Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 17, 1898, Image 10

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Der yjnffaljircr auf 7.t.
mmoujfr vcn ri kd r! ? h iki k
Hcir Bamfafnrer Emil HSnnii'Zee
tont, rjiM li'.siu einen guten Jlal"
ennt. Blond von Haar, ait von Ge
Ball, sauft von Gemüth. Eine solide,
treue, eifrige, schüchterne Natur. Vor
allem dem schö:ie,i Geschlecht iea,cnüber
uxk er sich fast mädchenhaft verteile
in jeder Dame blatte er die direkte
Repräsentantin riiieS Engels vom Hin,
mel. so arok wlir seine Khrsiircht, s
beiliq sein aiefoelt. Mit unwiderstch
lieber Gewalt zog c5 ihn hin zn den
laßen Blumen der Schöpfung, sein
ritterlich-edlcs Herz ihnen zu Füßen z
legen aber mi hals ihm der duntle
Draiia. da ihm die reale Kraft der
Neberivinduna nianaelte? Mit verschäm
tcn Blicken erringt man kein Weib und
doch, wie ern hatte Emil eine bezau
beende Sterbliche an seine Brust ge
drückt, wie gern seine IU00 Thaler nebst
freier Wohnung im Bankgeblude mit
ihr aethnlt?"
Seme profanen freunde verstanden
nicht die Regungen seines Innern. Sie
begriffen nicht, warum Jemand, der so
unendlich gern heiralhen wollte, nicht
,n Besid einer Frau gelangte, teiflcnt
lich kommt man doch dazu, ey man
will." sagten sie. Emil aber erstarrte vb
der Kühnheit dieser Behauptung, denn
die Acaiiifition einer besseren Halste er
schien ihm als die keckste und schwierigste
That des Lebens. Dreißig Jahre zahlte
er nun. wie öolteiS Mantel, (fiä wird
die höchste Zeit," ermähnten die Freunde
.Die höchste Zeit," echote er seufzend
Ueber diesem schreckenden Gedanken bell
tend. saß er an einein der wenigen schS
eil Sominerabende des Jahres des
Heils 1897 unter den Genossen, mit
ihnen Abschied zu feiern für die Dauer
seiner Fcnenrelsel
Ein deutscher Abschied geht niemals
trocken ab ich meine das nicht blos in
Hinsicht der Thränen. Denn Thränen
vergossen Emil und seine Freunde nicht
dagegen Bier, sehr viel Bier, aber auch
dies war nicht verloren, denn jeder
Tropfen gelangte so sicher in den Ma
en wie ein Regentropfen ins Weltmeer
Der düstere Emil fühlte sich mit jedem
Trunke mehr erhoben, und als am Ende
einer seiner Freunde einen Toast auf
ihn ausbrachte und dabei den Wunsch
auösprach, er möge eine Frau aus den
Ferien mit nach Hause bringen, da
stand unser Held plötzlich mit leuchten
den Augen und hochglühenden Wangen
von seinem Bierthrvne auf, räufpcrte
sich und rief: Das soll ein Wort sein
Freunde! Ich kehre entweder nie oder
verheirathet zurück!"
Topp!" Sie streckten ihm alle die
Hände entgegen.
Ein Mann, ein Wort!"
.Ein ttassircr. eine Kassirciin!"
.Der Emil hat's gerufen, der Him
' mcl hat'S gehört." deklamirte Nepomuk
Bogel. der klassisch angehauchte Kollege
milS. Schreibtascl her. Jungen
Wir nehmen ein Protokoll auf. . Kommt
er unbeweibt zurück, entrichtet er eine
Konventionalstrafe von zwölf Flaschen
Hridsick, einen Eimer Bier, hundert
superfeinen Havannas und pro Mann
ein warmes Abendbrot mit Austern.
Kaviar und Hummer. Einverstanden,
Emil?"
Ich bin's." erklärte der Freund in
der Bicrlaune nnd der Kontrakt ward
aufgenommen, unterschrieben und be-
siegelt.
Am anderen Morgen hätte Emil den
ss leichtsinnig eingegangenen Vertrag
aern rückgängig gemacht, wenn er dazu
noch Zeit gehabt und nicht die Blamage
gescheut hätte. Klcinmnthta und im
Vertrauen sei's gesagt mit einem heil-
Wen Kater dampfte er ab, in seinem
Herzen die Freunde, das Bier und alle
Damen der Erde und aller übrigen
Planeten, worauf sich etwa derartige
Geschöpfe noch finden sollten, in Grund
nd Boden verwünschend. Eine Flasche
Selters, ein iüarlnnter Hering und cm
Kaviarbrötchen stellten indessen Mittag
seine gute Laune wieder her, so daß er
einer tunqin Dame, die am Nachmittag
in sein Eoupü stieg, bereits wieder
freundlich zublinzelte versteht si,
wenn sie nicht hinguckte. Weiter als
Iiis zum unbelaufchten Blinzeln kau, er
der auch nicht, o viel nvloe Repra en
tantinncn des schönen Geschlechts der
gutmüthige oder vielleicht auch bos-
haste Zufall ihm auch in den Weg
führte. So beschloß er die erste Woche
mit wenig, die zweite gänz ohne Hoff
ung, nun stand ihm nur noch eine
dritte zu Gebote, dann war alles ver-
loren!
Mehrmals hatte er angesetzt, um nä
here Beziehungen zu irgend einer SchS-
neu anzuknüpfen, immer aber fehlte die
Kourage. ZuleKt wurde Emil trok
seiner angeborenen Gutmüthigkeit or-
dentlich süchtig", allerdings nicht auf
ich selbst, sondern auf die Gegenstände
einer Sehnsucht. Warum, sagte er zu
sich selbst, müssen auch gerade nur
Frauen zum Hcirathen geeignet sein.
warum kann ein Mann nicht seines
gleichen zum Altar führen! Als er die
scn ergreifenden Monolog hielt, befand
rr sich just auf dein Wege nach einem
in der Nähe von Potsdam bclegenen
Waldeiablisseinent. ES war am Mon
tage der dritten und letzten Woche feiner
Ferien. Der Morgen köstlich mild und
erquickend, ein tiefblauer Himmel ohne
Wolken ob seinen Häupten, duftende
Blumen um ihn herum.
Plötzlich blieb cr bestürzt stehen: das
Meniufcki eines leichten regelmäßigen
V'.!a;;u'n3 drang an sein Ohr. Er dielt
ll::;!t;iu und suhe da o entzückende-:'
Wunder drr N'ntiir! -- i.i einer Hänge
ü!,?!Ie. die am Rande deS WaldeS yvl
scheu zwei fliesen! beseitigt war, lag
ein jüiigeZ Mädchen i i sanftem
Schlummer. Und waS für ein lieb
lichcS jungc-Z Mädchen war es! Blonde
Zöpfe, ein Antlitz wie Schnee und Blut,
und eine Gestalt, so graziös wie die ei
ner Nymphe. Nur etwas korpulenter
schien sie z sein nnd etwas älter, aber
das blieb sich sür unseren Emil gleich.
Kanin zn athmen wagte er, und nur
mit unendlicher Borsicht hob er da
Buch ans, das" ihr entfallen war.
Da schlug sie plötzlich die Augen au
und starrte ihn an. Erst verwundert
dann entrüstet.
Mein Herr, was wollen Sie?"
Berzeihen Sie. ich ich sah das Buch
hier liegen ich wollte eS ausheben,
stotterte Emil.
Sie sprang leicht wie eine Gazelle
aus der Hängematte auf den Waldbodcn
und nahm daS Buch aus seiner Hand
entgegen.
Jetzt oder nie, dachte Emil, ist der
rechte Moment. Ehrerbietig verneigte
er sich vor dem erstaunten Fräulein, zog
respektvoll den lichtsarbenen Strohhut
und sagte mit seiner sausten Summe
Sie gestatten, daß ich mich vorstelle
Mein Name ist Hönninger, Banlkassircr.
ch reise nach Berlin, um dort dir letz
teil Tage meiner Ferien bei .einem
Freunde zu verbringen."
Wozu das?" fragte sie kurz.
WnadtflM iMuiem tonnten ein
Unglück nehmen im Walde darf ich
mir erlauben, Ihnen meine Begleitung
anzubieten?"
Das war mehr, lö Emil je in seinem
Leben gewagt hatte. Die Eimfamkeit.
eine Bewunderung und der Wunsch,
der schönen ji'ngcn Dame zu dienen,
gaben ihm den Muth dazu. Innerlich
war er auch ganz stolz auf seine Rede
und beschloß, damit den Freunden ge
hörig zn imponire. Vielleicht
gelang es ihm, endlich die ersehnte Bc
kanntschaft zu machen mit Entzücken
lauschte er der Erwiderung ihres sanften
Organs, als sie letzt nach einer erklär
lichen Pause folgende Worte zn ihm
sprach :
Auf der Stelle entfernen Sie sich!
Sie sind ein Unverschämter!
Emil stand wie vom Donner gerührt
er wagte keinen Laut mehr von
zn geben. it schone Walvnymphc
hatte ihm zwar den guten Rath ertheilt.
sich seitwärts m die Büsche zu schlagen.
sie erachtete es jedoch für weiser, ihn
selbst zu befolgen mit Schritten einer
Königin verschwand sie stolz erhobenen
Hauptes und mit höchst indignirter
Miene im Dickicht. Der Banlkassircr
getraute sich nicht, ihr zu folgen, er
schlug die entgegengesetzte Richtung ein
und murmelte traurig vor sich hin:
Wieder nichts! Es wird nie etwas wer-
den! O wie undankbar ist das weibliche
Herz! Und sie besaß so süße Vergißmein-
nichtaugen!" Der Unglückliche ahnt
nicht, wn3 diese Begegnung für ihn für
unheilvolle Wirkungen zeitigen sollte!
Heiter und frohqcmuth denn sein
Morgen-Abenteuer lag bereits im fer-
nen Nebel hinter ihm traf er am
Abend in der Reichshauptstadt bei sei
ein Freunde, dem Kaufmann Stephan,
ein. Der freute ich ehr und empsinq
hn mit offenen Armen, nur zürnte er.
daß Emil seine Ankunft nicht brieflich
gemeldet habe. Er muffe am anderen
Morgen zeitig aus zwei Tage verreisen.
Ob er die Reise nicht aufschieben könne?
lnmögllch! Emil möge aber während
dieser Zeit seine Wohnung als die fei-
nige betrachten, nach seiner (stephansj
Rückkehr würden sie sich schon in Berlin
amüsiren.
Ich erwarte noch einen Besuch," er-
zählte Stephan, meine Cousine, die
bei Verwandten wohnen wild. Ein
Patentes Mädchen, nicht mehr zu jung,
aber hübsch und häuslich ich freue
mich. Euch mit einander bekannt zu
machen."
Emil niesle nicht ohne inneren Jubel,
denn die Bekanntschaft junger Dainen
wies er grundsätzlich niemals zurück.
Die beiden Freunde aßen gemein-
chasilich in einem Restaurant Abend-
brot. worauf Stephan bemerkte:
Ich muß noch einmal in mein Bü-
rea, Emil willst Du mich begleiten?"
Gewiß, was sollte ich sonst anfan-
gen?"
Ich bedarf einiger Briefschaften für
meine Reise, die wollen wir holen."
Ist es weit?"
Durchans nicht. In der Leipziger
Straße."
Jedermanns Eguipage die Pferde
bahn nämlich trug die Freunde schnell
ans Ziel. DaS BUrcau befand sich in
der zweiten Etage eines großen Gc-
chäftShauseS. Alle war schon sinster.
denn die elfte Stunde war nahe, aber
Stephan trug den Hansschlüssel bei sich
und beleuchtete die Situation durch das
wohlthätige Licht eines sogenannten
!xüfmliiutenbrenners. Vor seinem Ge
chäftölvkal angelangt, entzündete er
eine Gasflamme und suchte in seiner
Tasche nach dem Schlüffcl.
Bombenelcmcnt jetzt hab' ich den
Schlüssel zu Hause gclaffen."
Hast Du ou t keine Möglichkeit hin-
einzukommen?"
Nicht, daß ich wüßte."
So bleibt nichts übrig, als wieder
abzuziehen."
Aber ich muß d,c Briefschaften ha
ben," sagte Stephan ärgerlich. Er
nahm den Hausschlüssel und probirlc
an der ?hür; dann einen anderen, den
er bei sich führte umsonst!
Wir müssen nach nuir.tr Wohnung
i'ud ihn holen."
.Ich bin so milde," klagte Emil
..was denkst Du. was ich heute schon
marschirt bin."
So bleib' hier, erwarte mich auf bc
Treppe. In einer halben Stunde bin
ich zurück. Hier hast Du die neuest
Nummer der .Lustigen Welt", da
kannst Du Dir inzwischen die Zeit ver
treiben."
..Gut."
Stephan trollte schnell ad. Emil
vertiefte sich in das Wikblatt. Das
Licht brannte indessen in dunkel, um
dabei genußreich zu lesen. Daher stand
er aus, und da ihm einsiel, daß er ja
sein eigenes chlüffelbimd bei sich trage
stellte er Versuche mit seinen Schlüsseln
an. um die Thür zu öffne.
Da hörte er plötzlich eine laute, hef
tigc Stimme durch daS Haus donnern
Diebe! Einbrecher! SpikdubenIHilk!
Emil sah sich erschrocken nach den
Dieben um, da sühltc er sich auch schon
von der kräftigen Faust deS Portiers
am Kragen erfaßt und in die Ecke ge
drückt. ,
..Warf. Schurke, ich will Dich Ich
reu, in fremde Wohnungen nnzudrin
gen."
Ich bin unschuldig," stotterte Emil
Doch cr hatte keine Zeit z weiteren
Erklärungen. Bereits stürzten andere
Leute herbei, darunter ein Pc
Beamter. Der Portier erklärte, er habe
diesen Spitzbuben in flagranti ergrif
fen, trotz feines Sträubeiis schleppte
man den armen Kassirer nach der näch
sten Polizelstation.
Stotternd versicherte er hier seine
Unschuld und schickte sich an, den Sach
verhalt darzustellen.
Faule Ausreden," herrschte ihn der
Wachthabende an. Kennen wir! Fort
mit ihm auf Nummer fünf. Morgen
wird sich das Weitere nnden r
Umsonst alles Klagen, Protestiren
und Wüthen. Sei man still, Männe
ken," bedeutete ihm der Schließer mit
einem HinwklS auf ein Paar and
schellen, die er ans der Tasche zog
sonst machen wir kurzen Prozeß
Erschrocken verstummte Emil und ließ
sich ruhig abführen, im Innern sein
Schicksal, seinen freund und die hei
lige Herniandad verwünschend und ver
fluchend.
So hatte er sich die erste Nacht in
Berlin nicht vorgestellt. Die Wirklich
seit spottete seiner glühendsten Phan
tasten. -Wie ein Toller lief er in dem
engen, kahlen Raume umher. Als cr
sich endlich ermüdet ans der Pritsch
ausstreckte, stöhnte und ächzte er über
die Härte und Kälte des ihm angewiese
nen Lagers. Trotzdem schlief er schließ
lich ein, sich damit tröstend, daß sich ja
morgen früh alles aufklären müsse
Treuherzig erzählte er am anderen
Vormittag dem Kommissar, dem er
vorgeführt wurde, seine Geschichte.
Wollen gleich sehen, wieviel daran
wahr ist," sagte der Kommissar mit
ironischem Lächeln. Sofort trat er
ans Telephon und ließ sich mit Stephans
Bureau verbinden.
Herr Stephan zugegen?"
Nein."
Wo ist er?"
Heute in aller Frühe verreist."
Wissen Sie, ob cr Besuch von einem
Freunde hat?"
Meines Wissens hat er keinen."
Wann kehrt er zurück?"
Nicht vor morgen Abend."
Sie sehen." sagte der Kommissar zu
Emil, daß wir Mittel haben, die
Wahrheit zu erforschen. Gestehen Sie
nur Ihre Absicht ein."
Aber es ist wirklich so. wie ich gc
aqt."
Thut mir lerd. vor der Rückkehr des
Herrn Stephan läßt sich das nicht fest
teilen. Wie heißen Sie?"
Hönniqer."
Hönniqer? Ah, daun hab' ich noch
in einer anderen Sache ein Wörtchen
mit Ihnen zu reden. Wenigstens zweifle
ich nicht, daß Sie derselbe sind. Lüdke,"
wandte er sich an einen Untergebenen,
ist die Dame noch hier?"
Ja. Herr Kommissar."
Holen Sie sie gleich herauf."
Emil starrte betroffen den Beamten
an. Was in aller Welt tollte er noch
verbrochen haben? Doch wer beschreibt
cm Entsetzen, als nach wenige Mmu-
tcn in Begleitung deS Polizeibeamten
niemand anders eintrat als seine
Waldnymphe von gestern.
Dunkle Gluth überflog sein Gesicht.
eine Augen suchten beschämt die Erde.
Kennen Sie diese Dame?
Ja ich ich bereue "
Aha, er bekennt seine Schuld." rief
der Kommissar befriedigt. Sie steht
ihm ja auch auf dem Gesicht gcschrie
den. Wo haben Sie das Portemon
naie, das Sie der Dame gestohlen
haben?"
Da erwachten Zorn und Entrüstung
in dem ehrlichen Bankmcnschen. .
Ich ein Portemonnaie gestohlen?
Das ist eine Lüge!"
Erzählen Sie, Fräulein, wie Sie
zu Ihrem Verdachte gelangt sind."
Die Waldnymphe berichtete, wie sie
in ihrer Hängematte im Parke eines
Restaurants bei Potsdam gelesen habe
uiid eingeschlafen fei. Als sie erwachte,
habe jener Mensch vor ihr gestanden.
Da er sich außergewöhnlich dreist be
nahm, entfernte sie sich schnell. Zu
Hause angelangt, vermißte sie ihre
Börse.
Niemand anders als er kann sich
diese angeeignet haben."
Woher wissen ie seinen Namen?"
Er nannte ihn mir sprach auch
die Absicht auS. ach Berlin zu fahren.
Da ich nini gleichfalls noch gestern hier
iier reiste, um einen länger,,. Besuch
bei Verwandten zu machen, beschloß ich,
hier Anzeige Z erstatten, sür den Fall
die Angaben aus Wahrheit beruhten."
Also so eyuisch. auch noch der 'Be
stohleuen seinen Namen InS Gesicht zu
schleudern in der Meinung, er sei
sicher vor Verfolgung. Sie sind mir
ein netter Patren. Wollen Sie ge
stehen." Ich habe nichts yi gestehen."
Lüdke. führe Sie ihn ab."
Lülcke stand eben im Begriff, den
Vesehl anSz ,sühre, als ein anderer
Kommissar mit einem offene Briefe in
der Hand hcreintrat.
Herr Kollege, sind Sie nicht mit
der Untersuchung gegen einen gewissen
Hönniger betraut?"
Da steht er was giebt es?"
Soeben brachte der Hausknecht aus
dem Hotel zum Erlanger Hos diesen
Brief, der vor etwa vierzehn Tagen an
einen Herrn Hönniger aus X. daselbst
eingetroffen, aber bis heute nicht abgc
holt worden ist. Die Aufschrist: An
den Banlkassircr aus Reisen, Herr Hön
niger. erschien dem Wirth verdächtig.
Als nun der Adressat nicht eintraf, hielt
er eS für feine Pflicht, uuS den Brief
einzuhändigen. Ich öffnete ihn. Hören
Sie, was darin steigt :'
Lieber Freund!
Am Tage nach Deiner Abreise wurde
in der Kasse der Bank, wie wir richtig
vermuthet, ein Manko von zweihundert-
tausend Mark entdeckt.. Der Steckbrief
ist bereits erlassen. Laß Dich in Ber
lin von der Polizei nicht erwischen und
verlebe da hübsche Sümmchen in Ruhe
und Frieden.
Deine treuen Freunde
E. H. und L. F.
Nun. was sagen Sie dazu?" fragte
der Kommissar höhnisch.
O, das ist ein schlechter Witz, den
sich meine Freunde mit mir erlaubt ha
bc. Ich bin aus einer Ferienreise und
hatte gegen sie die Absicht geäußert,
zuerst Berlin zu besuche und im Er-
langer Hos zu logircn. Ich gab aber
in letzter Stunde den Plan auf und
machte die Reise umgekehrt."
Der Herr weiß für alles Erklämn-
gen," rief oer Zkommissar zornig.
Zum Glück kenne wir unsere Pappen
heimer. Wir haben da einen auSge-
zeichneten Fang gemacht. Die weiteren
Erhebungen werden es bestätigen, j
Lüdke fort mit ihm." j
öo wanderte der arme Bankkassirer
zum zweiten Mal in die öde Zelle,
worin er den Tag unter Thränen
seufzern und Verivüuschungen hin
brachte. O heimtückisches Schicksal
Gestern noch auf stolzen Rossen, heut
als Spitzbub' eingeschlossen! Was für
ein Pechvogel er war. Seine Hoffnung
es werde sich unverzüglich alles in Wohl
gefallen auflösen, hatte ihn nicht nur
getäuscht, es zogen sich sogar noch wci
tere drohende Wolken über seinem
Haupte zusammen. O dic-vcrinalcdci
tcn Spaßvögel daheim mit ihrer albcv
nen Idcc! O die vertrackte Neigung
zum Ewig-Wciblichcn! Wer weiß, wie
lange cr nun hier emgeschloffen bleiben
wurde, bei trockenem Brot und harten
Erbsen, mit einem Lager, gegen das
ei Kartoffelsack noch ein Daunenbett
war. Und die Blamage! Wie würde
man ihn zu Hause auslachen. Tief-
sinnig saß er auf seiner Pritsche, dacht,
an den gestrigen schönen Morgen und
seufzte: "fcc transit gloria inundi!
Et neuer Schreck wartete dc
mwcrgeprusien gegen Avenv. zer
Schließer holtc ihn aus dcr Zelle, um
ihn im sogenannten grünen Wagen
nach dem Polizeipräsidium befördern
zu lassen. Natürlich nicht allein, son
dern in Gemeinschaft mit einer Auslese
von Verbrechern und Vagabunden
Emil erstarrte zu Blei beim Anblick der
ihm zugedachten Reisegesellschaft
Einsteigen, Manuelen, einsteigen,"
drängte der Schließer
In diesem Augenblicke dcr höchsten
Noth kam ein Schutzmann eilig herbei
und flüsterte dem Schließer etwas zu
Sie sollen sofort zum Kommissar
kommen, rcdctc dieser Emu an. In
Begleitung des Schntzmanncs trottete
der Arme gebeugten Hauptes vor dem
Beamten her. bei sich denkend, was er
nun wohl wieder sür ein neues schweres
Verbrechen begangen haben könne
Sobald er indessen das Bureau be-
trat, erhellte sich sein Blick. Bor ihm
stand sein Freund Stephan.
Gott sei Dank, daß Du da bist,"
ammelie er.
Dcr Herr hat den Sachverhnlt von
gestern Abend aufgeklärt," bedeutete
ihm der Kommissar. Auch die Brief
affaire ist erledigt, wir haben lelegra
phisch angefragt und erfahren, daß dem
ken. in iwlhrm ich voiher ein Gla-5
Milch oinnten Hütte!"
Emils Au.'e begaiiiicn z'i stnblen!
Seine ll:isitn:lo war ftvncnttt.: iwie
ien.
Der Kommiisar trat aus ihn zu. und
reichte ihm die Hand.
Mein Herr, i thut mir leid, eie
sind das Opfer einer Eombinalivn un
glücklicher Zufalle geworden. Sie sind
frei, entsckttlldiaeii S ik die Ihnen wider-
sahiene Behandlung. Am besten. Sie
fassen da Abenteuer humoristisch aus
Das will ich." erklärte Emil.
Die Dame näherte sich ebenfalls, um
ihn um Verzeihung zu bitten, da trat
plötzlich Stephan herzu, ergriff lebhaft
ihre Hand und rief erfreut:
Du bist's. Elife? Bist Du denn
schon hier?"
.Ja. Eoilsin "
Du also bist S, die gegen meinen
guten Emil diese schwere Anklage erho-
den hat?"
Wa er ist Dein Freund?
Mein bester Freund ich freute
mich schon, Euch einander vorstelle zu
können. Nun ist eS wohl nicht erst
vonnSthen. Ihr seid schon ohne mich
bekannt geworden."
Herr Hönniger," begann die junge
Dame verlege, ans ausrichtigem Her-
ze beklage ich
Schreibe allerdings nur ein frivoler
Scherz zn Grunde liegt. Nun bleibt
nur noch die heikle Portemonnaie
gefchichtc "
Herr Kommissar, die Dame von
heute Morgen wünscht Sie zn sprechen,"
meldete ein Schutzmann.
Welche Dame?"
Die. welcher das Portemonnaie ge-
ohlen worden ist."
Führen Sie sie sofort zu mir."
Ganz aufgelöst, mit Thränen in den
Augen, erschien sie.
Mein Gott. Herr Komnuffar, ich
habe dem armen Herrn unrecht gethan!
Denken Sie nur eben erhalle ich ein
Telegramm aus Potsdam: Mein Por-
temonnaie hat sich wiedergefunden. Ich
hatte eS in dem Restaurant liegen las-
Der gutmüthige Emil unterbrach sie
lebhast. Ist alles vergeben und ver
gesjeii," rief er, sruh, wieder ein freier
Man n zu fein. Ich handelte gestern
unklug, aber aus wirklicher Galantrie,
nicht aus Frivolität, das dürsc Sie
glauben."
Ja, das darfst Du glauben." er
gänztc Stephan. Mein Emil thut
keiner MauS wehe, geschweige denn
einem jungen Mädchen. Doch kommt,
feiern wir ein Befrciungs- und Bersöh
nungsmahl." Lachend ciupfahlen sie sich den, Koni
missar, der seinerseits Emil scherzend'
aufforderte, ihn in gutem Andenken zu
behalten.
Das will ich," versetzte dieser, nur
verlangen Sie nicht, daß ich Ihr Hotel
weiter empfehle."
Eine Stunde später faßen alle Drei
kreuzfidel bei Dressel und stießen bei ein
paar Flaschen Heidsick auf EmilS glück
liche Befreiung a.
Nur gut." berichtete Stephan, daß
ich noch rechtzeitig eintraf. Dir die Rci
im grünen Wagen zu ersparen."
Du bist also nicht verreist?"
Vewnhre. Du kannst Dir denken
wie erstaunt ich war. als ich Dich nach
meiner '.icUäkehr nicht mehr vorfand
Alles war sinster und stumm. Ich ver
muthete, 'm hattest das HauS aus
Langeweile verlassen und schlendertest
in den Straßen herum. Wohl zwei
Stunden snchtr ich nach Dir, fand Dich
aber nicht. Am andern Morgen setzte
ich Sie 'achsorschungkn bei einigen Be
kannten fort, die Du möglicherweise
anfge ncht haben konntest: ich fürchtete
es könne Dir etwas zugestoßen fein und
schob meine Reise auf. Nachmittaa
komme ich ins Bürean und erfahre vom
Portier die ganze Geschichte. Glrichier
tig fand ich ein Telegramm vor, das
meine Reise unnöthig machte. Per
Taxameter eilte ich zum Polizeiamt
um Deine Rettung, zu bewerkstelligen
nnd Dich zu identifiziern da fand ich
ocnn nichi nur oen Freund, sondern
auch die Eousme.
.piirai)!" riesen alle Xrei, von
neuem die Gläser aneinander klingen
lassend. Dann sagte Stephan init
schlauem Lächeln :
Elise, Du bist meinem Freunde
Emil eine eclatantc Genugthuung
schuldig.
jch weiß es," hauchte die Dame
tiefgerührt.
Was verlangst Dn von ihr, Emil?
Dieser zuckte verlegen die Achseln.
Ich weiß es," fuhr Stephan fort.
Du hast mir gestern von Deiner Weite
erzählt. Elise muß Dir als Entschädi-
qunq für das Unrecht, was sie Dir an-
gethan hat, ihre Beihilfe zum Triumphe
über Deine Freunde liefern. Willst
Du, Elise"
Der Bankkassirer erröthete und er-
bleichte abwechselnd, die ahnungslose
Elise aber erwiderte: Das will ich
gern. Was kann ich thun?"
Du mußt Dich versteht ich. zum
Scherze mit ihm verloben, denn er hat
geweitet, als 'crlootcr von der Ferien
reise wiederzukommen."
Aber Stephan," wehrte Emil ver-
legen ab doch dcr blieb dabei nd
die trotz ihrer 25, Jahre an Ucbermiith
einem Masisch gleichende Elise ging
darauf ein. Feierlich legten die Beiden
ihre Haiide ineinander
Doch Emil sollte seine Wette aus
reellere Weise gewinnen. Noch ehe er
abreiste, verwandelte sich die Pscudo-
Verlobung in kmc echte, da Elise und
der Kassirer. dic täglich unter dcr Aegide
Stephans und der Taute Elisens zu
sammeu verkehrten, und dic auch im
Alter gut zusammen paßten, aneinander
Gefallen fanden. Der Wunsch, zu hei
rathen, war außerdem Beiden gemein-
am, nd da Emil durch den vereinbar-
ten Scherz und den täglichen Verkehr
bald vertrauter mit dem Mädchen
wurde, fand er auch die nöthigen
Worte, teilte Freunde behaupteten
rcilich, IS die Wette ausgetragen
wurde, die Erklärung fei von ihr aus
gegangen das mag jedoch fein, wie
es will, die .pauptsache ist, daß Emil
nd Elise ein recht glückliches Pärchen
wurden.
fcaViii.
Er nest Legouve, dem wir so weilh
vc'Ile Aufsckilu'le über Heller Veil:.
verdankn, giebt in seinen Eiinnernn
gen auch eine zwar kurze, aber doch
wiülonünene ckiüoeunig Elopin.
liess r war nach des franz,",1ien Alade
milers Ausdruck eine reizende ..Drei
finigteit". Es herrsä'Ie eine seltsame
und unvergeßliche Uebereinstimmung
zwischen seiner Person, seinem Spiel
nd seinen Werke. Der eigenartige
Zon, den er dem lavier entlockte, glich
dem klaren und doch so wehmüthigen
Blick seiner braunen Augen: die kranl
hafte Zartheit seines Wefichls erinnerte
an die Selnoermiith seines NoIhiriu'S;
da Gewählte nd Sorgfältige in ttlei
dung und Umgang entsprach dem ge
sellschastlichen Ton gewisser theile sei
er Werke.
Der Komponist Ehvpin erwachte nichl
vor ein Uhr deS Morgens. Dann aber
floß ihm der Strom der Eisindutigen
unerschöpflich zu. Nur durste ihn
nichts unangenehm berührn. ES
mußte ihm dann die ganze Umgebung
sympathisch sein.
Einmal am Klavier, trennte er sich
nicht leicht davon. Er war unheilbar
krank. Seine Augen umränderten sich,
seine Blicke glühten im Fieber, die Lip
pen färbten sich mit blutigem Roth,
und der kurze Athen schien zu künden,
daß ein Stück seines Lebens mit den
Tönen dahinfloß. Und doch wagte
Keiner ihn aufzuhalten, so standen alle
im Bann der herrlichen Weisen. Ein
unfehlbares Mittel nur gab eS, ihn
dem Klavier zu entreißen: das war.
ihn um den Trauermarsch zu bitten.
den er nach dem Unglück Polens konipo
irt halte.
Er spielte ihn immer, aber kaum war
der letzte Takt zn Ende, so nahm er sei
nen Hut und ging davon.
ES lebte eine glühende Vaterlands
liebe in dem jungen Künstler, der kaum
vierzigjährig sterben mußte.
i
(sin kleiner Irrthum.
Aus Wien wird gemeldet: Der Wr
mischtwaarcnhäiidler Peter Blaschck er
schien beim Bezirksgerichte Favoriten
als Zeuge. Er sollte in der Straffache
gegen den Kutscher Peter Haschhund,
der durch unvorsichtiges Fahren die kör
pcrlichc Sicherheit gefährdet halte, aus
sagen. Nach dieser Verhandlung, in
der der angeklagte Kutscher freigespro
chen worden war. blieb Herr Blaschek
im Gerichtssaalc sitzen. Er gab wieder
holt Zeichen von Ungeduld. Endlich
faßte er sich ein Herz und trat zum Ge
richtStische. Blaschek: I bitt' schön, hohes Gc
richt, ich hab' noch a Verhandlung.
Könnt' die nct jetzt vorgenommen wer
den? 's iS Niemand in mein G'schäft."
Richter, Rathssekretär Dr. Thomas:
Sie haben noch eine Verhandlung?
Wieder als Zeuge?"
Blaschek: Io, obwohl ich gar Nix
weiß. Eigentlich bin ich nur zu dcr
Verhandlung vorgladen. für die. wo
ich früher anSg'sagt hab, war ich gar
net vorg'ladcn."
Richter: Uni was handelt eS sich
denn?"
Blaschek: 's is wcg'n an Hund."
Richter: Zeigen Sie mir Ihre Vor-
ladung."
Blaschck: Bits, da is sie."
Richter (lesend): Sie werden aufae-
fordert, in der Strafsache wider den
Kutscher Pcter Haschhund als euae ,n
erscheinen. Die Verhandlung ist a
schon längst vorüber."
Blaschck (erstaunt): Wie l,af:t der
Kutscher?"
Richter: Haschhund."
Blaschek: IessaS und i hab' mir
aliwcil den Kops zerbrochen, was das
für a Hunderasse is. derweil iS' a Kilt
scher. Und kopfschüttelnd verlies: er
den Gcrichtssaal."
Ter SlrmcnhSuslcr.
bcrühmtc Anatom. Professor
Hyrtl, her vor wenigen Iahren in Wien
starb, ging cineS TaaeS direkt vom
Spital in cin großcs Gartenrcstan
rank, nd ließ sich dort an einem Zisch
nieder. Am Nebcnstückc faßen früh
stückend zwei Generale, die ans seiner
einfachen Zwillichlleidnng schlössen, daß
sie einen n,aen des nahen .nmpitals
vor eh hätten. Da sie eine größere
Portion dcr Speisen übrig gelassen
hatten, so rief einer von ihnen einen
Kellner heran und sagte zu ibm: Da
geben Sie das dem Mann da drüben;
er soll sich daran gütlich thun." Der
Kellner stellte dic Reste dem berühmten
Gelehrten hin, der den Herren seinen
Wiik aussprach und dann dc E!,irte
verließ.
Wenige Minuten später crschicncn
zivci Kellner mit einem Kiibel. aus d.-ni
die vergoldeten Hälse einer ?lii
Ehampagiier-Flaschen hervorragten.
vir uaven leinen Champagner be-
" ;..a.. v: artci. ...
iiilin im v'nnie.
Eine Frau lernt leichter eine fremde
prache beherrschen, als ihre Zunge.
i
teilt.
grosz
i l.rt In,.. tliw s-U . ... r-
ui.ii iuui im viMuunrn, as sie er
fühlen, daß der freundliche Spender
Niemand anderes war. als der er.
meinlliche Nrmeiihausbewolmer, der auf
n;ic vei oem i'Iianipaaucr liegende
Visitenkarte die bekannten Ver'e ae-
chrieben hatte:
Wenn mancher Mann miir.tr. wr
mancher Mann wär'.
Gäb' mancher Mann manchem Manu
manchmal mehr Ehr'.
IVtnn.
Wenn e' a Pfeif hätt', tlv.t c
raucha, Herr Vetter, wenn 3e nur an
nlrnl gablet! Znndhvlzle 1k:!!' e'
fcho'!"
Ml