Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 20, 1898, Image 9

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    I
Der Ämltt!ag5gast.
Jahrgang 11h Beilage zum Ncbraöka Ztaatslnzeigcr. No. 22.
?as liochz.'it5 .'dicht.
i 011 C. is? h l b i ü i
Paul Turins nun bereit zive i Iabre
verlob, und noA immer eblie lede
Aussi.fct auf Eirüntnmcj, eines eigeren
Heims, liiern lebt eben nicht von einem
Banditen "iedichte. von einigen bitl'idjen
Feuilleton unD einem Roman, der
modle rt und monatelang von einer :Ke
daklion zur andern wandert, er er den
richtigen Verleger da? geeignete Blatt
findet.
Aept hatte er gerade eine stürmische
Äuseinanderseynng mit seiner 3 Atrie
germutter in sjx- gehabt, wobei die
entschlossene Tarne ihm erklart hatte,
da, wenn er nidit bald Anstalten zur
Hochzeit träte, sie die Verlobung ouflie
bett würde.
..Eva ist schon zweindzwanzigalire
alt und konnte sich anderweitig brillant
verbeiratben." hatte sie gesagt. Nun
habe ich lange genug geduldig zuge
sehen. Jetzt wird mir' zu bunt! Jun
ger und schöner wird das Vadel vom
harten nicht!"
Paul ging nervös in seinem Zimmer
auf und ab. Tann setzte er sich an
seinen Schreibtisch, stützte den Kops in
beide Hände und wartete ja, er war
tete auf einen Glückifafl. Erwünschte
denselben so sehnsüchtig herbei, das; er
mahnte, er müsse nun unbedingt ein
treffen. Er sah icht-Z um sich herum,
er dachte nichts er wartete. "lUaix
hat manchmal so ahnungsvolle Ttim
Hingen! Plötzlich klingelte es. Paul sprang
auf. Tas war der biliicksfall! ES
konnte eben so gut der Briefträger mit
dem .zurückgewiesenen Mannscript sein:
aber nein: es war, es mußte der Gliicks
fall fein. Paul öffnete.
Bin ich hier recht bei Herrn Paul
Türirnz?" fragte ein älterer, ausgesucht
fein gekleideter Herr.
Oianj recht. Was steht zu Tien
stcn ?"
..Mein Name ist Zchnecfcld. Ich
komme in einer sehr delieaten Angele
genheit.. .."
..Bitte!"
Paul führte den Besuch in sein bc
fcheidenes Ztudirstübchen. bot ihm Plap
an und sehte sich ihm gegenüber.
Ich habe Ihr Bändchen Gedichte ge
lesen, sehr nett!" begann der Herr.
War es ein Verleger? Paul rückte
unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
Besonders die Gedichte an Eva sind
hübsch."
Es ist meine Braut," beeilte sich
Paul einzuwerfen.
Ihre Braut ist blond?"
Aschblond, jawohl, und dabei hat
sie wundervolle blaue Augen."
Wundervoll ist zu Überschwänglich,
sagen wir schöne."
Ich werde es doch wissen!" fuhr
Paul auf.
Ter Fremde lächelte. Verzeihen Sie:
Sie sprechen von Ihrer Braut, ich von
meiner Tochter."
So ich begreife nicht."
Sie werden sofort begreifen. Meine
Tochter vermählt sich nämlich in acht
Tagen mit einem Rechtsanwalt. Er ist
sehr reich. Meine Tochter übrigens
auch, sie bekommt eine Mitgift von
150,000 Mark."
Soll ich diese Mitgift poetisch be
singen?" Paul warf den Kopf stolz zu
rück?" Nein, nicht die Mitgift, meine Toch
ter. Sie heißt zufälligerweise Eva, wie
Ihre Braut, sie hat aschblondes Haar
und. sagen wir: schöne blaue Augen.
Vielleicht wird diese Ähnlichkeit Sie
begeistern. Sie sind mir von Herrn
Stahlfritz, unserm berühmten Humo
ristcn, empfohlen worden. Im vorigen
Jahre hat er das Hochzeits-Gedicht für
meine älteste Tochter verfaßt, sehr
prickelnd, amüsant und witzig: jetzt ist
er krank, hat auch zu viel zu thun, kurz,
er nannte mir Sie und meinte, Sie
wurden das sehr gut inachen: gab mir
auch gleich Ihr Bändchen Gedichte mit,
das Sie ihm zur Besprechung geschickt.
Sie haben darin allerliebste Gelegen
heitsgedichtc, nicht so witzig wie die
Stahlfritz'schcn, aber poetischer. Und
meine Jüngste, die schwärmt für Poesie.
Ueber den Preis werden wir uns schon
einigen."
O gewiß, gewiß," versicherte Paul.
Sagen Sie mir nur Ihre Wünsche."
Gern. Also erstens: als Einleitung
ein Gedicht, An Eva" überschrieben.
Tann einen Lcbenslauf der Braut. Ich
gebe Ihnen die Taten."
Vortreffliche Lehrer, großer Fleiß.
Vorliebe für Literatur. Vergessen Sie
ja nicht: mit fünfzehn Jahren hat sie
selbst ein Gedicht gemacht. Weiter:
sehr häuslich; als der Bräutigam zum
ersten Mal kam, konnte sie sclbstgebacke
neu Pfannenkuchen vorsetzen. Tic
Wirtschaftlichkeit von der Mutter gc
erbt; auf die Art bringen wir gleich
etwas moderne Farben hinein. Nun
den Lebenslauf des Bräutigams. Sohn
armer Leute, hat sich durch Talent und
Fleiß zu einer angesehenen Stellung
emporgearbeitet, verdient an 50,000
Mark jährlich. Sie brauchen das Ein
kommen natürlich nicht in Ziffern zu
nennen. Als hübsches Tetail: war schon
als Knabe von seinen Kameraden im
mer dazu auscrsehen, Stetigkeiten zu
schlichten und kleine Missethäter zu ver
theidigen. Scharfer Kopf. Vielleicht
bringen Sie da einen hübschen 2sltz an:
Ter fremde Herr hielt von der lan
gen Rede erschöpft innc.
So, lieber Herr Türing, ich habe
Ihnen alle wichtigsten Momente mitge-theilt."
Gewin, 2it tollen zufrieden sein,
Herr Tchneefeld."
Ich werde das Manuicript in drei,
vier Tagen abholen, wenn 3ie gestat
ten. Aus Wiedersehen, lieber Herr
Türing, aus Wiedersehen! Freue mich.
Sie kennen gelernt zu haben."
Bitte, ganz aus meiner Seite. "
Paul schrieb Ins tief in die Nacht,
mit einer Begeisterung, die ihn in der
letzten Zeit nur noch selten erfaßt hatte.
Am andern Morgen las er das Manu
fcript dnrch. Ter Tiditer in ihm war
zufrieden.
Ir brachte das Hochzeitsgedicht seiner
Braut und las ihr vor. Eva zerfloß in
Thränen. Tann saßen sie lange bei-
sammen und träumten von ihrem bevor-
siebenden Glück und sprachen von der
fremden Braut, die in wenigen Tagen
am Ziele ihrer Zehnsucht angelangt
sein würde.
Herr Schneeield holte dcis Manu
skript einige Tage spater ab. Er hatte
es sehr eilig: er blätterte die sauber ge
schriebeuen Seiten durch, nickte flüchtig
und legte dann einen Briefumschlag
auf den Tisch.
Im Briesuiusckitag lagen zwei Hun-dertmark-Scheine!
Paul wollte seinen
Augen nicht trauen. Nach zehn Tagen
traf aber noch ein Hnndertmark-Schein
ein, dazu, auf einer Visitenkarte, die
Worte: Ihr Hochzeitsgedicht hat
Furore gemacht, und ich fühle mich ver
pflichtet, Ihnen nochmals meine Tank
barkeit zu beweisen. Hochachtungsvoll,
Schneefeld."
Schade, daß er nicht noch eine hei
ratlistähige Tochter hat," murmelte
Paul vergnügt.
Herr Schnecfeld sandte aber, wie er
versprochen, Kunden". Paul dichtete
für alle Gelegenheiten: Hochzeiten. Ge
burtstage, Jubiläen. Tabei verdiente
cr ein hübsches Stück Geld.
Tu siehst. Eva's Hochzeit hat uns
Glück gebracht," sagte cr lächelnd zu
seiner hübschen Braut am Vorabend
seiner Verheiratung. Beide beschlossen,
die erste Seite des ersten HochzeitSge
dichts einzurahmen und in ihrem Zim
mer aufzuhängen.
Jahre vergingen. Paul Türing
war eine Berühmtheit. Er bewohnte
mit seiner immer noch jungen, hübsihen
Frau das halbe Stockwerk eines hoch
herrschaftlichen Hauses, besaß eine
prächtige Einridztung. In seinem Ar
bcitszimmcr aber prangte nach wie vor
an einem Ehrenplatz das eingerahmte
erste Hochzeits-Gedicht.
Eines Tages erhielt Türing den
Brief eines Eollcgcn, der ihm eine
Stenographin empfahl. Wenn du
gerade eine brauchst, so kann ich dir
Frau Horsten bestens empfehlen. Sie
ist aus gutem Hause, hat Unglück ge
habt, und es liegt ihr sehr daran, Be
schäftigung zu finden. Sie wird mor
gen Vormittag kommen, sich vorzu
stellen." Uni die bestimmte Stunde trat Frau
Horsten in's Zimmer. Sie war groß,
schlank und trug tiefe, wenn auch ärm
lickie Trauer.
Türing bot ihr Platz an und begann
sofort die Unterredung im geschäftlichen
Ton.
Sie stenographiren rasch, nicht
wahr?"
Ja. ich bin geübt darin."
Wenn Sie augenblicklich frei sind,
dann legen Sie, bitte, ab und setzen
Sie sich an den Tisch."
Frau Horsten nahm den Hut ab: ein
bleiches, abgehärmtes Gesicht kam zum
Vorsdiein, aus dem kleine blaue Augen
matt hervorlcnäiteten. Sie ergriff die
Feder; ihre Hand zitterte leucht.
Tie Uhr schlug Zwölf. Türing
madztc die Thüre zum Nebenrauni auf:
Eva!"
Tic Frau am Tische zuckte leicht zu
sammen. '
Eva, bring' uns ein paar drin
kenbrödchen und zwei Glas Wein
herein."
Gleich, gleich," ertönte eine frische,
helle Stimme.
Nach einem kleinen Imbiß geht die
Arbeit doppelt so flott von statten,"
wendete er sich liebenswürdig an die
Stenographin.
Tiefe nickte und spielte, trübe
lääielnd, mit dem Federhalter.
Einige Augenblicke später trat Eva
in einem hübschen hellen Morgenkleid
herein. Sie verneigte sich lcüht vor
der Fremden und stellte das Tablett
mit dem Frühstück auf den Tisch.
Fühlst du dich recht aufgelegt zur
Arbeit heute?" fragte sie ihren Mann.
Heute mehr, denn je, Schatz. Sie
müssen wissen. Frau Horsten, es ist
heute unser Hochzeitstag. Ja, heute
sind es gerade sechs Jahre, daß wir ver
hdrathe't sind, und dies Ereigniß muß
gefeiert werden. Prosit!"
Er hob daS Glas. Frau Horsten
nippte leicht und stellte das GlaS gleich
wieder hin.
Türing suhr fort: ..Nun möchte ich
eben y.i Ehren des heutigen Tages eine
kleine Erinnerung schreiben: aus mei
nein Leben."
Eva klatschte in die Hände. So
ist's recht, Paul ! Beschreibe nur alles
von Anfang an: wie wir uns kennen
gelernt beim Geburtstag meiner Freun
bin, erinnerst du dich och? Wie wir
uns verlobten, wie die Mutter nichts
davon wissen wollte, und wie wir sie
bestürmten, einzuwilligen? Wie sie dann
immer brummte, die gute Mutter, daß
wir noch immer nicht Anstalten zur
Heirath trafen, wie du deinen Roman
nicht los werde tonntest und wie dann
schließlich Rettung kam erinnerst
du dich noch, dieser Herr wie heißt
cr doch glcick)?"
Ach, der Name ist ja gleichgültig.
Ja. laß nur, ich muß gleich an die Ar
beit gehen. Prachtvoll, wie er immer
aus den Reichthum zu sprechen kam! Er
gab eine Mitgift von 150, oni) Mark,
der Schwiegersohn hatte ein Einkommen
von 50,000, seine Tochter trug bei der
ersten Begegnung ein weißes Kleid mit
echten Spitzen garnirt.
Paul Türing lachte behaglich und
steckte sich eine Eigarrc an.
Sie verzeihen schon. Frau Horsten,
daß ich Sie warten lasse, aber ich pflege
alles mit meiner Frau durchzusprechen,
und besonders in diesem Fall, wo der
Stoff der Arbeit einen Theil gemein
sanier Rückeriunerungcn bildet."
C bitte, bitte!" Tie Stenographin
lehnte ihren Kopf zurück, ihr Antlitz
war um einen Schatten bleicher.
Und dann weiter, wie ich mich in
die Arbeit stürzte, dein Bild vor Augen:
wie ich in das Hochzeits-Gedickt immer
mehr von dem gegebenen Stoff abwich
und eigentlich unser Verhältniß zu ein
ander schilderte."
Tas Ehepaar lachte laut auf.
Was wohl aus dein Paar geworden
ist?" fragte Frau Eva.
Seltsam, daß wir ihnen in der Ge
sellschaft nie begegnet sind. Und wenn
anch! Ich habe 'ja weder ihn noch sie gc
kannt. Für mich sind sie nur so weit
von Interesse, als sie mittelbar unser
Glück begründeten. Ich wurde bald
der beliebteste Hockizeitsdichter, sparte
Geld, heirathete dich, sank vom Tichter
auf den Schriftsteller hinab, wurde be-
kannt wahrhaftig," Schatz, das
kann eine ganz niedliche Humoreske
werden."
Frau Eva schüttelte den Kopf.
Schade, daß der Abschluß fehlt. In
der Humoreske müßten der Rechtsan
walt und seine Frau uns nochmals be
gcgncn." Sie ging zur Thür, blieb aber noch
einen Augenblick vor dem eingerahmten
Hochzeits-Gedicht stehen. An Eva!"
las sie und dann die erste Strophe.
Vielleicht infpirirt dich das. Adieu.
Frau Horsten, viel Glück zur Arbeit !"
Sie schlüpfte aus dem Zimmer, und
Paul trat an den Schreibtisch. Also
bitte, wir wollen anfangen."
Frau Horsten setzte die Feder an.
Ihre Hand zitterte, ihr Antlitz war
geisterhaft blaß. Plötzlich erhob sie
sich.
Verzeihen Sie, Herr Türing. .. .
ich fühle mich nicht ganz wohl. Ich
bin ganz unfähig, ein Wort zu schrei
den. ich...."
Sie wartete gar keine Antwort ab,
sondern setzte sich den Hut auf. Ich
sende Ihnen jemand anders zum Sie
nographircn.. .. nochmals verzeihen
Sie."
Ehe Paul noch eine Frage an sie
richten konnte, war sie verschwunden.
Sonderbar," sagte Frau Eva,
nachdem ihr Paul gesagt, daß Frau
Horsten plötzlich fortgeeilt sei.
Am andern Morgen kam ein Brief,
unterzeichnet : Eva Horsten. Er enthielt
nnr wenige Zeilen.
Mein gestriges Benehmen muß Sie
befremdet haben, und ich bin Ihnen
eine Erklärung schuldig. Tic Heldin
jenes Hochzeits-Gcdichtes, das Sie zum
Mittelpunkt Ihrer Humoreske machen
wollten bin ich. All' die Poesie, die
Sie in das Hochzeits-Gedickzi hineinge
legt, hatte ich für mich erträumt. Aber
meine Ehe war nur eine Spekulation.
Ich bin von meinem Manne, der mich
um meine ganze Mitgift betrogen hat,
verlassen, und da mein Vater, der sein
Vermögen größtcntheilS verloren, vor
kurzem gestorben ist, bin ich darauf an
gewiesen, mir mein Brod selbst zu
verdienen. Verzeihen Sie, daß ich, in
dem ich mich zu erkennen gebe, der Er-inncrungs-Skizze,
die Tic als Humo
rcske geplant, vielleicht einen ernsten
Schluß verleihe. Im wirklichen Leben
klingt ja nicht immer alles so heiter
aus, wie es begonnen hat."
Die einzige Bedingung,
Er: Theure Ella, hat Ihr Herr
Vater etwas gegen mein Rauchen?"
Sie: Wenn Sie Ihre eigenen
Cigarren mitbringen, nein."
Pie irrncclicfcntna.
Huir.zntti'che 2f;;;c aus dein Lürgtitr.egk.
Von i'i'iut Iivain,
Gelegentlich der Klage::, welche wah
rend des letzten Krieges über die Armee
liefernngen laut geworden sin), beruft
tet Mark Twain ein kostliches Stück
chen ans dem Bürgerkriege und über
den bureaukrati'd,cn Zopf, der damals
herrschte :
John Wilson Mackenzie aus Rotter
dani, Provinz Eliemung, Staat New
Iericn. zur Zeit schon verstorben, hatte
am 1". Cttober 1801 einen Vertrag
mit den Ver. Staaten auf Lieferung
von !!l Tonnen Pökelfleisch, lieferbar
an die Armee des General Sherman,
abgeschlossen. Tic Sache erscheint
ziemlich einfach, aber, als Mackenzie die
Waare abliefern wollte, hatte der Oiene
rat Washington verlassen und sich nach
Manaffas begeben. John Wilson
reiste ihm mit seinen Tonnen nach,
aber er kam zu spat. Sherman war nach
Naihville aufgebrochen, von Nashvillc
nach Ehattanooga und von Ehatta
nooga nach Atlanta.
Wieder tauchte Iolin mit seinem
Pökelfleische auf. er honte den General
wenigstens am Ufer des Meeres zu trcf
fett, aber auch diesmal kam cr wieder
einige Tage zu spat.
Nun erfuhr er, Sherman hatte sicki
auf dem Schiffe The Quaker (Mit)"
nach dem heiligen Lande eingeschifft,
und so reiste er selbst nach Beirut, na
türlich immer in Begleitung seiner
Pökelfleisch-Toiinen. AIS er in Iern
salcm anlam, erfuhr cr, daß der Oie
ncral Thc Quäker-Eitt?" niemals be
treten, sondern, daß cr gegen die
Präric-Indianer ausgezogen sei.
Er kehrte also nach Amerika zurück
und wandte sicki den Rockn MonntainS
zu. Nach einer mühsamen Reise von
08 Tagen fiel der arme Wilson, als
er sich ungefähr viertaufend Meilen vom
Hauptguartier Shcrmans befand,
unter dem Tomahawk dcr Indianer,
die sich des Pökelfleisches bemächtigten,
nadidcm sie den Lieferanten skalpirt
hatten. Nur ein einziges Tönnchcn
entging der Plünderung und fiel den
Soldaten Shermans in die Hände, so
daß Mackenzie seinen Vertrag selbst noch
nach seinem Tode zum Theile erfüllen
konnte. In seinem Tcstamentc hintcr
licß er seine Schuldfordcrung seinem
Sohne Bartholomäus. Dicscr stellte
kurz vor seinem Tode folgende Rech
nung aus :
30 Tonnen Pökelfleisch & $100 gleich
83000; Reise uud Transportkosten
314,000, zusammen $17,000.
Als dcr Sohn John Wilsons gcstor
ben war, ging dic Schuldforderung in
die Hände von William Martin über,
welcher ebenfalls darüber hinweg starb
und sie cincin gewissen Barkcr Allen
vermachte. Anson Rogcrs, der diesen
Barkcr beerbte, bemühte sich eifrigst,
zu seinem Gelde zu gelangen, aber dcr
Tod raffte ihn hinmcg, nachdem erneun
Eontrolbureaus seine Sache vorgctra
gen ; einer seiner Verwandten aus
Eonnccticut, ein gewisser Hopkins,
folgte ihm und starb, als cr bis zum
zwölften Eontrolbureau vorgedrungen
war ; cr vermachte sein Guthaben einem
seiner Cnkcl, Eharles Johnson ; dcr
Unglückliche hatte nicht die Kraft zu
einem solchen Kampfe ; seine letzten
Worte waren : Weint nicht um mich,
mit amerikanischen Behörden kämpfen
Götter selbst vergebens." Sieben an
dere Personen erbten diese berühmte
Schuldforderung und theilten das
Schicksal ihrer Vorgänger.
Endlich ließ mich einer meiner Ver
wandten, Bethlehem Hubbard aus
Jndiana, mit dem ich längere Zeit er
zürnt gewesen, an sein Todtcnbett
rufen, versöhnte sich mit mir und über
gab mir weinend dic Schuldfordcrung
über das Pökelfleisch.
So stand die Sache, als das berühmte
Tokumcnt in meine Hände siel. Ich
reiste mit meiner Schuldforderung ab
und suchte den Präsidenten dcr Vcr.
Staaten auf.
Was wünschen Sie, mein Herr?"
fragte cr midi.
Sirc, erwiderte ich, John Wilson
Mackenzie aus Rotterdam, Provinz
Eheniiing, Staat New Jenen, zur Zeit
verstorben, hatte am 10. Cetober 1861
einen Vertrag mit den Ver. Staaten
auf Lieferung von 30 Tonnen Pökel
fleisch, lieferbar an dic Armee des Gene
rals Sherman. abgeschlossen."
Bei dieser Stelle unterbrach mich der
Präsident und verabschiedete mich höflich,
aber entschlossen. Tann besuchte ich den
Staatssekretär, den Marinc-Miiiistcr,
den Minister des Innern, den Gcncral
Postmcister, den Minister der Landwirth
schuft, brauchte dazu zwei Wochen und
wurde überall um schleunigen Rückzug
ersucht, da keiner der Herren etwas mit
Pokel'leisch zu thun hatte. Ich bekam
schließlich doch noch eine Auskunft; man
erklärte mir kurz und bündig, id sollte
mich mit meiner Forderung an den
o"entl:chen 5arj wenden. '
Ich befolgte den guten Rath: nach
nur dreistündigem Warten fnhrte man
mich zu dem Sdiatzmeister.
Hochedler, würdiger und erlauckiter
Herr." sagte ich. mich verneigend. Am
I". Cetober ls51 hatte John Wilson
Mackenzie.
Es ist gut, mein Herr, man hat mir
schon von Ihnen erzahlt, gehen Sie zu
meinem ersten Rath."
Ich begab mich schleunigst zu den,
ersten Rath, der mich zum zweiten
schickte. Ter zweite schickte midi zum
dritten und dcr dritte sandte mich zum
ersten Kontrolcur der Abtheilung für
Polelfleisch.
Im Laufe der Woche kam ich diS zum
sechsten Eontroleur. in der folgenden
Wodie war ich beim Reklainations
Bureau angelangt, und acht Tage dar
auf warf man mich ans dem Bureau
der verlorenen Rechnungen hinaus.
Jetzt blieb mir nur noch eine Be
böroe. das Bureau der diversen Angele
genheiten. Ich suchte den Vorsteher auf. Er war
ausgegangen. In dem Zimmer, wel
ches ich betrat, faßen etwa fünfzehn
junge, hübsche Tamcn und machten
unter der Leitung von sieben jungen
Leuten Notizen in große Bücher. Tie
Tarnen lächelten, die jungen Leute
lächelten, uud alle waren vergnügt, wie
bei einer Hochzeit.
Nach ziemlich langer Pause fragte
mich ein junger Mann, was ich wünschte.
Am 10. Cetober 1801.. .."
Ah! Sie sind der Mann mit der
Pötelfleischliefernng, geben Tie mir
Ihre Papiere."
Ich beeilte mich, ihm dieselben zu
übergeben und er blätterte etwa ändert
halb Ttunden in seinen Akten. Endlich
sah ich, daß er das betreffende Fascikel
und die auf das Pökelfleisch lautenden
Stücke gefunden hatte. Ich war tief
gerührt und im Uebermaß meiner Freude
sagte ich zu ihm:
Geben Sie mir bitte, das Toku
nicnt. Tic Regierung kaun mir jetzt
die Bezahlung meiner Forderung nicht
mehr verweigern." Er wandte mir
den Rücken und incinte, cs wären noch
einige Formalitäten zu erfüllen.
Erstens," fragte cr mich, wo ist
dicscr John Wilson Mackcnzic?"
Er ist todt. Ein Tomahawk hat
ihn umgcbracht."
Wer hat ihn mit diesem Tomahaivk
umgebracht?"
Natürlich ein Indianer, oder glau
ben cic vielleicht, daß cs ein Schu'lmci
ster war?"
Ncin, wcr war dieser Indianer?"
Tas weiß ich nicht."
Wir müssen seinen Namen haben;
wcr hat gesehen, daß dieser Mackenzie
getödtet wurde?"
Tas weiß ich nicht."
Sie waren also nicht bei seinem
Tode?"
Meine unbeschädigte Kopfhaut be
weist es Ihnen zur Genüge."
Wir müssen den Indianer haben.
Haben Sie den Tomahawk nufgefun
den?" Ich gestehe aufrichtig, ich habe an
so etwas gar nicht gedacht."
Wir müssen den Tomahaivk haben
und den Indianer, der sich seiner be
diente. Können Sie die Beweise vom
Hinscheiden Mackenzie's beibringen, so
dürfen Sie Ihren Fall der Konimission
für streitige Angelegenheiten imtcrbrci
ten; Sie haben dann Aussicht, daß
Ihre Kiudcr ciues TageS die Summe
bekommen, die Sic heute rcklamircn.
Aber ich kann Ihnen schon heute sagen,
daß die Regierung niemals dic Trans-Port-
und Reisekosten bezahlen wird,
wcld)e Herr Mackenzie beansprucht!
Man wird Ihnen vicllcicht dic eine
Tonne ersetzen, welche dic Soldatcn
Shcrnmn's wirklich bekommen haben,
was aber die anderen 2!) Tonnen,
welche die Indianer geplündert Habens
anbctrifft, so brauchen Sie sich keiner
Hoffnung hinzugeben."
Warum haben mir der erste und der
zweite und der dritte Kontroleur nicht
gesagt, wie die Sache steht? Warum
hat man mich in den Bureaus und in
den Abtheilungen, an dic ich mich gc
wandt habe, nicht unterrichtet?"
Tas konnte Niemand. Hier geht
Alles ordnungsmäßig zu; Sie haben
den richtigen Weg eingeschlagen ' nd
man hat Ihnen dic betreffende Aus
kuuft ertheilt. Tas war das Einzige,
was Sie thun konnten. Wir gehen
langsam, aber sicher vor!"
Ich will Ihnen was sagen, junger
Bureaukrat, Sie lieben jenes entzückende
Geschöpf mit den blauen Augen, dic
dort die Feder hinter dem Ohr hat, ich
sehe cs an Ihren verliebten Blicken.
Sic möchten sie hcirathcn, aber Sie ha
ben Um Verr.jgen. Gide:: Sie mir
Ihre Hard. i-naer Mai:;:, (tut baden
3ie die ."iV.N'ruiig über das Pökel
fleisch, nel'mei: Sie Uc i:rd seien Sie
glücklich! 'o:t segne Euch, meine in
der! '
Tamil vrli.'ß ich da-? Bureau. Ter
Beamte, dem i.t die Sckuld'orderung
übergeben, i't seitdem gt sterben; von
der Zoune Pökelfleisch bade ich nie wie
der etwas getvrt: ('ott ti tle sie beide
selig!
W,Kkalv?
Tanischen Blattern entnehmen wir
folgende Schnurre, dic zivar schon früher
von anderen erzählt worden, aber immer
noch gut genug ist, um wiedergegeben
zu werden:
Ter königliche Schauspieler Olaf
Poulsen wollte in einer bekannten
Kopenhagener Restauration zu Mittag
essen.
Tie Suppe wurde servirt.
Olaf Poulsen betrachtete dieselbe mit
bedenklichen Blicken, schüttelt den Kops
und ruft den Kellner.
Es entspinnt sich daraus folgender
'Wortwechsel:
O. Poultei:: Tiefe Suppe kann ich
nickt essen.
Kellner lbetroneni: Nicht? Nun,
dann werde ich gleich eine andere Por
tion bringen! Er tragt dic Snppc weg
und bringt sofort eine andcre Portion).
O. Poulsen betrachtet sie scharf, blickt
empor und zieht die Schultern): Auch
diese Suppe kann ich nicht essen.
Kellner: Mein Gott! Können Sie
auch diese Suppe nicht essen! WaS fehlt
derselben denn ?
O. Poulsen ("bestimmt): Ich sage
Ihnen, ich kann diese Suppe nicht essen.
Kellner i bestürzt): Ja. nun werde ich
Ihnen einen anderen Teller bringen!
Gleich darauf kommt eine neue Por
tion an.)
O. Poulsen (kurz unb bestimmt):
Ich kann dic Suppe nicht enen.
Kellner (entrüstet) : Ja, dann muß
ich den Wirth rufen, denn in der Küche
sagt man, daß dcr Suppe nichts fehlt.
O. Poulsen Cintperatorifch): Rufen
Sie den Wirth, ich kann die Suppe
nicht essen.
Ter Kellner holt den Wirth, der sich
gleich ciiifindet.
Ter Wirth: Sie klagen über die
Suppe, Herr Poulsen ?
O. Poulsen: Ich klage nicht über die
Suppe, aber ich kann sie nidit esse.
Ter Wirth trocken): Mögen Sie
keine Suppe?
O. Poulsen (schwärmerisch): Ich liebe
die Suppen!
Ter Wirth: Aber weshalb können
Sie sie nicht essen, wenn ich fragen
darf? Tic müssen doch einen Grund
haben ?
O. Poulsen (wehmüthig): Ich habe
keinen Löffel!
?er Retter.
Ter bekannte Anatom an der medizi
nischc Hochschule zu Eambridgc, Pro
fcfsor Mr. Buxthorn, saß einmal spät
Abends ganz allein in seiner Wohnung,
welche eine Reihe von vier Zimmern
bildete, an seinem Studirtisch. Plötzlich
tritt ein Mann herein, wirft einen ra
sdien Blick durch das Zimmer, und da
er Niemanden darin sieht, schreitet er
hastig auf den Professor zu und sagt
kurz und barsch: Wir sind allein, ma
cheii Tie keine Umstände, geben Tie all'
ihr Geld her, oder " Und dabei
machte er eine spreäiende Gcbcrde mit
der Hand, welche einen scharf gcschliffe
ncn Tolch aus dcr Brusttasche des
Rockes zog. Ter Professor sieht stumm
den Fremden, dann den Tolch an und
beugt sich über den Tchreibtisch, als
wollte er aus dcr Schublade etwas ho
len. Ter Fremde hält den Tolch ge
zückt über des Professors Nacken, um
ihn, wenn cr dic gcringste Miene ina
chcn sollte, etwa seinen Revolver oder
sonst eine Waffe aus dem Tchubfach zu
ziehen, augenblicklich niederzustoßen.
Ta plötzlich ertönt aus dem Nebcnzim
mer. dessen Thür offen war. eine dvm
pfc Stimme: Fürchte nichts, ich komme
Tir schon zu Hülse."
Tics hören und mit einem argcrlichcn
Ha, zum Henker, cr ist doch nicht al
lein, " noch eiliger, als er erschienen
war, davonlaufen, war für den Frcm
den dic That zweier Sekunden. Ter
Professor richtete sich langsam auf, ging
dann dem Gauner nach, aber nicht, um
ihn zu verfolgen, sondern um zur Be
Wahrung vor weiteren ungebetenen Ac
suchen die Thüre hinter ihm abzuschlie
ßcn und setzte sich wieder ruhig an fei
ncn Studirtisch. Als er am andern
Tag dic Geschichte cincin seiner Freunde
erzählte und dicscr ihn fragte, wer sein
Retter im Nebenzimmer gewesen, crwi
dcrtc der Professor mit 'trockenem Lä
cheln: Mein verstorbener Vater."
Ihr verstorbener Vater?"
Nun ja, denn der hat mir immer
gesagt: Junge, lerne jede Fertigkeit,
die Tu Tir nur aneignen kannst, denn
Tu weißt nicht, wann sie Tir von
Nutzen sein kann, und wär's auch das
Bauchreden. Und da hatte ich mich denn
in meiner Jugend im Bauchreden geübt,
das mir denn auch diesmal wirklich ei
nen großen Tienst erwies."
Zlm dem crjtiuii.
Professor (der Über edle Metalle vor
trägt): Wir erfahren Tie am besten,
ob ein disgenstand wirklich ans Gold
oder Silber ist?"
Student: Wenn man ihn vcr
setzen will!"