Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 03, 1898, Image 9

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    tn böser tcu.
Humoikilt
nach dkin ,uon;o'i'iitn sn
Ä, itpn.
I.
f Wie gewöhnlich im'vizine Vom als
gute Hausfrau und msichlige Gattin
auch am heutigen Morgen die Sardert
ihres Genial)!. Da ihrem Heilsr
nidit widerwärtiger war als ein schlecht
gereinigter Paletot oder gegen den
strich gebürsteter nliiiderhut. so ge
giiügte sie sich nicht mit der Beauksichti
gung der Ticnerin, sondern zog es vor.
sich eigenhändig dieser kleinen Mühe zu
unterziehen, wosür sie sich durch daS er
kenntliche Lächeln ihres Gatten I)in
reichend belohnt suhlte.
Lara befand sich also im Vorziininer
lind bürstete gewissenhaft Hcktor'S
packet. Hut und Ueberrock. wahrend ihr
Gemahl im Ankleidezimmcr seine Toi
leite vollendete. AU sie den Ucbcrrock
bearbeitete, siel plolich aus einer der
Taschen ein Papier zur Erde.
Sie hob eS auf und wollte es in die
Tasche zurückschieben. Tabei fiel ihr
Blick uinvilllürlich aus den oben ange
brachten Namensstempel dcS Absenders.
Mr. Allorö,
Sachwalter.
Ein Tachwaltcr i Söas konnte Hektar
mit einem solchen zu thu haben?
Ihrem ersten Impulse folgend, wollte
sie den Brief lesen, doch eine diskrete
Zchcu hielt sie davon ab.
, Ich habe kein Recht dazu .... Tic-
l scr Brief gehört Hektar und wel-
chcs Interesse kann sein Inhalt für
' mich haben? Ein Burcaupapier wahr
scheinlich .... irgend eine streitige An
gelcgcnheit. womit Hektar von seinem
tfl)ef beauftragt worden."
Und ein wenig beschämt, daß sie im
Begriff gewesen, einer Anwandlung
gemeiner Neuqier nachzugeben, steckte
Lora das Billet entschlossen in die
Tasche und sehte ihre Bürstarbcit mit
erhöhtem Eifer fort.
Aber seltsam blieb es immerhin
Wenn Hektor. und sei es auch im Auf
trage seines Ehcfs. einen Sachwalter
aufzusuchen hatte, so hätte er cS ihr )
gen müssen. Waren sie doch gewohnt,
sich stets alles und jegliches mitznthei
len, was sie beide den Tag über gethan
hatten. Jedenfalls konnte sein Besuch
bei diesem Sachwalter nicht gestern
stattgefunden haben, da er ihr aus
drücklich erklärt hatte, daß er bis fünf
Ilhr auf seinem Bureau geblieben und
dann direkt heim gekommen war.
Sollte er dennoch ? Nein, das war
nicht möglich. Eine Lüge von Seiten
Hcktor's, der sie so liebte und stets so
wahr, so offen und ehrlich war. schien
geradezu undenkbar.
Und unbewußt bürstete sie immer
heftiger darauf los. so daß der Ueber
ziehcr am Nagel hin und her tanzte.
Was kommen mußte, kam.
Der Brief fiel zum zweiten Mal zur
Erde.
, Lora hätte kein Weib sein müen,
ö um dieser zweiten Aufforderung der
"'V Lektüre zu widerstehen. Tie Ncugier
erwies sich starker als alle Bedenken.
Sie hob das Billet auf und las es.
Monsieur!
Es bedarf wohl kaum einer Bersiche
rung. daß eS mein lebhafter Wunsch
ist, Sie aus Ihrem Tilcmma zu be
freien. Tank meiner Erfahrung in
derartigen Sachen dürfte es mir un
schwer 'gelingen. Mittel und Wege zur
Scheidung von Ihrer Frau ausfindig
zu machen.
Jedenfalls müssen Sie. falls Sie
rcüssiren wollen, um jeden Preis ihren
Perdacht einzuschläfern suchen. Thun
Sie mithin, als wäre Alles beim Alten,
und fahren Sie fort, die alte Zunei
qnng zu heucheln. Unterdessen werde
ich mit Borsicht operiren und hoffentlich
bald einen Grund gefunden haben, auf
den hin Sie mit Leichtigkeit Ihre Frei
hcit wiedererlangen und die junge
Dame hcirathen können, die Sie schon
lange lieben.
Genehmigen Sie. mein werther Herr
Client, die Versicherung meiner Erge
bcnheit und ausgezeichneten Hochachtung
Allorö. Sachwalter."
' Wäre ein Blitzstrahl vor der jungen
Frau nicdcrgcfahrcn, sie hätte nicht ent
geistert sein können.
War es möglich? War es denkbar?
Hektor liebte heimlich eine Andere und
gedachte sich von ihr, seinem Weibe, zu
trennen, um Jene zu ehelichen? Nein,
ein, das konnte nicht sein! An eine
solche Falschheit ihres Gatten konnte sie
,eX'ncht glauben.
Es ist Thorheit, die Sache ernst zu
nehmen," dachte sie. Tiefes Billet
bezweckt lediglich eine Mystifikation oder
ist irrthümlich in seine Tafche gelangt.
Ich kenne Hektor. ich bin von seiner
Neigung überzeugt
Er hat mich aus Liebe gcheirathct.
und seit unserer Vermählung ist seine
Liebe eher größer als geringer gewor
den .... Ucbrigens wäre es das Ein
fachstc, mit diesem Billet zu ihm zu
gehen...? Ich möchte wetten, er lacht
darüber."
Schon lag Laura's Hand auf dem
-Trucker der 'zum Toilcttenzimmer füh
renden Thür.
Ja, er wird lachen! O, wie er lachen
wird!
Toch, im selben Moment blitzte ihr
ein neuer Gedanke durch's Hirn.
Wenn es dennoch wahr wäre?....
9iw isnii .Cviisfielei nickt zur Bcdinauna
gemacht worden? Mithin würde 'seine
Antwort, wie sie auch aussauen mochte,
sie frinrüfiiH berubiaen.
In diesem Augenblick ging die Thür
Dcr Äcültttagsgast.
Jahrgang 11).
Beilage zum Ncbraska 2taats-?lnzeigcr.
No. 24.
von innen auf. Hektor erschien auf der
Schwelle.
Bitte, meinen Rock, Schatz!"
Hier." sagte Lora. unschlüssig,
welche Haltung sie ihm gegenüber an
nehmen sollte.
Ob. danke!"
Hektar nahm den Rock, zog ihn an
und langte dann nach dem Paletot, den
seine Frau noch in der Hand hielt.
Willst Tu mir beim Anziehen hcl
sen ?"
Gern."
Tu gehst schon fort?" fragte sie
dann, um nur etwas zu sagen.
Freilich: eö ist ja allerhöchste Zeit,
daß ich auf 'S Bureau komme."
Und " sie zögerte, und
hast Tu heute nichts besonderes vor?"
Nichts."
Tas kam im natürlichsten Tone der
Welt heraus.
Sicherlich, er hatte nichts zu vcrber
gen. oder er war der ärgste Heuch
ler. den die Erde je getragen.
Adieu, mein Schatz. Auf Wieder,
sehen heute Abend."
Sie sah ihm tief in die Augen.
Sag', liebst Tu niich noch immer so
wie früher?" fragte sie bringend.
Er lächelte. Welche Frage! Falls
ich Tich nicht liebte, würdest Tu es
sicherlich schon längst gemerkt haben."
Und Tu ivirst direkt vom Bureau
nach Hause kommen?"
Natürlich."
Tann gieb mir einen Kuß."
Hektor küßte sie und eilte dann, die
Treppe hinab.
Was soll ich glauben?" dachte das
junge Weib.
Sobald sie allein war. suchte sie ihre
Gedanken zu sammeln. Zunächst be
hielt ihr Vertrauen die Oberstimme.
Würde Hektar, falls er mit so schwar
zen Absichten umging, so ruhig, so gc
lassen von ihr gegangen sein, nachdem
er sie so zärtlich geküßt hatte ?
Ja. gewiß, sie war eine Thörin, sich
derart aufzuregen. Eines Tages, viel
leicht schon morgen oder heute Abend,
würde sie des Räthsels Lösung ersah
ren. Tas Vernünftigste war,' ihrem
Manne ihren Verdacht zu verschweigen;
andcrfalls konnte er im Bewußtsein sei
nes reinen Gewiffens und seiner treuen
Liebe mit Fug und Recht zürnen, weil
sie an ihm zu zweifeln vermocht hatte.
Gewiß, eö ist eine Dummheit von
mir," dachte sie. Hektor hat niemals
aufgehört, mich zu lieben. Ich will
Toilette machen: das wird besser sein,
als mich hier mit albernen Grillen zu
plagen."
Und Lora begab sich in ihr Boudoir.
Aber das Unglück wollte, daß sie dort
auf dein Kaminsims einen Roman be
merkte, dessen Lektüre sie gestern erst
beendet hatte. Es war die Geschichte
eines Ehemannes, der seine Frau auch
liebte, oder sie vielmehr der Welt
gegenüber zu lieben schien, während er
in Wahrheit nur den einen Wunsch
hegte, sich von ihr zu trennen und mit
einer anderen zu verbinden. Und trotz
Lora's guter Borsätze begann die Achn
lichkeit zwischen dieser erfundenen Ge
schichte und ihren eigenen Muthmaßun
gen ihren Befürchtungen neue Nahrung
zu geben.
Und wenn seine Liebe wirklich nur
Heuchelei sein sollte?" dachte sie. Ge
miß. er hat mich geliebt, sonst würde er
mich nicht gcheirathct haben. Aber
seither find drei Jahre ins Land gcgan
gen.... Wer bürgt mir dafür, daß
sein Gefühl sich im Laufe dieser Zeit
nicht geändert hat ?"
Und sie zerbrach sich den Kopf, um
in irgend einer früheren Aeußerung,
einer scheinbar bedeutungslosen Hand
lung ihres Gatten den Beweis seiner
Liebe für eine andere zu entdecken, deren
sie ihn anklagte.
Tcnn jetzt klagte sie ihn an Ja,
es war kein Zweifel möglich. Hektor
dachte an Scheidung weil er eine
andere liebte. Aber welche andere?
O, das würde sich bald hcransstcllcn.
Jedenfalls seine Eousine Estella, diese
kokette Puppe, die sich mit der Heirath
ihres Vcttcrs niemals zufrieden gege
den. Sie hatte früher ein Ange auf
ihn gehabt, das stand fest. Und nun
rächte sie sich, indem sie ihr Hektor ab-
wendig machte Und war es nicht
Estcllä, so war es sicherlich Madame de
Meniöres, die junge Wittwe, deren
Bekanntschaft sie im vorigen Jahre auf
dem Lande gemacht hatten und die bei
jedem Wort Hcktor's vor Bewunderung
außer sich zu gerathen schien. Vielleicht
hatte dieser sich durch diese plumpe
Schmeichelei fangen laffen. Aber, was
kam es schließlich darauf an? Ob Estclla
oder Madame de Mcnivrcs oder eine
andere! Zunächst galt cs, Gewißheit zu
erlangen, und Lora wollte und würde
die Wahrheit ergründen.
2. '
Eine halbe Stunde später stieg die
junge Frau in einen Fiacre.
"Avenu la Röpublique 7'2",
rief sie dem Kutscher zu. und der Wa
gen rollte mit ihr davon.
Es ist das einzige Mittel." sagte
sie sich.
Ich muß diesen Sachwalter defra
gen .... Natürlich wird er Bedenken
tragen, mir Auskunft zu geben, aber
wenn ich mich gut halte. Gleichgültig
kcit fingire. . . . Soviel, um eine rich
tige Schlußfolgerung zu ziehen, dürfte
ich immerhin aus ihm herausbekommen.
Und die Hauptsache ist, in Erfahrung
zu bringen, ob eS sich bei dieser Sckei
dungsangelegcnheit um Hektar han
dctt." Der Wagen hielt. Lora stieg aus
und trat in's Haus.
Im dritten Stock links!" bedeutete
sie die Eonzierge.
Lora erstieg die Treppen, ihr Her;
schlug zum Zerspringen.
Mr. Allorö zu sprechen?" sragte sie
den droben öffnenden Diener.
Er ist nicht da. Madame, aber viel
leicht reden Sie mit dem Gehülfen. . . .
Und er führte sie in ein Zimmer, wo
ihr ein junger Mann entgegentrat und
ihr höflich einen Stuhl bot.
Wie Ihnen bereits mitgetheilt,
Madame, ist Mr. Allorö momentan
nicht daheim "
Wird er lange fortbleiben?"
O, ich glaube kaum. Er ist bereits
vor mehr als einer Stunde zu einem
Elicnten, einem Beamten der AIlgcmci
ncnCreditbant in der Rue de Ehateaudun
gefahren.
Tcr Allgemeinen Ercditaank!" rief
Lora betreten.
ES war das Bureau ihres Gatten.
Mithin war kein Zweifel mehr möglich.
Ah. Sie sind dort bekannt, 'Ma
dame?" fragte der Gehülfe überrascht.
Ja," entgegnen; Lora mit müh
sam erzwungener Ruhe. Im Namen
dieses Elicnten von dcr Ereditbank
wollte ich sacben mit Mr. Allorö reden.
Sie wissen doch wohl um diese leidige
Schcidungsangelcgcnhcit?"
Ich sehe, Madame, daß Sie eingc
weiht sind."
Natürlich." Und im Tone schmerz
lichcn Bedauerns fügte Lora hinzu :
O, mein armer Bruder ! Wann wird
er seine Freiheit zurückcrlangen, wann
seine garstige Frau verlassen können,
um endlich dein Zuge seines Herzens zu
folgen?"
Ter Gehülfe setzte eine gönnerhafte
Miene auf.
. Bald, Madame, sehr bald.. .. wir
hoffen es wenigstens. Mr. Allorö war
heute in der glücklichen Lage, scincin
Clienten die besten Nachrichten zu über-
Mitteln."
In der That?"
Nun kommt es, wie Mr. Allorö mir
noch heute Morgen sagte, vor allen
Tinqcn darauf an, seine Gattin
ahnungslos zu erhalten, sonst wäre
Alles verloren."
Diescrhalb können Sie beruhigt
sein, mein Herr. Ich wüßte nicht, auf
welche Weise sie Verdacht schöpfen
sollte .... durch inich ganz gewiß
nicht
Sie erhob sich. Besten Tank, mein
Herr, für die gute Nachricht, die Sie
mir gegeben."
3.
Arme Lora !
O, diese trostlose Heimkehr ! Es war
also wahr, kein Zweifel mehr möglich . .
Nicht genug, daß Hektor sie nicht mehr
liebte, hatte er auch noch dieses schnöde
verräthcrische Eomplott gegen sie gc-
schmiedet.
Aber was habe ich denn gethan,
daß er sich so beträgt?" schluchzte das
arme Weib. Was habe ich denn ge
than?" Tausend wirre Gedanken durchkreuz
tcn ihr Hirn.
Sollte sie geduldig das Rcsulat die
ser schmählichen, von ihrem Gatten
inscenirten Komödie abwarten? Warum
nicht selbst die Initiative ergreifen?
Du willst mich verlassen? Wohlan,
cs sei! Scheiden mir sogleich je
früher, desto besser."
Tann aber stieg vor den Augen dcs
junge WeibcS das Bild dcs öden,
leeren Tages auf, daß sie in ihrer Ver
laffenheit ohne Hektor führen
würde. Ohne Hektor ! Könnte sie sich
jemals in diese Trennung finden?
Und ein heißes, thörichtes Verlangen
überkam sie. zu ihrem Gatten zu eilen,
sich ihm zu Füßen zu werfen, ihm zu
sagen :
Ich bitte Dich, verlaß mich nicht!
Du weißt wohl, daß ich Tich vergöttere,
daß Tu mein Alles bist, daß ich ohne
Tich nicht leben kann. Und Tu....
Tu haft mich auch geliebt warum
liebst Tu mich nicht' mehr? WaS habe
ich Dir gethan? Was hast Du an mir
auszusetzen? Sprich, ich flehe Tich an!
Ein einziges Wort kann jcdcs Mißvcr
ständnifz zwischcn uns klärcn "
Tann wieder dachte sie daran, zu sei
ncr Mutter zu eilen und ihr Alles zu
erzählen.... sie dachte an Selbst-
mord. . . . sie dachte. . . .
Woran dachte sie nicht?
Kurzum, als die Uhr sechs schlug.
hatte sie ihm Geiste tausend Pläne und
Möglichkeiten erwogen, ohne zu irgend
einer Entickeidung gelangt zu tcin.
Es war Zeit des Tinncrs. Nun
mußte er kommen.
4.
Laß schnell auftragen, mein Schatz,
ich habe einen Ricsenhunger." '
Tcn Arm um Lora legend, schritt
Hektar mit ihr zum Speisezimmer.
Tenk' Tir mal, was mir gestern
Abend paffirt ist," bemerkte er dann.
Was denn ?" fragte Lora bange.
Beim Verlassen des Bureaus hatte
ich statt meines Ucbcrrockes den meines
Eollegen Eanuhct angezogen."
.Ich!....
lind daS Trolligste ist. daß selbst
Tu beute früh beim Bürsten die Ver-
wechlelung nicht bemerkt hast."
Nein .... in dcr That .... ich habe
nichts bemerkt." stammelte Lora. wäh
rend eine Bcrgeslast von ihrer Seele
fiel. Nun freilich." fctztc sie nach
momentanem Schweigen hinzu, er
scheint cs mir unbegreiflich, daß ich die-
sen Ucberrock für den Deinen gehalten
Und in stummer Glückseligkeit
schmiegte sie sich an den treuen Gatten.
Eil! schlechtes Geschäft.
ÄuS den unge'chritbeiien Memoiren eine
üuAjtuxi. i!on M a r l i n R e d e r.
In einer großen deutschen Residenz
stadt war unter jenen Geschäftsleuten,
welche alten und jungen Lcbcmänncrn
in dcr drängenden Noth des Augen
blicks deizuspringen immer bereit sind,
einer der geriebensten dcr Jsidar Tel-banco.
Eines Tages kam dcr junge B. zu
ihm, und Hcrr Tclbanco war merkwür
digcr Weise nicht abgeneigt, mit ihm
ein Geschäft zu machen, obgleich der
lange Mann weder Vermögen besaß
noch zu erwarten hatte. Als dcr Wuchc
rer unter Bctheuerung feiner Uncigen
nützigkcit dcn Bcsucher fragte, welche
Garantie für prompte Rückzahlung er
zu bieten vermöge, erklärte derselbe sich
bereit, alles, was man wolle, zu unter
schreiben.
Jsidor sah ihn über seine große sil-
berne Brille hinweg spöttisch an : Ge-
wiß, gewiß. Aber ich sammle keine
Autographen. Tas ist ein leichtes,
aber schlechtes Geschäft."
Hcrr B. erwidcrte eifrig : ,,-agen
iie nur, welche Sicherheit zie ver
langen. Ich bin zu allem bereit, denn
ich brauche das Gcld schr nothwendig."
Haben Sie keinen Verwandten, der
Ihnen den Gefallen thun würde, mit
zu unterschreiben?" fragte dcr Alte.
B. überlegte. Ich will sehen, was
ich thun kann," meinte er. Schrei
bcn Sie nur das Papier aus, wie Sie
cs wünschen."
Sein Ton war so zuversichtlich, daß
Jsidor. dcr wußte, das der junge Mann
einer guten Familie angehörte, und der
außerdem seine Kundschaft gern aus
dehnte, alsbald ein Formular herbei
holte, dcn gewünschten Betrag ausfüllte
und dem Besucher einhändigte, nach
dem er ihm die daraus entspringenden
Rechte und Pflichten erläutert, auch die
Stellen angegeben hatte, wo die Un-
tcrschriftcn hingcsctzt werden mußten
Einige Tage darauf kam der junge
ycrr wieder und brachte den von eincm
Freiherr,: v. I. indossirtcn Wcchscl zu-
rück. Hcrr Tclbanco hatte m der Zwi
schcnzcit weite Erkundigungen über
seinen neuen Elientcn angezogen und
wußte, daß der Frcihcrr cin Landcdcl-
mann von altem Schlage, zugleich dcr
Bormund und Ohcim dcs jungen B.,
gar nicht dcr Mann darnach wäre, um
für einen zwanzigjährigen jungen Men
schert einen Wcchscl zu unterschreiben.
Man muß dem Geldvcrlciher die Gc
rechtigkcit widerfahren lassen, daß er
nicht einen Augenblick an die Echtheit
dcr mcrkwürdig schülerhaft aussehenden
frciherrlichcn Üntcrschrift glaubte, und
sich durch dic Naivetät des vcrsuchtcn
Betruges im Innern höchlichst belustigt
fühltet
Aber davon ließ cr dcn jungcn B.
nichts mcrkcn. Mit seinem freundlich
sten Lächeln lud cr ihn ein, Platz zu
nehmen und sagte : Nun, Herr B.,
Sie haben es gut gemacht, ich denke,
wir werden uns einigen. Bitte trinken
Sie ein Glas Rheinwein. Wenn cr
Ihnen gefällt, so kann ich Ihnen einige
Tutzcnd Flaschen ablassen."
B. trank dankbaren Sinnes seinen
Wem, während Jsidor mit einem gol
denen Bleistift einige äußerst verwickelte
und gchcimnißvolle Berechnungen in
seinem Taschenbuch anstellte. Tas
Ergebniß derselben bereitete dem jungcn
Manne keine geringe Entäuschung. In
dcr Unschuld seines Herzens hatte er sich
auf den Betrag der gewünschten
Anleihe in baarcm Gelde gefaßt ge-
macht, und erhielt statt dessen etwa ein
Drittel in told. den Nest aber in zwölf
Dutzend Flaschen Rheinwein, die zu
einem fabelhaften Preise berechnet
waren, einigen Kisten Eiqarrcn, und
einem Gemälde, welches nach dcr Bcr-
sicherunq des Wucherers einen in Gcld
gar nicht abzuschätzenden Wcrth besitzen
sollte.
Herr Delbanco tvar mit seinem Ge-
schäst sehr zufrieden, und erwartete mit
Zuversicht einen glücklichen Ausgana
seiner Spekulation. Seine Ber
muthung, baß B. das erhaltene Geld
benutzen würde, um dcn allzu heißen
Boden dcs Vaterlandes zu verlassen, er
wies sich als eine begründete ; ungefähr
einen Monat vor dem Fälligwcrdcn dcs
Wechsels schiffte dcr junge Lcichtfuß
sich nach dem gelobten Lande jenseits
des Atlantischen Ocean ein, und Del-
banco. der hierauf nur gewartet hatte,
um die langt geplante Komödie in
Ausführung zu bringen, setzte sich
händereibcnd an sein Pult und schrieb
folgenden Bricf an dcn Frcihcrrn
v. .:
Ew. Wohlgcborcn
erlaube ich mir ganz crqebcnst mitzu
theilen, daß Ihr Neffe, Herr B., von
hier nach Nordamerika ausgewandert
ist. Ta Ew. Wohlgcborcn so freund-
lich gewesen sind, für eine Summe
Geldes, welches er jüngst von mir cnt
lichcn hat, gutzusagen, so wollte ich
nicht versäumen. Ew. Wohlgcboren
diese Nachricht, welche ich aus ganz zu
vcrlüssigcr Quelle habe, zukommen zu
lassen.
Mit Hochachtung crgcbcnst
Jsidor Telbamo."
Diese Berechnung des schlauen Gcld
Verleihers traf ein. Schon am nach
stcn Morgen früh fuhr dcr Frcihcrr in
die ladt und suchte unverzüglich den
Berfaffcr dcS Schriftstückes auf, welches
cr bei feinem Eintritt in das Kontor
mit dcn Wortcn auf das Pult warf:'
Was soll das bcdcutcn?"
Sie haben," versetzte Dclbanco
ruhig, doch dies Papier nicht vcrgcs-
sen, geehrter Herr?"
s yave ich in meinem ganzen
Leben nicht gesehen," erwiderte dcr
andere, nachdem er das Dokument sorg-
saltig geprüft hatte.
Gcrechtcr Gott !" rief Jsidor auö
To ist das auf dcr Rückscitc nicht
ihre Üntcrschrift?"
Dcnk' gar nicht daran," brummte
dcr Freihcre.
vciovericiucr schien zu cr
schrecken; dann sagte cr mit feierlichem
Ernst: Das ist freilich bedenklich
sehr bedenklich!"
Allerdings," versetzte dcr Alte
Für Sie."
Mir scheint, als wenn Sie die Lage
nicht voUMndig begreifen. Herr Ba
rvn. Die Sache ist mit einem Worte
die, daß Ihr Neffe mich beschwindelt
hat."
Tas sollte mir leid thun; dann
werden Sie sich der schmcrzlichcn Pflicht
nicht entziehen können, die Sache den
Gerichten zu übergeben."
Ganz verblüfft über diese unbefan
gcnc Aeußerung entgcgnetc Hcrr Dcl-
banco: Allerdings, wenn Sie nicht"
Wenn Sie nicht mit mir ein
Arrangement treffen. Na, ich will
Ihnen was sagen, Hcrr Dclbanco. Ich
habe mir schon gedacht, daß dic ganze
Geschichte darauf hinauslaufcn würde.
Sie haben meinem Neffen Gcld gclie
hcn er hat mir alles erzählt und
ich habc ihm versprochen, dic faule Gc
schichte zu, ordnen. Sie sollen keinen
Pfennig verlieren." Tcr altc, Hcrr
sprach noch immcr ruhig, abcr man
sah ihm an, daß er sich Gewalt anthat,
und eine bedenkliche Röthc überzog sein
gutmüthiges Gcsicht, indem er ein
Päckchen Papiergeld herausholte und
auf das Pult warf: Zählen Sie nach
Hcrr. Tas ist die geringe Summe
Geldes, die Sie incincm Neffen baar
eingehändigt haben. Der Wein und
dic Stinkadorcs, dic Sie ihm aufge
halst habcn, kricgcn Sie morgen wie
dcr, auch die schändliche Sudelei, die
Sie cin Gcmälde zu nennen belieben."
Tcr Gcldmann wurdc roth vor In
grimm und ricf wüthcnd: Sie be
schimpfen mich durch Ihr Anerbieten,
Herr Baron. Ich bestehe auf meine
Rechts, und wenn cs mir nicht zu theil
wird, so werde ich, so leid eö mir thut,
Ihren Herrn Neffen dcr Staatsanwalt
schuft wegen Fälschung denunziren."
Herr, wahren Sie Ihre Zunge,"
unterbrach ihn dcr Frcihcrr. Sie
irren sich, wie ich sehe, in Bezug auf
jene Unterschrift. Sie ist zwar 'nicht
die meine aber doch echt."
Echt?" stammelte Jsidor.
Jawohl, echt. Mein Neffe hak sie
nie für dic mcinige ausgcgcbcn, und
Sic waren so einfältig.' ihn nicht da
nach zu fragen. Es ist die Unterschrift
meines Enkels."
.Ihres Enkels!? '
Es juckte wie ein Lächeln um Herrn
v. K.'s Lippen. Sie wußten nicht,
daß mein Enkel ebenso heißt wie ich?
Wie ftnre! Er wird zu Ostern nach
Sekunda versetzt daraus können ie
ermessen, wieviel seine Bürgschaft werth
ist!"
Der lcldverleiher gab seinen Ver-
such, sicti anf'S hohe Pferd zu setzen,
sehr bald auf. Er zahlte daher seuf
zend dir Banknoten, und sagte, indem
er dem Freiherr,, den Wechsel über-
reichte, mit einem schwacden Versuch,
sich dcn Anschein gekränkter Würde zu
geben: Auf Ehre, Herr Baron, man
hat mich da schlecht behandelt. Ader
ich will eS mir zur Warnung dienen
laffen."
Thun ct das." Der Freiherr
legte den Wechsel in sein Taschenbuch
und fuhr fort: Was aber Ihre Be
Handlung betrifft, mein Bester, so be
dauere ich nur, daß gewiffe Rücksichten
mich verhindern, tci? so zu behandeln,
wie Sie es verdienen."
Damit faßte er seinen Stock in nicht
inißzuverstehender Weise, und Herr
Jsidor Telbanco war froh, als die
Thür sich hinter dem cholerischen alten
Herrn geschlossen hatte.
Tas kommt davon.
Ueber eine heitere Episode mit tragi
komischen Konscqucnzcn wird im Feuille
ton eines Pragcr Blattes berichtet. Ein
dortiger Kaufmann saß in Gesellschaft
guter Freunde im Kaffeehause und be
gcgnete dcn verschiedenen Klagen, die
ivcgcn deS schlechten Geschäftsganges
laut wurdcn, mit dem vergnügten Hin
weis, cr habe Gott sei Dank keinen
Grund zum Klagen, das heurige Ge
schäftöjahr übertreffe alle seine Erwar
hingen, gehe cs so weiter, hoffe er sich
bald zu Ruhe setzen zu können. An
eincm Nachbartifche hatte mittlerweile
ein öltlichcr, unscheinbar gekleideter
Herr Platz genommen, der in das Stu
dium einer Zeitung vertieft und von
Zeit zu Zeit aus dies letzteren Notizen
zu machen schien. Die Gesellschaft
schenkte dcin würdigen Herrn weiter
keine Aufmerksamkeit.... Zwei Tage
nachher erhielt dcr oben erwähnte und
in fcinem Geschäfte so glückliche Kauf
mann eine Zustellung der Steuer
bchörde, in dcr es hieß, nach feinem
eigenen, im Eafö X. öffentlich abgege
benen Bekenntniß, betrage fein Einkom
men weitaus mehr, als er gemeldet
habe; er werde daher höflich cingela
am so und so vielten u. f. w. Ob die
renommirlustigc Jovialität dcs fidclen
Kaufmannes vor dicser höflichen Ein
und Vorladung Stand gehalten hat,
darüber berichtet die Geschichte nichts.
In jenem Kaffeehause abcr hat man
seither einen heillosen Respekt davor, in
der Nähe, älterer, unscheinbar geklei
deter Herren" Platz zu nehmen.
Tie goldenen Eier.
Bei dcr Krönung Maximilians zum
dcutfchcn Kaiser am 5. April 1437 er
schienen wahrend des Krönungsmahlcs
zwölf Abgeordnete der Kaufmannschaft
in Aachen und vermehrten die Geschenke
durch einen Handkorb, der mit golde
ncn Eiern gefüllt war. Tie im Bor
zimmer harrend.ni Spender dcr origi
nellen Gabe wurde jedoch nicht wenig
überrascht, als ein Kämmerer des Kai
scrs mit der Weisung an sie herantrat,
daß cr dic Herrcn auf Befehl Sei
ncr Majestät sofort in Haft nehmen
und bis auf weiteres festhalten solle.
Sic wurden auch in dcr That in ein
besonderes Gcmach geführt, wo aber
alsbald dcr Kaiser mit schalkhafter
Miene eintrat, jedem dcr Arrestanten
dic Hand reichte und sagte : Ihr habt
mich hoch erfreut. Hühner, die so rare
Eier legen, darf ich wohl nicht sogleich
wieder auffliegen laffen. Wollet eS
Euch gefallen lassen, daß ich Euch für
die nächsten drei Tage nach Gebühr be
Wirthe." So blieben die Eicrspender während
dcr Festtage dic Gäste des Kaisers und
wurdcn von ihm auf's höchste geehrt.
Jahrhunderte lang abcr hießen die
Aachener Kanflcutc im ganzen deutschen
Reich die güldenen Hühner".
Annamitischer eldfchrauk.
Im inneren Palasthofe des Königs
von Annam befindet sich ein großer
Tümpel, in den dcr Herrscher von Zeit
zu Zeit ausgehöhlte Baumstämme wer
fen läßt, die vorher mit Gald und Sil
der gefüllt wurden. Dies ist, so be
richtet die Zeitung Jtalie", dcr könig
liche Rcservcschatz, dcr nur im äußersten
Nothfall angegriffen werden darf. Da
mit er abcr auch sichcr vor Dicken sei,
hegt man Krokodile in dem Tümpel,
und Jeder, dcr sich hincinwagte, wäre
unrettbar verloren. Dies ist zweifellos
eine ganz eigenartige Sparbüchse, die
man nur sprengen kann, indem man
zuerst mit einem Schuß die Hirnschale
dcr Krokodile sprengt, und bekanntlich
habcn diese Amphibien cin außcrordcnt
lich zähcs Lcbcn.
Liitblättett.
A.: Warum ficht denn der Pianist
Tastclhofer heute so geschoren aus?"
B.'. Wissen ie, der ist neulich
mal in Gesellschaft eingeschlafen und
da hat jede Dame dic Gelegenheit be
nutzt, und sich eine Locke van ihm abge-
schnitten!"
Druckfcbler.
Sie war entzückt über dic prachtvolle
Nase (Vase), welche ihr Bräutigam mit
Blumen gefüllt brachte.