Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 03, 1898, Image 10

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    Lmmalnl, der Schrecken Slfrifa
Hzimoriskk von on$ foan.
Ein glühend heißer Sonimermitlag
lag über der Wante-beefer pauuec, au
der Wagen und Menschen hinausdräng
teil mich dem ..WandSbecker nauiucn
inarlt".) In Tchaarcn zogen dir die
deren Hamburger dahin, um demnach
darorte bci dieser Gelegenheit einen Be
luck abiustatten.
Manchmal kam ein trockner heißer
Wind von WandSbeck her und trieb den
Schaulustigen mächtige Wolken weißen
Staubes entgegen, so daß sie die Augen
schließen oder sich sür einen Augenblick
umdrehen mußten.
Nur die große, hagere und wie ein
Mann aus (breitende Frau, der ihre
viel kleinere und mehr quabbelige Be
alciterin kaum m folgen vermochte,
schien der Staub wenig zu geniren, und
auf die Klagen der Kleineren, da
so heiß wäre und daß man doch lieber
hatte Pferdebahn fahren sollen, sagte
sie immer wieder:
Wozu uiinöthig Weid wegschmeißen.
wir sind ia gleich da! '
..Wenn wir'n man sinken." meinte
die Andre.
Ich habe so 'nr Ahnung," erwiderte
feie Große, aber warte, meine Junge!"
Und nach einer Pause setzte sie hinzu:
Wie viel is er Ihnen denn nu eigent-
lich schuldig, ffrau Denkers"
.Ich hab' es zu Hause alles aufge
schrieben, Jrau Böhm... aber nich
wahr, Sie bezahlen mir s doch?"
Tie Große nickte bedächtig. Jcwiß,
wenn die Rechnung stimmt, und
wenn ich 'n finde! Wie lange is er weg
von Ihnen?"
Zwei Monat. . . nee schon beinah'
drei... aber er is da draußen auf 'n
Markt... Reimers Hein hat 'n gleich
erkannt, blos wußt' er nicht, in welche
Bude er ekt ist."
Lassen Sie man, Frau Denker, wir
finden 'n schon! Und wenn wir alle
Buden zweimal abklappern müßten"
Aehm bic n gleich mit, Frau
Böhm?"
Jcwiß, auf der Stelle. Soll ich
am l5ndc noch länger so rumlaufen las
sen, als Zigeuner und Vagabund?
Nee, das giebt nich. Wenn ich
finde, reisen wir noch heute Abend!"
Bei diesen Worten wippte das be-
trächtliche Gebäude aus schwarzem Stroh
und Blumen auf Frau Böhms Kopf so
energisch, und die Danic reckte den ma
fleren Arm, den der Aermel ihres
schwarzen, altmodischen Seidenkleides
eng umspannte, so gebieterisch, daß
Frau Tenkcr einiges Mitleid mit ihrem
früheren Miether fühlte, trotzdem er sie
geprellt hatte.
Seh'n Sie, da sind wir schon!" rief
die Hagere triumphirend und deutete
nach den Zelten hinüber, die in der
Sonne leuchteten. Bald darauf betra-
ten die Frauen den Fcstplal) und ver-
schwanden in den Budenreihen.
Virkusse, Menagerien, WUrfelbuden
und Herkulesse, Ripfenpfefferkuchenräder
und Riesendamen, ijaroufscbs mit und
ohne Dampf, Händler, die immer das
letzte Stück" zum viertel Preise" der
kaufen, Schießstände und fliegende
Wurstverkäufer, Tingeltangel voll ge-
schminkter Sängerinnen in luftigen
Gezelten aus verregneter Leinewand,
Restaurationen. Schaukeln und aller
Hand Dinge, die man gesehen haben
muß, um einen Begriff von der froh
lichen Genußsucht und der heiteren Be
dürfnißlofigkeit des Bolkes zu bekommen
sie bilden auf dem grünen Felde eng
aneinander gedrängt unter der, wie
leuchtend blauer Atlas darüber ausge
spannten Himmelsdccke den Wands
beckcr Pflaumenmarkt
5s war am zweiten Markttag, so um
die Mittagszeit. Der Fcsttrubel hatte
sich unter dem Brand der fast senkrecht
stehenden Augustsonne ein wenig gc
legt. Die Marktbesucher aßen in den
Restaurationen oder draußen, im Ge
lände sich lagernd. Nur noch dann und
wann priesen die Ausrufer vor den
Schaubuden mit ihrer heisernen, staub
verklebten Stimme ihre Herrlichkeiten
an, und die beiden großen Dampf
carousscls ließen unermüdlich ihre gel
lende Leierkastenmusik hören.
Jetzt schwiegen auch sie einen Augen
blick, und über den weiten Platz hin
hörte man eine Stimme, die wie das
Quietschen einer verrosteten Saite
klang: Treten Sie ein, meine Herr
schaften, treten Sie ein! Hier ist zu sehn
Emmahu, der Schrecken Afrika's! Wie
er mit den Ketten raffelt! Emmahu, er
hebe Deine Stimme!"
Und nun kam aus der dürftigen
Bude, vor welcher ein dicker, förmlich in
feinem Fett erstickender Mensch diese
Worte schrie, ein gräßliches Geheul hu
hu hu uuuuuu " '
Die Leute, die noch zwischen den Bu
den umher gingen, lachten vnd hörten
dem Ticken zu. Dieser erzählte, er
habe den gefährlichen Wilden auf einer
Eklavcnjagd in Afrika selbst einqefan-
gen; er frcffe Feuer und glühendes tii
sen, sauge Tauben das Blut aus und
fei so bös, daß er stets in Ketten gehal
tcn werden müsse.
Das Publikum riß schlechte Witze und
rief dem Dicken zu, er solle sich nur in
Acht nehmen, daß Emmahn nicht mal
nach ihm selber Appetit besame. Schließ
lich erlegten Zwei oder Drei ihren Odo
lus und gingen in die Bude.
Und wieder begann das Treten Sie
) (5 in Polkolkst, das drei Tagk dauert und
zur Zeit der Pstaumcuernlc in Wabgehal
tcn wird.
ein, meine Herrschaften! Treten sie
ein?...."
Aber in die gräulich erhobenen Stim
mrn lLmmahus griffen die beiden
Dampsorgeln mit ihren gellenden Klan-
gen wieder ein. Und als der ai
Mann, dessen Bude gerade zwischen den
beiden varousjelS stand, noch einige
vergebliche Versuche gemacht hatte, sich
trotz des Schukelwal,;erS, den seine bei
den Nachbarinnen in wüthender von
currenz herunterleierten, verständlich zu
machen, da aab er ach elzuaeno eine
furchtlosen Bestrebungen auf und ver
ckwand. um die Bude herumgehend, in
der Hinteren Zcltlcinwand.
..Ich Hab s satt " sagte er drin zu
dem Schrecken Afrika's und letzte sich
auf eine umgestürzte Kiste, dreic stnd
drin, aber laß sie ruhig warten, die
SchafSköppe! Nicht zehn Pferde kriegen
mich jetzt mehr vor den Eingang
Puh, die Hitze!"
Er wischte sich mit einem groken, roth
und blau gewürfelten Tuch, daß er zu
diesem Zwecke seiner eigentlichen Be
stimmung als Halstuch oder Kravattc
für einige Zeit entzog, den Schweiß von
der glühenden Stirn.
Der Wilde" saß, an einer kurzen
Thonpfeife, sogenanntem Nasenwär-
Hier , fangend aus einer Paule, 'cein
noch recht junges Gesicht war früher
zweifellos weiß gewesen, auch ließ die
Negcrpcrrücke, die sich ein bischen vcr-
choben hatte, einen Streifen hellblon-
den Haares sehen. Uebrigens war er
vom Kopf bis zu den Füßen mit Nuß-
arbe eingerieben. Aus Brust und Ar-
inen war dieses Braun dann noch mit
Grün, Gelb und Roth bemalt, ein ent-
etzllches Geschmiere, das Tätowirungcn
und Kriegsfarben darstellen sollte.
Seine ganze Bekleidung bestand aus
einem braunen Trikot, das die Hüften
umschloß und überdeckt wurde von einem
Schurz aus angeblichen Papageien
federn der Papagei, der diese Federn
geliefert, hatte wahrscheinlich früher auf
einem guten, deutschen Misthaufen ge-
kräht.
Uebrigens war Emmahu eben damit
beschäftigt, einen schon recht sauberen
Schinkenknochen noch mehr zu säubern,
mit den Zähnen natürlich, ein Beweis,
daß der Schrecken Afrika's" im Pri
vatleben auch noch andere Sachen, als
Feuer und glühendes Eisen, zu sich
nahm.
Hast nich noch wat to supen dor.
Corl?" fragte ihn jetzt der Ticke, in
einen heimathlichen Dialekt verfallend.
Emmahu kippte die Pauke, auf der
er saß, ein wenig und zog, stolz lächelnd
eine nicht unbeträchtliche Boutcille mit
dunkelroth funkelndem Inhalt darunter
hervor.
Siehste, da liegt Nordhausen in der
Morgensonne!" sagte er. die Flasche
hoch emporhaltend, wonach der Ticke
begierig griff. Halt! Immer lang-
ani, alter Sohn, ecce eo! Erst
komm' ich!"
Ach, laß Dein französisches Gequat-
che, Corl, un giv mi de Buddel. Tau
wirst doch dat nich all alleene utsupen
wulln!"
mmayu uoerließ tnm mmelvig ei
nen anstandigen Rest, den der Ticke
kluckernd hinuntergoß.
bic transit glona mundi ! ?o
vergeht der Rum im Munde," fugte der
Wilde' elegisch und nahm die Flasche
wieder an sich.
Wat snackft Du da immer for dumm
Tilg," meinte der Dicke, wat. büst Du
denn eigentlich vun Profession. Du
wirst doch woll noch wat Anncrs ken-
nen, als her upp n Wandsbecker Plu-
menmarkt den wilden Mann fpcelen."
Kann ich auch," kopfnickte Emmahu.
aber ich bin ein faules Luder, sagte
meine liebe Braut Gott hat he not-
entlich schon selig immer zu mir.
Auf der Schule war ich sehr fleißig, ich
hab' sogar das einjährige Zeugniß."
Wo hest denn Din Johr afdient?"
Garnich. Am Geftellunqstaqe hatte
ich gerade keine Zeit, und nachher bot
ch nicht mehr so recht die Gelegenheit
dazu. Ich bin deshalb auch 'ne sehr
gesuchte Persönlichkeit."
Der Andere lachte dumm, ohne den
cherz eigentlich zu verstehen.
Na vu dann?"
Dann?"
Ter Schrecken Afrika's" wiegte nach-
denklich seine Negerlocken.
Tann bin ich Zkaufmann geworden.
Erst war ich im Speditionsgeschäft und
dann im Getreidchandcl. Aber da be
gann mein Unglück."
Wie so denn?"
Ich lernte da meine Euscbia ken-
nen. '
Der Du nachher ausgekniffen bist?"
Du sagest es."
Der Wilde" sah sich trotz des spötti-
chen Tones seiner Antwort scheu um,
als befürchte er, die Genannte könnte
plötzlich hinter ihm steh'n und ihn ge
hört haben.
Verteil mi dat doch mal, Eorl."
meinte der Dicke neugierig.
Da, viel is da nicht zu erzählen.
Das Eomptoir, wo ich arbeitete, lag
parterre; eine Treppe hoch wohnte eine
alte Jungfer, die reichlich doppelt so alt
war wie ich Fräulein Eusebia Böhm
weißte, Dicker, sie war im Grunde
'il olles braves Mädchen, aber sie paßte
nich für mich. Aber mich seh'n und wie
ein Spiritusfah aufflammen, war eins
für sie. Bouquets und Früchte und
Bonbonnieren hat sie mir ins Fenster
geworfen und später auch Chlipfe und
Glacehandschuhe. Es war gerade, als
wär' sie der mann und ich die Jung
frau. Na, weißte. Ticker, vom Nehmen
ist noch keiner arm geworden, und so
nahm ich denn auch alles mit Seelen
ruhe an. Schließlich forderte sie mich
aus. mit idr auszugehn am Sonntag.
Mich genirtk der absolute Mangel an
Schönheit, den sie besaß, und so sagte
ich idr denn, ich hätte kein Geld. Aber
sofort offerirte sie mir ihre Börse, und
diesem Goldblick konnte ich nicht wieder
stehen, co gingen wir oenn nema, n
paar Mal zusammen aus. und als ich
beim dritten Mal Abends mit ihr nach
Hause ging, da war ich plötzlich verlobt
mit ihr. Wie mir das eigentlich hat
passiren können, das weiß ich deute noch
nicht. Genug, sie hatte heimtückischer
Weise Ringe mitgebracht, und auf ein
mal waren wir beide Braut und Bräu
tigam Weißte, es giebt ein alteS la-
teinifches Sprichwort, das heißt: dv
gustibus non st disjmtandum
oder auf gut Teutsch Mit Justen soll
man sich nicht rumstreiten!" Na das
hätt' ich mir merken sollen. Euscbia
war, was ich anfangs garnicht bemerkt
hatte; ungemein kräftig. Ich erinnere
mich eines KochtopfeS. der, von ihrer
zarten Hand geschleudert, an mein da
mals noch blondlockiges Haupt prallte,
und ich suhle den Schmerz noch heute."
Der Wilde" griff sich wie in peinlicher
Erinnerung an den Kopf. Schließlich,
am Hochzcitsmorgen, verduftete ich. Es
war nicht schön, aber im beiderseitigen
Interesse sehr nothwendig. Wir hätten
uns sonst doch noch vor lauter Liebe
umgebracht wenigstens sie mich!"
Un möchst Du nich doch Widder zu-
rück zu ihr? Ein anständigeres Leben
hast Tu auf jeden Fall geführt, wie
jetzt Min Gott, wenn ick 't blos
könnte, ick würde de Ohlsch qlickers hei-
rathen!"
Um deS Himmels willen, Dicker.
Mich hat sie von Ort zu Ort getrieben.
Kaum war ich wo in fester Stellung,
dann war ein Brief von ihr oder sie
selber da mit dem vcrd Heiraths-
versprechen, das ich ihr gegeben habe,
ich Esel! Und dann blieb mir natürlich
nichts weiter übrig, als auszureißen.
Nein, eh' ich sagen würde: Eusebia,
nimm mir's nicht übel und sei wieder
int, Olleken eher will ich mein Lebe-
lang als Schrecken des dustern Erdtheils
rumlaufen und brennendes Werg fres
sen Aber, sieh nach, Dicker, ich
glaube, wir können wieder anfangen
die Andern schreien auch schon Alle."
Aiire verlief; den Raum au
demselben Wege, den er gekommen war
und Emmahu präpanrte sich zu der
Vorstellung. Bald scholl es draußen
wieder in all den Lärm hinein: Meine
Herrschaften. Für zehn deutsche Reichs
Pfennige sehen Sie hier den berüchtig
ften Emmahu, den Schrecken Afrika'?
Wie er mit den Ketten raffelt."
Er rasselte furchtbar drin in der
Bude.
Emmahu, erhebe Deine Stimme!"
Und das grauenermeckende Hu hu
hu u u u lockte jetzt, da der Ver-
kehr sich wieder mehr belebte, die Men-
scheu schnell hintereinander in die Bude.
Ein Klingelzeichen verkündete den
Anfang der Vorstellung. Emmaha er-
schien, iettenbeladen, gräßlich fauchend
und schnaubend auf der Bühne und
setzte die hübschen Hamborger Deerns
nicht wenig in Angst.
Mitten in der Vorstellung betrat eine
schon ältere, sehr hagere Frau mit axo
ßer Hakennase die Bude. Im Eingang
stehenbleibend und so ihrer kleinen
dicken Begleiterin die Aussicht vcrsper-
rend, blickte sie eine Weile fest nach dem
Wlldeil auf der Bühne hin.
Und plötzlich kam es grell und fcharf,
wie der Ton der Dampforqel draußen,
von ihren Lippen : Earl, Carl, gleich
kommst Du runter und ziehst den schwar
zcn Kittel ab! Tu Schlumps! Ist denn
das 'ne Art und Weise, seine verlobte
Braut so schändlich sitzen zu laffen?!
Du schlechter Kerl! Gleich kommst Du
runter, sag' ich Tir! Tu hast mir die
Ehe versprochen und wirst mich heira-
then oder....! Ta soll doch gleich!
Willst Du woll runter kommen, Du
schlechte Seele!"
Dem Schrecken Afrika's" war Lanze
und Schild entglitten. Ein Bild schlot-
ternden Entsetzens stand er auf dem
Podium und blickte wortlos angstvoll
hinab, gebannt von den funkelnden Au-
gen feines Drachens".
Den Zuschauern fing die Sache an,
Spaß zu machen.
Dat 's recht. Muddcr! Wies ehm
den Pantuffel, Ohlsch!" schrie der Eine.
Die Frau kümmerte sich absolut nicht
um das Gerede. Sich einen Weg durch
die Bänke bahnend, wollte sie hinauf zu
ihrem Verlobten und fetzte schon den
Fuß auf die Podiunitreppe, als plötzlich
Leben in den erstarrten Wilden kam.
Mit einem Schrei, wie ihn keiner der
wirklich Schwarzen in, Urwalde auszu
stoßen sähig gewesen wäre, war er hin
ter dem rothen Vorhang verschwunden.
Drin riß er. ohne eine Antwort auf
die Frage seines dicken Kompagnons,
einen weiten Mantel vom Nagel, zog
die Negerperücke vom Kopf und war
fort, als hätt' ihn der Sturm hinaus
geblasen. Fräulein Eusebia. die eine Sekunde
später auf der Bildfläche erschien, fand
nur noch den dicken Ausrufer, den sie
mit einer Fluth von Schmähungen
übergoß. Er solle ihr den Bräutigam
wiederschaffen, oder sie brächte die Sache
vor den Richter.
Der Streit, in den sich das Publikum
mit Gejohle einmischte, zog sich bis hin
aus vor die Bude, und der Thierbändi
ger aus der benachbarten Menagerie er
zählte später, daß schon nach deii ersten
Worten Fräuleins Euscbia's sein gro
ßer bengalischer Tiger in die entfrnteste
Ecke des Käfigs gekrochen und absolut
nicht tu bewegen gewesen sei. wieder
vorzukommen.
Unterdessen war Emmahu. mit der
Oertlichkeit wohl vertraut, hinter den
Buden entlang, bis an das Zelt einer
ihm befreundetenRiesendamk geschlichen,
zu derer sich wohl seinerMagrrkeit wegen
besonders hingezogen sühlte. In deren
Kabinet erHolle er sich beim Glase Bier
von dem überstandenen Schrecken, wobei
er den Verlauf deS Ereigniffes sehr dra
matisch beleuchtete.
Die Bude Zum wilden Mann"
blieb am dritten Festtag geschloffen.
Emmahu aber bekam einige Tage spä
ter von seinem dicken Kompagnon einen
Brief, der ihn dor Freude satt b,S an
die Decke springen ließ.
Die Dicke schrieb nämlich, daß Eufc-
bia und er sich gefunden und sofort vcr
lobt hätten. Er sei sehr glücklich, und
Eusebia lasse ihren früheren Verlobten,
den sie natürlich seines Eheversprechens
nunmehr feierlichst entbinde, bitten, ihr
doch wenigstens den Berlobungsring
zurückzusenden.
Darauf suchte Emmahu lange in ei-
ner Eiqarrenschachtel, welche die Stelle
des Reiseloffers bei ihm zu vertreten die
Ehre hatte, und fand endlich einen
Pfandschein auf den gewünschten Per
lobunqsring. Diesen packte er sauber
in ein Eouvert und schickte ihn dem
Brautpaare mit den herzlichsten Glück-
wünfchen.
Sein Geld.
,G!auben Sie mir, da größte Un-
glück meines Mannes ist fein Geld
Sie sprach es mit einer verzweifelten
Gebärde.
Der Andere zuckte mit den Schultern,
wiegte verständnißinniq daö blonde
Lockenhaupt, und richtete die großen
Blicke seiner dunklen Augen sehnsüchtig
in die ,rne.
Ja, ia. was er zuviel hat mehr
wie nothwendig" gab er gedehnt zu
,Bei seinem Talent brauchte er kein
Geld. Gar keins. Dann würde er
mit Ernst seiner Kunst sich widmen;
jetzt tändelt er nur, vertändelt seine
schönste Lebenszeit wenn es zu spät
dann kommt- die Vernunft und das
Unbefriediatsein ich ahne cS o
Gott das unglückselige Geld!"
Jetzt lächelte der Andere, der Freund
jhreS Gatten.
Verschenken Sie, es doch!"
Sie stutzte.
Geld kann man doch los iverden,
fuhr er fort.
Er wird es schon los aber zu spät
dann ist cs zu spät," feuszte sie.
Grüßen Sie Ihren Mann und
überlegen Sie, ob Geld nicht doch ein
Glück ist!"
..Gewi, es tu ein ungi.ua ne
rief cs ihm noch noch, als er ungläubig
lächelnd verschwand.
Sinnend schritt sie in dem eleganten
Arbeitszimmer ihres Gatten auf und
nieder. Daneben, durch eine Portiere
getrennt, war fein Atelier. Jetzt trat
sie hier ein. Alles kostbar. Bollge
pfropft mit Andenken von ihrer Hoch-
zeitsreise. die zwei Jahre dauerte und
eine Reise um die Welt war.
Das machte ihn so leicht Keiner nach.
Sie ließ sich aus einen ganz niedri-
gen. echt lurlifmen ivan nieoer uno
träumte von ihrer langen, wundcrvol-
len Hochzeitsreise.
Farbenreiche herrliche Bilder zogen
an ihrem weift vorüber. Reben ihr
lagen Skizzen-Bücher in buntem Durch-
einander auf einem japanischen Tisch-
chen. einem Andenken aus Japan.
Mechanisch blätterte sie dann. Kleine
, cv n . . . w r jr. - r
rizzen, einölen, ciniaiur-anvfeyas-
ten. mit kecken Strichen hingeworfen,
scharf in den Umriffen, von ungemei
ner Klarheit. Das war seine künstleri-
sche Ausbeute der Reife um die Welt
Was wollte er Alles daraus machen!
Die Welt sollte staunen über seine in
ternationale Kunst, ein Pinsel wollte
die Erde beherrschen. Nichts sollte ihm
fremd fein. Wie schön war sein Elfer
damals, wie feurig leuchtete sein Auge,
wie gläubig blickte sie zu ihm empor.
Nichts von Allem ward Wahrheit.
Riesige Leinwand ließ er auf die
Rahmen spannen. Seine Hand irrte
mit dem Stift, dem Pinsel zaghaft
darauf. Mißmuthig ging er fort,
wenn der Tag zu Ende lvar.
Sie wußte, wo er dann weilte. Zwi
chen Freunden saß er. Er besaß deren
eine Legion. Er yalle ja wio. tc
huldigten ihm, seinen Witz, seinem
Geist, seinem Talente: sie priesen ihn
in allen Tonarten.
Es gab auch echte darunter. Ter
eben fortging, das war Einer, sie wußte
es. Sein Wort haftete in ihrer Seele:
Verschenken Sie es doch!"
Wie leicht sich das sagen liefz! cie
hatte ja kein Geld; es gehörte ja Alles
ihm, ihrem Gatten.
Es war Nacht geworden.
Nervös ging sie von einem Fleck zum
anderen in der großen, schönen, künst
lerisch ausgestatteten Wohnung.
Er kam nicht, noch immer nicht.
Mitten in einem Kreis, an der
Stammtafel einer höchst gemüthlichen.
alldeutschen Weinlneipe saß er. Sein
großes, blondes Haupt steckte schon
etwas tief in den breite schultern,
eine hellen Augen wurden kleiner und
kleiner, seine Stimme lallte zuweilen,
der Geist des Weines betäubte sein
Hirn. Sie gingen allmählich Alle.
Nur er blieb, blieb immer noch. Ganz
allein schlürfte er noch ein Glas nach
dem anderen. Endlich zahlte er die
Zeche. Einige Goldstücke warf er hin.
Mancher hatte aus feine Kosten gezehrt
aber Keiner dielt e? so lange aui
wie er.
Schwankend trollte er sich hinaus.
..Wieder einmal der Letzte." gähnten
die schlaftrunkenen Kellner hinter ihm
her und klapperten mit den Goldstücken
und lachten sich grinfend an.
Seine Gattin empfing ihn. Er
lachte sie verschmitzt an und fetzte ein
Monoele auf's linte Auge, sprechen
tonnte er nicht mehr.
Am andere Tage schlief er bis Mittag.
Sein Weib stand an feinem Lager
mit einer großen Tasse Haferschleim.
Er blinzelte ihr zu. quälte das Ge
tränk hinunter, küßte sehr ritterlich und
zärtlich die sorgende Hand, die ibm die
Tasse abnahm, drückte sie zärtlich an
die brennenden Augen, die heilte tirn.
..Wir gut das thut, schätz, sei mir
nicht bös."
Ihre kühle, weive. schöne Hand ruhte
einige Minuten auf dem großen, blon
den Haupt und streichelte ein paar Mal
darüber wie hvpnotisirend.
Er schlief schon wieder. Leise zog fie
sich zurück.
Gegen vier Uhr war er munter und
machte sorgfältig Toilette. Tann er
fchien er im Speisezimmer und genoß
mit Behagen sein rohes, geschabtes
Rindfleisch, das sehr appetitlich mit
Sardellen und anderen guten Tinqen
zurecht gemacht war.
Er vermied es, dein na feiner
Gattin zu begegnen, er wußte, er Ia
einen Vorwurf in ihren Mienen.
Früher hatte es wohl auch Scenen
gegeben, aber jetzt nicht mehr. Sie
wußte, er konnte sein Wort nicht hal
ten, deshalb rang sie eö ihm nicht meh
ab in heißem Kampf.
Briefe?" fragte er, und fie holte
aus feinem Zimmer einige Postsachen
Ein Brief. Aha von Tem. Bitte
lieS ihn mir vor."
Sie las, und ihre Brust hob sich, ih
Auge leuchtete vor Freunde.
.Das das ist das Rechte." schloß
sie dann und sah ihn ganz verklärt an
So o! Meinst Tu? Ich denke
man wird sein Geld dabei los."
Du kannst es nicht besser anlegen
Ausbeutung eines längst verschütte
ten Bergwerks auf feinem plötzlich gc
erbten, armseligen Gut. Er die thätige
Kraft, tch der Geldgeber imponirt
mir nicht sonderlich. Er war immer
ein starler Phantast."
O, er weif?, was er will. Vertraue
ihm Dein Geld nur an, und es ist gut
aufgehoben. Jch telegraphire ihm gleich
zustimmend, ia bitte ia."
Ta Tu die Schlauere m Geldsachen
bist, so magst Tu es thun."
Sie küßte ihn ftürmlfch sür da
Wort und lief sofort zum Telegraphen
amt.
Nun nun wird er es los", trium
phirte sie. Erlöst von dem Unglück
seligen Geld."
Zwei Jahre sind vergangen. Bei
den Beiden sieht es jetzt ganz anders
aus. Er ist schlank geworden. Sobald
der Tag beginnt, sitzt er in feinem
Atelier, das nur dürftig ausgestattet
ist, und malt.
sie waltet nur in stiller Häuslich
seit.
Jetzt zieyt er fie zu sich vor fein
Bild.
,Wie findest du es?"
Schön nur ich weifz nicht
mit daucht, die Figuren follen ein
wenig heraus sie sind nicht recht
d'rin in der Landschaft ein wenig los
gerissen.
So, Du meinst? Es wird wohl
wieder nichts?"
Toch doch es find nur Kleinia-
leiten, das Ganze ist so schön. Dies-
mal werden sie cs sicher annehmen aus
der Ausstellung."
ir man es fettig, auch noch ein
anderes.
Beide milder werden, wie immer.
zurückgewiesen.
Mein Geld bin ich los", meinte er.
aber ein großer Maler, wie Tu
glaubtest, bin ich doch nicht geworden."
Er greift wieder zu feiner Klein-
kunst, zu den Skizzen und Miniaturen
Nur kärglich verdient er fein Brod. Er
zeichnete Earrieaturen für ein Witz
blatt, damit sie nicht verhungern.
Unverdrossen besorgt sie den kleinen
Haushalt, kein Vorwurf nur Er
munterung: Es wird fchon werden!
Aber es wird nichts.
imes islges iinoei fie irrn, wie er
eben den Revolver hebt.
Sie nimmt ihn entsetzt ihm aus der
Hand.
Das nicht. O Gott, nur das
nicht."
Der Schreck lähmt sie. Sie sinkt in
einen veimtiui i.
Er füllt zu ihren Füßen nieder, er
birgt sein großes blondes, stolzes
Haupt in ihren choofz und zittert
weint. Sie legt die schöne, noch im-
mer weiße, weiche Hand auf seine
ilini, sie beschwichtigt den Sturm,
der ihn durchbebt. Liebkosend streichelt
sie das blonde Haar. Sie bebt ihn
empor. Sie fetzt sich dicht neben ihn
und redet aus ihn ein.
Du mußt mir verzeihen, Schnp, ich
meinte, es so gut mit Dir ich und er
Dein Freund."
..Jawohl cr der mein Geld für
leine phantafnfchen Ideen geopfert!"
meinte er bitter.
Sie schüttelt den Kopf, sie lächelt.
Du bist reicher, denn je!"
Er starrt sie ungläubig an.
Er und ich wir haben ein Eom-
plott gegen Dich geschmiedet. Drin
Geld trug hohe Zinsen. Nur Tu
solltest es nicht wissen. Du solltest
Deine Kraite erprobe solltest Dich
losreißen von dem Leben, dem T
zum Opfer fallen mußtest. Ich wvllle
Tich wieder haben sür mich für die
Welt. Fort aus der Sphäre des Wein
dunstes. Tein :dd bat Viele glücklich
gemacht. Tein Freund ist ein reicher
Mann, seine Kohlengruben sind die
ergiebigste der ganzen ('iegend. Hun
derte arbeiten sür Tich und ihn und
haben ihr austominlichcs, wenn auch
schweres, sehr schweres Brod."
Er faßte sich an die Stirn, cr
schlingt seinen Arm um sie, er Preßt sie
sest an sich. Er sühlt es. sie hat ihn
vom Abgruude hinweggerissen nu
sieht er ihn, in den cr sich kopsloö hat
stürzen wollen. Tem Zrunke hat sie
ihn entrissen, in dessen Armen er Be
täubung suchte, weil ihm das Große
nicht gelang, was er wollte weil et
nur ein kleines Talent zu habe
glaubte.
Tu hast Tich gequält und gearbci
tet und gedarbt", spricht er mit leisem
Vorwürfe.
Mit Tir für Tich. Nun wirst
Tu eS schätzen, Tein Geld, nun ruht
der Segen der Arbeit daraus nun
ist es nicht mehr Tein Verderben.
Und nun nun wollen wir eine Fahrt
machen in Tiin Kohlenrevier, und D
machst Studien und E kizzen und zeigst
der Welt, wie schwer die Arbeit der
Armen ist."
Er folgte ihrem Rathe und nannte
sie seinen guten Geist.
Nach einem Jahre erregten auf der
großen internationalen Ausstellung sein?
Skizzen und Studien aus dem Kohlen
revier die Bewunderung Aller.
Ergreifend, packend, wahr und
schlicht schilderte cr. was cr gesehen,
die Menschen in ihrer unterirdischen
Thüiigkeit.
Mitten darin prangte sein erstes,
großes, Aussehen machendes Bild
Schwarze Tiamanten."
Strahlend stand fein Weib vor ihm
und sagte: Nun hast Tu es doch er-reicht!"
Auf Befehl bfö $tntcr.
Ter italienische Sänger Guadagni
war ebenso berühmt wegen seines Ta
lentes, wie bekannt wegen seines Hoch
muthes; ersteres verschaffte ihm große
Reichthümer, letzteres zog ihm oft ge
waltige Demüthigungen zu.
Ter Herzog von Parma, welcher ih
gern hatte, prieS einmal sein ausge-
zeichnetes Talent vor zwei französischen
Kavalieren, welche seinen Hof besuchten.
Er forderte Guadagni auf, feinen Ruf
vor diesen Herren zu rechtfertigen; der
änger aber, welcher die Franzosen
wohl nicht leiden mochte, fang ganz er-
barmlich, wobei ihm angebliche Heiser-
keit als Vorwand diente.
Ter Herzog gewährte ihm einen Er-
holungSurlaub von sechs Tagen, dann
sollte er wieder auftreten, über nichts
half er sang noch schlechter als das
erste Mal.
Ein neuer Aufschub wurde ihm ae-
stattet und als er dann in einem Kon-
zerte bei Hofe singen sollte, war er nir
gends zu finden er war auf die Jagd
gegangen.
Empört über dicfc Unverschämtheit.
ließ der Herzog den Sänger in's Ge
sängniß bringen, mit der Weisung,
ihm acht Tage lang nichts als Brod
und Wasser zu reichen, eine Anord-
nnng, die Guadagni durchaus nicht be-hagte.
Am neunten Tage wurde ihm i
seinem Gefängnisse ein köstliches Mahl
ausgetragen, und ein Beamter bcka
Befehl, ihm bei der Mahlzeit Gesell-
chaft zu leisten. In dem Augen-
blicke aber, als der ausgehungerte Ge
fangene über die Speisen herfalle
wollte, hielt sein Tischgesellschafter ihn
zurück.
Einen Auqenölick, mein err."
prach der Tischgenosse, ich habe stren-
gen Befehl, -le nicht eher effen zu
lassen, als bis Sie mir etwas vorae-
sungcn haben."
Ich fingen Wie kann ich singen:
ich sterbe ja fast vor Hunger!"
Gleichviel, erst nachdem ie gefun-
gen, dürfen ie effen.
Guadagni fang, und der Beamte
wollte sich darauf entfernen.
Wie? ie wollen fort? Wollen Sie
nur nicht bei ifche Gesellschaft leisten?"
fragte der Länger.
Nein," entgegnetc jener kaltblütig,
ich habe keine Zeit, ich muß heute noch
drei Spitzbuben hangen!"
Wie? Sie wären "
Der Scharfrichter. Ihnen zu die-
neu. i-ie wollten nicht auf Befehl des
Herzogs singen jetzt haben Sie dem
Henker etwas vorsingen müssen."
Die milche wurde fchncll bekanns.
und Guadagni sah sich genöthigt, die
ihm widerfahrene Schande fern von
Italien zu verbergen.
?urch die,!?lme.
A.: Dein brauner Anzlia da ist aber
sehr dauerhaft.. . ."
B. : Wieso?"
A.: Na, ich habe Tir
as Geld geliehen, das
Anzug fehlte und wie
chon her!"
4
doch
Tir
lang
damals
zu dein
ist das
3 der Aii5stcUmia.
Freund ischnuppcrndf: Hier rieck'ts
nach Schinken!"
lualer: va, das kommt von ieii:em
tillleben her; da ist ein Schinken draus
abgemalt!"