Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 25, 1898, Image 10

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    Der Ccufcls -Damm.
VuS ten jiw.uitfltn l:-:
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nfl nie;.. i.
An dm Ifuf clM anrn auf der gtre Je
Stade Cu:!jr.n, Die wir im Jahre
1669 bauten, werden Alle denken, die
damit zu thun ßtljabt beben, Liebet
hätten wir eine neue Lohn durch die
Wüfle Sahara gebaut. alZ die tierhun.
dert Meter, die der Teufel? . Tamm
beanspruchte.
Ter nördliche Zbeil der Provinz
Hannover ist zum Zheil bedeckt mit
Mooren, welche einem Lahndau große
Schwierigkeiten entgegensetz?,'. Wenn
ti irgend möglich ist, umgeht man die
Moore, denn sie bilden keine zusammen
hängende Flache, sondern sind durch
gröszere oder kleinere Strecken festen
Landes von einander getrennt; ist ein
Moor nicht allzu groß, fo kann man
es auch durch Grüben entwässern, eS
womöglich zum Theil auZheden und
mit fester Masse zuschütten. Ein Eisen
bahN'Tamm wird dadurch kostspielig,
aber man hat doch wenigstens einen
festen Untergrund. Ganz abscheulich
aber wird die Geschichte, wenn man
beim Bau der Bahn auf Hindernisse
stößt, wie sie der TeuselSmoor bot.
TieseS zog sich als schmaler Moor
strich diele Meilen lang dahin. eS war
an einzelnen Stellen tausend, an ande
ren fünfhundert, an der schmalften
Stelle, wo wir eS überschreiten wollten,
nur vierhundert Meter breit, aber an
eine Umgehung war nicht zu denken.
AIS wir nach dem Torfe Stubben in
der Nühe des TeufelZmooreS kamen,
und unS dort für den Bahndau nieder
ließen, schüttelten die Leute die Köpfe.
Sie erklärten, eS würde unZ nicht ge
lingen. das TeuselSmoor zu durchkreu
zen. denn es fei launenhaft und unbe
rechenbar. Zu gewissen Zeiten könne
man eS mit Pferd und Wagen passte
ren und man merke nur an dem Hin
und Herschwanken und der schaukelarti
gen Bewegung deS Bodens, daß man
sich auf einem Moore befinde, zu ande
ren Zeiten aber fei eS so gefährlich,
daß selbst ein darübergehendeS Kind
spurlos versinke. TaS Moor fei in
einer beständigen Wanderung begriffen,
die oberen Schichten zögen sich unbe
merkbar von Oft nach West, und die
unteren gleichzeitig von West nach Oft.
Wenn die Schichten an dem Endpunkte
des Moores angelangt seien, dann
ginge die obere nach unten und manche
den Weg wieder zurück und umgekehrt.
Sie stützten ihre Behauptungen auf die
Erfahrung. Es sollten Dinge, selbst
Leichen von Bieh, die vor Jahren an
weit entfernten Orten lm Moor der
schmunden und Zunzweifelhaft bis au
den Grund des Moores gelangt waren.
wieder an ganz anderer Stelle an der
Oberfläche erschienen sein.
Wir hatten so manche schlimme
Moorftrecke überwunden und fürchteten
uns auch nicht vor diesen vierhundert
Metern. Wir untersuchten das Moor
sehr sorgfältig und fanden eS nicht so
schlimm, wie wir eS uns gedacht hatten,
Die Eingeborenen behaupteten aller
dingS. das Moor habe letzt wieder
feine gute Laune und vielleicht halte es
eine ganze Zeitlang, dann werde eS
aber übellaunig und bleibe lange Zeit
unzugänglich. Am allerschlimmsten
aber sei eS, wenn eS ohne allen lieber
gang aus der guten in die böse Laune
übergehe.
Wir prüften eist die Tragfähigkeit
deS Moores und fanden, daß auf ver
hältnifzmäfzig kleiner Strecke mehrere
Menschen stehen konnten, nur fchwankte
der Boden wie bei einer Schaukel, man
glaubte sich, wenn man schnell ging.
nicht mehr auf festen Boden, sondern
auf einen Seeschiff zu befinden. Dann
begannen wir die ersten Bohrungen
zur Feststellung der Tiefe deS MooreS
Die Bohrungen waren ganz werthlos,
denn nicht einen Tag lang hatte das
Moor unten und einige Meter unter
der Oberfläche dieselben Bestandtheile.
Man bohrte manchmal zwei Meter tief
und kam auf absolut festen Boden,
während wenige Meter daneben das
Moor grundlos war; am nächsten
Tage aber, wenn man die Bohrlöcher
wieder kontroll:rte. war daS erste Bohr
loch grundlos, und die herumliegenden
schienen auf festen Boden herumgetnel
den zu sein.
Unser bester Helfer bei diesen schwie
rigen Arbeiten war August. Er kannte
jeden Winkel deS MooreS. hatte einen
sehr geübten Blick für daS Schätzen von
Entfernungen, orientirte sich sehr schnell
selbst m m:t Bu'ch bewachsenen Gelände
August war ein sechzehnjähriger Bauern
junge, ein Nichtsnutz, wie fein Onkel
und Vormund sagte. Letzterer war
ein etwas barscher, rücksichtsloser, viel
leicht in seinem Herzen gutmüthiger.
aber äußerlich grober Bauer, mit allen
Vorzügen, aber auch aller Schroffheit
und Rohheit deS friesischen Charakters,
der mit aller Zähigkeit am Altherge
brachten hängt. August war das Kind
feiner Schwester, die mit einem frem
den Manne nach Holland gegangen
war, und sich dort verheirathet hatte.
Die Schwester war damals von der
Familie verstoßen worden, weil sie
einen Fremdm heirathete. und als sie
nach dem Tode ihres Mannes arm
und krank mit dem kleinen August zu
rückkehrte. fand sie nur widerwillig?
Aufnahme im Hause ihres Äruders.
AIS sie dann starb, wurde August von
seinem Onkel erzogen. Aber der Junge
paßte absolut nicht zum Bauern. Er
interesftrte sich weder für die Landwirth,
schaft noch für die Viehzucht, hatte da
gegen einen undkziN?lich'n Kng zum
Herumtreiben. Er konnte ftunvr.'.a:.,;
träumen, wenn er im yreitn tc2x.
ergötzen an allen Kleinigkeiten. d,e die
Natur ihm bot. und unter jesscn giuz
vielleicht eine Kuh in das Thot uns er
trank. Der Onkel hielt den St:zbn
infolge dessen sehr streng, und suchte
ihn M'.t Gewalt zum Lauern zu machen,
trotzdem ihm selbst der Lehrer und der
ledenSkluge Geistliche davon adriethen.
Der störrische Bauer jedoch deharrte
darauf, daß fein Neffe die Landmirty
schast erlerne. Wie mir August erzählte,
hielt er nur cuS. weil er wußte, daß
er noch Zurücklegung eincS gereiften
AlierS Soldat werden müffe.
Er war fest entschlossen, alsdann nicht
wieder auf den Hof deS OnkclS zurück
zukehren, sondern Soldat zu bleiben,
wenn sich ihm nicht während seiner
Dienstzeit in der Stadt irgend etwa?
anderes biete.
Ich hatte August kennen gelernt, als
ich das Moor allein beging, wobei ich
ihn beim Viehhüten traf. Ich fragte
ihn um Auskunst und war überrascht
über die kurzen und genauen Antworten
deS Burschen. Ich fragte ihn. ob er
mich nicht führen könnte, und er war
sofort dazu bereit. Ein anderer Hir
tenjunge übernahm die Aufsicht über
sein Vieh, und August leistete mir vor
treffliche Dienste. Am nächsten Tage
fand er sich freiwillig bei unS ein und
bot feine Führerdienfte an, die ohne
Weiteres angenommen wurden. Gegen
Mittag kam indeß fein Onkel und
wollte den Burschen vor unseren Augen
durchprügeln und fortschleppen. Wir
litten daS nicht, fondern machten dem
Manne klar, daß August für uns von
großem Werthe fei; er konnte bei unS
fortan gegen Bezahlung Dienst thun, eS
solle auch dafür gesorgt werden, daß er
nicht verbummle; auch August selbst bat
den Onkel flehentlich, bei unS bleiben
zu dürfen. Dieser ließ sich denn auch
bewegen, unS den Jungen gegen Tage
lohn in Dienst zu geben.
Niemand war glücklicher als August,
der schon am Nachmittage als Ketten
träger beim Vermessen verwendet wurde
und sich höchst anstellig und geschickt
zeigte; auch sonst als Bote, landeSkun
diger Führer und selbst als Koch im
Barackenlager machte er sich äußerst
nützlich. Er wurde bald der Liebling
deS ganzen Lagers.
Wir organiftrten eine besondere Ko
lonne von Arbeitern unter zwei der
tüchtigsten Schachtmeifter, und began
nen den Tamm durch das Moor aufzu
schütten. Mit Rücksicht darauf, daß
der Baugrund sehr unsicher war. legten
wir die Basis des Dammes doppelt so
breit an. als dies sonst üblich war. Als
die ersten hundert Karren Sand und
KieS aufgefahren waren, machten wir
eine eintägige Pause, um durch einge
schlagen? Pfähle genau zu untersuchen,
ob sich der verhältnitzmäßig kleine Banb.
berg bewege oder verschiede. DaS Moor
stand aber ganz fest und daS machte unS
Muth. Wir verdoppelten die Kolonnen
und ließen Karren auf Karren Sand,
kleingeschlagene Steine, sowie fetten
Boden hcranschaffen. Unser Muth
wuchs, als wir sahen, wie fest der
Damm hielt. Die Leute aus Stubben
schüttelten zwar die Köpfe und behaup
teten, wir würden noch unser Wunder
erleben, aber die genauesten Mcffungen
und Untersuchungen erwiesen, baß der
Damm so fest stand, als sei er au
FelSboden aufgeschüttet. Au? meilen
weiter Entfernung kamen die Landleute
und die Gutsbesitzer herbei, um sich das
Wunder anzusehen.
UnS Allen siel mit dem ersten Erfolg
eine Last vom Herzen. Wie ließen die
anderen Arbeiten liegen und beschlossen.
den Damm mit großer Geschwindigkeit
durch das Moor zu ziehen, denn wenn
er erst mit seinen beiden Enden auf
festem Boden lag. bekam er gewiiler,
maßen Halt in sich felbft. DaS sonst so
stille Moor widerhallte von ArbettSgc
räusch, von früh bis spät bewegten sich
auf den Laufbrettern Hunderte von
Arbeitern, Karren schiebend, dicht hin
tereiNander her, und der Damm rückte
in voller Breite und Höhe schon bis in
die Mitte deS Moores vor. Wir ließen
keine Vorsicht außer Acht, untersuchten
ihn täglich, beobachteten alle Marken,
die wir unS gelegt hatten, um zu sehen.
ob eine Verschiebung nach rechtS oder
links stattfinde, aber der Tamm stand
mauerfest.
Als wir eines Morgens wieder zeitig
nach der Arbeitsstelle hinausgingen
ich habe mir den Tag gemerkt und
werde ihn niemals vergessen, es war der
lt. Mai war der Damm vollständig
verschwunden. DaS Moor hatte ihn
verschlungen mitsammt den Schieb
karren und dem Arbeitszeug. Nichts
war mehr davon zu sehen, und da?
schmarzgrüne Moor lag als geschlossene
Fläche, die nur hier und da mit Gras
büscheln bewachsen war, vor unS. Die
klugen Leute aus Stubben lachten, und
wir standen rathloS vor dem Unglück.
Wir stellten sofort Bohrversuche an.
aber fo tief wir auch die Erdbohrer in
das Moor hineinstießen, wir fanden
nicht eine Spur von dem Tamm. In
nerhalb einer Nacht war er vollständig
verschlungen worden, und eS war noch
als ein Glück zu betrachten, daß der Un
fall bei Nacht geschehen war, denn am
Tage hätten wir wahrscheinlich auch
noch eine Anzahl von Menschenleben zu
beklagen gehabt.
Die Untersuchung seitens der Borge
fetzten ergab, daß unS nicht die mindeste
kchuld treffen konnte. Wir hatten eS
eben hier mit einem Boden zu thun,
dem gegenüber selbst die Kunst der In'
I genifure machlioS war. i?S wallen
'. lange Beratungen gchülten. und end
lich beschlösse.-,, seu Bau bil TammeS
wieder ou'i,unch,7,en. Gebaul werden
mußte der Dennm, ooer die ganie Ei
j feiibahrvLinie kam in Frage. Ueber
j brück jar trat das Moor nicht, denn
cir.e ru-üen'plMiiung von vicrgunoei,
. i . t l ... I 4. i c Q n
iuia i4üi:i;t iauN inchl ytViltiun,
blieb aifo nichts übrig. al die Zache
noch einmal zu untersuchen
j daß tretz der sorgfältigen epackung die
Fkuerwerttkörper leiden könnten, war
j er in eine am Wege liegen: Hocx- j
j Schenke eingetreten. Dort fand er zei !
I Bauern aus der Moorkolonie, seiner
jein paar Fuhrleute, die ebenfalls vor
j dem Regen -Unterkunft gesucht hatten,
i uno den Wirth vor. August setzte sich
ibochäbtN IN iiüi vii Und uüük kill
!(Sila5 Dünnbier. Die Leute in emer
bei nch trug, ein Llait Paliier. schrieb!
darcus nieder. waS ih;,l begegnet ivcx, j
und schickte mir und den anderen In-j
g'Nicuren, ct tixunu Mute zu.
Ich lag in unruhigem Schlummer
und träumte allerlei verrücktes Zeug
vom Feuerwerk, vom Zeiifelsdamm
und der Eröffnung. alZ ich durch ein
solch entlegenen Kneipe find immer neu
Wir gingen diesmal noch vorsichtiger i gierig und unterhalten fich gern. Sie
zu inerte. Z sollte eiy setler runz
und Boden in diesem Moor geschaffen
werden, deshalb wurden alZ BasiZ bts
DammeZ Kalk und Sandsteine vr
wendet. Die Steine hatten eine Größe,
durch die sie aus den Namen FelZblöcke
Anspruch bekamen und wurden mit
großen Kosten herbeigeschafft. Auch sie
verschwanden auf Nimmerwiedersehen,
nachdem wir schon ganze ArdeitZzüge
voll davon versenkt hatten.
Endlich bemerkten wir aber doch, daß
wir festen Boden bekamen. Wir trugen
probeweise auf einer Strecke von fünfzig
Meter auf der künstlichen Felsendasis
Sand auf. und die Sache hielt. Mit
riesigen Kosten und großer Beschleu
nigung wurde jetzt der Bau über daZ
ganze Moor fortgesetzt und der Dumm
vollendet. Die gesummte übrige Bahn
wurde unterdessen fertig gestellt, der
TeufelS'Tamm war die letzte Strecke.
August war noch immer unser Unter
Ingenieur", wie er scherzhaft genannt
wurde, und eineZ TageZ war er zu mir
gekommen, mich flehentlich zu bitten, ich
möchte doch für ihn ein guteS Wort bei
seinem Onkel einlegen, damit dieser ihn
auch nach Abschluß der Arbeit am Teu
felS'Tamm beim Eisendahnbau belasse
Ich hatte gesprächsweise einmal geäußert.
daß wir Ingenieure gleich nach Been
digung dieser Bahnstrecke zu einer ande
ren Bahn im Osten Deutschland'S übet.
gehen würden, um dort neue Strecken
zu bauen. August bat mich nun drin
gend, ihn mitzunehmen, da er eS daheim
doch nicht aushalten würde. Ich ver
sprach, feinen Wunsch zu erfüllen.
Endlich war also der TeufelS'Tamm
fertig. Wir begannen in Gegenwart
sämmtlicher höheren Vorgesetzten mit
den BelaftungS-Proben. ES wurden
zuerst sogenannte Rollwagen, hoch mit
Sandsäcken beladen, auf den Damm ge
bracht und lange stehen gelassen ; dann
beide Geleise gleichzeitig belastet; man
belastete den ganzen Damm, dann tote
der einzelne Stellen besonders schwer.
Unterdessen beobachteten Verschiebung?
marken eine etwaige Bewegung deS
TammeS, aber unsere Besorgnisse waren
überflüssig. Der Tamm stand seifen
fest.
Und doch schlug unZ das Herz, als
zum ersten Male eine Lokomotive darüber
ging, und wahrscheinlich war dem Lo
tomotivführer und feinem Heizer auch
nicht allzuwohl zu Muthe. Indeß der
Damm hielt, er zeigte nicht die geringste
Schwankung, selbst die schweren RegeNl
gösse im Herbst hatten ihn nicht in sei
ner Festigkeit erschüttert. Ueber die
schwicrigen Arbeiten war nämlich schon
der Herbst herangekommen, und wir
waren froh, vor Anfang deS Winters
mit dein TeufelS'Damm fertig gewov
den zu sein. Schwere Arbeiter und
Lastzüge gingen noch zur Probe hinüber.
dann konnten wir melden, daß unser
Werk fertig sei. und daß der polizev
lichcn Abnahme der Strecke nichts mehr
im Wege stehe. Diese wurde mit außer
ordentlicher Sorgfalt ausgeführt und
fiel glänzend auS: wir Ingenieure heim
ften große Lobsprüche wegen deS vorzüg
lichen BaucS ein. und für den Über
nächsten Tag wurde die Eröffnung der
ganzen Strecke angekündigt. Xit Dr
rektion aber veranstaltete in Stubben
für die Arbeiter, die Ingenieure und
alle Beamten, die mit dem Bahnbau zu
thun gehabt hatten, aus Anlaß der Vol
lendung der Bahn ein Fest.
Ter erste Zug, der am frühen Mor
gen schon gegen fünf Uhr fahrplan
mäßig kam. sollte festlich empfangen
werden, dann nach Anbruch deS TagcS
Festakt mit den Arbeitern stattfinden,
an den sich dann eine Landparthie nach
einem benachbarten See, an dem eine
große MoorKolon!e lag, anschließen
sollte. Tort sollten Tanz Vergnügen
stattfinden, die Arbeiter gespeist werden
und den Schluß der Festlichkeit ein
Feuerwerk bilden. Dasselbe wurde in
der nächsten Stadt bestellt, und da kein
Feuerwerker zur Hand war, und die
Kosten zu groß geworden wären, um ei
nen derartigen Fachmann kommen zu
lassen, beschlossen wir Ingenieure, daZ
Feuerwerk selbst loszulassen.
Am Tage vor der Eröffnung erhielt
August den Befehl, die Feuerwerkskörper
aus der Stadt zu holen. Er versah sich
zu diesem Zwecke mit einem Tragkorbe
und ich schürfte ihm noch besondere Vor
sicht ein, obgleich dies bei dem anstelligen
pflichtgetreucn Jungen kaum nöthig
war. In der Frühe zog August, mit
seinem Tragkorde auf dem Rücken, nach
der zwei Meilen entfernten, nicht an
der Bahn gelegenen Stadt. Er konnte
Nachmittags gegen sechs Uhr leicht wie
der zurück sein.
Wir hatten mit den Vorbereitungen
zum Fest außerordentlich viel zu thun,
und ich dachte den ganzen Tag nicht an
August. AIS er aber gegen neun Uhr
Abends noch nicht zurück war, wurde ich
ängstlich und schickte ihm zwei zuverläs
sige Leute entgegen. Sie kamen gegen
Mitternacht zurück und brachten mir eine
tragi'komische Nachricht.
Der arme August hatte wie immer
Alles auf das Gewissenhafteste besorgt.
Auf dem Rückwege hatte ihn ein starker
Regen überfallen, und da er fürchtete.
stellten auch an August eingehende Jra
gen über da? Woher und Wohin und
den Inhalt seine? TragkorbeZ. August,
der sich wohl geschmeichelt fühlte, hielt
einen großen Vertrag Über daS Feuer
werk. Tie Bauern, die Fuhrleute und
der Wirth wurden sehr neugierig und
wollten durchaus die Feuerwerkskörper
sehen. Sie hatten ja schon so manche?
von einem Feuerwerk gehört, aber noch
niemals hatten sie derartige .Dinger"
in der Hand gehabt. August wollte
erst nicht darauf eingehen, aber endlich
gab er nach und machte sich daran, mit
aller Vorsicht die Feuerwerkskörper den
Leuten zu zeigen.
Es war an diesen feftderschnürten
Papphülsen nicht viel zu sehen. August
ließ sie herumgehen und suchte ihren
Zweck nach deftem Wissen zu erklären.
DaS größte Interesse erregte bei den
Bauern eine Anzahl Frösche", die de
lanntlich. wenn angezündet, mit lautem
Geknatter feuersprühend im Zickzack hin
und her springen. DaS fanden die
Leute äußerst komisch und merkwürdig,
und einer von ihnen bat endlich August,
doch ein solches Ding einmal loSzulas
sen, damit man sich felbft davon über
zeugen könne.
August wäre wahrscheinlich nicht auf
diesen Vorschlag eingegangen, aber der
Händler in der Stadt hatte ihm für
seinen Privatgebrauch ein paar Frö
sche" gewissermaßen als Trinkgeld ge
schenkt. Er nahm daher einen der klei
nen Feuerwerkskörper aus der Tasche,
zündete ihn an und ließ ihn in der
Stube herumfpringen. Die Gäste und
der Wirth flohen aus die Bänke und
Tische und jubelten, als der Frosch"
wirklich wie ein lebendes Wesen hin
und her sprang.
Aber dieser .Frosch" war eine heim
tückische Bestie. Nachdem er vier oder
fünf Mal in der Stube herumgesprun
gen war, gab er sich einen mächtigen
Schwung und fuhr mitten in den
Tragkord hinein, der die Feuerwerks
körper enthielt. Einen Schrei des
Schreckens stieß August aus, und dann
nurzle er riq auf dem Traglord zu.
um den Uebelthüter womöglich noch
herauszuholen. Aber eS war schon zu
spät, Feuer sprühte ihm entgegen, und
binnen wenigen Augenblicken war daS
ganze Kneipzimmer eine wahre Hölle.
Tie gesammten Feuerwerks Körper
waren in Brand gerathen, eS erhob
sich ein entsetzliches Knallen und Kra
chen, die Kanonenfchläge gingen mit
donnerartigem Getöse loS. die Fenster
scheiden zersprangen. daS Mobiliar ge
rieth in Brand Alles flüchtete schreiend
in'S Freie. Als endlich der letzte Knall
verhallt war. wagten pch die Leute in
die brennende Stube hinein, und mit
einigen Kübeln Wassers gelang es, daS
Feuer zu löschen. Dagegen war der
Schaden an Material und Mobiliar,
an Gläsern, an mit Schnaps gefüllten
Flaschen, die zu Grunde gegangen
waren, ziemlich groß.
August war verschwunden. Der
Wirth und seine Gäste geriethen in
Streit darüber, wer an dem Unglück
schuld sei, und das Schlußrefultat war,
daß die Gäste den Wirth durchprügelten,
weil er von ihnen Schadenersatz ver
langte.
Mit dieser Nachricht kamen die beiden
Boten, die ich nach August geschickt
hatte, zurück. Ihnen war die Sache
sehr komisch vorgekommen, mir war
um August bange, der arme Junge
hatte gewiß aus Angst vor Strafe das
Wette gesucht. ES war ja schade, daß
daS Feuerwerk am Abend nicht statt
finden konnte, aber noch mehr leid that
eS mir, daß August am nächsten Tage
bei der Feierlichkeit fehlen sollte, auf die
er sich so gefreut hatte. Wir hatten
ihn Alle lieb gewonnen, und ich wußte,
eS würde uns elwaS fehlen, wenn er
mit seinem vergnügten Geficht und sei
nen klug blinzelnden Augen bei der
Schlußfeierlichkeit nicht zugegen sein
würde.
In seinem Notizbuch be'a'.b sich auch ! tmuiiengewirr und durch ein Ge
noch ein Bnerurn'chh'.g, in diesen steckte j räusch. wie eS ein großer Menschenhai,
er Sen Blies h:nc,n. e'.d7es f,e ihn an sen verursacht. auS meinen Träumen
f it.S '? ?,15. h.,.. I w,..K-, I , : ... w rtS.. a.
uuutf, uu vuiui u. wo ii, irn 1'tiu.uu.u.i uiiuut. i.j uu inr oaiuie
August war in feiner Verzweiflung
in den Wald gelaufen, in der unklaren
Abficht, fich um jeden Preis zu retten.
TaS Unglück, daS ihn getroffen hatte,
schien ihm riesengroß. Ersatzpflichtig
war er sür die verbrannten Feuerwerks
körpkr, daS Feuerwerk konnte nun über
oaupt nicht mehr ftattsinden. und der
Onkel mußte für ihn eintreten und das
Geld bezahlen. Noch schlimmer aber
war eS. daß er wahrscheinlich auch für
das in der Schenke ausgedrochme Feuer
verantwortlich gemacht wurde. Nein.
daS konnte er nicht ertragen, lieber
wollte er auf und davon gehen. Er
war jung, intelligent, irgendwo in der
Welt würde sich wohl sicher ein Pla
für ihn finoen. sr veioziofz aio, an
die See zu gehen und dort auf einen
Schiffe Dienste zu nehmen. Er wußte,
daß man es in Seehäfen mit Papieren
nicht so genau nahm, er wollte zu Fuß
nach Bremen, von dort auS kam er
schon weiter. Zuerst wollte er mir von
feinem Entschlüsse Mittheilungen
machen und mir sagen, daß er unS den
Schaden, den er angerichtet hatte, fpä
ter ersetzen würde.
Er riß auS dem Notizbuch, daS er!
llüchstgtlrgenrtt Buhnwärtcr in die
Hau-tziir zu stecken. Wenn der Bhn
Wärter frühmorgens aufstand und daS
HauS verließ, mußte beim Ausmachen
der Thür der Brics herunterfallen, der
Bahnwärter fand ihn dann. laS die
Adresse und beförderte ihn gewiß.
Die Nacht brachte August im Walde
zu. Dann schlich er sich in der Tun
kelheit deS NovemdcrmorgcnZ nach dem
nächsten BahnwärtcrdauZ und steckte
den Brief hinter die Thürklinke. Nun
hatte er seine Absicht erreicht und de
schloß, sich auf die Beine zu machen.
Am Bahndamm entlang wollte er
diS zur nächsten Station laufen, dort
von dem Gelde, daS er bei sich trug,
etwas zu essen kaufen und dann den
Weg nach Bremen nehmen.
Er lief an dem Bahndamm entlang,
so rasch eS bei der Dunkelheit ging, und
zum letztenmal pasfirle er den Teufels
dämm. Ihm. der jeden Weg und
Steg kannte, war eS auch in der Däm
merung möglich, neben dem Damm
durch da? Moor den Weg zu finden.
Als er in der Nähe deS TeufelSdammeS
war, beeilte er sich, denn er sah. wie
Signale für inen Zug gezogen wurden
und wie die Bahnwärter durch Blasen
das Kommen desselben meldeten.
August war bei dem ganzen Perso
nal bekannt und wollte sich natürlich
von den Leuten nicht sehen lassen. Er
fürchtete, sein Onkel könne Jagd auf
ihn machen, wenn er erfuhr. August
sei noch in der Gegend. Er eilte daher
so rasch wie möglich auf das Moor zu,
und bald bewies ihm das Schwanken
des Bodens unter feinen Füßen, daß
er den unsicheren Boden neben dem
Eisendahndamm betreten habe.
Plötzlich hatte er die Empfindung,
als ob er von einer unsichtbaren Ge
walt von untenher einen Stoß erhalte
und dann fühlte er, daß daS Moor
wellenförmige Bewegungen machte,
auch Wasser drang plötzlich auf die
Oberfläche hervor, so daß sich August
mit einem Sprung auf den Teufels
dämm rettete. Kaum hatte er einige
Schritte weiter gemacht, fo sah er plötz
lich Schienen frei in die Luft ragen,
und als er seine Augen noch weiter
aufriß und in die 'Dunkelheit hinaus
spähte, entdeckte er, daß daS größte
Stück des TeufelSdammeS soeben wied?r
versunken war. Daher die wellen
förmige Bewegung deS Moorbodens
daher der Stoy, den August erhalten
hatte.
Wie weit der Damm versunken war
konnte er in dem unsicheren Licht der
Morgendämmerung nicht erkennen,
Auch war daS vorläufig gleichgültig,
August dachte nur an den Zug, der
herankam. Fuhr dieser ohne Kenntniß
deS Unglücks auf den Damm, fo war er
verloren. August lief, fo schnell er ver
mochte, zurück, dem BahnwärterhauS
zu, daS er soeben verlassen hatte. Er
wollte den Bahnwärter warnen und ihn
veranlaffen, das Haltesignal zu geben
Schon aber tönte das Rollen deS
ZugeS durch den Wald von oben her
Bald sah August auch die feurigen
Augen der Lokomotive ; eS war unmög
lich, noch bis zum BahnwärterhauS zu
gelangen.
Hätte er nur eine Laterne bei sich at
habt, so hätte er damit dem Zuge ein
Zeichen geven tonnen. Wäre eS Tag
gewesen, fo hätte er sich auf daS Geleise
gestellt und auf weite Entfernung dem
Zugführer WarnungSfignale geben
können, damit er anhielt. Am Tage
hätte auch vielleicht der Zugführer die
Unordnung auf dem Teufelsdamm be
merkt.
Wenn August dem Zuge entgegenlie
und im Vorbeifahren dem Lokomotiv
führer etwas zuschrik, so war eS doch
schon zu spät. Der Zug konnte nicht
mehr zum teyen gebracht werden. ES
war überhaupt sehr unsicher, ob der
Lokomotivführer daS Schreien und
ufen Augusts hörte, ob er ihn über
Haupt beim Vorbeifahren sah.
Seine ganze Kraft nahm der muthige
Bursche zufammen und stürzte dem
Zug entgegen soweit wie er konnte.
dann warf er sich entschlossen auf die
Schienen. Er wußte, daß der Loko
motivführer in dem Augenblick brem
sen würde, in dem er in dem Lichtkegel
der vorderen olomotivlaterne einen
Menschen auf den Schienen liegen sah.
Grausen und Entsetzen packte August
doch, als er die Erschütterung des Erd
bodenS hörte, als er das Rasseln und
Brausen deS ZugeS vernahm. Er sah
sich plötzlich selbst im Lichtkegel der auf
weite Entfernung leuchtenden Lokomo
tivlaterne. aber der Lokomotivführer
schien ihn nicht zu bemerken
Jetzt hörte er endlich die gellenden.
rasch aufeinander folgenden Pfiffe der
Lokomotive, hörte das Bremsen, aber
er blieb liegen, um den Lokomotivfüh
rer auch zum Gegendampf zum veran
lanen. r ouev liegen, oogteich er
schon die Nähe der Lokomotive empfand.
In dem Augenblick erst, als die Loko
Motive nur noch wenige Schritte von
ihm entfernt war, sprang er auf und
schrie dem Lokomotivführer der wüthend
nach ihm aussah, sein Halt! Halt!" zu.
Der Zug stand, sein Rettungswerl
war gelungen. Nachdem die nöthigen
Erklärungen gegeben waren, wurde der
muthige junge Mann wie ein Held ge
feiert.
trat, in der ich wohnte, sah ich im Mor
gengraukn Hunderte von Arbeitern und
auf den Schultern trugen fit August,
den Helden deS TageS.
Sie brachten ihn zu mir. und August
erklärte unter Thränen: er würde e?
nie wieder thun. Er meinte natürlich
daS Feuerwerkanzünden und nicht das
Retten von Hunderten von Menschen
leben.
lü Die Eröffnungsfeier fand nur theil
weise statt. Tie vorhandenen Eß und
Trinkvorrüthe für die Leute, die nun
einmal zu der Festlichkeit angeschafft
waren, wurden preisgegeben, aber der
Ausflug unterblieb. TaS Feuerwerk
wäre so wie so überflüssig gewesen.
August gab natürlich alle Fluchtgedan
kcn auf, ich sprach mit seinem Onkel,
erklärte ihm. daß ich sür jeden Schaden
aufkommen würde, daß aber auch die
Eisenbahnverwaltung Pflichten gegen
über August habe, weil er ein großes
Unglück verhütet hatte.
Wir nahmen noch acht Tagen den
Bau des TeufelSdammeS wieder auf.
August blieb bei uns. Er wurde nicht
unbescheiden, trotzdem er eine ganze
Zeitlang der Löwe deS TageS war.
Noch dreimal ging unS der Teufels
Tamm zum Theil zu Bruch, dann end
lich hielt er. Unterdessen aber war der
Winter vergangen und daS Frühjahr
wieder herangekommen. Ich hatte die
Wintermonate wahrgenommen, um
auf Augusts Onkel so lange einzureden,
bis er diesem nach Schluß deS Baues
gestattete, freiwillig in der nächsten
ArtillerieGarnison zum Tienft einzu
treten.
Eine Reihe von Jahren nachher habe
ich August noch einmal als wohlbestall
ten Oberfeuerwerker wieder gesehen,
und als wir zusammen faßen, erinner
ten wir unS seines ersten Feuerwerks,
daS er so unfreiwillig abgebrannt hatte,
und des glücklichen Zufalls, zu dem die
seS Feuerwerk geworden war. Märe
August auf der Flucht nicht zufällig in
der Nähe deS TeufelSdammeS gewesen,
als dieser einstürzte, fo war mit Sicher
heit anzunehmen, daß der Zug in daS
Moor gestürzt und dabei kaum ein
Menschenleben übrig geblieben wäre.
So kann auch ein unfreiwilliges und
unbeabsichtigeS Feuerwerk fein GuteS
haben, das heißt, wenn er das Schick
fal will.
üöarum Tamcnuhrtn meist falsch
gehen.
ES ist bekannt, daß Damenuhren
leicht außer Gang gerathen. Jeder
Uhrmacher wird daS wissen, ohne daß
er die Unregelmäßigkeit den zierlichen
Uhrwerken selbst zur Last legen würde.
Im Gegentheil erweisen sich Damen
uhren, sobald Herren sie tragen, oft
genug als zuverlässigste Zeitmesser.
TaS schlechte Gehen der Damenuhren
soll daran liegen, daß Frauen ihre
Uhren nicht so sorgfältig behandeln,
wie Männer eS thun. Diese ziehen ihre
Uhren regelmäßig auf, Frauen fast nur
gelegentlich. Die Männer tragen ihre
Uhren beständig und regeln ihre All
tazSthätigkeit nach dem Gange derfcl
den. wogegen die Frauen fich ihrer nur
zu Zeiten bedienen und nach dem rege!
mäßigen Gange ihrer Zeitmesser wenig
zu fragen haben. Und schließlich", so
meint ein Uhrmacher, muß man ein
mal zusehen, wie und wo eine Frau
ihre Uhr trügt. Befindet sich dieselbe
am Armband eine sinnige Einrich
tung. der man häufig begegnet so ist
eS klar, welchen unvorhergesehenen
Stößen sie ausgesetzt ist. Trügt die
Frau ihre Uhr wo anders, sei eS auch
in einem eigenS dazu conftruirten Uhr
tüschchen. so hat sie ersten? eine Menge
Schwierigkeiten, sie hinein und aber
malS eine Menge Schwierigkeiten her
auszubekommen. Unter diesen Umftän
den dürfe sich keine Dome wundern,
daß ihre Uhr ihren Dienst nicht vünkt
lich verrichtet, fondern zahlreichen Stö
rungen ausgesetzt ist."
Automobilen im Jahre l.'.N.
Bereits Mitte deS siebzehnten Jahr
Hunderts, also vor 25g Jahren, sah
man in Holland einen sich ohne Hülfe
der Pferde fortbewegenden Wagen ; er
gehörte dem Prinzen von Oranien.
Dieser Wagen besaß ein Gestell auS
viereckigen Segeln und wurde wie ein
Schiff dirigirt; der Kutscher, also in
diesem Falle der Steuermann, saß
vorn, um mit einem Leitrade dem Wa
gen die Richtung zu geben. Nach einer
Angabe aus der damaligen Zeit konnte
dieses Automobile mit 23 Personen de
lastet werden und in zwei Stunden die
Strecke von Schebeningen bis Putten,
14 Meilen, durchführen. Die näm
lichen Angaben besagen auch, daß die
Gesandten von Deutschland. Frank
reich,, England nnd Dänemark mit die
em geflügelten Wagen gereift wären.
der allgemein Bewunderung erregte.
Da indeß der Wind auf den Fahrwegen
em zu unzuverlässiger Leiter war. so
wurde dies Automobile bald aufgege
den und später als Wagen für Pferde
umgebaut.
Variirte Redensart,
Man muß stets den Schein wahren!"
sagte der Dieb, da hieß er einen Hun
dertmarkschein mitgehen.