukteur. Deswege
der Aufenthalt. Im Uebrige find die
Reisende gewöhnlich gar uet so bös
drüber, wenn einol ans den fünf
Minute au zehn Minute werde. Dein
do in der Bahnwirthschaft drin, do
gibt's a Weinte. .. . na, i sag' Ihue.
so ebbe gibt's in Ihrem Norddeutsch
land doch et, so an ächte Elfinger!"
Was. fo etwas soll es bei uns nicht
geben?" Bumicke war ordentlich
empört. Lächerlich! Bei uns giebt es
überhaupt alles. Haben Sie z. B. hier
einen Bordeaur, wie wir ihn haben?"
Bei Ihnen wächst doch aber kein
Bordeaux," meinte einer der Mitfah
renden schüchtern.
Wachsen thut er natürlich nicht bei
uns, aber wir haben doch welchen, und
was für einen !" antwortete Bumicke
mit der größten Unverfrorenheit. Per
suchen kann man übrigens ja das
Weinchen hier auch einmal."
Mit diesen Worten stieg er aus und
begab sich in die Wirthschaft, wo sich
auch die meisten der anderen Passagiere
cinfandcn. An einem Tisch, an dem
schon einige seiner op6genossen sich
nicdcrgclaffen hatten, nahm er Platz
und ließ sich ebenfalls ein Glas von
dein so gerühmten Weine bringen.
Erst hielt er daS Glas gegen das
Licht, that dann einen kleinen Zug
daraus, prüfte sorgfältig mit der
Zunge, hielt das Glas wieder gegen
das Licht, that einen größeren Zug,
nickte anerkennend mit dem Kopf und
trank bann das ganze Glas schmunzelnd
aus.
Hm, hm," meinteer, natürlich so
wie unsere Moselweine ist er nicht; aber
für Euer Schwabcnland gerade nicht
schlecht. Natürlich für einen Kenner
wie ich viel zu leicht und zu harmlos.
Herr Wirth, noch ein Glas!"
Trinken teie nicht so rasch!" warnte
ihn einer der anderen Gäste. Der
Wein ist bedeutend schwerer als Sie
denke. Er trinkt sich nur so leicht."
Pah, lächerlich!" prahlte Bumicke.
Habe die schwersten Weine Spaniens
und Frankreichs faßweise getrunken.
Und der hier soll mir etwas anhaben?"
's ischt scho' recht." meinte nun ein
kleines Männchen, indem es aufstand.
Aber m'r müsset wieder gehn, sonscht
fährt's Züglc ab."
Ha, ha, ha, ha!" Bumicke lachte,
was er konnte. Haben wohl Reise
ficber. was? Natürlich nie bei uns
in Norddeutfchlai'.d gewesen oder im
Ausland?"
Ha, do muß i doch bitte! rief der
also Angegriffene gereizt. Frcili war
i scho' im Norddeiitschland: i war scho'
zwoi ntel in Mannheim, und im Aus
land war i au' scho', sogar scho' drei
ntol."
Wo denn?" fragte Bnhmickc un
gläubig. Ha, in Neii4Ili'. im Bayrische, bei
mei'm Bäste" war die Antwort. Aber
jetzt Grüß Gott ! I gang zum Züglc."
Auch die anderen Reifenden brachen
auf. Bumicke vernichte vergebens, sie
noch zum Bleiben zu bewegen. Meine
Herr'n," sagte er, sehen Sie doch hin
über an jenen Tisch, dort sitzt ja auch
der Zugführer noch. So lange der
hier bleibt, ist es doch auch noch Zeit
für uns."
Aber niemand von der Tischgesell
schaft ließ sich mehr aufhalten. All
mählich verließen alle das Lokal. "
Bumicke schüttelte lächelnd fein schön
frisirtes Haupt.
C, Diese Schwaben!" murmelte er
vor sich hii'. Sind ja seelengute
Kerls, aber doch noch n bischen gar zu
weit zurück gegen uns. Allerdings,
auf so 'ne Idee wie ich kann auch nur
ein Berliner kommen: Labe etntach den
Zugführer zu 'nein Flaschen ein und
kann bei dieser Gelegenheit mir auch
selbst noch eins genehmigen. Angst,
den Zug zu versäume, brauche ich ja,
so lange der Zugführer bei mir ist,
nicht n haben, und für Süddeutsch-
land ist das Weinckien allerdings aus
gezeichnet."
He. Herr Eisenbahudirellol!" lies
er dann zum andern Tisch hinüber,
wieder Peripatung bei den schwäbi
schen Eisenbahnen, was?"
Scho' möglich," antwortete gelassen
der Zugführer.
Haben wohl noch Zeit, um ein
Gläschen mit mir zu trinken, ja? -Kommen
Sie nur 'mal rangeschivirrt !"
Ha. Zeit hau i scho'." sagte der
Zugführer schmunzelnd und setzte sich zu
Bumicke hin, der zwei neue Eilä'er El
fing bestellte.
Sie stießen auf gegenseitiges Wohl
mit einander an, und Herr Bumicke er
zählte dann auch diesem neuen Gesell-
fchafter von den vielen Abenteuern, die
er nach seiner Aussage schon in allen
Welttheilen erlebt habe, und bald
waren die Glaser wieder leer. Herr
Bumicke bekam schon ganz rosig ange
hauchte Wangen.
Haben wob! noch Zeit zu einem
neuen, was?" fragte er feinen Gast,
indem er ihm vertraulich auf die Zchnl
tcrn klopfte.
Warum net?" antwortete der Zug
führer, der bis dahin tan, ein Wort
gesprochen, sondern nur zugehört und
getrunken hatte, und die zwei neuen
Gläser kamen an.
Während sie so da saßen ging der
Eondnktenr vorüber, der Bumicke bei
Ankunft des Zuges den guten Wein so
empfohlen hatte.
He! He! Syr Balrnrath!" rief ihm
Bu ticke zu. Nicht so stolz? Trinken
wohl auch noch ein (Näselten mit, was?
Eilt ja nickt so auf den schwäbischen
Eisenbahnen. Auf 'ne viertel oder 'ue
halbe Stunde mehr oder weniger
kommt's bei Euch ja nicht an. was?" -Der
..Bahnrath" lächelte gemüthlich
und meinte: Bei dem Weinlc kommt
mir's au auf a Stündle net an" und
nahm Platz bei den Beiden.
Bumicke' entsetzte sich allerdings im
Geheimen über diesen Tienstbetricb in
Schwaben. Er hatte es schon öfter von
anderen Berlinern gehört, wie Mangel
haft und verbummelt anderswo alles
fei, ihren Einrichtungen gegenüber,
aber so etwas hätte er doch nicht für
möglich gehalten. Er reiste ja, wie er
fiel) selbst zugestehen mußte, zum ersten
Mal außerhalb der schwarzweißen
Grciizpfählc, aber daß ein Zug über
eine halbe Stunde jetzt schon Per
spätung bekommen könne, lediglich ans
dem Grunde, weil dem Zugpersonal
der Wein so schmeckte, das hätte er doch
für eine Fabel gehalten, wenn er es
nicht jetzt selbst mit eigenen Augen vor
sich gesehen hätte. Aber was ging das
schließlich auch ihn an! Ihm war's gc
radc recht so. In dem gemüthlichen
Saale saß es sich so behaglich, und der
Wein schmeckte ihm immer besser. Er
wurde schon ganz lustig davon. Tazu
die Aussicht, seinem Kollegen alle Kun
den wegzuschnappen!
Prosit die ganze Bahnologic!" rief
er mit fröhlich blinzelnden Aeuglein
den beiden Bahnbeamten zu. Tann
ließ er Eigarrcn kommen, und ver
gniigt schmanchcnd erzählten sie einan
der Anekdoten, sclbsterlcbte und gehörte;
die Stimmung wurde immer lustiger,
und ein Glas nach dem 'andern wurde
geleert und eine halbe Stunde ach der
andern verging. Herr Bumicke dachte
garnicht mehr an den Zug dort draußen
iliid an seine Kunden in Stuttgart, so
lustig war er geworden. Allmählich
wurden die Lichter angezündet, und der
Reisende trank Bruderschaft mit den
beiden schwäbischen Bahnmenschen, die
seinetwegen so ihre Pflicht versäumten.
Ta rasselte und schnaubte es plötzlich
draußen, daß Fenster und Thüren
tlirrtcn. Ein betäubendes Dröhnen,
Stampfen und Zischen ertönte, und
wie ein riesiges Gespenst sauste auf den
Schienen etwas voriger, ein langes
dunkles Ungethün, mit blitzenden fun
kelndcn Lichtern. Allmählich erstarb
das Geräusch in der Ferne.
Was war das?" fragte Bumicke
lallend.
C, das war nur 's Schncllzügle
nach Stuggart" antwortete der Zug
führer. Tees hält hier net.'"
Da fuhr der Reisende entsetzt vom
Stuhle empor. Er war auf einmal
wieder ganz nüchtern im Kopfe.
Wie wa Schnellzug nach
Stuttgart?" rief er das ist ja
unmöglich. Der Schnellzug kann doch
nicht vor unserem Zuge hier durch
fahren?" Was soll denn das heißen!
Sie scherzen wohl?"
Ha, noi," ließ sich der Kondukteur
vernehmen. decS isch ganz noch ein
Fahrtcplan. Hcnt Mittag ischt'S Per
sonczügle ganz pünktlich abg'fahrc, und
dccS isch jetzt 's Schncllzügle. Sonscht
geht koi' Zug mehr heut nach Stug
gart. Ter Nächschte geht crscht morgc
früh."
Ach Gott, ach Eiott !" jammerte
Bumicke. In dem Schnellzuge sitzt ja
mein Kollege von Thalheimer ck Eomp.
Nun schnappt der mir alle Kunden weg,
anstatt ich ihm." Er faßte sich ver
zweifelt an seine schon gebrannten
Locken. Aber es ist ja gar nicht
möglich! T es' Zug. konnte dach nicht
ohne Zug'ubrer und ffondlikleur weiter
fahren!"
Selbsebtversck'iaiidlich net." meinten
die Beiden, aber hier in Bempfinge
isch jedes inol Perionalwechfel. Hier
isch an anderer Kondukteur und an
andrer Zugführer auf'? Zügle 'nauf
g'schtiege, und mir zwei habet jetzt frei
bis in arge zu Mittag. -"
Herr Bumicke war wie aus den Wol
ken gefallen. Er mußte sich am lisch
halten, sonst wäre er umgesunken. Ich
dachte immer, der Zug wartete s lange,
bis Sie Beide kämen."
Ta lackten die Beiden, was sie tonn
ken, und die Gälte, die noch da waren
und der Wirth tackieu mit. Denn all
mählich halte sich alles um den heftig
gesiilulirenden Reifenden versammelt.
Noi'. not', Herrle," sagte der Zug
führer, der die Augen ganz voll Thrä-
neu hatte vor lauter Lachen. Bei uns
geht s schtranuu zu bei m Bahnte. Bei
uns fahrt jed's Ziigle auf d' Seiund'
ab. To wird ncl g 'wartet, bis es je-
dem 'fällig isch ei'zuschteige. Mir
habet 'backt. Sie wollet hier bleibe heut
Nacht, weit Sie net ci'g'schtiege sind
mit de andre Pafsaschier."
Zerknirscht zahlte Herr Bumicke seine
Zeche, die über 10 Mark betrug und
ließ sich dann von den beiden Bahn
beamtet! in 's Hotel führen. Allein
gehen konnte er nickt nichr. Ter Wein
war doch offenbar schwerer gewesen, als
er gedacht hatte.
Kunden weggeschnappt, satt die
ganzen Tagcsspesen hier umsonst ausge
geben und morgen jedenfalls einen
furchtbaren Kater! Tie Schwabe
scheinen doch nicht so dumm zu sein, als
ich dachte."
Tas waren seine letzten Worte, als
cr rechts und tntts geftutzl tnaus-wankte.
Wen Sie Leuic mitleidig sind:
Tann ist der Kaufmann dein Armen
besonders gewogen.
Ter Backer verschafft ihm ein neues
Brot,
Tem Schlächter blutet bei feinem
Anblick das Herz,
Der Koch stillt feinen Hunger,
Ter Garderobier Ileidet und
Ter Weinhändler labt ihn,
Ter Souffleur redet ihm gut zu,
Und der Elown heitert ihn auf.
Ter Ticustmann hilft ihm seine
Bürde tragen.
Der Bügler glättet seine etirn,
Der Dachdecker gewährt ihm ein Ob-
dach,
Der Psandleiher leiht ihm willig sein
Ohr,
Der Lotteriespieler erleichtert ihm fein
schweres Laos.
Der Luftfchifter zieht ihn zu sich
empor,
Der Elektriker erhellt seine Leidens-
nacht:
Der Astronom verscheucht die Wolken
des Grames von seinem Haupt,
Der Sattler füllt ihm alle Taschen.
Der Landmann bietet ihm ein Ar-
bcitöfcld,
Der Handlanger reicht ihm eine
Gabe,
Der Ziinmcrmanil führt ihn in seine
vier Pfähle,
Der Schuster hat Mitgefühl mit
seinem Pech, -
Und der Arzt träufelt Balsam m sein
wundes Herz.
(in königlicher 5hk-ontrakt.
Die Einfachheit der Sitten noch am
Anfange des vorigen Jahrhunderts
zeigt folgende Geschichte: Im Jahre
1728 hielt der Markgras von Anöbach
um die vreiikiscke Köniastocktcr ftrie-
dcke Luise an. Nachdem eine Zeit
lang unterhandelt worden und die
Prinzessin dem König ihre Neigung gc
standen hattc, daß sie sich mit dem
Markgrafen zu vermählen wünsche,
sagte dieser zu ihr: Wohlan, Gott gebe
Dir Glück und liegen! Aber höre,
Luise, wir wollen zuvor einen Kontrakt
mit einander machen. Ihr habt in
Ansbach schönes Mehl, aber keine so
guten Schinken und Würste, auch nicht
in der Menge als hier zu Lande. Ich
ene aber gern gute 'a neicti. xu oa t
mir also von einer Zeit zur andern
schönes Mehl schicken und ich will Dich
dagegen mit Schinken und geräucherten
Würsten versehen. Dicfer Konktrakt
wurde genehmigt und auch pünktlich
gehalten.
berliner Straßen - Scene
Knabe ; Ach, lieber Herr, schenken
Sie mir doch eine Kleinigkeit. Pater
und Mutter sind todt und haben nichts
zu effcn."
Herr : Aber, Kind, meiin Deine
Eltern todt sind, brauchen sie doch auch
nichts."
Knabe : Tat hab' ick Muttern vvch
gesagt, aber se wollt's nich glooben."
Schlechte Ausrede.
Haiiswirthin (Morgens) : Nanu,
wie kommen Sie denn hier in den
Hühnerstall hinein, Herr Spund?"
Student (sich verlegen die Augen
reibend) : Ja. wissen Sie, ich wollte
mich diesen Morgen 'mal recht früh
wecke laffen '."
i,i Schlanfopf.
Sie : Was sagst Du zu diesem
Hute, liebes Männchen, kostet fünfzehn
Dollars, aber kleidet herrlich !"
Er: Ich finde, Du hast einen
schlechten Geschmack, mein Kind, dieser
zu i Dollars '.'! EcntS kleidet Dich noch
viel besser."
Xcimiitl!i.
Tie Jage der Jugend vergingen.
Mich trieb 's in die Welt hinaus
Uni Gold und Ruhm zu erringen.
Perließ ich das Elternhaus.
Nun kehr' ick nach Jahren zurücke
II Cvim.ltll lltlh 'I,'.,.. mir ,
';'iiiiitii mmv tii',1 ij, n It'Ul, -
oetzt fühl ick erst, wie vom liicke
Einstmals hegunttigt ich loar . .
Wie ist mir daS Leben jo vd' und leer:
Ich hab' keine Heimat!, mehr, . ,
Tie Freunde find alle geschwunden.
Au,!, sie trieb ei Wahn hinfort.
Tie Häuser allein nock belnnden
Taß hier mein Heimatlisort;
Und dort die heilige Statte
Umschließt das Iheueitte mein.
Im kühlen Ruhebette
Grub man die Eltern ein . .
Wie in mir das Leben so öd' und leer:
Ich habe keine Heimath mehr. . ,
Pom Kiichlein die 'Hocken tönen
So srieblick, hinaus ins Land,
Sie lindern mein schmerzliches Sehne
Wie sauste Liebesliand;
Und Hoffnung leis und linde
Im Busen sich neu mir regt.
Po, Herzen schmilzt sackt dieRnidc,
Tie das Leben dar,,,,, gelegt.
Und mit freudigem Zagen h'' ich er
kannt: Im Herzen hast du och ei Heimath
land!. .
3n der LVrlMnibeii.
Gärtner (zur jungen Gutsherrin, die
ihm bei ihrer Ankunft leutselig die
Hand reicht): Frau Baronin sind zu
gnädig (verlege,,' aber i bitt',
thun S' vorher die schonen Handschuh'
'runter ich hab' gar fo schmutzige
Häud'!"
ilMCiWW1l.
Schwiegermutter: , Also mein
Schwiegersohn hat hinter meinem
Rücken gesagt, daß er mich am liebsten
in der Reisetoilette sähe gut, auf der
Stelle werde ich zu ihn, hinreisen!"
lliuiiiin'in'bm.
Mein Mann schnarcht so arg. daß
er immer wieder aufwacht und fragt,
wer einen so Höllenspettakel inackt!" '
(Ein Kind her Zeit.
..Und welchen Namen sol! Ihr
Neugebor'ner bekommen ?"
R a dolar!"
Sicherer,
A: . , Wirst Tu mich auch nicht ver
gessen während meiner Abwesenheit?"
B: Gewiß nicht, Arthur!"
A: Pump' mir doch lieber noch
hundert Mark!"
Immer derselbe,
freund: ... .Was. Tu hast Dick, in
die kleine Mathilde verliebt?"
Mat iemattk-Pro esior: ..a. aefter
Abend um 8 Uhr .12 Minuten!" '
Auch ein Idealist.
. .Also Tu willst die häßliche Toch-'
ter des reichen Fabrikanten heirathen?
Du sagtest mir aber doch, Du seist
Idealist!"
Ganz reckt, mein Ideal ist eben
Geld!"
i Dusel.
Studiosus (zieht beim Hausthor,
statt des Schlüjsels, eine Wurst ans der
Tasche): Donnerwetter! Ich werde
doch nicht den Hausthorschlüffel statt
der Wurst verzehrt haben!"
Das Collegium.
Nach dem Tode eines reichen Bankiers
diScntiren die an's Krankenlag.'r bern-
fcncn drei Aerzte noch im Nebenzimmer
über den Verlauf ihrer Diagnosen und
Prognosen. Diener (der an der Thüre
gehorcht): Jetzt will's wieder Keiner
gewesen sein!"
Schlechte ZlnffiiHriing.
,.Vcrr Direktor, ick bin vorn eips,,,,-
tcn Personal beauftragt, Sie zu bitten.
vap ver teilte Rolle meyr erhalt,
in der cr m der Buyne flirbl!"
Aber warum denn ?"
Er frißt uns immer als Leiche
sämmtliche Acpfcl weg!"
kogisch.
Professor : Was ist die Folge da
von, Herr Eandidat, daß es auf dem
Monde kein Wasser gibt?"
Süffel: Taß cS auch kein Bier dort
gibt!"
,LiacutIffi,liche Rücksicht.
Verkäufer: Wcßhalb wollen Sie
denn diesen Stoff nicht nehmen. Herr
Profcffor? Er ist wirklich vorzüglich!"
" Profcffor: Ja sehen Sie, wenn ich
meine alten Anzüge ablege, bekommt
sie immer ein altes Factotuin der zu
meiner Studentenzeit mein Wichsicr
war, und für den ist der Stoff
viel zu fein!"
!?creitn'iltig.
Ehef: Sie gefallen mir soweit ganz
gut aber ich ziehe doch einen verhci
ratheten Mann für dcn Posten vor!"
Eoinmis: Na, dazu kann Rath wer
den haben Sie nicht eine Tochter?"
?m liciratbsbiircau.
,.. .Das mk Jahr habe ich bereits
zurückgelegt!"
Soo! Ja wenn Sie sonst nichts zu
rückgelegt haben, dann muß ich be-dauern!"