Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 06, 1898, Image 10

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    Freut tvrimtndett, die in hhui,ebender
Weife ibrc Pflichten aeaett ihren (Kitten
erfüllt, wahrend der Zimt für olle?
Schone mW (irrie in ihr rege itt.
Edwin widmet t'ick) mit aller, ihm ui
Gebote stellenden Eneriiie der Bewirth
schattung tetner ausgedehnten Herr
scharten. Im Besitze einer Fülle fön
praktischen Kenntniisen. gepaart mit
wahrhaft humanitärem (Seist, hat er
bereit mannigfache günstige Reformen
ans seinen (intern eiiuiefuhrt.
schulen, kranken- und Verfoniiimi,
hanser danken ihm ihre Entslcbniui,
wahrend die Privatwohlthatigkeit.
welche er int Vereine mit Ellinor übt,
feine ('! reu zeit zn haben scheint, Ihren
?portpassionen hat letztere langst ent-
jagt, nie hat sie die !!ennchnng gesuhlt
wieder ein Pferd ,11 befteiaen.
Ihr Liebling Fatima", die schon
lanait das (inadenbrod aenient. wir
häufig von ihrer jungen Herrin besucht
und mit Liebkosungen überbaust.
IX'rrcdntet.
Tas Städtchen war im schönsten
-dirnucf, in allen ('iesichtern war die
hellste Freude zn sehen, in Erwartung
des beliebten Fürsten und der damit
vei bundenen Festlichkeiten.
Herr Schlaumeier gen oft die hohe
Ehre, vor seinem Haute alle seine Ka
meraden in Reib und Glied stehen zn
sehen. Irin Mann schritt in sein Haus,
um die grosie Zrommel zu holen. Herr
Schlaumeier riß die mit einem Kran
versehene Ihnr zu dem bewußten Ilci
neu Zimmer auf und da stand sie nun.
die Krone seiner Ahmst und seines
Fleißes, durch das nun wieder gebsinete
Zensier von der Sonne hell beleuchtet.
Tcr Mann ging vor. mit ein paar
(innen hatte er sich die große Trommel
mittelst Riemens umgehangen. und
einige ersnchsschlage bekundeten den
Außenstehenden, daß die große Zrom
mel jede Augenblick fichtbar werden
müßte.
7 och mit des Geschickes Machten,
Ist kein ewiger Bund zu flechten.
Und das Unglück schreitet schnell."
Dic h'jjbrntc irftcriyenituc.
Xortüe rett Öriüt fatenin i'n;S.
Tnrd) die herbstlich entlaubten Alleen
des Partes von schloß Franfenberg
sprengte hoch zu Roß ein elegantes,
junges Paar. Tic Tarne war ('.rann
Ellinor Frantenbera, und an ihrer
Seite befand sich ihr Verlobter, (iras
Edwin Türnkrut, einer der reichsten
Majoratsherren von Preußisch--chle-sicn.
Tik Beiden hatten einander erst kürz
lich aus einciii Hosballe kennen gelernt.
Tik blühende Schönheit des jungen,
erst achtzehnjährigen Mädchens hatte
Edwin gcsangcn genommen, so daß er
ohne lange zu überlegen bei (iras Frau
kcnberg um Ellinors Hand anhielt.
Bei diesem fand er das freundlichste
Entgegenkommen und EUinor gab ihm
ohne Zögern ihr Jawort. Taf, die
Beiden einander wenig kannten, kam
nicht in Betracht gegenüber der Rücksich
ten der Konvenienz. welcher in diesem
Falle Genüge gethan ward.
Er und sie gehörten dem Hochadcl
an, Beide waren reich, somit (irund ge
nug für die beiderseitigen Eltern, sich
dieser Verlobung innig zu freuen.
In diesem Augenblicke jedoch machte
pZraf Edwin durchaus nicht den Ein
druck eines glücklichen Bräutigams.
Schweigend ritt er an ihrer Seite ein
her. In der allerletzten Zeit stiegen
wiederholt Bedenken in ihm auf, ob
Ellinor Frankcnbcrg wirklich diejenige
sei. an deren Seite er das erhoffte Glück
finden würde.
" Er war erst kürzlich einer gefährlichen
Eiree entflohlcn, einer Tante der Pari
ser großen Welt, mit welcher er ur
sprüiiglich nur eine flüchtige Liaison
anknüpfen wollte.
Tiefes schöne Weib, voll lcidenschaft
licher Glittst und Hingebung, dabei
körperlos wie ein Schatten, sie schien
nur aus Ncrvcn und Spitzen zu be
stehen, bildete so recht das Prototyp ei
ner hysterischen Französin. Mit raffi
nirten Künsten verstand sie ihn festzu
halten, so daß cr beinahe ihrem Unheil-
vollen Zauber unterlegen wäre. In
letzter Stunde raffte er alle Energie zu
sammcn und entfloh aus Paris.
Tns Schicksal führte ihn bald darauf
mit Ellinor zusammen, die in jeder Be
ziehung einen Gegensatz bildete zu jener
Anderen, und das war bestimmend für
seine Wahl. Ellinors Wesen hatte et
was frisches, ungekünsteltes; Auf den
ersten Blick sah man cs ihr an, daß ihr
jegliche Koketteric fern lag. In ihrer
äußeren Erscheinung mahnte sie an eine
blühende, kraftstrotzende Thusnelda.
Ihre Gestalt von mittlerer Größe war
von üppiger Rundung der Formen und
es schien, als wäre ihre Muskelkraft in
einer bei Frauen seltenen Weise ausge
bildet. Goldblonde Haare umrahmten ein
regelmäßig geschnittenes Antlitz, aus
dem ein paar tiefblaue Augen hervor
leuchteten. Ohne einen gewissen Zug von Trotz,
der sich um ihren etwas zu vollen Mund
lagerte, hätte man dieses Gesicht nicht
nur schön, sondern auch lieblich nennen
können. Eigensinn und Trotz bildeten
den Grundzug ihres Wesens. Im Zorne
war sie im Stande. Worte zu sprechen,
von denen ihr Herz nichts wußte.
Tic Mutter hatte sie schon im zarten
Kindesalter verloren und ihr Pater,
dessen einzige Tochter sie war. verzog
sie gründlich, wodurch der Entwickelung
dieser Eigenschaften noch Vorschub ge
leistet ward.
Edwin hatte es wiederholt versucht,
im günstigsten Sinne auf seine Braut
einzuwirken, jedoch ohne Erfolg. Seine
ruhige, ein wenig spöttische Art bildete
einen zu großen Gegensatz zu Ellinors
leicht erregbarem Naturell.
Auch an diesem Tage hatte eine hef
tige Mcinungsdifferenz zwischen Beiden
stattgefunden.
Während der Graf seinen Unmuth
zu beherrschen trachtete, überließ sich
Ellinor ihrer üblen Laune. Mit zusam
mengczogcncn Brauen ritt sie schweigend
an seiner Seite. Sie hatten mittler
weile den Park verlassen und befanden
sich auf offenem, freiem Terrain.
Plötzlich zog Ellinor die Zügel stram
mer an und begann ihr Pferd in wil
dem Galopp zu tummeln. Edwin nahm
ebenfalls eine fcharfcre Gangart an, um
in ihrer Nähe zu bleiben, konnte sich
aber nicht enthalten, ihr diesbezüglich
eine tadelnde Bemerkung zu machen.
Ellinor, eine ebenso gewandte als un
erschrockene Reiterin, setzte über einen
Wassergraben von ziemlicher Breite
hinüber, ohne irgend einer Ermahnung
zu achten. Eben wollte sie dies Kunst
stück, diesmal über einen Hügel wieder
holen, als ein Schrcckcnsschrci aus
nächster Nähe ertönte und Ellinor hatte
kaum noch die Zeit, ihr Pferd mit Auf
bietung ihrer ganzen Kraft zurückzu
reißen, daß es sich hoch aufbäumte,
sonst würde sie ein altes Mütterchen,
das am Feldrain gesessen war und sich
nicht rechtzeitig flüchten konnte, nieder
geritten haben.
Eine Fluth von Verwünschungen er
goß sich über das Haupt der tödtlich er
schrockcncn Alten.
Tann und wann entschlüpfte auch ein
kerniges Fluchwort Ellinors Lippen.
Auf das Peinlichste berührt, hatte
Edwin diesem Vorfall mit angewohnt,
nun ergriff cr mit festem Truckc Ellinors
Handgelenke, in englischer Sprache dazu
sagend:
'..Genug'. Ich bitte sie ernstlich,
dieser Szene ein Ende zu machen, denn
ich kann ihre Rohheit nicht langer an
sehen." Mit Zorn geröthetem Antlitz richtete
sie sich stramm in dem Sattel aus und
sprach vor Erregung zitternd:
Ich glaubt mit größerem Rechte
könnte ich Ihnen den Vorwarf der
Rohheit machen. Sie haben mich soeben
in einer Wei'e behandelt, wie kein Mann
von Bildung gegen eine Tarne vor
gehen sollte "
Eine Tarne fluchen zu hören, ist
aber auch etwas, das ich nicht ertragen
kann unterbrach sie Edwin. ..uud
vollends unter diesen Umstanden. Tie
arme Alte hatte ja vor Schreck den Tod
haben können, daran dachten Sie wohl
nicht?"
Lächerlich ! Als ob ein Baucrnweib
so zarte Nerven hätte"
Ellinor! sprach cr in vorwurfsvol
lein lerne, was soll ich Ihncn auf so
eine Bemerkung erwidern? Sie sind sich
dessen wohl nie bewußt geworden, daß
die bevorzugte Stellung, die Sie ein
nehmen. Ihnen auch Pflichten gegen
tiefer unter Ihnen Stehende auferlegt?
Sie haben wohl nie daran gedacht,
daß die Armen und Bedrängten in
erster Linie ein Anrecht an unsere
Theilnahme besitzen, die wir ihnen um
so weniger versagen dürfen, je hilfloser
sie uns gegenüber stehen. Ein ungc
rechtes Geschick hat unsere ärmsten
Mitbrüdcr aller Güter des Lebens be
raubt, um sie auf uns zu häufen, die
wir deren zumeist nicht würdig sind.
Tie Aufgabe, die nun an uns
herantritt, besteht darin, nach Mög
lichkeit zu streben, diese Ungerechtigkeit
auszugleichen. Solche Gedanken sind
Ihnen wirklich nic gekommen, Elli
nor?" Nein, ich gestehe, daß ich nicht die
geringste Sympathie für das Volk
hege." antwortete fic trotzig.
Und so etwas sagen Sie, die Toch
tcr Ihres edlen, guten Vaters, und
und mcinc künftige Gemahlin, von
der ich hoffte, sie würden mich dereinst
unterstützen in meinem Wirken"
Was zwingt Sie denn eigentlich,
mich zu Ihrer Gemahlin zu machen,
wenn Sie mich dieser Ehre für so un
wcrth halten ?"
Was? Ter point d'honneur
zwingt mich dazu. Ein Türnkrut Halt
sein Wort."
Wenn ich Sie aber bitte, dies Wort
zurückzunehmen, was dann?"
Ejnen Augenblick stutzte cr, dann
sprach cr mit schneidendem Hohn in der
Stimme :
,',Zu Befehl. Gräfin ! Von dieser
Stunde an sind Sie frei !"
Sie erwiderte kein Wort. Leichen
blasse bedeckte ihr Gesicht, während ein
Zittern und Beden ihre Gestalt ergriff.
Gestatten Sie, daß ich Tie nach
Hause begleite?" frug Türngruk nach
einer kleinen Pause.
Nein, ncin, lassen Sie mich allein,"
bat sie mit tonloser Stimmc.
Verzeihen Sie, wcnn ich doch dar
auf bcstchc, Sie zu begleiten ich kann
Sie jetzt unmöglich verlassen. Sehen
Sie nur, wie erregt Fatima" jetzt ist,
ich sürchte, cs könnte Ihnen ein Unfall
zustoßen. Nach diesem letzten Tienst,
welchen ich übrigens jeder fremden
Tamc an Ihrer Stelle erweisen würde,
will ich Sie für immer von meiner
Gegenwart befreien. Ich verlasse auf
der Stelle Schloß Frankenberg."
Jedes seiner Worte, die cr im gleich
giltigsten Tone gesprochen hatte, bohrte
sich schmerzhaft in ihrer Seele. Und
dazu mußte sie sich beherrschen, um von
ihrer Erregung nichts merken zu lassen.
Sie suhlte sich mit ihrer Kraft zu
Ende.
Ta sie mittlerweile das Parkthor
erreicht hatten, sprach sie abgewandten
Hauptes zu ihrem Begleiter :
Bitte, wollen Sie mir jetzt den
Reitknecht senden, lichwcrde hier auf
ihn warten "
Einen Augenblick 'zögerte' er, ihrcn
Wunsch zu crfüllcn, sein Blick streifte
sie flüchtig, dann zog cr grüßend den
Hut, wandte sein Pferd und ritt im
Galopp davon.
So lange er in Sicht war. blickte
sie ihm nach, während Thränen in ihre
Augen traten, dann ließ sie die Reit
peitsche über das Haupt Fatimas"
sausen und sprengte wieder zum Park
thor hinaus.
Sie blickte nicht rechts, nicht links,
ihr Pferd immer zu vcrstärktcr Schncl
ligkcit antreibend. Endlich schien
Fatima" ein eben solches Vergnügen
zu finden an dieser tollen Jagd, als
deren Herrin. Unaufhaltsam ging es
weiter über Stock und Stein, über
Sümpfe und Wiesen. Ellinor war
schließlich keines klaren Gedankens
fähig, sie fühlte nur einen bohrenden
Schmerz in der Brust, der allmälig
nachließ, während sie so cinhcrstürmte.
Plötzlich gab es einen dumpscn Fall !
Fatima" war gestürzt. Blitzschnell
hatte sie sich wieder erhoben, Ellinor,
die aus dem Sattel gerutscht war. lag
einen Augenblick quer über dem Rücken
der Stute, sie versuchte die Zügel zu
ergreifen, die ihrer Hand entglitten
waren, fiel rücklings zu Boden und der
lor das Bewußtsein.
Mittlerweile hatte Türnkrut den
Grasen Frankcnbcrg aussuchcn und ihn
von dem Vorgefallenen in Kenntniß
setzen wollen. Zu seinem Mißvcrgnü
gcn erfuhr er, daß der Graf in Bcglci
tung seines Forstmeisters focbcn das
Schloß verlassen habe und vor dem
Tincr kaum zurückkehren werde. So
lange wollte Türnkrut nicht, warten,
um Ellinor nicht wieder zu begegnen;
so schrieb er in fliegender Hast ein paar
Worte, welche dem alten Herrn seine
sluchtahnliche Abteile erklären sollten.
Als dies geschehen war. wollte er sich
ohne Verzögerung zur Bahnstation bc
geben. Mit dem Nachmittagszuge ab
reisend, konnte er am folgenden Tage
i Berlin sein. So sagte er sich und
dennoch sand er nicht den Entschluß.
sortzugekcn. Ant Fenster stehend harrte
er der Rückkehr Ellinors. Als Virtel- j
stunde auf Viertelstunde verrann, ohne
daß die Erwartete kam. ergriff ihm
eine namenlose Angst.
Verraucht war aller Zorn gegen sie
und nur die Sorge erfüllte ihn, es
könne ihr etwas zugestoßen sein.
Er suchte sich einzureden, daß Elli
nor. die ja eine so passionirte Reiterin
war, schon ostmalz mehrstündige Spa
zierritte unternommen habe.
Sich zur Ruhe zwingend, wartete cr
nach eine gute Weile. Endlich vcr
mochte cr nicht länger in Unthatigkcit
zn verharren ; er ließ rasch wieder sein
Pferd satteln, um nach Ellinor Umschau
zu Halten.
Als cr sie in dem weiten, ausgedekn
ten Park nicht fand, schlug cr dic Rich
hing nach dem etwa zehn Minuten ent
fernten Orte ein. Tort fand er dic
Lcute in nicht geringer Aufregung. Ein
Mann hatte berichtet, cr habe mit cige
ncn Augen dic Fatima" hcrrcnlos ein
hcrjagen sehen. Er hatte versucht, sie
cinzusangen, was ihm jedoch nicht ge
hingen war.
TarausHin hatte sich eine Anzahl
Münncr und Wcibcr auf den Weg ge
macht, die Verunglückte zu suchen.
Auf allen Mienen drückte sich unge
heuchelte Theilnahme und Besorgniß
aus, um die liebe cngclgutc Komtesse,
dic den Armen so reichliche Wohlthaten
erwies, was Edwin nur mit Stauncn
vernahm. Rastlos suchte cr die kreuz
und die quer, wo immer cr Hnsspurcit
zu sehen glaubte, dazu ihrcn Namen
laut rufend. Endlich antwortete ihm
die Stimme des Reitknechtes. Näher
kommend erblickte er Ellinor am Boden
liegend, bleich und mit geschlossenen
Augen, während unter dem wirren
Haar ein wenig Blut auf ihre Stirne
sickerte.
Mit einem Aufschrei stürzte er an
ihrer Seite nieder. Gottlob, sie war
nicht todt ! Sanft bettete er ihr Haupt
an seine Brust und horchte gespannt
ihrcn rcgclmäßigcn Athemzügen. Tie
Kopfwunde schien nur leichter Art zu
sein. Er pries den Himmel, der ein
schweres Unheil von ihr abgewendet
hatte. Mit größter Vorsicht ward die
Verunglückte ins Schloß zurückgebracht
und schleunigst um einen Arzt gesendet.
Ansanglich konstatirte dieser nur eine
leichte Gehirnerschütterung, nach ge
nauer Untersuchung stellte sich jedoch
ein Bruch beider Beine heraus.
Graf Frankcnbcrg und Edwin um
staudcn ticf erschüttert Ellinors Kran
kenlager, die in wilden Fieberphan
tasten dalag.
Wiederholt rief sie in schmerzlich kla
gendem Tone Edwins Namen aus.
Tie Vorstellung, er sei ihr fern und sie
werde ihn nie wieder sehen, schien sich
ihrer bemächtigt zu haben.
Mit staunender Rührung gewahrte
er zum ersten Male, daß ihr Herz ihm
innig und leidenschaftlich entgegen
schlug. Welch' unseliger Trotz, der sie be
wogen hatte, ihm so lange Zeit ihre
Gefühle zu verbergen! Als das Fieber
gegen Morgen nachließ, schien sie ihn
er erkennen! Als das Fiber gegen Mor
zu erkennen. Ein seliges Lächeln ver
klärte ihre Züge und sie schlief ein,
ihre Hand in der seinen ruhend.
Lange Wochen lag sie geduldig und
still ohne zu klagen. Beide Beine bis
zum Schenkel in Gipsverbänden steckend,
machten es ihr zur Unmöglichkeit, sich
ohne fremde Hilfe nur im Bette aufzu
richten. Mit rührender Dankbarkeit
nahm sie die Hilfeleistungen ihrer Ge
sellschafterin entgegen, ihrem Vater
dankte sie in bewegten Worten für jeden
kleinen Liebesdienst und war erst Edwin
in ihrer Nähe, dann wich ein glückliches
Lächeln nicht von ihren Lippen. Als
sie endlich auf zwei Krücken gestützt,
zum ersten Mal ihr Lager verlassen
konnte, kämpfte sie tapfer ihre Thräncn
nieder.
Nur äußerst langsam schritt die Bcs
serung vorwärts. Ein aus dcr Ferne
berufener Professor nahm eine Wasser
kur mit ihr vor, die sehr schmerzhaft
war und sich nur von geringem Erfolg
erwies. Tos eine Bcin war und blieb
steif, da dcr Bruch gerade am Knöchel
ein äußcrst komplizirtcr war.
Tcr Knochcn hatte eine Tplitterung
erfahren, was wiederholte operative
Eingriffe nothwendig machte.
Hatte sie schon vordem, als es sich
blos darum handelte, still zu liegen,
eine seltene Geduld gezeigt, so ertrug sie
nun in wahrhaft heldenmütiger Weise
die über sie verhängten Leiden.
Tic behandelnden Aerzte konnten
nicht Worte genug finden, den Muth
und dic Standhaftigkcit des jungen
Mädchens hcrvorzuhcbcn. Groß war
die Theilnahme, dic ihr von allcn Sei
ten entgegengebracht wurde und Edwin
hörte auf Schritt und Tritt die Her
zensgütc und den wohlthätigen Sinn
Ellinors preisen. In eifriger Weise
hatte sie stets für dic Armcn gesorgt
und nicht nur mit vollcn Händen Äl
mosen gcspcndct, sondcrn dcn Lcutcn
auch warmes Interesse und Theilnahme
für deren große und kleine Leiden ent
gcgcngcbracht. Ties jedoch bildete ihr
streng gehütetes Geheimniß. Niemand
sollte sie auf guten Thaten ertappen,
weshalb Sie in Gegenwart Anderer
einen Karten Sinn zur Schau trug.
oder Aeußerungen that, denen ihr j
ganzes inneres Wesen widersprach. I
Staunend frug sich Edwin, wie a
nur möglich gewesen war. daß rr so
lange Zeit den guten Kern, der hinler
einer rauhen Sehale steckte, in Ellinor
nicht wahrgenommen und ihr so schweres
bitteres Unrecht gethan hatte. Nun.
da er wußte, welch' einen Schatz er an
ihr besaß, schloß r sich mit inniger
Liebe an sie an. Von dem Zerwursniß.
das zwischen Beiden stattgefunden und
die Veranlassung zu Ellinors Unfall
gebildet hatte, war nie mehr die Rede.
Als Ellinor ihn einmal der bitteren
Worte wegen, die sie an jenem Tage zu
ihm gesprochen, um Verzeihung bitten
wollte, hatte er sie durch Liebkosungen
zum Schweigen gebracht, dabei be
theuernd, daß er allein der Schuldige
gewesen sei.
Ellinors Eharakter hatte eine große
Wandlung erfahren, all' ihre guten
Eigenschaften gewannen in ihr die
Oberhand. Sie Hielt stille Einkehr in
sich und ging scharf mit sich ins Ge
richt. Wohl hatte sie noch mitunter
mit Anwandlungen ihre alten Trotzes
zu kämpfen geläutert aber ging sie
aus diesen Kämpfen Hervor.
Nur eine eigenthümlich melancholisch
resignirte Stimmung war über sie ge
kommen, für welche ihr allerdings
schweres Leiden dennoch keine genügende
Erklärung gab.
Als sie zum ersten Mal ohne Krücken,
nur auf Edwins Arm gestützt, Gehver
suche unternommen hatte, und nun tief
erschöpft ausrastete, sprach sie folgende
Worte:
Edwin, mein Geliebter! Tie Zeit
ist gekommen, da Tu mich bald ver
lassen wirst. Ich danke Tir innig sür
Tcine Opferwilligkeit und Sorgfalt
während mcincr langcn Krankheit.
Tcine Nähe hat mich Alles leichter er
tragen gcmacht. Ich wcrdc nie vcrgcs
scn, wie gut und lieb Tu gcgcn mich
gewesen bist unterbrich mich nicht!
Es muß endlich einmal klar werden
gerade heute fühle ich mich stark dazu.
So wisse denn: ich habe gehört, wie dcr
Professor zu Papa sagte sie glaubten
mich schlafend ich würde mein Leben
lang auf dem einen Fuß hinken."
Ellinor! Tas ist nicht wahr; Tu
täuschest Tich!"
O doch! Es ist so, wie ich Tir sage.
Tcr Professor fügte noch bei, cs müßte
geradezu cin Wundcr gcschchen, wenn
ich je wicdcr so wic einst würde gehen
können. Mit einem derartigen Gcbrc
chcn kannst Tu mich nicht hcirathcn;
dies Opfer könnte ich niemals von Tir
annehmen. Nein, Edwin, nie und
nimmermehr! Schon einmal, in kindi
schem Trotz, habe ich Tich gebeten, mir
die Freiheit zurück zu geben. Gott
allein weiß, was ich damals gelitten
habe, als dieser böse Geist in mich ge
fahren war. Ich habe auch schwer da
für gebüßt.
Heute stcllc ich dasselbe Ansinnen
an Tich; Tcinctwcgen mein Edwin!
Tcnn Tu darfst Tcine Existenz nicht an
dic mcinige ketten. Glaube mir, dies
mal wird mir das Scheiden von Tir
leichter werden, denn es gereicht mir
zum Trost, daß ich Tciner , vollen Zu
ncigung und Achtung sichcr scin kann;
jctzt da ich nicht mehr das launenhafte,
eigenwillige Geschöpf von einst bin "
Zuneigung, Achtung! Was sagst
Tu da? Elli, mein Lieb! Tie Sprache
ist viel zu arm, das auszudrücken, was
ich für Tich empfinde, erst mein ganzes
Lcbcn an Tciner Seite soll es Tir klar
machen. Ich kann von Tir nicht lassen;
Tu bist mein Sonnenschein, mein AI
lcs! Und selbst, wenn cs wäre, daß
Tu nic wicdcr Tcine voll Gesundheit
erlangen solltest, so will ich Tich stützen,
Tich führen, Tich tragen, auf daß Tu
im Leben keinen rauhen Stoß füh
len mögest. Ter Gedanke, Tir nütz
lich, vielleicht unentbehrlich zu werden,
hat für mich etwas Beseligendes.
Elli, Tu hast kein Recht, Tich und
mich unglücklich zu machen; jawohl
Tich auch, denn ich weiß cs, Tu liebst
mich "
Edwins Bercdtsamkett mußte wohl
den gewünschten Erfolg gehabt haben,
denn als eine kleine Weile später Graf
Frankcnbcrg sich zu dcn Bcidcn gcsclltc,
warf sich Ellinor an scinc Brust und
stammcltc unter Weinen und Lamcn:
Papa. Papa, ich bin so selig, wic
noch nie in nieinmm Leben. Uno weißt
Tu, wem ich zunächst dieses Glück ver-
danke? Fatima", dic mich denabösen
Sturz machen ließ."
Ein Jahr später fand die Vcrmäh
lung Edwins und Ellinors statt. Tie
Jugend und kräftige Konstitution letz
terer hatten bewirkt, daß sie was kei
ner der Arzte nach dem unglücklichen
Sturz für möglich gehalten den Ge
brauch ihrer Beine wieder erlangt hatte.
Auf dem einen Fuß hinkte sie zwar
noch ein klein wenig, dies thut jedoch
der Schönheit dcr jugendlichen Braut
keinen Eintrag.
Ein Murmeln dcr Bcwundcrung ging
durch dic Menge, als sie im langwailen
den Brautkleid, mit dem Familien
schmuck der Türnkruts geschmückt, an
Edwins Seite zum Altar schritt.
Tic Bcidcn sind unaussprcchlich glück
lich und sührcn eine wahre Mnstcrehe.
Edwin tragt seine junge Frau auf den
Händen, und Ellinor kennt kein höheres
Bestreben, als sich in Allem ihrem Gat
ten anzupassen. In ihm erblickte sie
ihre Welt.
Tas übermüthige, trotzige Mädchen
von einst hat sich in eine sanfte, ernste
Im Städtchen .. hielt eines Abends
der Kriegerverein General - Versamm
lung. Als die Tagesfragen alle erle
digt waren, kam man auch darin über
ein. daß jetzt endlich einmal für die
Vereinsmufik eine neue große Trommel
geliesert werden sollte.
Ter Verein besaß seine eigenen
Musikinstrumente und bestanden dic
Musikanten aus Mitgliedern des Vcr
ein, die für wenig Geld bei oikom
mendcn Festlichkeiten die wackeren Va
terlandsvertheidiger durch ihr Spicl cr
götztcn. Es sollte nun einmal eine
neue große Trommel angeschafft wer
den, da die alte unbrauchbar, schon
unzühligcmal geflickt und daher ihr
Ton vicl zu wünschen übrig ließ.
Tcr zweite Vorsitzende, Herr Schlau
mcicr, sollte nun diese Kommission
übernehmen.
Ja, mcinc Hcrren, das will ich
schr gern thun, ich kenne auch eine
gute, leistungsfähige Firma, die uns
in jeder Beziehung zufrieden stellen
wird !"
Tcr erste Vorsitzende erwiderte, daß
Herrn Schlaumcicr überlassen bleiben
solle, woher er dic große Trommel be
ziehe, wüßte cr doch im Voraus, daß
dies Geschäft in guten Händcn sei
Schluß dcr Versammlung.
Zu Hause angekommen, ging Herr
Schlaumcicr in seinem Zimmer voller
Gedanken auf und ab. Er zcrbrach
sich darüber dcn Kopf, wic er bei dieser
Kommission hätte cin paar Pscnnigc
vcrdicncn können, aber nur. ohnc den
Verein in irgend einer Weise zu schüdi
gen. Er hegte keineswegs einen schlcch
ten Gcdankcn dabci, kostete cs ihm doch
auch Mühe genug, all die Gänge, dic
man als Vorstand bei einem Verein
thun muß. zu machen ; Tank hatte cr
dafür niemals, sogar manchmal Unan
nchmlichkcitcn. Endlich kam cr auf
cinc glückliche Idee. Ja, wcnn cr das
richtig anfing, dann konnte er diesmal
cin kleines Geschäft dabei machen.
Herr Schlaumcicr war cin gelernter
Instrumentenmacher. hatte aber dieses
Handwerk aus irgend einem Grunde
aufgcgcbcn ; vielleicht, daß cs in dem
kleinen Städtchen nicht genügend Ar
beit für ihn gab, war Spezcreihändler
geworden und fühlte sich nun beim
Verkauf von Schnupftabak. Kaffee,
Zucker ii. f. w. viel besser in seiner
finanziellen Lage, als vorher.
Was hatte cr denn eigentlich für
einen klugen Gedanken gefunden ? Kei
neu anderen, als die große Trommel
selbst zu machen. Er besaß ja
noch das nöthigste Handwerk dazu, und
genügende Zeit würde er schon finden.
Vor Freuden machte er ob dieses Ge
dankens einen Lustsprung und legte
sich wohlgemut!? zu Bette. '
Ten nächsten Tag benütztc Herr
Schlaumcicr dazu, das zu dcr Pauke
nöthige Matcrial aus dcr nächsten
größeren Stadt zu holen. Spät
Abends kehrte cr zurück, und wcgcn dcr
herrschenden Finsterniß (die städtische
Beleuchtung hatte keine Kraft diese
Finsterniß zu durchbrechen) konnte ihn
auch Niemand sehen, was ihm auch
sehr lieb war. Hinter seinem Laden
hatte er ein kleines Zimmer, das nur
durch eine schmale Thüre mit dem
Hausflur in Verbindung stand ; in die
ses Stäbchen schaffte er all das Zeug,
das cr zu seinem Kunstwerk brauchte.
Tainit ihn Nicinand bei scincr Arbeit
cittdcckcn sollte, verklebte er alle Ritzen
der Fensterläden mit Papier und ar
bettete bei Licht, und wenn er hörte,
daß Jemand dcn Hausflur entlang
ging, hörte er auf z hämmern, um
sich durch nichts zu verrathen. Nach
vieler Mühe und mancher durchwachter
Nacht sah er endlich sein Meisterwerk
vor sich stehen. Er konnte aber auch
wirklich zufrieden sein. Es war ent
zückend für Herrn Schlaumeier, sie im
mer und wieder anzusehen und ihren
donnerähnlichen Klang zu probiren.
Im Geiste überzählte cr schon die blan
len Thaler, die er dadurch verdient
hatte. Er machte nun dem Verein bc
sannt, daß die große Trommel ange
kommen sei und ein wahres Pracht
eremplar genannt werden dürfte.
Es wurde nun beschlossen, dieselbe
zwei Tage später, an welchem Tage ein
Festzu g zu Ehren des kommenden Für
sten geplant war, der Vereinsmnsik
einzuverleiben. Herr Schlaumeier sah
diesem Tage voll Ungeduld entgegen,
cr konnte cs kaum, abwartcn, daß sein
Kunstwerk an's Licht dcr Sonne kam.
Endlich kam der heißcrschnte Tag.
Tcr mit dcr großen Trommel bc
hangenc Mann wollte eben zur Thür
hinaus, als cr mit einem Ruck wieder
zurückprallte, cin neuer Anlauf, doch
dasselbe Resultat.
Ter hinter ihm stehende Schlaumeier
war kreidebleich geworden, er versuchte
den Mann durch die Thür z drücken,
cinc stillc Ahnung kam in ihm ans,
dicke Schwcißtropsen standen aus seiner
Stirn, dic Sinne drohten ihm zu
schwindcn. Ja, warum denn?
Nun, Herr Schlaumeier hatte keinen
kleineren Fehler begangen, als die
große Trommel z i, groß zn
machen, als daß sie hätte die schmale
Thüre pnssircn können.
Ten Außenstehenden schien das aber
alles zu lange zu dauern, denn dcr Herr
Kommandant erschien im Rahmen der
Thüre und sah immer mit fragendem
Blick von einem zum anderen, bis ihm
der mit der großen Trommel alles in
kurzen abgerissenen Worten erzählt
hatte. Tas Kritische der Situation so
fort erkennend schrie er mit der größten
Verwunderung den fast Ohnmächtigen
an: Aber Schlaumeier, wie ist denn
da die große Trommel hinein ge
kommen ?" Toch der Gefragte war
jeder Antwort unfähig. Es blieb den
guten Kriegern nun weiter nichts übrig,
als heute noch einmal mit der alten
großen Trommel vorlieb zu nehmen.
Vielleicht, daß Seine Turchlaucht nicht
das Mangelhafte des Tones bemerkt
hat; Herr Schlaumeier aber hat sich da
durch unter seinen Kameraden unsterb
lichen Ruhm erworben, hat sich aber
nie wieder die Mühe gegeben, eine
große Trommel zu machen.
Hänschcn'ö Aufsatz.
Tie Schule." Tas Schulzimmcr
besteht aus dcr Wandtafcl, dcn Bänkcn,
den Tintenfässern, dem Stock und dem
Lehrer. Tie meisten Sachen in der
Schule sind alt. nur dcr Stock ist ncu.
Wcr spätcr als dcr Lehrer in dic Schule
kommt, ist dcr größte Faulenzer und
wird durch diesen bestraft. Auf dcr
Wandkarte sind Flüsse und Städte ge
malt, damit wir sie auswendig lernen
miiffcn.
Tcr Lehrer hat mit dem Stock cin
Loch in's chinesische Reich gestoßen.
Mit dem Globus machte cr dic Tonnen
sinstcrniß. In der Gesangsstunde
streicht dcr Lchrcr dcn Bogen; auch
schlägt cr uns so langc dcn Takt, bis.cS
klappt.
In der Tchulc hängt auch cin Thcr
momcter; mit diesem macht man es im
Tommer heiß, bis frei ist: der Lehrer
sieht so lange darauf, bis 90 Grad
sind. In dcr Frcivicrtclstunde essen
wir cinc halbe Stunde lang unser
Brod. Ter Schulinfpektor lobt uns
immer, aber der Lehrer ist doch froh,
wenn er wieder fort ist.
In der Turnstunde springen wir
über den Bock; der Lehrer springt zu
erst, dann springen wir auch und stärken
unsere Glieder. Ter Lehrer macht uns
zu ordentlichen Menschen; denn Fleiß
bricht Eis. Wer Aepfel stiehlt, kommt
einen herunter, wer sie aber dem Lehrer
stiehlt, kommt zwei herunter. Wcnn
dcr Lehrer Orgel spielt, treten wir ihm
den Balg und singen zweistimmig dazu:
wenn man ihm den Balg zu arg tritt,
quietscht die Orgel.
langlebige Prozesse.
Bei keinem deutschen Gerichtshof
dürfte sich ein Prozeßverfahren wohl
jemals so lange hinschleppen, wie das
bei französischen Gerichten wiederholt
vorgekommen ist. Lei diesen vcgctiren
wahre Methusalems von Streitereien.
Ein solcher Prozeß wurde 1210 vom
Grasen de Revers gegen die Einwohner
von Tonzy angesprengt, und dieser
dauerte glücklich bis. ..1842, d. h. i32
Jahre lang! Ein zweites Gcrichisver
fahren, das 1254 von dcn Bewohnern
von Eampan gcgcn dic von Baguörcs
cingclcitct wurdc. zog sich bis I8!'2,
also (8 Jahre hin. Ein dritter Pro
zeß aber, auch 1254 angestrengt von
den Streitköpfen in Eampan gegen vier
Törfer in Aneau. ist noch nicht zu Ende
und sieht sür einen Scchsciiihalbhun
dcrtjährigen sogar noch recht munter
aus. In allen drci Fällen handelt cs
sich um recht herzlich unbedeutende
Wald- und Wcidegerechtigkeitcn.
Köchin (zum Soldatcn, dcr in der
Speisekammer beschäftigt ist): Paul,
laß mir sein für die Herrschaft auch
was übrig !"