Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 20, 1898, Image 12

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    G
Per letjto StiittUMtfircich.
Noch einmal Hainzen die ('ita'er au
einander und tonten unteridnedluiie
in:? Ho Lruie. Taun trennten
fu'0 die Il :i!;:;I)i;ier : S lleireu Aa-
M tcbvülics uu: ünuuv theils ei:n.l;:.
th.ils in Gruppen nach allen Richtlinien
ouseinanber, manche ein slof.es Vieö
findend oder inetiend, minie laut
lachend und rufend, ohne Rücksicht auf
die bereits in tiefem Schlummer liegen
diii Bewohner der kleinen Muienttadt.
Xic alte Thurmuhr auf den Markt
plane zeigte auch schon eine Wut
Stunde, als Frei, der Held jenes Festes
und unserer beschichte, an ihr vorüber-
schritt, Er sah hinauf zu dem matt
leuchtenden, gutiniithlgen. runden Zu-
ferblalt und dachte, vie Ichnell die aol
dene Studentenzeit ihm verlaufen sei.
Tie Lcheidegrüße der freunde klangen
ihm noch tief nach im Herren, und fast
wehmüthig blickte er selbst auf die
dunkle Gestalt des Jeuerwachters in der
Höl,e, dessen Grobheit er oft durch
ziiuthivillige Zurufe gereizt. Tie stille
der Nacht um ihn, nur vom Plätschern
rliies Brunnens und dem hieräufch fei
ner Schnitt unterbrochen, trug auch
nicht bei, seine Stimmung aufzuhei
tern. Seine Schritte vnrden immer
langsamer, nnd kaum wußte er's. wie
er doch so schnell zu seinem Hause ge
langt war.
Mit der Klingel in der Hand blieb
er aber stehen, ohne zu lauten. Er
spähte hinauf zum Nachbarhause, dessen
' erstes Stockwerk noch hell erleuchtet war.
Tort vohnte der reiche Bankier v. Har
tenfels. Frei wußte dies vohl; denn
kr hatte ja stets für alle hübschen Mad
chen der Stadt Leobcn zwei gute Augen
und ein iveites Her; gehabt, und die
Tochter seines reichen Nachbars hatte
der ganzen Bergakademie die Köpfe
wcrdrcht, ihm vor Allen. Wie viele
Opfer nnd Mühen hatte er nicht ge-
scheut, um sich ihr zu nähern! Wie so
nianche wilde Jagd nach Ballkarten und
' Balltoilctte hatte er um Paulas willen
veranstaltet ! Denn er war arm, sie
war reich, und oft kostete ihm ein ein
zigcr Walzer mit ihr eine Woche von
Entbehrungen.
Uittvillkürlich also ließ der absolvirte
Student die Klingel fahren und trat
den erleuchteten Fenstern naher. Bon
oben herab tönten die Klänge eines
Klaviers, gedämpft leise, dann immer
voller und schwellender erklang cS ans
Ohr des Lauschenden:
.Morgen muß ich fort von hier
Und muß Abschied nehmen.
O du allerschönste Zier,
Scheiden das bringt Grämen!"
Und unser Frei fühlte mit eincmmale
doppelt so schwer, daß es doch sehr hart
sei, ohne Gruß vom Liebsten, das man
hat, zu scheiden, ja ohne daß die aller
schönste Zier es ahnt.
In tiefem Schatten stehen, merkte
er nichts und wurde nicht bemerkt von
den drei nächtlichen Gestalten, die mit
sachten, behutsamen Schritten die
Straße hcrabkamen. eine lange Leiter
mit sich schleppend. Erst als die drei
unheimlichen Gesellen dieselbe an den
Latcrnenarm am Hause desBankicrs an
legten, ivard sie Frei gewahr. Das helle
Licht der Gasflammen fiel einem gerade
ins Gesicht. Das ist ja Spund,"
rief Frei unwillkürlich und trat aus
dem Schatten. Was suchst denn du
noch hier?" Sein Erscheinen aber bc
wirkte eine Bewegung des Schreckens
unter den Leiterträgern und fast schien
es, als wollten sie sich zur Flucht wen
den. Doch blieben sie stehen, als sie
Freis Sammtrock bemerkten, statt der
befürchteten Uniform eines Polizisten
und begrüßten ihn freudig.
Was wir machen?" antwortete
der von Frei Angesprochene mit einer
von des Bieres Bräune angegriffenen
Stimme; einen Capital-Ulk. Sollst
gleich sehen! Wir find die Straßenvcr
dunklunqs - Commission. Steig' 'mal
aus. Leibfuchs Tus!"
Der also Angesprochene schien nur
auf diesen Befehl gewartet zu haben,
erklomm mit unerwarteter Gelenkigkeit
die Leiter und drehte den Hahn des
Gasarmes ab. Finsterniß deckte seinen
Rückzug.
's ist ein pyramidaler Schwof oben."
berichtete er unten wieder angekommen.
Habe beim Fenster hineingesehen.
Vanz vundcrbare Besen!"
Möchtest wohl gar das Tanzbein
schwingen?" sprach Spund, der Ober
straßeiivcrdunklungs - Eommissär, fort
während mit einem heftigen Schlucken
kämpfcnd. He, Füchse, wollt ihr
ta tanzen?"
,,Was fällt euch ein?" rief Frei er
schrocken; bedenkt, in unserm Zustand
eine fremde Gesellschaft."
Was Zustand!" gluckste der Unter
nehmungslustige. Aber hast recht.
Wir wollen nicht auch den Philister
ball verdunkeln nein, nur unsere
liebe Mu Musenstadt. Vorwärts,
a arbeiten wir weiter!"
Halt einen Augenblick!" bat aber
Frei. Möcht doch auch die Geschichte
oben anfch'n nur durch's Fenster
natürlich." Und während die beiden
Füchse die Leiter hielten, stieg er rasch
zu dem erleuchteten Fenster empor und
sah gerade eine prachtvolle Frauen
gestalt vom Piano aufstehen und von
einer großen Zahl Herren umdrängt,
ein Anblick, der ihn fast aus dem
Gleichgewicht gebracht hätte. O, das war
sie, schöner als je! Unwillkürlich stieg
der Lauschende um einige Sprossen
höher, ja zuletzt setzte er sich sogar auf
. das ziemlich breite Mauergesims unter
dem Fenster u:?d narrte so. den Arm
des Gas.an?e!abers e't umklammernd,
in das helle (tennn von Litt und Far
ben da drinnen. Unten stand die Vei--diinklungs
Commission, fluiternd und
raunend. Irafer t:e ein llcbcreinloin--nten,
talis fr;. Auge des Gesetzes sie
überraschte?
Ein Capital Ulk!" sprach jetzt
Spund laut und auf seinen Wink
zogen die Fuchse die Leiter veg, io baß
dem armen Verliebten auf dem Fen
stergesims der Rückzug abgeschnitten
war.
Bleiben Sie nur ruhig, verehrtest
Herr Bruder", fuhr der Angeheiterte
fort, als Frei einen gedämpften Zorn
und Schreckensruf ausstieß, ..wir holen
Sie bald vieder ad. E; warten nur
noch einige Laternen auf uns. Ade,
auf Wiederfehen!"
Znm Heuler, nacht leine so dum
inen Witze!"
..lauter Witz, dieser Witz! Füchse,
rasch! Erst die Pflicht gethan, dann
holen vir ibii. Gute Nacht!"
Einige Secunden saß der oben rath
los: dann aber kam ihm sein ganzer
burschikoser Uebermnlh nieder, durch
den er ein Hanptlicbling seiner Colle
ge geworden tvar, und mit den Füßen
in der Luft schlenkernd, überlegte er
mit stillem Humor seine Lage. Er
grollte den Dreien, die ihm diesen Pos-
en gespielt hatten, nicht: tonnte er doch
selbst, wie weit in einem bekneipten
Kopfe die Grenzen des Scherzes verfcho
bei feie. Aber was sollte cr thun?
Zwanzig Fuß vom Boden entfernt,
war an einen kühnen Sprung auf das
traizenpflaster nicht z Denken. Wenn
cr den horizontalen Arm der Laterne
erfaßte und sich der Länge nach hinab-
liesse, vürdc der Sprung etwas aemil-
dert; doch wollte er das als letzten Aus
weg sich vorbehalten. Vielleicht kommt
-pund doch bald zurück.
Wenn sie mich hier entdeckten" dachte
er sich, in das Festgemach blickend, wie
fürchterlich wäre ich blamirt! Elender
-pnnd! O wie lieb, wie lieb sie ist!
Was vürdc der fade Lieutenant sagen.
wenn ich beim Fenster hineinsprenge.
ihm ihre Hand entriß, die cr schon wie-
der küßt. C verwünscht, die (Gesell
schast entfernt sich. Ich bin verloren!,,
Wirklich leerte sich der Salon mehr
und mehr und bald öffnete sich unten
das Hausthor: dunkle Gestalten traten
ans die trasze und grüßten und der
abschiedeten sich laut; ja sogar ein
Wagen fuhr vor und davon, ohne daß
der Student in seiner Todesangst oben
auf dem Gesimse bemerkt wurde.
Tief seufzte cr auf, als dic Gefahr
vorübcr war. Allein Iveit Bittereres
stand ihm noch bevor. Denn als cr
noch einen Blick hineinwarf in das nun
leere Gemach, da sah er sie nahe dem
Fenster stehen und neben ihr. o sehr
neben ihr, jenen Lieutenant. Sie hatte
den Blick gesenkt und eine zarte Rothe
lag auf ihren Zügen. Er sprach so
angelegentlich, hielt ihre Rechte mit sei
neu beiden Händen so vielsagend an
sein Herz, hatte seine langen Beine so
bedeutungsvoll verrenkt, daß der arme
vtxn jedes Wort feiner Liebeserklärung
zu hören glaubte. Was er dabei litt,
läßt sich nicht sagen. Als aber die
falsche, Schöne, Treulose ihr freudc-
strahlendes Antlitz gegen den letzten
Gast des Hauses erhob, als es schien,
als wollten sich die zwei Lippenpaare da
drinnen zum Kusse nähern: da vergaß
der unfreiwillige Zeuge dieser Scene
jede Ucbcrlcgung. In hcllaufflammen
dcr Wuth schmetterte cr die geballte
inst gegen das venstcrkrcuz, daß die
Scheiben dröhnten und klirrten und die
beiden Liebenden vic von einen Wct
terstrahl getroffen auScirnindcrfuhren
und verschwanden.
Mir das! Das ist zuviel!" knirschte
Frei. Wie der Elende flieht! Ha, du
entgehst mir nicht. Auf das Genick
springe ich dir, wenn du vorübergehst!"
Zum Glücke kam es nicht zur Aus
führung dieses schrecklichen Vorsatzes.
Denn noch ehe sich inten das Hausthor
öffnete, kamen rasche Schritte die Straße
herab; die Straßcnverdunklungscom
uission erschien gerade zur rechten Zeit.
Aber Himmel, vas ist das? Woher ist
ein viertes Mitglied beigetreten? Wie
tühles Wasser wirkte es aus die Zornes
gluth unseres Helden, als er Metall
beschläge an Hut und Kragen blitzen
sah und das wohlbekannte Säbelrasseln
des Stadtwächters hörte. Tie Vcr-dunklungs-Commifsion
var anetirt.
Tort oben sitzt er", hörte man jetzt
die Stimme Spunds sprechen. Sehen
Sie, hochverehrter Oberpolizeidirector,
daß ich nicht gelogen habe."
Frei erstarrte. So verrieth ihn auch
die Freundschaft? 0, ich springe dir
auch auf das Genick!" murmelte er in
grimmig und machte sich dazu bereit.
Tie Vier hielten jetzt unter der La
terne an. Rufen Sie ihn an, Herr
N....", sprach der Wächter mit ge
dämpfter Stimme zu Spund, vorauf
aber dieser lebhaft erwiderte: Um
Himmelswillen nur das nicht! In fei
nein Zustande ist das zu gefährlich.
Sie haben doch schon gehört oder gele
sen, hochgeschätzter Herr Oberdirector,
daß Mondscheinige in solchem Falle er
wachen und das Gleichgewicht verlieren.
Tas Pflaster unserer Hauptstadt ist viel
zu solid, als daß ein Sturz darauf n
gefährlich loäre."
Ja, nie bekommen wir ihn aber
herunter?" fragte der bethörtc Mann
des Gesetzes.
Mit der Leiter, Herr Oberst-Stadt-Wachtmeister.
Mit der Leiter. Darum,
nur darum, haben wir uns ihrer be
mächtigt. Wir konnten doch unsere
armen iamnabulen Freund v.i so
sitzen laeü. Und sie tonnten glauben,
wir hatten llniug in: Sck'ilde! C
Herr "
Na. ick, muß irr hl ir.ißtranifl) fein!
Wissen Sie, wenn man so viele Streike
von den Herren Studenten erleb! "
..freilich, freilich, aber diesmal hat
ten Sie unrecht, geiviß unrecht."
Frei halle Alles mit wechselnder !e
N!Uthsliuiniun,z angehört. Das Erhei
ternde des Auuriites verfehlte auf ihn
feine Wirkung nicht, und als die beiden
Füchse die Leiter' vieder anlegten und
Spund selbst ihn holte, verdarb er den
famosen Ulk keineswegs, sondern spielte
die Rolle des Nachtwandlers glänzend
zu Ende. Erst als er den festen Boden
unter sich fühlte, schien er zu sich zu
kommen, öffnete die Augen, fragte mit
chivacher stimme: ..Wo bin ichs ' und
ließ sich von den beiden Füchsen sinken
und führen.
Der Polizist sah ihn halb miß
iranisch, halb mitleidig an. Das ist
eine unangenehme Krankheit, das
Nachtwandeln," meinte er, und
kommt vohl selten vor "
Ach, nur zu oft, leider nur zu oft
bei uns Studenten!" warf Spund
ein.
Wie kommt's aber, daß der Herr
ganz angekleidet ist? lind dann haben
vir ja heute gar nicht Vollmond."
Freilich, gewiß, er ist ganz ange
kleidet," entgegnete Spund unverlegen;
das thut er immer ; aus angeborener
Ordnungsliebe und Gefühl für Schick
lichkeit thut er das. Und Mondschein
haben wir heute allerdings nicht ; aber
im Kalender steht er, und mein Freund
ist pünktlich, auch als Somnambülerich.
Leben Sie wohl. Herr Polizeigeneral!"
Und rasch entfernten sich die vier
Studenten, den kopffchüttelnden Stadt
vächter neben der angelehnten Leiter
stehen lassend. Doch stand der nicht
lange so ; denn hinter ihm tauchte plötz
lich eine ziveite uniformirte Gestalt auf
der Lieutenant, welcher eben aus dem
Haufe des Bankiers getreten var.
Also Er war es, Er Kreuzmillio
nenbluthund ! So mißbraucht Er seine
Stellung? Spioniren. Fenster-Erbrc-chen
na warte !" Ein fürchterlicher
Fußtritt traf die untere Kehrseite des
unschuldigen Wächters, und als der Er
schrockene sich in seiner ganzen Amts
würde aufraffe vollte, var auch der
wüthende Lieutenant in Dunkel der
Nacht verschwunden.
weißt Du noch?
Ztit von A n n i e L 'a t t - F e I s b c r g.
Nun hatte cr cs errcicht.
Der Traum seiner Kindheit, die
Hoffnung seiner Jünglingsjahre hatten
sich erfüllt. Mit einem dreijährigen
Reiscstipcndium nach Italien wurde er
von dcr Akademie entlasten.
Er wahr in seine Hcimath im Rhein
land zurückgekehrt. Lange, schwere
Kriegsjahre mit Noth und Elend, die
doppelt zahlen im Menschenleben, hatte
er in der Fremde verbracht. Auf
Schritt und Tritt im Hcimathsstädtchcn
rief es ihm entgegen: Weißt Tu
noch?"
Als lang aufgeschossener Sechzehn
jähriger sah er sich durch die Gassen
wandeln, scheu, verschlossen ohne
Kameraden, ein schlechter Schüler, dcr
seine Ehre darin zu setzen schien, stets
in der unmittelbaren Nähe des Letzten
seinen Platz zu behaupten.
Ein jähzorniger Pater wollte ihm
seine Grillen austreibcn, die Gedanken
an das unglückselige Malen" !
Als cr ihn jetzt vicdersah, den har
ten Mann mit dcn grau gewordcncn
Haar, da legte dieser die große, schwere
Hand auf die Schulter des Sohnes und
brummte anerkennend :
Hast's brav gemacht Trotz
kops !"
Tie kleine zierliche Mutter zog ihn
zu sich heran und streichelte seine
Wange, die blaß und hager var.
Hast sicher viel hungern müssen,
armer, lieber Junge."
Er lächelte dazu, ein schönes stolzes
Lächeln.
Tie jüngeren Geschwister umtobten
ihn, und Eines überschrie das Andere :
Weißt Tu noch?"
Er wußte noch alles alles aus dcr
Kindheit.
Sie var nicht sonnig, heiter wie die
anderer Knaben.
Tie jetzt ihm freundlich zusprachen,
dic stolz auf ihn waren, damals wand
ten sie sich alle ab von ihm, dem aus
der Art geschlagenen, mißrathenm
Sohn eines ehrenhaften Paters. Die
Kleinstädter riefen es sich auf der
Straße einander zu, wenn er vorübcr
ging, mit wichtiger Miene :
Er geht nach Rom !"
Hinterher tönte cs dann oft noch :
Wcißt Tu noch?"
Auch sie jubelte es ihm entgegen.
Weißt Tu noch, wie ich Dir sagte,
daß Tu bestimmt ein großer Maler
wirst?"
Jawohl, Tcin Vertrauen hat mich
mächtig angespornt, Maricluise !"
Und malen wolltest Tu mich, weißt
Tu noch?"
Sie erglühte unter seinem Blick dcr
Bewundcrung.
Tas will 'ich auch jetzt"
O, wirklich, das willst Tu?"
Habe ich nicht stets Wort gehalten?"
O ja vie freue ich mich !"
Nun saß sie ihm gegenüber.
Sie var entzückend in ihrer jngcnd
frischen Schönheit. Taß sie' die
j Schönste im Z'.adichen var, daß wußte
! sie und cr.
I Wochenlang saßen iie sich viele - tun
j Den gegenüber. Mit grenzenloser
'.'ebe malte er ne. Alle ihre ehonhe
ten zauberte er ans die Leinwand.
Tie vunderbaren, großen Märchen
äugen, unier deren Blick er erschauerte,
das liebte, braune Haar, den kleinen
Rosenmund. das feine, schlanke Nas
chen den herrlichen Hals, die jugendzarte
Büste, welche ein feines Spitzcngeivcdc
verhüllte.
..Tas ist nein Meisterwerk !" sprach
er. und sie glaubte cs ikm und freute
sich ihrer Schönheit. Mehr als ein
Dutzend Heiner Bildchen befaß er von
ihr. Jedes dieser Bildchen rief ihm
zu : Weißt Tu noch. Das letzte im
weißen Kleidchen, das schrie am laute
sten. Es war kurz vor seiner Flucht aus
dem Vaterhaus.
Der .Konflikt mit dem Vater hatte
sich bis zur Unerträglichkeit zugespitzt.
Wie schon oster, war er nicht hersetzt
worden. Die Lehrer schüttelten die
Köpfe. Weder Latein noch Rechnen
wollte in den Kopf des Träumers",
so nannten sie ihn. An Stammtisch
in der Hvnoratiorenkneipe verkündeten
sie seinem Vater dies endgiltige Ur
theil. Nehmen Sie ihn aus der Schule,
stecken Sie ihn in die Lehre zu einem
Kausinann. vielleicht bringt der ihm
das Rechnen bei."
Zornig kam der alte Herr, einer der
ersten Beamten des Städtchens, nach
Hanse. Punkt zehn Uhr, wie immer.
Oben brannte Licht im Siüdchcndcs
Ungerathcncn. Er saß und zeichnete
emsig. Zittcrnd hielt er rnne, als des
Vaters schwerer, etwas schwankender
ckntt ertönte.
Er mußte, nun kam's, das Unabän-
derliche, das lange vorher Geahnte.
eine Zeichnungen flogen n petzen
ihm um den Kopf.
Träumer, Faulenzer, Ungerathcncn
Jetzt ist es zu Ende. Morgcn kommst
Tu zum Kaufmann und IcmftHännge
abzählen und Pfeffer mahlen, zu sonst
taugst Tu nichts!"
Erniiizhandelteihn mit tietgekranttem
Vaterstolz.
Geduldig lies; er es über sich ergehen,
aber der Entschluß zur Flucht reifte in
ihm. Niemand wußte davon, nur sie
Marieluilc. Ihr vertraute cr es an.
Sie half ihm. Sie zeigte ihrem Vater
alle die Bilder, dic er von ihr gemalt,
auch das letzte im weißen Kleide.
Lange betrachtete dieler die Versuche
des jugendlichen Malers.
Und Maler musz er werden, Vater,
und Tu. Vater, kannst ihm helfen.
Gieb ihm Geld Bater, all mein Spar
gcld, Pater, gieb es mir ich muß ihm
elren ".
Wortlos gab ihr Vater das Geld.
ES war eine hübsche Summe, zwölf
blanke Zwanzigmarkstücke. jeden Ge
burtstag kam eins hinzu. Maricluisc
bedauerte, daß sie erst zwölf Jahre alt
war.
Jubelnd gab sie ihm das Gcld.
Er sträubte sich, aber sie redete ihm
sehr altklug zu: Tafür malst Tu
mich, wenn Tu ein großer Malcr gc
worden." Sie stand vor ihm, ganz so, vie er
sie gemalt in dem weißen Kleide mit
hochrothen Wangen und strahlenden
Augen. Beide Händchen voll Gold
stücke, die sie ihm in die Taschen steckte.
Tann küßte sie ihn zum ersten Mal.
Es war ja ein Abschied auf lange
lange. Er, der Sechzehnjährige, drückte
das blühende, süße, junge Geschöpf fest
an seine Brust, dann jagte er fort, vie
von Furien getrieben.
In dic Weinberge floh er. Er barg
sein Gesicht im feuchten Gras, das am
Wegrand wucherte, und vcinte, wie er
noch nie geiveint.
Ich liebe sie ich liebe sie," stöhnte
sein junger Mund, und seine schmale
Hand mit dcn schlanken, spitzen Fingcrn
preßte sich auf das Herz, das zuckte in
wildem Trcnnungsfchincrz von ihr,
Maricluise von der Heimath und al
lein, vas ihm lieb var.
Am Abend spat schlich er nach Hause.
Er wußte, der Vater war nicht da. In
dem Schooß der Mutter barg er sein
Haupt eine Minute. Segnend lag ihre
Hand auf den vollen Locken.
Sie liebte ihn immer, den stillen
Aeltesten, der dem Vater solche Sorge
machte von dem sie nicht glauben
wollte, daß er ihnen Schande machte.
Am andern Morgcn var er ver
schwundcn. Maricliiiscns Goldstücke halfen ihn
den Weg finden.
Nun faß er da, malte sie und zahlte
seine Schuld mit Zins und Zinscszins.
TaS ganze Städtchen kau und sah das
Bild und ehrte ihn und pries ihn als
großen Maler!"
Als er mit ihr allein war, da faßte
cr ihre Hand und fragte:
Marieluise, weisst Tu noch, was
Tu gesagt? Wcnn ich ein großer Maler
bin dann dann "
Er schwieg, und sie beugte das Köpf
chen tief auf die junge, stürmisch ath
mcndc Brust.
Wcißt Tu noch?" kam es drin
gender über seine Lippen.
Ja ja," tönte es nun jubelnd
zu ihm auf.
Ihre Arme umschlangen ihn, und
wie damals beim Abschied küßte sie ihn,
und er hielt sie fest und flüsterte in ihr
Ohr :
Tann werde ich Deine Iran Ma
lern so sagtest Du weißt Tu
noch ?"
Sie wußie es. Und drei Monate fpa
ter reisten sie als Neuvermählte nach
Rom. ein junges glücks,liges Paar.
Per pflichttreue Referendar.
Erich Fließ, der kürzlich in Berlin
verstorbene Schriftsteller, wai ursprüng
lich Rechtsanwali geu'e'en. Ans seiner
Referendarzeik erzählte er die folgende
niedliche Cicschichle. die jetzt zum ersten
Mal bekannt vird:
Ich var damals als Referendar in
der ivestpreußifchen Kreisstadt .V thätig
wenn ich mich so ausdrücke darf.
Bei meinen Vorgesetzten stand ich ge
rade nicht in dem Rase einer besonderen
Rechtsbefliffenheit. Dagegen galt ich
in der Damenivelt für einen der schnei
dignei: liinzer das söhnte mich eini
aermaßen mit dem Schicksal aus. Eines
Tages kam ich Morgens um halb acht
Uhr von einer ungeheuren Kneiperei
nach Hause das heißt, ich hatte wenig
skens die Absicht. Unterwegs überlegte
ich mir aber, daß, wenn ich jetzt z
Bette geben vürde, keine Macht der
Erde, nicht einmal eine freundliche
Wirthin, im Stande wäre, mich den
Zedern zu entreitzen. Und ich hatte
um 10 Uhr Vormittags bereits meines
ReferendaramteS zu walten. Um 10
Uhr lurr! Ich beschloß also, nachdem
ich eine, Luftpronienade gcmacht hatte,
mit direkt in das GerichtSgebäude zu
begeben. Als der Gerichtsdiener um
9 Uhr das Zimmer betrat, war er vor
staunen einem chlaganfall nahe
ich war schon da! Allerdings schnarcht
ich, daß man es bis auf den Marktplatz
hinaus hörte. Nur mit den allergröß-
ten Anftrcnqugen gelang es dem wacke
reu Manne, mich zu cnvccken. Ich bc
fand mich in einem geradezu fürchter-
lichen Zustand eines stark ausgeprägten
Katers.
Schlohmaun!" stöhnte ich
wenn Sie noch einen Funken von
Menschlichkeit in Ihrer Brust haben,
so holen Sie mir sofort einen sauren
Häring! Ter allein kann mich retten."
Schlohmaun stürzte hinaus und
eben beugte ich mein bleischweres Haupt
zu den Alten, um von Neuem sanft zu
entschlafen, aus die Thür aufgerissen
wurde und ein sehr ivllrdig aussehender
älterer Herr mit einem energischen
Guten Morgen" hereintrat. Ich cr
hob mich mühsam:
Mit wem habe ich die Ehre?"
Obcrlandcsgcrichtspräsident Z. !"
Ein Schauer durchrieselte mein Ge
bcin, dcr Ober" tvar ganz uncr
wartet zur Inspektion gekommen.
Auf wiche Stunde ist der erste Ter
min angesetzt, Herr Referendar?
Auf zehn Uhr, Herr Präsident !"
Und da sitzen Sie bereits jetzt, eine
volle Stunde früher bei den Akten.
Herr Referendar ? Tas freut mich außer
ordentlich und beweist einen schönen
Eifer für Ihren Beruf !"
Ich glaubte, zu träumen, verspürte
dann jedoch Lust, in ein Höllcngclächtcr
aufzubrechen, faßte mich aber noch
glücklicherweise und stammelte er
röthend :
Herr Präsident, die liebenswürdige
Anerkennung, die Sie meinen schwachen
Bemühungen zollen, macht mich inend
lich glücklich und wird mir ein Ansporn
sein, auf dem betretenen Wege rüstig
vorwärts zu schrcitcn!"
In diesem Augenblick öffnete sich
abermals die Thür, und auf dcr Bild
fläche crschicn dcr Gerichtsdiener mit
einem sauren Häring, der malerisch auf
einem geller ruhte.
In meiner Todesangst machte ich
Schlohmann verziveifeltc telegraphische
Zeichen, und der Gcrichtsdiencr ver
stand sofort die Situation. Mit einem
Ruck ich tvcrdc dies dem edlen Manne
nie vergessen ließ er den sauren
Häring nebst Teller unter seinem Uni
fonnrock verschwinden,
Sie sehen leidend aus, Herr Rc
ferendar!" sagte der Ober" Sie
sollten sich nicht überarbeiten!"
Weiß der Kuckuck, wie es zuging; noch
niemals varen die Richter, die Rc
fcrcndarc und dic Schrcibcr unscrcs
Gerichts so spät gekommen wie gerade
an diesem Tage. Immer düsterer
wurde das Gesicht des Oberlaiidesge
richtspräsidenten, immer tiefer gruben
sich die Furchen seiner olympischen
Stirn. Man stelle sich das Entsetzen
der Verspäteten vor, als sie den Mann
erblickten, der ihrer harrte. Ich wälzte
mich innerlich vor Vergnügen, als ich
die betroffenen, verdutzten, erschreckten
Gesichter sah.
Aber das Schönste kam noch. Als
der Ober" im Lause des Vormittags
seine Jnspizirung vollendet hatte, vcr
sammelte cr uns und hiclt eine kleine
Ansprache, in der es von Nasen wiin
melke. Besonders rügte dcr Ober"
scharf das Zuspütkommcn und fügte
mit erhobener Stimme hinzu:
Meine Herren! Ich hoffe, daß das
nicht vieder vorkommen vird. Nehmen
Sie sich ein Beispiel an d c m
Pflichteifer des Herrn R e -f
e r e d a r s Fließ!! "
vergaUopirt.
Für diese Miniaturausgabe eines
Rostbratens rechnen Sie, Herr Wirth.
1 Mark? Tas nenne ich aber doch
eine "
Wollen Sie doch, mein Herr, bc
denken, daß AUcS so theuer geworden,
daß ich bereits seit einigen Jahren bei
diesem Geschäfte mein Geld zusetze!"
Ta kann ich Ihnen nur rathen, so
bald als möglich die Bude zu sperren!"
, Ja, wol) oii soll ich aber
dann leben V
VctxMb
Frau: Jean, mein Manu ist nicht
wohl, bringen Sie ihm eine Wann
ilatche!" Jean: ..Jawohl, sofort Rum or
Cognac '. "
'!. d.in !ltj!K'm
Wurden Ihnen, respektive Ihre
Kan:eraoen, heuer im Manöver schwic
rige Aufgaben gestellt. Herr Major?"
Und vie! Immer nur so zwischen
blauen Briefen d u r ch g e s ch l a n
gelt!"
rataforacu.
..Die Knaben machen einem doch
inebr Sorgen als ein Madchen! Sehen
Si. nein So!,, ist jetzt seetisunduvan
zig Jahrc alt und erst Lieutenant,
meine Tochter ist neunzehn und bereits
Frau Majorin!"
tSemiitl'm,.
Lieber Freund, willst Du mir nicht
zwanzig Mark leihen ?"
Hier hast. Du sie iekt bin ick, aber
selbst vollständig blank!"
Armer Kerl! Kaiin ich Dir vielleicht
mit einem Thalcr unter die Arme
greisen?"
Al'eigläul'isch.
Asrikarcisendcr: Sobald ich den
Löwen sah. gab ich dic Jagd aus und
inachtc. daß ich fortkam!"
Dame: Sie fürchteten sich also?"
Afrikareisender: Bewahre! Aber
der Löwe gehört ja, zum Katzengeschlecht,
und wenn einem Jäger eine Katze über
den Weg laust, Sie vissen ja!"
prosaisch.
Künstler: Weßhalb verweigern Sie
mir Ihre Tochter! Weil ich Künstler
bin? Uns gehört die Welt!"
Rentier: Die ganze Welt, sa
gen Sie?! Ah da is unrein H a u s -Besitzer
doch lieber!"
l'osbjft.
Hast Tu gehört. Freund Mar hat
sich mit seiner Heirath glänzend ran-
girt!"
Ah, dann sollte er doch seine Hoch
zcitsrcisc auch aus dem Rangir
Bahnhof antrcten!"
ei gatcr j?arbier.
Ein Herr hat sich in einer entlegenen
Gasse einer Eurstadt rasircn lassen.
Nach vollbrachter Arbeit fragt ihn der
Barbier: Ist Ihnen vielleicht ein
Abonncincnt auf 12,nal rasiren gefül-
"g?
Herr: Tanke; so viel Blut hab'
ich nicht!"
boshaft. ?
Aeltlicke Kokette: ..Teilten Sie sieh.
letzten Abend dat mich ein .kcrr im
dunklen Korridor gcküßt. Ich zündete
natürlich sofort ein Streichholz an "
Herr: Wie grausam !"
Die junge liausfran.
Karl, Tu haft eben die Küchcnthüre
offen gelassen, und da hat mir der Zua-
wind das Kochbuch verblättert.. . Nun
weiß ich nicht mehr, wo ich weiter zu
kochen habe.
ZNißvcestanden.
Diener: Herr Baron, während
Ihrer Abwesenheit war ein Gläubiger
hier."
Baron: So. so var wohl ein
starker Herr, nicht wahr ?"
Diener: Nein, sehr stark war er
nicht ich hab' ihn mit Leichtigkeit
hinanSgeworsen!"
Unter freunden.
A: Hast Tu der Marie schon Tcine
Liebe crtlärt?"
B: Noch nicht, ich habe ihr nur
leise Andeutungen meiner Liebe qege-den."
A: Verstehe Tu hast durch die
Blume zu ihr gesprochen."
Stoßseufzer einer jungen l'xnisfraii.
..Ack. wenn die Männer der Wine,,-
schaft doch auch rauchlosen Tabak ersin-
den ivürdcn!"
Begrüßung.
Ter Mutter küsse ich galant
Tie immer noch sehr schöne Hand,
Tem Vater kommt aus Ueberzeugung
Tie nnterthänigste Verbeugung.
Tie Tochter mit den stolzen Blicken
Wagt nur aus meinen Gruß zu niesen.
Gar klug verbirgt sie ihr Gefühl
Turch eine Miene starr und kühl.
So soll es in Gesellschaft sein,
Laut gegenseitiger Bcschlicßung.
Doch sind vir. vic so oft, allein,
Ist im so heißer die Begrüßung.
lvcnn da war.
Ein Lehrling ist feinem Prinzipal
fortgelaufen. Dieser verklagt ihn bet
der Polizei und bald darauf befinden
sich Beide vor dein Komrnissäar. Gc
fragt, warum er fortgclaufcn. erwidert
dcr Lehrling: Ich habe so viel Hun
ger Icidcn müssen, daß ich's nimmer
aushalten konntc.
Kaufmann lzuin Jungen): Was?
Hast Tu nicht Braten bekommen, wenn
da war? Hast Tu nicht Salat bc
kommen, wenn da war Hast Tu nicht
Mehlspeise bekommen, wenn da war?
Hast Tu nicht Bier bekommen, wenn
da war ?"
Lehrling: Jawohl. Herr Kominis
sär aber es war nie da!"