Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 08, 1898, Image 9

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    I
Ucberlitict,
.s'uiüoicfiff von ' d t v, V ( ii S 1 1.
Fräulein Emmy Schwad? war sich
eigentlich stldft nicht klar üb ihre
Empfindungen.
Sie mochte sie alle Beide gut leiden.
ihre zwei Anbeter nümluy, die einander
gegenseitig mit vieler Kunst den Stang
abzulausen suchten.
Zln dem jungen Schriftsteller gefiel
ihr. auker dem laftamendraunknzcicn
haar undeZ waren echte Locken, keine
vom Friseur mittels deS Brenneisens
hergestellten künstlichen besonders
denen sanfteS, träumerische Wesen.
welche? freilich, sobald der Nebenbuhler
in Eicht kam, bedenklichen Echmankun
gen unterlag und sich leicht in die
.Wildheit der Ber fettet" verwandelte.
um unS seine? eigenen, mit Vorliebe
angewandten Ausdruckes zu bedienen
HanS Haase hieß er.
Aber Leo Schnell war. auch nicht
übel.
Der auffallend dichte, an den üußer
ften Enden kühn emporgezwirbelte
schwarze Schnuirdart, um den ihn
mancher Gardelieutenant beneiden
konnte, gab seinen Zügen ein entni
scheS Gepräge, und erregte Fräulein
EmmyS ungeteilte Bewunderung.
AIS Inspektor einer großen Leben?
verftcherungSzesellschaft hatte Leo sein
guteS Auskommen, und was den
Charakter anbelangt, so ließ ftch nur
daS Beste von ihm sagen.
HanS Haase nannte ihn daher spöt
tisch nur den VerftcherungSonkel".
Zwischen diesen beiden heterogenen
Naturen also schwankte Fräulein EmmyZ
Herz wie daS Zünglein einer Waage
hin und her.
Seit den letzten vierzehn Tagen war
die Situation für alle Betheiligten eine
seht schwüle geworden. DaS Sturm
laufen hatte begonnen. Das heißt, die
beiden Nebenbuhler witterten gegensei
tig von sich und Liebende besitzen
ein desondetS ausgezeichnetes Witte
vungSvermögen daß Jedet deadstch
tigte, jene offene Aussprache mit Fräu
lein Emmy herbeizuführen, welche man
im gemeinen Leben kurzweg LiedeZ
erklärung nennt.
In Ftäulein EmmyS Verhalten lag
aber für Keinen eine besondere Bevot
zugung, sie behandelte Beide mit der
gleichen Liebenswürdigkeit, und darum
erschien eS HanS Haase immerhin gera
then, dem VersicherungSonkel nicht erst
Zeit zu einer HerzenSversicherung
EmmyS zu lassen, was am besten da
durch verhindert werden konnte, daß er
ihm mit seiner Etklärung zuvorkam.
Unglücklicher Weise hatte jedoch Herr
Leo Schnell genau dieselbe Idee.
Er hielt eS keineswegs für unmög
lich. daß, wenn der Schriftftellet bei
Fräulein Emmy zuerst zum Wort ge
langte, die junge Dame angesichts fei
ner Aufschneidereien leicht den Halt der
lierm und ihm in die Arme sinken
könne.
Auf diese Art gestaltete sich daS bei
detseitS beabsichtigte Zuvorkommen"
bishet noch jedesmal zu einem bloßen
Zugleichkommen", und daS tödliche
Bemühen, einandet fort zu graulen,
verlief stets resultatloS.
Begab sich der Schriftftellet selbst
etwas früher als die Empfangsftunde
geschlagen in daS elterliche HauS
Emmy'S, fo hatte et doch kaum die
Zimmerthür erreicht, und schon wurde
die Hausthür zum zweiten Mal haftig
geöffnet, um den schwarzen Schnurr
dart deS VersicherungZonkelS sammt
dessen Besitzer einzulassen.
Gelang eS Leo Schnell, Fräulein
Emmy auf ihren täglich unternomme
nen Spaziergüngen nach dem Neuen
See" abzufassen, so konnte er doch sicher
keine zwei Minuten mit ihr sptechen,
ohne daß auS einer Seitenallee der von
raschem Lauf athemlose Dichter heran
keuchte, schon von Weitem mit seinem
Spazierftöckchen grüßend in der Luft
herumfuchtelnd.
Heute war übrigens HanZ Haase der
vom Glück Begünstigte. Zu feinem
eigenen Erstaunen fand er Ftäulein
Emmy allein an ihtem LiedlingSplütz
chen. Träumerisch saß sie auf der
Bank, dicht am Gestade des Sees, des
sen blaue Wellen im Sonnenlicht
glitzerten.
.Wo ist denn der VetfichetungS
ontel?" entschlüpfte eS HanS unwill
kürlich statt eines GrußeS, als er Emmy
eilfertig entgegentrat.
Diese sah den Schriftsteller, aus
ihrem Sinnen auffahrend, etwas be
fremdet an.
Guten Tag, Herr Haase," sagte sie
dann, seine Frage unbeantwortet las
send, in pikirtem Ton.
O, bitte jausend Mal um Entschul
digung." stammelte der Dichtet, dem
sich nun daS Bewußtsein aufdtüngte.
gleichzeitig eine Dummheit gesagt und
eine UnHöflichkeit begangen zu haben.
Meine Zerstreutheit verzeihen
Sie gütigst, aber ich war wirklich so er
freut Sie einmal ohne den Versiche
rungsonk... ohne den Inspektor anzu
treffen, daß ich ganz vergaß.. ."
.Sie sind wohl kein besonderer
Freund vom Herrn Inspektor?" be
merkte Emmy mit neckischem Lächeln.
C doch, im Gegentheil, wie können
Sie glauden!" üdcrhaspelte sich Hans,
der. nun er wirklich mit Emmy allein
war, in grenzenlose Verlegenheit ge
rieth.
Emmy betrachtete ihn noch immer
lächelnd.
Tann sagte sie mit leiser Ironie:
Bis jetzt habe ich noch nicht gewußt,
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Jahrgang 11).
Beilage zum Ncvraska Ztaats-Anzcigcr.
No. 15.
daß man sich freut, wenn man feine
Freunde nicht sieht."
Ader ich freue mich ja gar nicht !
stotterte der Schriftsteller, sich immer
mehr verwirrend.
Wie? Sie sagten doch soeben
selbst...."
Tann muß ich mich geirrt haben 1"
rief HanS, der sich total in eine Sack
gaffe verrannt hatte.
Fräulein Emmy brach in ein herz
licheS Gelächter aus.
Sie widersprechen sich ja in einem
fort. Herr Haase, Hett Haase. waZ
sind Sie doch für ein EonfuftonZtath !"
Da haben wir'S !" fluchte der Dich
ter inwendig. Sie macht sich Uder
mich luftig."
Und der Wiederschein diese? traun
gen Gedankens wat so deutlich in den
Zügen deS Betmften zu kennen, daß
das junge Mädchen sich von Mitleid et
griffen fühlte.
Sie streckte ihrem schüchternen Lieb
Haber die Hand entgegen und sagte:
Sie wetden mir doch meine AuSgelas
senheit nicht übel nehmen? Mich reizt
einmal heute AlleS zum Lachen".
Schöne Aussichten", murmelte HanS
haldlaut, während er sich unbeholfen
an Fräulein EmmyS Seite niederließ.
Dann starrte er stumm und trostlos
in die blauen Wellen des SeeS.
.ES scheint, Sie sind zum Fisch ge
worden, Herr Haase," fing Emmy wie
der spöttisch an.
O, o," rang eS sich in qualvollem
Stöhnen aus der Brust ihres Gefahr
ten, diese Gelegenheit, ohne den
VetstchetungSonkel diese köstliche Ge
legenheit die vielleicht nie wiedet
kehrt und ich Unglücksmensch kann
wieder nicht reden !"
Plötzlich schlug et sich vor die Stirn
und tief mit einem wahren Jubelton:
Ich hab's, ich Hab's! Daß ich auch
nicht gleich daran dachte !"
Was haben Sie denn?" fragte
Fräulein Emmy verwundert.
Der Dichter suchte fieberhaft in allen
Taschen.
Nein, ich hab eS nicht," murmelte
er endlich betrübt. Ich muß eS ver
loren haben."
Aber mein Gott, was denn?"
DaS Manufktipt, aus dem ich...
woraus ich Ihnen. . . o, o. das ist sehr
schlimm, eS bildete meine letzte Hoff
nung."
ES war wohl eine sehr werthvolle
Arbeit?" fragte Fräulein Emmy theil
nehmend.
O a, sehr werthvoll."
DaS thut mir wirklich leid."
Mit auch."
Ei, sieh' da, da kommt ja auch bet
Herr Jnspektot !" rief gleich darauf
Emmy, nach links deutend.
Ich bin entzückt, Sie noch zu tret
tren, Fräulein Schwabe", begann die
ser daS Gespräch, den Schriftsteller ge
fliffentlich ignorirend.
Ich nicht", brummte dieser.
Hatte nämlich einen abscheulichen
Unfall, im wahren Sinne des Wortes,
der mich hinderte, schon früher mein
gewohntes NachmittagZplätzchen hier
am See aufzusuchen, welches mir da
durch, daß es auch Ihr LieblingZauf
enthalt ist. schon lange doppelt werth
geworden."
Sie scheinen sich als den chatten
Fräulein SchwabeS zu betrachten," be
merkte HanS Haase spöttisch.
Nun, daS Schattenhaste dürfte gauz
auf Ihrer Seite sein," gab der Jnspek
tor sarkastisch zurück, indem et seine
Blicke mit bezeichnendem AuSdtuck auf
det mageten Gestalt deS Poeten ruhen
ließ.
Ist eS erlaubt zu fragen, welcher
Art der Unfall war, der Sie bettoffen?"
watf Emmy dazwischen, um daS Ge
spräch in andere Bahnen zu lenken.
O, daZ ist eine traglkomische Ge
schichte. Ich sprang von der Pferde
bahn, als diese noch in voller Fahrt be
griffen, so ungeschickt ad. daß ich zu
Falle kam, während gerade der Stta
ßensprengwagen vorüberfuhr und mich,
noch ehe ich mich erheben konnte, mit
seinen Wasserstrahlen so gründlich durch
näßte, daß ich erst meine Wohnung auf-
suchen und die Kleider wechseln mußte."
Hütte det Kerl nun nicht ertrinken
können!" brummte det Schriftsteller.
Fräulein Emmy fand die Situation
mit dem Wasserwagen zu drollig und
konnte sich deS Lachens nicht enthalten.
HanS Haase stimmte laut und höh
nisch in die? Gelächter ein.
..Nun, Ihr Anzug war doch leben
falls versichert", sagte er dann ironisch.
Der Jnfpeltor hielt es unter seiner
Würde, hierauf zu antworten, der
wickelte aber dafür Fräulein Schwabe
in ein lange- Gespräch über seine neu
abgeschlossenen, Geschäfte und setzte ihr,
unter geschickt eingestreuten LiebenZwür
digkeitcn und Schmeicheleien auZeinan
der. daß er nun bald Generalagent
sein, und wie glänzend eZ dereinst eine
Frau an seiner Seite haben werde.
C Gott, o Gott, wenn ich doch nur
auch so reden könnte, wie dieser EatanZ
mensch !" jammerte der Dichter in tief
fter Seele.
Fräulein Emmy schien die ewigen
VerficherungZzeschichten übet schließlich
doch langweilig zu finden, und in einem
solchen Augenblick vat'Z. wo HanS.
aus seiner stummen Verzweiflung
emporfahrend, die Blicke deS jungen
Mädchen? gar freundlich auf sich ruhen
sah.
DaZ gab ihm mit einem Male wun
dctdaren Muth. Fräulein Emmy
flüsterte er leise, ich muß Ihnen etwas
sagen."
Unwillkürlich antwortete sie ebenfalls
leise : Eo sprechen Sie doch."
Schicken Sie erst den Versicherung?'
onkel weg."
Ader, mein Gott. .."
Dann werde ich ihn entfernen."
Eine kleine Pause entstand, während
alle Drei ftch ihren Gedanken übev
ließen.
Mein Gott, mein Gott, wie wird
mit !" fing da det Dichtet mit einem
Male an zu stöhnen. Fräulein Emmy
Herr Inspektor ich, ich glaube
ich werde schwarz mir ist schwarz
vor den Augen ich werde ohn ohn
mächtig."
In seinen GefichtZzügen schien eZ
schmerzlich zu arbeiten, die Augen nah
men einen starren Ausdruck an.
Emmy, die nicht begriff, daß der
Schriftftellet blos Komödie spielte, brach
in einen SchreckenSruf aus.
Heiliger Himmel, et stirbt !" rief
sie entsetzt. Herr Inspektor, um Got
teS Willen, holen Sie Hilfe, schnell
einen Wagen !
Nein nur Rum, eZ ist ein
Anfall öfter schon Rum " mur
melte det Dichtet mit verlöschender
Stimme, welcher schlau berechnete, daß
det Jnspektot, um dieses Getränk her
beizufchaffen, längere Zeit gebrauchen
werde, als zur Besorgung eines Wa
genS, der leicht in det Nähe anzutufen
wat.
So gehen Sie doch !" drängte
Emmy, die im Augenblick der vermeint
lichen Gefahr plötzlich das ihr bisher
selber unbewußte Geheimniß ihres Hev
zens sich enthüllen sah. An dem angst
vollen Pochen dieses Herzens erkannte
sie die Liebe, welche sie für den bleichen
Mann hegte, der da so reglos, mit ge
schlössen! Augen an ihrer Seite lehnte.
Ja doch, ich gehe schon," murrte der
Inspektor, sich widerwillig auf den
Weg machend.
O Gott, laß ihn nicht sterben!"
flüsterte das geüngstigte Mädchen, sich
über den Pseudoohnviächtlgen ne'gend,
daß er den warmen Hauch ihres Mun
des ganz nahe an feinen Schläfen
sühlte.
Ihm aber hatte die Innigkeit ihres
Tones gleichfalls da? süße Geheimniß
ihreS Herzens offenbart, und in der seit
gen Erkenntniß, sich geliebt zu wissen,
verflüchtigte sich alle Blödigkeit feiner
schüchternen Natur.
Emmy, Emmy, Du liebst mich!"
klang eS leise inS Oht deS jungen
Mädchens, und zu ihtem grenzenlosen
Erstaunen schlang der Ohnmächtige
plötzlich die Arme um ihren HalS. und,
unbekümmert um die etwaigen Zeugen
dieses sonderbaren Schauspieles, preßte
er einen glühenden Kuß auf ihre Lippen,
Zum Glück war an dem an und für
sich schon nicht allzu belebten Otte ge
tade kein Mensch in det Nähe.
Ja. bist Du sind Sie ich
dachte, Sie wüten ohnmächtig," ftam
melte das Mädchen, sich vetwirrt und
erröthend seinen Armen entziehend.
Ach, eS war ja nur eine Kriegslift,
um den VerftcherungSonkel zu entfcr
nen. und sie hat mir schneller zu Deiner
Liebe verholfen, als ich jenialS zu hoffen
gewagt hätte," antwortete er mit früh
lichem Lächeln, aufs Neue nach ihrer
Hand haschend, die sie ihm nicht mehr
zu entziehen wagte.
Dir hat sie daS Herz geöffnet und
mir gleichzeitig die Lippen gelöst," fuhr
er fort, jetzt kann ich'S sagen, immer
fort sagen: ich liebe Dich. Emmy, o ich
liebe Dich ! Und Du? Sag' mir'S nun
auch mit süßen, deutlichen Worten.
waS mit bis jetzt nut Deine zärtliche
Sorge verrathen."
Sie senkte in holder Verwirrung das
Köpfchen.
Tann sagte sie unvermittelt, wie von
einer Idee ergriffen : Und waZ hatte
eZ für eine Bewandtniß mit dem Manu
sknpt?"
Da ach geh ! Nun, Tu mußt
eS ja doch wiffen das war meine ge
schriebet Liebeserklärung." '
Die Tu ablesen wolltest !" lachte sie
hell auf.
Warum nicht gar ! Sie sollte mir
nur als Grundlage dienen. Dich auf
Umwegen einen Blick in mein Inneres
werfen ja lassen, im gegebenen Augen
blick fehlten mir immer die richtigen
Worte ach Gott, daZ ist ja jetzt ganz
egal!" sagte er halb ärgerlich, halb
belustigt.
C. über den schüchternen Poeten!"
rief sie mit muthwilligein Lochen.
.Hier ist der Rum I" klang da eine
Stimme hinter ihnen. Der Inspektor
war mit einer großen Flasche Jamaika
Rum in der Hand zwischen den Bäu
men hervorgetreten.
ES scheint. daZ Leben ist schon von
selbst zurückgekehrt, und aus dem To
des'andidaten ist ein Bräutigam gewor
den," fuhr er in erbostem Tone fort,
da er mit einem Blick die ganze Eitua
tion Überschaut, und erkennen mußte,
daß er der Gefoppte war.
Tragen Sie eS mir nicht nach, aber
in der Liebe ist sich Jeder der Nächste.
Und nun in den OrkuZ mit allem
Groll!" sagte HanS gutmüthig.' Na
die Hand her. VersicherungSonkel !"
Der Henker ist Ihr Onkel, aber
nicht ich !" schrie dieser wüthend.
Seien Sie doch nicht so unversöhn
lich. Herr Inspektor," schmeichelte
Emmy.
Ter künftige Generalagent aber
wandte dem Brautpaar ergrimmt den
Röcken und, die unschuldige Flasche mit
dem köstlichen Labetrunk weit hinaus in
den blauen See schleudernd, schwur er :
In meinem Lebtag hole ich keinen
Rum mehr für Ohnmächtige !"
Die Schlange.
(in ausnalisches Äbenkeuer.
Kaum war ich in Australien ange
langt ich wollte und mußte dort mein
Glück machen so erhielt meine Angst
vor Schlangen neue Nahrung. Ueber
all wurde ich vor Schlangen gewarnt.
So kaufte ich mir denn zur Wehr gegen
die Bestien einen Spazierftock, der Kraft
und Eleganz in sich vereinigte. Bei
meinen Kreuz und Querzügen durch
den australischen Busch" kam der Stock
nie auS meinen Händen. Er bildete
eine solide Stütze, im Nothfalle eine
furchtbare Vertheidigungswaffe, und
wenn jemals eine Schlange vor mir
emporgeschnellt wäre ein wuchtiger
Hieb na. ich will nicht weiter prah
len.
EineS Abends traf ich in einem
Städtchen im Norden von Neu-Süd
waleS ein in der Jahreszeit, die die
LandeZbewohner Frühling" nennen,
mit 40 Grad Wärme von Mittag an
bis 4 Uhr und mit 35 bis 36 Grad am
Abend. Kein Blüiichen regte sich, man
konnte in dieser Atmosphäre von ge
schmolzenem Blei kaum athmen. Die
kleine Stadt lag mitten im Busch.
Hinter dem Hotel, wo ich abgestiegen
war, schlängelte sich ein Flüßchen hin,
daS dem Etablissement Mustitos von
unübertroffener Wuth und Gefräßigkeit
lieferte. Man aß schlecht in diesem
Hotel, desto besser wurde man aber auf
gefressen.
Vor dem Niederlegen plauderte ich
noch ein wenig mit dem Besitzer, einem
deutschen Landsmann, der mit mit
theilte, daß dieser Ort sehr viel von
Schlangen zu leiden habe. Die Nähe
des Bu cheS und des FlüßchenS in Ver
bindung mit det atgen Hitze machte die
Stadt zum wahren Schlangennefte.
Erst am Nachmittage hatte mein Wirth
auf einem Blumenbeete feines Gartens
ein acht Fuß langes Exemplar erlegt.
Und rein zum Tollwerden," sagte er
mir, ist eS, daß die Bestien des Abends
in die Häuser schlüpfen und sich in den
Schlafftuben einen Ruheplatz suchen."
Mir lief ein eisiger Schauet durch
den Körper.
In meinem Zimmer angelangt.
suchte ich natürlich überall nach, in den
Ecken und Winkeln, unter den Möbeln.
untet und in meinem Bette. Ich wen
bete die Decken und Kopfkiffen. Ich
glaube sogat. Gott verzeih' eZ mir, ich
sah auch in den Schubkasten det Kom
mode nach.
Nirgends eine Schlange.
Völlig beruhigt schloß ich das Fen
fter, entkleidete mich, löschte das Licht
aus und kroch, doch wieder etwas Sngft
lich. in mein Lager.
Die Hitze wat zum Ersticken, mm
Schlagrühren. Die MuskitoS began
nen mir um den Kopf zu summen.
Mein Bett umspannte zwar ein Mu?
kitonetz. doch es hatte mehrere Löcher,
wie man daS in den meisten Hotels
Australiens antrifft. Um mir den Kopf
zu schützen, zog ich. auf die Gefahr des
Ersticken? hin. die Decke über'S Gesicht,
und vor Schweiß triefend und kaum
athmend suchte ich im Schlafe die wirk
lichen MuSkltos und die eingebildeten
Schlangen zu vergessen.
Eine ganz kurze Zeit mag ich ge
schlummert haben. Die Hitze war aber
so arg. daß ich keuchend und glühend
wie in einem Bad' von Echnieiß lag.
Da entschloß ich mich. Arv'e und Hünde
den MuskitoS preiszugeben. Die Decke
über dem Gesicht behaltend, streckte ich
die Arme heraus und legte die Hände
auf das Bett.
Wahrhaftig, ich bin kein Hasenfuß
und habe schon als Einundzwanzig
lähriget auf den franzöftschen Schlacht
feldern die Kugeln pfeifen gehört und
doch gefror mit trotz der Höllenhitze jetzt
das Blut in den Adern. Ich hatte die
rechte Hand auf eine Schlange gelegt.
die ausgestreckt quer übet det Decke
tuhte. Ich Hütte sie beinahe gepackt.
Ja, eine Schlange, wie eine solche nur
sein kann, kalt und regungslos wie der
Tod.
Die Schlangen haben einen festen
Schlaf. Diese hier chlief wie ein Büt.
Sie rührte sich nicht. Vorsichtig zog ich
die Hände zurück und verbarg sie wieder
untet det Decke.
DaS wat eine schlimme Situation
Eine Schlange. .. in pechfinstetet Nacht
... auf mit und ich ohne jede Wane.
ohne ein Mittel det Vettheidigung odet
zut Flucht oone Hoffnung auf
Hilfe .... fast nackt .... das wat selbst
füt den muthigften Mann etwas zu
viel.
Die Lage schien mit entsetzlich.
Von oben diS unten rieselte mit ein
kalket Schweiß hetab. Ich wat. von
Schrecken gelähmt, wie an da? Bett
festgenagelt.
WaS war hier zu thun?
Sollte ich aufstehen und mich zu ret
ten suchen? Ja, natürlich; doch ich
erweckte dabei vielleicht die Schlange,
und diese versperrte mir möglicher Weife
die Thüt. Am tathsamften erschien eS
mir, bis zum Andtuch deS TageS zu
warten. Leidet konnte eS jetzt kaum
Mitternacht sein.
Die Schlange tührte sich nicht, ich
natürlich mich auch nicht. Ich fühlte
sie in ihrer ganzen Länge auf mit
liegen. Auffallend schien mit nut.
daß sie in ganz ausgestreckter Haltung
schlief, statt zusammengerollt zu liegen,
wie ihresgleichen fast stets zu ruhen
pflegen. Durch zwei kaum merkbare
langsame Bewegungen der Kmee übet
zeugte ich mich, daß meine Schlange
gegen dtei kvuß lang sein mochte. DaS
ist die DurchschnittSläng: der auftreli
schen Death.Adder". Da wurde eS
mir schwindlig bei dem Gedanken, daß
dieses llngeheuet. dessen Biß den Men
schen fast augenblicklich tobtet, htet be
reit lag. mich beim Erwachen umzu
bringen.
Ich überdachte einen anderen Plan.
Ich wollte die Decke vorsichtig zufam
rnenrollen, da? Reptil darin einwickeln
und dann erwürgen oder etfticken. Ja.
das schien zunächst seht einfach; leidet
wat eS nut gat zu finster, und ich setzte
mich dabei det größten Gefahr auS.
Die Schlange konnte doch leise aus der
Umhüllung gleiten und mir am Arme
einen tödtlichen Biß versetzen. Nein,
noch einmal, etwas Andres doch zu
erft Licht, auf das Risiko hin. Alles
auf s Spiel zu setzen.
Ich streckte den rechten Arm aus und
tastete nach den Streichhölzchen, die auf
dem Nachttische neben meinem Bette
standen. Fünf Minuten dauerte wohl
das Manöver, bis ich sie mit zitternden
Fingern faßte. Ohne mich zu rühren.
gelang es mir nach unerhörten Be
mühungen, die Kerze anzuzünden. Zu
erft erschreckte mich das Licht. Höchst
wahr cheinlich erweckte ich dadurch die
Schlange, und der ungleiche Kampf
nahm einen Ansang.
Die Schlange hielt sich noch immer
unbeweglich.
Ich wagte eS vorsichtig, den halben
Kopf auS der Decke hervorzubringen und
ließ einen ängstlichen Blick über mein
Bett gleiten. Meine Schlange lag
darauf, in tiefem Schlafe, gerade ge
nrecn wie ein l. Jetzt wurde ich noch
kühner, und es gelang mit auch, vet
stöhlen aus dem Bette zu schlüpfen.
Natürlich suchte ich zunächst nach mei
nein Stock aus gutem spanischen Rohr.
Pang. damit ist's abgemacht!"
dachte ich und war im schlimmsten Falle
bereit, mein Leben nut theuet zu vet
kaufen..
Ich sah auf den Kamin, starrte nach
allen Ecken kein Stock zu finden.
DaS war ein schwerer Schlag. Wo
konnte er sein ? Hatte ich ' ihn im Ge
sprüch mit dem Wirthe au? Unglück
lichem Versehen stehen lassen ?
Da nüberte ich mich wieder dem Bette.
Ich ergriff die Kerze und da ich mich
jetzt völlig wach und in, Besitz meiner
inne suqne, irai icg yeran, und ve
trachtete mir den feindlichen Gast.
Da lag er. der.. ,. Steck!
ritte Prinz von Walcö. Anekdote.
Die bewundernZwertbe (SVwnr,Mfi,;t
mit der Englands zukünftiger Herrscher
unangenehmen Situationen aus dem
Wege zu gehen weiß, ist schon häufig
erwähnt worden. Es-passirt nämlich
nicht selten, daß Prinz Albert Edward
bei seinen Morgnispaziergänacn im Et.
James Park in London von Bittstellern
belästigt wird. Die Leute wissen ganz
genau, auf welchen Wegen und zu wel
cher Stunde sie Seine Kgl. Hoheit tref
sen können, und im Vertrauen auf die
zrrße Leutseligkeit des Zhronerden ihres
Landes dringen die fcöhne und Töchter
AldionS ch.ie Scheu ihre Anliegen vor.
Eo demctkte nun det Prinz eine?
Zages, daß ihm eine feingekleidete,
aber überspannt aussehende ältere
Dame folgte, und eine Gelegenheit
suchte, sich ihm zu nähern. Er erin
nerte sich, die Person schon früher ein
mal gesehen zu haben. Da ihm die
Sache nicht angenehm wat. beschloß det
Ptinz keine Notiz von det Frau zu neh
men. Et setzte seinen Weg in etwa?
schnellerem Tempo fort, doch gelang es
ihm nicht, der Dame zu entgehen.
Kaum hatte et einen anderen Pfad
einschlagend, den Rückweg angetreten,
alZ die Frau plötzlich vor ihm stand,
eine tiefe Verbeugung machte und an
ihrer Handtasche nestelte. Prinz Albert
lüftete höflich feinen Hut und wollte
vordeischreiten, dii hatte die Bittstellerin
ein dicht beschriebenes Pergament aus
ihrer Tasche genommen und sich noch
malS verneigend, redete sie den Prinzen
mit den Worten : Verzeihen Eure KS
nigliche Hoheit, ich habe eine Beschwerde
über "
Schlagfertig wie immer unterbrach
sie Prinz Albert, indem er mit rauh
klingendet Stimme und statt deutschem
Accent sagte : Ach Madame. Sie irren
sich ; aber die? ist nicht daS erste Mal.
daß ich für den Prinzen von WaleS ge
halten werde."
Die Person deS Verkannten" mit
einem Blicke tieffter Verachtung ftrei
fend. fteckte die Dame ihr kostbares
Dokument wiedet ein und bemerkte kühl
und vornehm : Vor Jahren kannte ich
sämmtliche Mitglieder det königlichen
Familie sehr genau. Meine Augen
sind jetzt aber etwas schwach geworden,
sonst wäre mir ein fo grober Irrthum
sicher nicht passirt." Sie sprach eS und
verschwand, während der Prinz unbe
läftigt seinen Weg verfolgte.
Wahre Uie macht erfinderisch.
Eine junge Dame in Berlin hat die
sen Satz wiedet einmal glänzend bewie
sen. Vot mehreren Monaten hatte sie
in einet Gesellschaft den jungen Guts
befitzet P. kennen gelernt, der sich feinet
wissenschaftlichen Ausbildung wegen in
Betlin aufhalt. Die jungen Leute fan
den an einandet Gefallen und vetliebten
sich in einandet. Hett P.. dem eS um
diese Liebe zut bildhübschen Gertrud
recht ernft war, wußte sich in daS HauS
ihrer Eltern Eingang zu verschaffen,
um so der Geliebten möglichst oft nahe
zu sein. ES dauerte aber nicht lange.
da kam man auf ihr Geheimniß, und
Herr P. mußte daS gastliche HauS mei
den. ES wurde nun, wie dies bei Ver
liebten Brauch ist, eine Posterefiante
Korrespondenz eingerichtet, aber auch
dieS wurde entdeckt und hatte zur Folge,
daß Frl. Gertrud nie mehr allein aus
gehen durfte. In dieser ihrer Noth
kam die junge Dame auf einen teizenden
Einfall. Hett P. hatte ftühet, da er
ihr HauS noch besuchen durfte, ihrem
Papa einige Brieftauben gesch-nkt.
Fräulein Gertrud machte mit einet sol
chen den Versuch, det übetauS glücklich
gelang. Det gefiederte Bote hatte daS
HauS deS Geliebten noch im Gedacht
niß, so daß er fleißig hin und herflsg,
jedesmal mit einem zärtlichen LiebeS
briefchen beschwert. Nun geschah eS
aber einmal, daß die Muttet deS Früu
leinZ Gertrud diese juft dabei über
raschte, als sie ihrem lieben Brieftraget
ein Röllchen auS Seidenpapier ander-
traute eS gab eine fürchterliche Szene,
und der Batet deS FtüuleinS Gertrud
suchte Herrn P. auf. um mit ihm ein
deutsches Wort zu teden. Dieses deut
schc Wort hat aber eine seht rnerkwür
dige Wirkung gehabt; denn der Vater
etkannte bald, daß Hett P. ein gat
wacketet, braver Mann sei, dem man
fein Kind anvertrauen kann und fo
endete die Sache mit einer solennen
Verlobung. Det LiebeSbriefbote spielte
hierbei eine große Rolle, et wurde von
allen Güftcn bewundert, von den jungen
Damen sogar zärtlich geküßt.
Eigentlich sollte unS das gar nicht
wundern, denn die zarten, sanften VS
gel waren ja schon bei den alten Grie
chen und Römern der Liebesgöttin
heilig.
Zine kühne Antwort.
Friedrich der Große befahl einmal
nmm Juftizminister von Münchbausen.
ein gerichtliches Urtheil umzustoßen und
deßhalb an daS Kammergericht zu be
richten. Der brave Mann weigerte fich.
Auf diese Veranlaffung hin diktirte der
König kutz darauf seinem KabinetS
Sekretär folgendes Schreiben: Mein
lieber Juftizminifter von Münchbausen!
Er ift ein sehr rechtschaffener Mann,
aoer ein recht grober Kerl."
Münchhau en blieb hierauf die Ant
wort nicht schuldig und diese lautete:
Euer Majestät erdreiste mich darauf
aufmerksam zu machen, daß der Kon
zipent des königlichen Erlasses sich gegen
den ersten Diener der Krone sehr Pein
licher Ausdrücke bcdict bat und lebe ick
der Ueberzeugung. Euer Majestät wer
den demselben das Unsügliche darin al
len ErnstcS verweisen." '
Fril-drich der Große schwica daraus.
als er aber nach längerer Zeit den lüd
nen Minister in ddarlottenburg seh,
slCtc et ?u ihm : ..Na. mein liebet
Münchbausen. ich habe es meinem
Sekretär gesagt. Er will'S nicht wie
der thun I"