Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 25, 1898, Image 9

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    V
Der Soiiulagsgaff.
Jahrgang l!. Beilage zum Ncbraska Ztaats-?ln;cigcr. No. 14.
Hiebt rafirt.
tunio-.ttft ton Ä. v 0 !, ri;i(r.
Hauptmann von Locwer.WS war feit
acht Zagen zu dem in Tann'üderg
stehenden Jägexbataiflon örrfcf t ttot
den. (fr war ein großer seiner Mann
und namentlich sein ftattlichir. wunder,
barer Volldart erregte allgemeine Auf.
merksamkeit; einige bartlose LieutenaniZ
beneideten ihn darum, wahrend hei.
rathZdedürftige junge Damen ihn be
wunderten; leider erfuhren aber ledere,
daß Herr von LoewenfelZ bereits derhei
rathet sei und seine sehr schöne Frau in
allernächst Zeit ebenfalls eintreffen
werde.
La! Ctrohwittwerthum schien aber
dem Hauptmann gar nicht Übel zu be
hagen; er war nämlich ftändiger Gaft
in dem .blauen Ochsen," wo ein Stamm
tisch auS Offizieren und Beamten sich
gebildet hatte.
Heute Abend war e? schon ziemlich
spät geworden, und nur noch Loewen
fe!Z mit fünf Lieutenant; faßen an
dem runden Tisch bei einem Glase Er
langer.
Donnerwetter, Herr Hauptmann,
wenn ich nur einen solchen Bart hatte,
wie Sie," meinte der Premierlieutenant
don Dammer'Weften, der schon einige
male den Versuch gemacht, sich einen
Bolldart ftehen zu lassen, denselben aber
jede? Mal nach drei oder vier äüochen
aufgegeben hatte, da auf den Backen
trotz aller angewandten Salben, n'.cht
hatte emporschießen wollen.
.Ja und mich kam jener Tag theuer
zu ftehen, von welchem an ich mir da
malS ohne meinen Willen diesen Bart
wachsen ließ."
Ach, erzählen Sie doch mal, mein
bester Herr Hauptmann! DaS ift ja ge
Miß recht interessant."
LoewenfelZ that bedächtig einen lan
gen Zug aus dem Glase.
.Ich stand als älterer Secondelieute
nant bei den Füsilieren in Frauftadt.
ES war dienstlich, wie außer Dienst ein
sehr angenehmer GarnisonZort. Wir
verkehrten sehr viel in den Häusern der
dortigen Beamten und Großkaufleute.
Namentlich war ich im Hause deZ Herrn
Braun, deö angesehensten Fabrik
desitzerS ein häufiger Gast und war, als
sich meine Geschichte zutrug, auf dem
Standpunkt angelangt, Fräulein Dora,
der zweiten Tochter, meine Liebe zu er
klären. Die Gelegenheit bot sich mir
günstig, denn am heutigen Abend war
großes Sommerfeft und ich beschloß die
scn Tag nicht unbenutzt vorüber gehen
zu lassen.
Eine zahlreiche Gesellschaft versam
melte sich am Abend des 13. August in
Billa Braun.
Während einer Tanzpause reichte ich
Dora den Arm. wir gingen gleich den
,, übrigen Paaren etwa? in dcm Herr
lichen, durchLampionS beleuchteten Parke
spazieren.
Als ich mich von der Geliebten verab
schiedete. erhielt ich auf meine Frage :
.Darf ich morgen mit Ihrem Herrn
Papa sprechen?" die leise geflüsterte
Antwort :
.Jawohl, Herr von LoewenfelS!"
Ich war überglücklich, die schönsten
Träume umgaukelten mich, 'als ich nach
zwölf Uhr mein Lager aufsuchte.
Herr Lieutenant. eS ist sechs Uhr!"
weckte mich am anderen Morgen mein
Bursche. eS ift die höchste Zeit. Herr
Lieutenant, um ein halb sieben soll die
Compagnie zum Abmarschieren bereit
stehen."
Alle Wetter, jetzt siel mir erst wieder
ein, daß wir ja heute RegimentSvorstel
lung vor dem kommandirenoen General
hatten. Mit beiden Füßen zugleich
sprang ich auS dem Bett und donnerte:
.Aber Peter, warum weckst Du mich
denn nicht zeitiger? Ich werde ja kaum
fertig!"
Peter machte ein äußerst klägliches
Gesicht:
.Ich habe den Herrn Lieutenant be
reitS zweimal geweckt, aber der Herr
Lieutenant standen nicht auf!"
Ich beeilte mich also so schnell a!S
möglich, Toilette zu machen. Zehn
Minuten vor halb stand ich fix und fer
tig da; aber bei aller Hetze hatte ich
nicht an meinen starken Bartwuchs gc
dacht. Backen und Kinn mußten täglich
sorgfältig rssirt werden, um menschlich
auszusehen.
.Man wird eS bei dem Staub auf
dem Exercierplatz nicht sehen, daß der
Herr Lieutenant nicht raftit sind!" trö
stete Peter, dazu ift keine Zeit mehr,
zehn Minuten gebrauchen der Herr
0;.itimrtnl tj.?nSafftfttÄ lim ttt ht Q.T
tillMifr.lUltt !tltlVk.tiv, ... vv tu-
ferne zu kommen."
Mein Bursche hatte Recht, zudem
war mein Hauptmann Dnllhase die
Pünktlichkeit selber und konnte recht im
angenehm werden, wenn man auch nur
eine Sekunde zu spät kam.
Ich begab mich daher in schnellster
Gangart in die Kaserne, sah auf den
Hof derselben tretend bereits Drillhase
dsr der Compagnie halten und einen
Iäsilicr ganz tüchtig verreißen.
Ein Blick nach der Kasernenuhr,
wie fatal, bereits eine Minute über
halb sieben.
Ich meldete mich zur Stelle, Drillhase
warf mir einen strafenden Blick zu und
meinte :
.Herr Lieutenant, ich darf wohl um
etwas mehr Pünktlichkeit bitten, e? ift
bereits eine Minute über halb." Ich
legte zur Bekräftigung dieser nicht weg
zu leugnenden Thatsache ftumm die
Rechte an den Helm und war froh, daß
der Hauptmann nicht noch seine Glossen
über meine schwärzlichen Wangen und
Kinn machte. Ader er hatte soviel mit
dem Anzuze der Leut? zu thun, daß er
mich weiter nicht beachtete.
Nachdem Drillhase verschiedene Arrest,
strafen. Nachexerzieren und Straf
Rapport? verhängt hatte, marschirten
wir zum Stellplatz des Bataillons und
zogkn bald unter den Klängen eine?
flotten Marsch?; dem großen Exerzier
platz zu; dieser hieß wegen deS dort mas
senhaft vorkommenden Sande;, der die
dort übenden Abtheilungen stctZ in dichte
Staubwolken hüllte, im Soldatenmur.de
die Streubüchse.
Freundlich schien die Sonne vom
Himmel herab, doch al; wir in schön
gerichteter Paradelinie in Erwartung
Seiner Excellenz deZ Kommandirenden
dastanden, umzog sich der Himmel, ein
leichter Regen riefelte hernieder und
sättigte den Sand dcZ örerzierplatzeZ,
fodaß kein lüstiger Staub mehr von ihm
aufstieg.
Der Hauptmann schritt noch einmal,
als Excellenz in der Ferne am Rande
des Exerzierplatzes erschien, die Front
der Kompagnie herunter, den Helmfitz
der Leute zu prüfen. Ader Herr Lieu
tenant, Sie sind ja nicht rasirt!" rief er
mir leise zu, als er bei mir vorüber
schritt.
.Herr Hauptmann, ich "
.Stillgestanden!" kommandirte der
Regimentskommandeur, also verboten
sich weitere Auseinandersetzungen.
.Achtung-Präsentirt das Gewehr!"
Seine Excellenz galoppirte auf den
rechten Flügel des Regiments zu, der
Herr Oberst überreichte ihm den Front
rapport und der Kommandirende nahm
jetzt gefolgt von der glänzenden Suite
die Paradeaufftellung ab.
Mir war eZ, als betrachtete mich Ex
cellenz ganz besonders.
Das Exerzieren war beendet.
.Die Offiziere zur Kritik zu Seiner
Excellenz!" rief der Oberst.
Ich bitte es sich bcquem zu machen!"
begann der Kommandirende von seinem
großen Rappen herab, unZ wohlwollend
zunickend. Ich kann nur meine größte
Anerkennung auSsprechen, Herr Oberst,
über daZ, was ich heute vom Regiment
gesehen habe; daS geschlossene Exerzieren
war musterhaft, daS Gefecht wurde von
Ihnen ganz meinen Ansichten entspre
chend angesetzt und durchgeführt. Ich
danke Ihnen, meine Herren!"
Mir fiel ein Stein vom Herzen, meine
Unrasirtheit war also nicht bemerkt
worden.
Frohen Herzens, in einer Stunde
hoffte ich Dora als Braut an meine
Brust drücken zu können, rückte ich ein.
Ich danke den Herren!" verab
schiedete Drillhase mich und meinen
Compagnie-Kamerad auf dem Käser
nenbofe.
Ich sah nach der Uhr, eZ war elf, ich
mußte mich also beeilen mit der Toilette,
wenn ich nach zwölf Uhr in der Villa
Braun sein wollte.
LoewenfelS LoewenfelZ!" rief eine
Stimme, als ich das Kasernenhofthor
passirte.
Ich wandte mich um. Mein Freund
der Regiments'Adjutant Sturm winkte
mir.
WaS ist denn loZ, Sturm? Habe
ich ein Kommando erhalten? Bitte,
sag' schnell, ich habe keine Zeit!"
WaS eigentlich los ift, we.ß ich nicht,
der Oberst sagte mir ich sollte Dich so
fort in da Regimentsbureau rufen!"
Ich war mir keiner Missethat bewußt
und folgte daher reinen Herzens Sturm.
Herr Lieutenant von LLöaisnfelZ,
ich mutz Ihnen mein größtes Mißfallen
darüber ausdrücken, daß Sie unrasirt
zur RegimentZvorsielluug geommen
sind, ich bestrafe Sie deshalb M;t einem
Tage Stubenarrest!"
Das war ein Blitz aus heiterem Him
mel! Dora wartete und ich konnte nicht
kommen. Da fuhr ein rettender Ee
danke durch mein Gehirn.
Ich wollte dem Herrn Oberst gehör
famst melden, daß ich beabsichtige, mir
den Bart ftehen zu lassen!"
Tagegen läßt sich nichts einwenden,
nur Hütten Sie wenigstens an einem
anderen Tage damit beginnen sollen.
Seine Excellenz hat mir privatim sein
größtes Mißfallen über diese Angelegen
heit ausgesprochen. Im Uedrigen bleibt
eS bei dem einen Tage. Ich danke
Ihnen!"
Da! war deutlich genug, ich war ent
lassen, begab mich auf mein Zimmer,
woselbst Punkt zwölf Uhr mir Sturm
in der liebenswürdigsten Weife meinen
Degen abnahm. Ich war in nicht ge
ringer Verzweiflung. Sollte ich an
Tora'S Vater schreiben, ihm den Grund
mittheilen, warum ich nicht kommen
kannte ? Ich verwarf diesen Gedanken.
waS für einen Begriff mußte Herr
Braun von diesem eventuellen Schuie
gerfohn bekommen. Ich beschloß daher
sofort, wenn ich morgen die Freiheit
wiedergewonnen, nach Villa Braun zu
gehen und dann Dora AlleZ zu erklären.
In todtlicher Langerweile ging der
Nachmittag dabin, zeitig begab ich mich
zur Ruhe und stand erst spät wieder auf.
AIS ich mich im Spiegel erblickte,
prallte ich fast vor meinem Edenbilde
zurück, kohlschwarze Bartstoppeln wu
cherten üppig um Wangen und Kinn
und gewahrten einen schauderhaften
Anblick.
.Peter hole mal schnell den Friseur!"
Zu Befehl, Herr Lieutenant."
Nach zehn Minuten tänzelte' Herr
Dugge, der kleine zierlich blasse Haar
und Bartkünftler in da? Zimmer, stellte
seinen kleinen Koffer auf den Tisch an
der Thür und begann Schaum zu schla
gen.
RegimentZvorftellung ist gut abge
laufen, der Herr Lieutenant waren wohl
unwohl, daß Sie sich gestern nicht raft
ren ließen!" Ich brummte als Entgeg
nung irgend Etwas, daS er wohl für
eineZuftimmungchielt denn, er dienerte:
Ganz recht, Herr Lieutenant, wollen
Sie gefälligst Platz nehmen!" indem er
mir einen Stuhl hinschob.
Ich nahm Platz; sorgfältig legte mir
Herr Dugge die Serviette um und be
gann gewandt meine rechte Backe einzu
seifen.
Plötzlich siel mir meine gestrige Mel
dung an den Oberst ein! Ich konnte
mich auf keinen Fall raftren laffen, ich
hätte mich zum Mindesten lächerlich ge
macht.
Nein. Herr Dugge. der Bart bleibt
stehen, ich will nur frifirt sein."
I der Herr Lieutenant scherzen!"
entgegnete der eifrige Herr und machte
Miene in feiner Arbeit fortzufahren.
Als ich aber seinen Arm ergriff und
fortschleuderte, blickte er mich erstaunt
an.
.Aber Herr Lieutenant, jetzt im
Sommer einen Vollbart ftehen lassen ?
Außerdem sind hier an beiden Seiten
einige recht dünne Stellen, eZ wird lange
dauern, bevor dieselben zuwachsen und
dann, Herr Lieutenant, eS wäre jam
merschade um den schönen Schnurrbart,
der käme bei dem VoHbart gar nicht
mehr zur Geltung!"
Mir ganz egal!" sagte ich ärgerlich,
der Bart bleibt ftehen, frisiren Sie
mich schnell, ich habe nicht viel Zeit!"
Stumm kam Dugge der Weisung
nach, er war sichtlich in seinem Barbier
und Friseurftolz gekränkt.
Als er aus der Thür ging, lispelte
er : Der Herr Lieutenant werden bald
einsehen, daß ich Recht habe!"
Ja, der Mann hat vollkommen
Recht!" sagte ich mir selbst, als ich mein
Antlitz betrachtete, das wird eine nette
Zeit dauern, bevor ich mich mit dem
Bart sehen lassen kann!" Ich wanderte
nach dem Regimentsbureau und meinte
immer zu fühlen, daß alle mir Begeg
nenden lächelten.
Der Oberft war heute entschieden
friedlicher gestimmt.
Immer richtigen Zeitpunkt wählen,
Herr von LoewenfelS. war wir nicht an
genehm, Sie bestrafen zu müssen, aber
Nase von Excellenz gefaßt, so wa? ge
sagt von Taktlosigkeit junger Offiziere ;
na lassen Sie eZ nicht wieder vorkom
men sehen übrigens nicht sehr schön
aus in dem Barte. Ich danke Ihnen."
Ich hätte gewünscht, er hätte mir be
fohlen, diesen vermaledeiten Bart wie
dcr abzurasiren. Nun, wenn ich mich
verlobt Satte, würde wohl niemand et
waZ darin finden. Aber was wird
Dora zu diesem Aussehen sagen ? über
legte ich, als ich jetzt, eine gesetzte Rede
für deren Vater memorirend, nach Villa
Braun ging.
Ich klingelte. Der mir wohlbekannte
und durch manches Fünfgroschenftück
wohlgesinnte Diener erschien.
Nehmen die Herrschaften Besuche
an. Jrik)?"
Bedarre, die Herrschaft ist auf vier
Woch:n nach der Schweiz gereift der
Herr Luienant lassen sich wohl einen
Volldart stehen?"
..Ja, hm. hm! hier sind meine Kar
ten !"
Verwundert blickte mich der Alte an.
so kurz hatte ich ihn wohl noch nie be
handelt. Recht mißmuthig ging ich in das
Kasino. ES hatte ja einestheilZ sein
Gutes, daß mich Dora jetzt nicht gesehen,
aber was mußte sie von mir denken,
daß ich gestern nicht gekommen. Nun
war sie nach der Schweiz abgereist, lernte
dort vielleicht einen andern kennen und
ich war außer unrasirt, auch noch der
lackirte Mohrenknabe.
Eine allgemeine Heiterkeit entstand
unter den Kameraden, als ich in den
Speisesaal trat. Von allen Seiten reg
ncte eS Witzeleien und Spöttereien.
Hören Sie mal. LoewenfelS. halten
Sie nun nur Ihre Haars auf dem Kops
zusammen, denn eS ift eine alte Weste,
daß, wer einen Vollbart trügt, schnell
eine Platte bekommt!" ries mir Haupt
mann Schnell zu, der allerdings auch
ohne Vollbart einen ganz gehörigen
Mondschein aufzuweisen hatte.
Nach acht Tagen ging man aber über
meinen luftig weiter sprossenden Bart
zur Tagesordnung über, nur ich be
trachtete denselben jeden Morgen mit
immer kritischeren Blicken, denn die vier
Wochen neigten sich mit rasender Schnei
ligkeit ihrem Ende. Zu meiner Freude
waren am Schluß derselben auch die
beiden dünnen Stellen auf den Backen
ziemlich zugewachsen, waS Herr Dugge
in der Hauptsache einem von ihm fadri
zirten Oel zuschrieb, von welchem ich im
Verlauf der vier Wochen sechs Flaschen
zu einem Thaler verbraucht hatte.
Morgen, als an einem Sonntag Abend,
sollten die Braun'schen Herrschaften zu
rückkommen, wie mir Fritz anvertraut
hatte. Ich beschloß daher, dieselben auf
dem Bahnhof zu empfangen' und den
Damen BouauetS zu überreichen, gleich
zeitig zu versuchen, Dora mein Mißge
schick zu erklären.
Ich ftannd in bester Laune von der
Welt, deZ Sonntag? Mittags vor der
Kaserne, als mein Freund Sturm auf
mich zu kam.
Na Tu haft einen Stein im Brett,
alter Freund, beim Oberft. er hat Dich
zum Aufstellen der Scheiben nach dem
Schießplatz kommandirt, famofe Tage
gelber, vierzehn Tage keinen Dienst!
Du mußt noch heute abreisen, um sechs
geht der Zug. morgen soll schon bei Zei
ten mit den Arbeiten begonnen werden,
Deine Papiere, die Du brauchst, liegen
im Regimentsbureau bereit."
Wieder vierzehn Tage sollten der
fließen, ohne daß ich Dora sehen konnte!
Er war zum Verzweifeln! Doch was
sollte ich machen? ES war befohlen,
folglich mußte ich gehorchen. Endlich
war auch diese Zeit vorüber und zu mei
ner Freude mein Bart recht gut gedie
hen. Geflügelten Schrittes eilte ich,
nach der Garnison zurückgekehrt, zur
Villa Braun. Wieder öffnete Fritz.
Die Herrschaften zu Hause?"
Bedaure, die Herrschaften sind bis
Ende September ins Seebad gegangen,
sie sind gestern abgereift. Ihr Bart ift
aber schön geworden, Herr Lieutenant!"
Meinen Sie ?" rief ich erfreut und
drückte dem Alten, zugleich mit den Vi
sitenkarten. ein Fünfgroschenftück in die
Hand. ,
Nach wenigen Tagen rückten wir zum
Manöver aus. Am Fünfundzwanzig
ften kehrten wir aus demselben heim und
ich hatte einen, richtigen Vollbart, der
Ihnen gut steht", wie die Kameraden
sagten. Ich fand für den anderen
Abend eine Einladung zum Thee bei
dem Kommerzienrath Gleich vor. Da
ich die Adjutantengeschäste für meinen
beurlaubten Freund Sturm des andern
Mittags übernehmen mußte, konnte ich
leider meinen Plan, bei Braun'S Besuch
zu machen, nicht ausführen.
Fast alle Gäste waren schon Abends
bei KommerzienrathS versammelt, als
die letzten, Mama Braun und Dora
eintraten.
Ah, so verändert, Herr Lieutenant!"
sagte Dora, alS ich sie begrüßte und
wandte sich zu einer Freundin: Liebe
Grete. wirft Du uns nächsten Sonntag
das Vergnügen machen ?"
DaZ war deutlich. Ich bemerkte
während des Abendessens, ich faß ziem
lich entfernt von Dora, wie diese mich
einigemale beobachtete.
Als nachher etwas getanzt wurde,
nüberte ich mich der Angebeteten.
Gnädiges Fräulein, darf ich bitten?"
Ich glaube. eZ wäre besser, Herr
von LoewenfelZ, wenn "
Gnädiges Fräulein. Barmherzigkeit,
hören Sie mich, ehe Sie mich verkam
men. ich bin unschuldig!"
So sprechen Sie!"
Bald wußte Dora Alle. Wir waren
wieder die Alten und zum Abschied
sagte sie :
Morgen. Arno, also bestimmt!"
Bestimmt mein HerzmZschatz!"
AlZ ich am andern Mittag nach einer
Unterredung mit dem Vater Dora als
meine Braut umarmen durfte, flüsterte
sie mir zu :
Du. in dem Bart gefällst Du mir
doch besser, als erst, die vierundzwanzig
Stunden Arrest haben doch ihr Gutes
gehabt! Aber abschneiden darfst Du den
Bart nur auf mein Kommando!"
Da dieses noch nicht erfolgt ist."
schloß der Hauptmann, mußte ich ihn
füglich tragen! Es ist mir auch nicht un
angenehm, denn das ewige Rasiren hatte
ich recht herzlich satt."
3fyre erste kttge.
Von Emil faiU.
Ganz Langhagen war heute in freu
diger Erregung. Gab eS doch endlich
für die guten. Leute etwas Neues zu
hören und zu sehen. Gretchen Meister
feierte ihre Hochzeit mit einem reichen
Berliner Fabrikanten, der sich kopfüber
in daS arme Mädchen verliebt hatte,
und da fiel für Manchen etwas ab.
Diese freuten sich auf die Genüsse der
Hochzeitstafel, jene auf den Tanz, die
dritten auf einen guten Tropen. Und
welch' dankbaren Stoff gab nicht die
Mesialliame für die Kaffeekränzchen;
die einen wünschten dem lieben, dcschei
denen Mädchen von Herzen Glück, die
Anderen verhehlten ihren Neid nicht ;
eine besorgte Mutter aber beruhigte
ihre Töchter mit der Spruchweisheit :
.Kinder. eZ ift nicht Alle? Gold, waS
glänzt."
Die aufrichtigste Freude legte natür
lich die Brautmutter an den Tag. Nun
konnten sie getrost die Nase rümpfen,
die Frau Amtsrichter und Doktor und
Apotheker: nun konnten sie kommen
und über ihren Schwiegersohn vor Neid
bersten.
Auch der Himmel meinte eZ mit
Gretchen gut. Goldener Sonnenschein
lag auf den Straßen und Tüchern der
kleinen Stadt ; die alten Linden vor
den schmucken Häuschen prangten im
ersten Frühllngsgrün. und die Spatzen
schrien mit den Kindern um die Wette :
Hoch Bräutigam und Braut l" Schon
fuhren die ersten Wagen zum freund
lichen Kirchlein, und die Nachbarn lug
ten auS den Fenstern, um auch etwas
vom HochzeitSputz zu sehen.
Vom Bahnhof kam eilenden Schrit
teS ein stattlicher junger Mann, der
gleichfalls dem Gotteshause zuschritt.
Ihn kümmerte wenig die neugierigen
Blicke, die ihm nachfolgten, und theil
nahmloS erwiderte er die Grüße, die
ihm hier und da zugenickt wurden. Als
er fein Ziel erreicht hatte, erstieg er
unbemerkt die Treppe, die zum Orgel
chor führte. Mit freudigem Erstaunen
begrüßte ihn der alte Cantor, von dem
er dereinft den ersten Musikunterricht
empfangen hatte. Der Alte konnte mit
Recht stolz auf diesen feinen Schüler
fein, der sich trotz seiner Jugend be
reitS einen geachteten Namen in der
musikalischen Wett erworben hatte.
Der junge Mann bat seinen Lehrer
dringend um die Erlaubniß, jetzt für
ihn spielen zu dürfen, da er der Braut
einst feierlich versprochen habe, an
ihrem Ehrentage den Feftchoral zu spie
len. Der Alte war darod nicht böse
und freute sich, anstatt in dumpfen
Kirchenhallen, in der jungen Frühling?
welt dem Evangelium der GotteSliebe
lauschen zu dürfen.
Der letzte Wagen brachte daS junge
Paar. Draußen drängten sich Kinder,
Dienstmädchen und alte Frauen neu
gierig herbei, die Ankommenden zu
sehen. Eine Stimme der Bewunderung
wurde laut, als fte dem Wagen ent
stiegen. Dann stürzte der ganze
Schwärm in die Kirche, um der Neu
gier weitere Opfer zu bringen. In
der Sakristei ordnete sich der Zug und
bewegte sich unter Vortritt des Geist
lichen in das Gotteshaus. Der Altar
war in einem Blumengarten umge
wandelt. Feierliche Stille harschte
ringsum.
Die Orgel fetzte ein ; erst leise, wie
in seligem Traume; dann stärker, feu
riger und dann wieder klagend, wie um
ein todte? Glück. Alle horchten auf
und richteten die Blicke nach dem Chor.
Dieses Spielen war eine ergreifende
HerzcnSoffenbarung. die Entfesselung
einer gequälten Menschendruft ; daZ
empfanden alle Zuhörer. Und wie sich
der schwanke Epheu um daS feste Ge
mäiier schmiegt, so umrankten die Ge
danken deS LiedcS: ES ift bestimmt
in Gottes Rath-" das Präludium.
Der alte Cantor verstand fein Fach, das
wußten olle; aber man kannte auch
seinen Widerwillen gegen lange Vor
und Zwischenspiele. WaS mochte ihn
nur veranlassen, heute feinen Grund
sützen ungetreu zu werden; vielleicht
gar die Aussicht auf ein besonderes
Honorar von Seiten des vermögenden
Bräutigams? Wer weiß? '
Die junge Braut fuhr erschreckt zu
sammen und senkte den ersten Blick.
Sie ahnte den Meister, der ihr da?
Herz schwer machte, und ein kurzer
Traum flog wie ein bunter Falter an
ihrer Seele vorüber. Die freundlichen
Bilder ihrer Jugend und ihrer Heimah
grüßten wie alte Bekannte, denen der
Abschied schwer wird. Sie sah die r
spielinnen, deS BaterS Äarlen. den
lauschigen Wald am Gestade deS hei
mathlichsn Sees, den Aiescngr'.'nd
und die braune Haide mit ihrem Vl3
thenmeer, und bei allen Erinnerungen
ihn, mit dem sie dereinft g'.iich ciiiem
sorglosen Kinde all ihr Glück gctheitt
hatte ! Und dann kamen die Jüdre, in
welchem die Mütter die Zukunft ihrer
Töchter sichern möchten. Auch Frau
Meister hatte das redliche Streben, ihre
Tochter glücklich zu sehen. Von dem
stellenlosen Musikanten wollte sie natür
lich nichts wissen, und er selber fühlte
in sich noch kein Talent zum ehrsamen
Hausvater. Da war der guten grau
die Werbung des angesehenen Mannes
sehr willkommen, dem Gretchen heute
angetraut werden sollte. Ohne Groll
im Herzen waren die Jugendgcnossen
- . 1,1 1 j
von ein an Skr gegangen. A!S er die
Hcimalh für immer verließ, rief er
zum Adsch.cd scherzend die Worte nach :
.Srctchen. wenn du Hochz'it feierst,
to komme ich wieder und spiele dir zum
Tanz aus. du wirft mit mir schon zu
frieden sein !" Und deS Spiel klang
versöhnend auS wie die Worte :
.Wenn Menschen auZeinandergehn.
Es sagen sie : .Auf W'.edersehn !
Der Organist hielt inne, und nun
folgte der Hoch,eitZchoral. Dann hielt
der würdige Geistliche die Traurede
und schloß mit deS Apostel; Worten :
.Nun aber bleibet Klaube. Liede. Hoff'
nung. diese drei ; aber die Liebe ift die
größte unter ihnen!" Und a!S dar
daS Paar daS Ehegelödniß gesprochen
und die Ringe gewechselt hatte, da
durchzuckte daS Herz der jungen Frau
ein Schrei nach ihrer Jugend und
nach Liede.
Als daZ junge Paar die Heimfahrt
antrat, gewahrte sie den Freund, wie
er fremd und heimathlos dem Bahnhof
zuschritt. Sie schloß die Augen und
sank in die Polster zurück. Sie raffte
sich aber sogleich zusammen und tröstete
den erschreckten Gatten : Laß gut sein;
die Kirchcnluft war so dumpf; nun ift
alle? vorüber."
EZ war ihre erste Lüge !
(in unangenehmes Medium.
In der Weinstube einer diel von Ar
tiften besuchten Wirthschaft in Paris
spielte sich dieser Tage folgerder Vorfall
ad. Der Löwenbändiger einer bekann
ten Menagerie, der am Nachmittag eine
höchst aufregende Vorstellung mit seinen
unheimlichen Zöglingen gegeben hatte,
saß umringt von einer großen Anzahl
Freunde an einem der Tische, und ließ
sich Schmeicheleien über seine Uner
schrockenheit sagen. Unter Anderem
fragte man ihn auch, wodurch er eine
so ftaunenswerthe Macht über die furcht
baren Raubthiere erlangt habe. AuS
schließlich dadurch," entgegnete der
Mann, daß ich den wilden Gesellen
zeige, wie wenig ich mich vor ihnen
fürchte. Und dann muß man das Thier
zeug beständig im Auge behalten; so
lange der Löwe den Blick eine? furcht
losen Menschen auf sich gerichtet fühlt,
ift er zahm wie ein Lamm. Ich werde
Euch sofort einen Beweis von der Macht
meines BlickeS geben. Paßt einmal
auf! Ihr seht dort in der Ecke den unge
Heuer dumm dreinschauenden und bäum
langen Kerl, nicht wahr? DaS ift,
glaube ich, ein Riesenmensch. Klown
oder sonst etwas Sehnliches. Ich werde
den jetzt veranlassen, bis dicht zu mir
heranzukommen, ohne ein Wort mit
ihm zu sprechen." Gesagt, gethan.
Der Löwenbändiger richtete seinen macht
vollen Blick auf den flegelhaft in einem
Sessel liegenden Burschen, der das Ge
sicht nach einer ganz anderen Richtung
gewendet hatte. Thatsächlich wurde der
Angestarrte nach ein oder zwei Minuten
unruhig: er drehte ein wenig den Kopf
herum, richtete sich straffer im Sessel
auf, erhob sich nach weiteren zwei Mi
nuten ganz und kam langsam auf den
Bändiger zugeschritten. Wunderbar!
Fabelhaft!" flüsterten die Umfitzenden.
In der nächsten Sekunde stand der
baumlange Mensch dicht vor dem Thier
bändiger und mit der rechten Hand weit
ausholend, versetzte er ihm einen so
wuchtigen Stoß unter das Kinn, daß
der Getroffene über einen Stuhl hinweg
zu Boden stürzte. So, und nun ftar
ren Sie mich noch einmal so an, Sie
Hanswurst," rief das Medium, dessen
Beruf der, eines Kraftmenschen und
FaustkümpferS war, und kehrte ruhig
zu seinem Platz zurück.
Die Eitelkeit alS VtrrStl,crtn.
Müller. Sie Glückspilz, sagen Sie
einmal, wie ift es Ihnen denn gelungen,
den durchgedrannten Kassirer des Bank
hauseS ohn, auf dessen Ergreifung
zehntausend Mark Belohnung gesetzt
waren, zu erwischen ?"
O, ganz einfach. Ich fitze da eineS
TageS im Kafe und mir gegenüber an
demselben Tisch ein geckenhaft gekleideter
Mensch, der eifrig die Zeitung lieft.
Mit einem Male ruft dieser aus:
DaS ift gemcin. das ift eine Belei
digung!" und schlägt dabei wüthend
auf den Tisch, daß Gläser und Tassen
klirren.
Erstaunt sehe ich ihn an.
Ja, mein Herr." ruft mein Gegen
über, sehm Sie mich nur genau an!
Habe ich einsätiige GestchtSzügc, Wasser
blau? Augen ooer eine gewöhnliche
Rast ?"
Ja. ich vcrftche ie nicht." sage ich
und glaubte schon einen Verrückten vor
mir z'? $utm, da hält mir dieser
Mensch mit im Worten da lesen Sie!"
die Zcitunz mit feinem Steckbrief vor
die Augen.
Herr." sage ich. eine gewöhnliche
Na?e hzben Sie zwar nicht, aber auch
keine Spürnase, sonst hätten Sie in mir
den Kriminaldeamtcn vermuthet. Sehen
Eic, jetzt machen Sie auch wirklich ein
tt&t einfältiges Geficht."
Damit packte ich ihn beim Kragen
na, und das Weitere können Sie sich
denken.
Eine empsindsaine Sccle.
Junge Frau (zur Köchin, die sehr
heftige Zahnschmerzen bat): Sie
Aermfte ! Es greift mich wirklich an.
Sie so leiden zu sehen ! Laffen Sie lie
der Ihre Arbeit in der Küche stehen und
machen Sie. anstatt dessen, im Keller
Holz klein damit ich das Jammern
nimmer höre !"