Nach dem Tode gerächt. Erzählung aui dem amtkikaniichkn von crn C. harlol. Lebcn An einem milden Lpriltage deSJshreS 1876 faß lkxanvkr X. Ktewart, der Chef und allkinigt Inhaber des seinen Namen tragenden Nem Vker Welt aeschafte. in seinem Privatbureau. welcde sieh im ersten Etcckmer! deS von ihm erbauten, sowohl an Ausdehnung wie lururiöser Ausstattung damals ro& unübertroffenen Kaufhaus'S tt fand. Zveitausend Angestellte waren in diesem Gebäude beschäftigt; überall in den Neuenglandftaaten erhoben sich die Fabriken Etewart. und sür den Ver schleiß der Waaren, welche ne produzir ten. sorgten außer dem New Yorker flaust Agenturen in Glasgow. Belfaft. Paris. Lyon und Berlin. Doch auch in Hongkong und Tibet besaß Stewart eigene Geschäfte. Seme Handelöde liehungen umfaßten die Welt; er hatte Schiffe in jedem Hafen und besaß unge heuren Landbesitz in den Vereinigten Staaten. Sein Gesammtvermogm be lief sich auf fünfzig Millionen Dollar, Doch an jenem Tage, als Stewart in Betten und Decken gehüllt m einem an modischen, weitarmigen Ledersessel lehnte, da Haupt mit dem kurzgeschnit tenen weißen Vollbart und dem leichen sarbenen. verfallenen Geftcht kraftlos auf die Bruft gebeugt, unfähig, die ge schwollenen Füße zum Gehen zu be wegen, ein mit dem Tode ringender. siebzigjähriger GreiS da mochte er wohl den Unwerth irdischen Besitzes, die lächerliche Narrhett unersättlicher mensch licher Geldgier erkennen? Ein anderer vielleicht nicht Alex ander T. Stewart, nicht er, dessen ganze? Leben der Eroberung von Dol larS und Cents, der Erbeutung deS Be fitzeS anderer geweiht gewesen war. Nein, eS war und blieb der Geldmensch bis zum letzten Athemzuge. Gegen den Willen der Aerzte hatte er sich heute nach dem Broadway in sein Geschäftshaus fahren lassen. WaS war denn ihm im Leben un möglich gewesen? Arm wie eine Kirchen mauS war er vor nunmehr dreiund fünfzig Jahren von Dublin in Irland nach Amerika gekommen; aus einem kleinen Handel mit Linnen und Spitzen hatte er nach und nach fein Weltgeschäft aufgebaut, alle Hindernisse besiegt, alle Konkurrenten vor sich nieder m den Staub geworfen; jedes Mittel war ihm recht gewesen, seinen Reichthum zu vev gröber. Und dieser unbesiegte Stewart sollte sich jetzt ohne Kampf unterwerfen und niederbeugen lassen? Nein, nicht ohne Kampf, nicht ohne dieser Krankheit feine eiserne Willenskraft entgegenge stellt zu haben. Charley! Ein schlanker jung?r Mann, der bis her schweiMd an einem Schreibtisch ge seffen hatte, richtete sich auf. .WaZ wünschest Du, Onkel?" fragte er. Laß mir die heutige Poft bringen ich will sie erledigen. Der Stenograph und die Maschinenschrei denn sollen kommen." Aber Onkel, Du bist so schwach, Deine Krankheit " .Ich bin nicht krank! Es ist eine Lüge. Die Doktoren wollen nur Geld aus mir herauZpressen. Ich will ar beiten wie früher. Geh! Charley Stewart, der einzige Ver wandte, den der Handelsfürft in Ame rika befaß, und den er, da feiner Ehe Kinder versagt geblieben waren, in sein HauS aufgenommen hatte, verließ köpf schüttelnd daZ Gemach. Einige Minu ten später kehrte er mit drei Angestellten der Firma zurück. Ein mit Briefen auS aller Herren Länder angefüllter Korb wurde auf den Schreibtisch ge stellt. Stewart ließ sich einige derselben vorlesen und diltirte mit schwacher Stimme die Antworten. Doch kaum eine Viertelstunde ertrug fein von der Krankheit untergrabener Körper diese Anstrengung. Kalter Schweiß rann von feiner Stirn herab, die Lippen zitterten, das Sprechen wurde ihm fast zur Unmöglichkeit. Er mußte die Beamten wieder fortschicken. Als er mit seinem Neffen allein war und sich einigermaßen erholt hatte, winkte er Charley zu sich heran. .Ich werde im Laufe von einigen Wochen sterben.' flüsterte er, ohne jedoch irgend welche innere Bewegung zu der rathen. .Vielleicht find mir noch Tage gegeben ich weiß jetzt, daß ich Der loren bin ich habe keine Willenskraft mehr. Well, mein Testament ist ge macht; ich habe auch Dich bedacht, sogar reich bedacht zwei Millionen Dollars bist Du zufrieden?" .Ich danke Dir. Onkel " .Danke nicht zu schnell. Ich werde heute noch ein Kodizill verfassen, durch welches ick Dich enterbe und die Dir zugedachte Summe meinem Freunde und RechtSbeiftand, dem Richter Henry Hilton, übertrage." Sprachlos starrt der Neffe den Greis an. Redete der Kranke irre? Sage mir die Wahrheit, Charley komme näher sieh mich an o, dieser kurze Aihem so; ich weiß. Du bist ein ehrlicher Kerl, Du wirft mich nicht belügen." .Gewiß nicht, Onkel," versicherte der junge Mann. .Ist eS wahr, daß Du trotz meines Verbote noch Beziehungen zu dem deutschen Mäschen unterhältst?" Die Wangen deS jungen Stewart färbten sich. .Wenn Du die junge Dame meinst. erwiderte er. mit der ich seit einem Jahre verlobt bin. so ant. worte ich Dir auf die Frage, daß ich Klara Pfeifer nach wie vor sehe und spreche. Der Kranke legte den Kopf tiefer in die Kiffen, seine grauen Augen suchten die Decke. .Weißt Du. daß ich die Deutschen nicht leiden kann?" .Ich weiß eS, aber Deine Abneigung ist grundlos." .Tu wirft sie heirathen?" .3a." .Auch wenn Du bettelarm sein wirft?" .Auch dann." .Gut. Henry Hilton verdient bei dem Geschäft mei Millionen.' Charley trat zurück und schwieg, Die Anaeleaenbeit. welche soeben in wenigen Worten zwischen ihm und dem Onkel erörtert worden war. bildete feit zwei Jahren schon die Ursache einer tiefgehenden Verstimmung in der Fa mute. Der junge Stewart hatte ein deutsche? Mädchen kennen und lieben gelernt: Klara Pfeifer gehörte einer guten Familie an ; ihr Vater war ein geachteter Ingenieur . gewesen, hatte jedoch sein ganzes Einkommen auf die Erhaltung eines anständigen HauShal, teS und die Erziehung seiner Kinder verwendet. Als er plötzlich starb, fand sich nur ein geringes Baarvermögen vor. Klara mußte für die Mutter und die jüngeren Geschwister sorgen und that eS. indem sie die Stellung einer Verkäuferin in dem Stewart'schen Kaufhaus annahm. Durch ihre Schön heit, Bildung und Tugend zog sie Charley's Aufmerksamkeit auf sich, die beiden jungen Leute lernten sich näher kennen und lieben, und eine heimliche Verlobung fand zwischen ihnen statt. DaS LiebeSglück der jungen Leute wäre wahrscheinlich dem vielbeschäftig ten Stewart verborgen geblieben, wenn nicht die ArguSaugen seines Freundes und RechtSbeistandeS Henry Hilton eZ aufgespürt Hütten. Hilton, der einen unbegrenzten Einfluß auf Stewart be saß, beeilte sich, ihm seine Entdeckung mitzutheilen. Am nächsten Tage war Klara aus ihrer Stellung entlassen. Charley er hielt eine strenge Verwarnung und den Befehl, die Deutsche nicht mehr wieder zusehen. Ich will nach Hause." ließ stch der ranke nach einiger Zelt vernehmen. Laß meinen Wagen vorfahren." Als ob zwischen ihm und dem Onkel nichts vorgefallen sei, kam Charley m nen verwandtschaftlichen Pflichten nach und sorgte dafür, daß der GreiS mög lichft sanft in einem mit Räöern der sehenen Sessel nach dem Fahrstuhl e rollt wurde. Dieser brachte ihn in den Flur des Hauses, wo die elegante Eqm Page feiner harrte. Zehn willige Hände waren bereit. den Kranken aus feinem Seffel in den Wagen zu heben, doch ehe diese schaue rige Arbeit vollzogen werden konnte, ereignete stch ein wunderlicher Zwischen all. ' Ein ärmlich gekleideter Mann drängte sich vor, blö er dem Chef deS Handels haufeS gegenüberstand. .Guten Morgen, Mr. Stewart!" ernte er vertraulich; .es freut mich, Sie endlich wiederzusehen." Guten Morgen, Sir!" erwiderte der Kranke. Sie wünschen mich zu prechen?" .Ja. Mr. Stewart in Geschäf rn." Well, wag steht zu Diensten?" So krank und hinfällig der Greis war, so sehr er sich im Moment auch nach Ruhe sehnte, so unpassend der Ort sür eine Unterredung sein mochte Alexander T. Stewart wollte feinen Leuten nicht zeigen, daß er in Geschäf ten nicht mehr Rede und Antwort stehen könne, er wollte beweisen, daß er bis zur letzten Minute fein vorzüglichstes Prinzip hochhalte, jedem, wer eS auch immer sei, eine Unterredung gewähren. Anders schien Charley zu denken. .Ich bitte Dich. Onkel." rief er haftig, .laß Dich von diesem Mann nicht aufhalten und höre ihn nicht an. Er ift ein Narr, der seit fünf Jahren in regelmäßigen Zwischenräumen Dich zu sprechen begehrt. Ich habe ihn oft. ohne daß Du eS wußtest, abgewiesen." .Ich kenne den Herrn," erwiderte Stewart; ich vergesse niemals das Geftcht und den Namen eines Menschen, mit welchem ich schon ein Geschäft ge macht habe." .Wenn Sie die Wahrheit sprechen, Mr. Stewart," fiel ihm der Fremde in'S Wort, so werden Sie auch wissen, daß Sie mir noch fünfundzwanzigtau send Dollars schulden. Seit fünf Iah. ren suche ich vergeblich diese Schuld von Ihnen einzutreiben." .Sie irren, Sir." antwortete der Kranke ; .Alexander T. Stewart zahlt jeden Posten baar oder innerhalb drei ßig Tagen. Doch hiervon abgesehen wenn ich nicht irre, kaufte ich Ihre Fabrik und zahlte den bedungenen Preis. Ist das so?" .ES ift so ; aber Sie kauften mein Eigenthum, nachdem Sie mich ruinirt hatten. Sie bestimmten selbst den Preis, der so lächerlich niedrig war, daß kaum die vorhandenen Vorrathe bezahlt waren, nicht aber die Maschi nen und das Gebäude. Sie haben mich um fünfundzwanzigtausend Dol larS geschädigt, und Sie werden mir diese Sumwk bezahlen." So sicher und bestimmt wurden diese Worte gesprochen, daß selbst Stewart einen Moment betroffen war. Er slo1 die Augen und dachte nach. .Ich werde keinen Cent zahlen." lau tete dann seine Entscheidung. .Hebt mich in den Wagen. Leute Mit größter Schnelligkeit wurde der Vcseh! deS MillionülS tvu0t)eü; eine Minute .später saß er im Seidenpolfter seiner Equipage. Charley ihm gegen über. Da bahnte sich der sonderbare Mah ner mit wildem Ungestüm den Weg bis zu dem noch nicht geschlossenen Kutschen schlag. Drohend erhob er die Fau und rief: .Du bift ein Lügner, Stewart. Du wirft mir mein Geld bezahlen. Zins und ZinfeSzinS. Ich weiß, ich werde Dich nicht mehr lebend wiedersehen, doch gleichviel, wir ordnen unser Konto, das schwöre ich Dir !' .Faßt den Unsinnigen und bringt ihn zur Polizei!" rief Charley ent rüstet. .Nein laß ihn." stöhnte Stewart von der Schwäche und vielleicht auch von der Erregung überwältigt, .laßt ihn unbehelligt: eS war eine Ge schüftSsache aber ich werde keinen Cent bezahlen!" Dann waren seine Kräfte zu Ende. und der fünfzigfache Millionär fiel aus Mangel an ein wenig Luft in Ohn macht. Acht Tage nach dieser letzten geschäft lichen Unterredung, die er geführt hatte, schloß Alexander T. Stewart die Augen zur ewigen Ruhe. ES war am 10. pril 1876. Drei Tage später beftat tete man seinen Leib auf dem Kirchho der alten St. Markkirche, die zu New Aork an - der zürnte Aoenue und 10. Straße belegen ift. In einem Backstemgewölbe von zwö! Fuß Tiefe ruhte der Millionär in silbcv beschlagenem Sarg. AIs in einem der prächtigen Zimmer deS HaufeS, das er bewohnt hatte, sein Testament eröffnet wurde, zeigte eS stch, daß er seine Frau Kornella zur Umveo salerbin eingesetzt hatte. Richter Henry Hilton erhielt laut einem wenige Tage vor seinem Ableben errichteten Kodizil zwei Millionen Dollars. Charley Stewart, der einzige Trüger selnes Fa miliennamenS, fein einziger Verwand ter, ging leer aus. Frank Parker, der Hülfsküster der alten St. Markskirche, machte einen Morgenspaziergang über den zu seiner Kirche gehörenden GotteSaaer. DaS Wetter war einem Aufenthalt im Freien nicht sehr günstig. ES war ein trüber Novembermorgen; am vorausgegangenen Abend hatte eS geregnet, dann war um Mitternacht Schneefall eingetreten. Die Luft war überaus rauh, und schon wollte der Küster wieder nach seinem Hause zurück kehren, als ihm emc Anzahl Fußspuren ausfielen. Parier nutzte, r wume, da eine Beerdigung auf dem Friedhof gestern nicht stattgefunden hatte, noch war deS schlechten WetterS wegen der Besuch der Gräber kein wesentlicher gewesen. eS mußten also während der Nacht Unbe, fugte auf dem Kirchhof gewesen sein. Kopfschüttelnd verfolgte der Küster die Fußspuren: sie fährten nach der ihm wohlbekannten Stewart schen Familien gruft. Ein Laut deS Schreckens entrang sich den Lippen des ManneS, als er, an Ort und Stelle angelangt, gewahren mußte, daß das unterirdische Gewölbe, in wel chem man die Ueberreste deS Millionärs beigesetzt hatte, erbrochen und die Leiche Stewarts aus ihrem Sarge geraubt worden war. So schnell ihn feine Beine 'trugen. rannte Parker zu dem Vorgesetzten, dem Küster Hamill, und theilte ihm seine Entdeckung mit. In höchster Erregung nahm auch Hamill dre Gruft in Slugen chetn. Der aufgewühlte Grund, die mittels Einbrccherwerkzeug gehobene Platte, der gewaltsam aufgesprengte Sarg, in dessen sammteneS Futter die Räuber noch ein eigenartig ausgezacktes Loch hineingeschnitten und dessen silberne Gedenktafel fte mitgenommen hatten daS alles legte beredtes Zeugniß ab von dem, was sich hier im Dunkel der Nacht abgespielt hatte; zum Ueberfluß fanden die beiden Kirchenbeamten noch eine Laterne und eine Kohlenschaufel, offen bar den Leichenräubern gehörig, in der Nähe der Gruft. Eine Viertelstunde später stand Hamill zitternd vor Frau Kornelia Stewart und theilte ihr das vorgefallene mit. Frau Stewart war entsetzt. Sie hatte sehr an ihrem Manne gehangen und konnte das Ungeheure nicht fassen. Ihr Mann hatte ihr auf seinem Sterbe bette seinen Freund Henry Hilton als Berather und Vertrauten empfohlen, und fte sandte daher jetzt sofort zu ihm. Hilton kam osort. Er war ein Mann von etwa fünfzig Jahren. Sein charfgeschnitteneS Gesicht hatte den Ausdruck großer Energie. Schluchzend eilte ihm Frau Stewart entgegen und theilte ihm mit, was ge chehen fei. Hilton blieb kühl bis an'S Herz hinan. Regen Sie sich nicht auf. liebe Freundin, und bereiten Sie sich nicht unnöthigen Kummer." sagte er, .wir haben eS hier mit einem gewöhnlichen Gaunerstreich zu thun. Nur auf Er preffung von Geld ift es abgesehen." Dann wandte er sich zornig an den Küster und rief: .Der Kirchhof ift, so weit ich mich erinnere, mit einem eiser nen Gitter umgeben. Wie hoch ift das?" .Zkhn Fuß. Euer Ehren." .Und Sie wollen behaupten. Herr. daß die Räuber von der Straße über diesen hohen Zaun gestiegen seien? DaS ift unmöglich; Polizei und Paffanten hätten sie dabei überraschen müssen." .ja, äott - drrjriycn uer qren. wie wäre eS sonst möglich, ich selber be hüte den Kirchenschlüffcl. und nur durch die Kirche müßten die Spitzduden ge kommen sein, wenn nicht von der Straße." .Die Untersuchung wird die Wahr heit an den Tag bringen," wnrf Hilton nachlässig hin, und auch die Schuldigen und Mitschuldigen der gerechten Strafe überliefern. Gehen Sie jetzt. Herr, ich werde daS weitere veranlassen." Der Küster verließ das Stewnrt'sche HauS mit sehr gemischten Gefühlen. Nun sollte er am Ende noch mitschuldig an dem Verbrechen fein! Dieser entsetz liche Verdacht, der ihn ganz ungerecht traf, konnte ihn noch um Amt und Brot bringen. Unterdessen bemühte sich Hilton. die Wittwe zu trösten, doch gelang eS ihm nicht. .Bieten Sie alles auf, Hilton," rief fte flehend ; .lassen Sie eS so viel Geld kosten als eS will nur schaffen Sie mir den Leichnam meine? armen Man neS wieder. O, diese Schurken nicht einmal im Grabe gönnen sie ihm die Ruhe l" Hilto fuhr vom Stewart'schen Hause sofort zu George W. Walling. dem Polizei'Chef von New Nork, mel bete den Vorfall und bat um Rath und Unterstützung. Walling besichtigte so fort den Thatort deS Verbrechens, ließ alle Polizeiftationen von dem Vorgefal lenen in Kenntniß setzen und nach allen Nachbarftätten telegraphiren ; er brachte seine gewiegtesten Detektives auf die Beine, und eS gelang ihm auch, feftzu stellen, wo die an der Gruft gefundenen Gegenstände, die Laterne und die Koh lenschaufel, gekauft worden waren. Im übrigen erschöpfte sich die Polizei in müßigen Theorien und Muthmaßungen die Thäter blieben unentdeckt. ihre Spur verwischt. Auf Anrathen deS PolizeichefZ setzte Hilton am anderen' Tage für Wieder einbringung deS Leichnams und Ver Haftung der Diebe eine Belohnung von fünfundzwanzigtau end Dollars aus. Offenbar hatte Hilton den Werth der sterblichen Ueberrefte deS Millionärs zu niedrig angeschlagen, denn die Be, sitzer der Stewart'schen Gebeine ließen nichts von sich hören. Frau Kornelia Stewart litt unsäglich bei dem Gedan ken an die Grabschändung, sie fand Tag und Nacht keine Ruhe. Da, emeS TageS. erhielt Frau Stewart ein Packet aus Boston mat schickt. Als sie eS öffnete, wäre sie bei nahe vor Schreck umgesunken. Sie hielt die silberne Gedächtnißtafel in der Hand, welche vom Sarge ihres Gatten zusammen mit dem Leichnam der schmunden war. Ferner sandten die Leichenräuber ein Stück Papier, von der Form deS Loches, daß fte in da sammtne Futter deS SargeS hinein geschnitten. Die silberne Tafel wurde von dem Graveur mit aller Bestimmt heit als diejenige erkannt, die er für Stcwart'S Sarg angefertigt ; das Pa Pier paßte genau in das Loch dcZ Sarg fulterö. Kein Zweifel, man hatte eS mit den wirklichen Thätern zu thun. Den wichtigsten Theil jener geheim nißvollen Sendung aber hatte Frau Stewart ihrem Berather Hilton nicht gezeigt, sondern verbarg ihn zwei Tage. unschlüsftg, was sie thun sollte, in ihrem Geldschrank. Es war ein Brief, der ebenfalls in dem Packet gelegen hatte und lautete : Madame ! Die Leiche Ihres Gatten Alexander T. Stewart wurde am 6. November vor Mitternacht aus dem Gewölbe entfernt und nach einem be stimmten Hause der oberen Stadt ge bracht, wo sie in einen mit Zink ausge chlagenen Koffer gelegt wurde. Die er Koffer wurde nach Canade gesandt und die Leiche dort bestattet. Die Augen find allerdings verschwunden, im übrigen aber ift der Körper noch fo wohl erhalten, daß er mit Leichtigkeit identifizirt werden kann. Wenn Sie mit uns unterhandeln wollen, so rücken Sie in den N. I. Herald" folgende Anzeige ein : .Canada. Will das Ge chäst abschließen." Henry G. Romaine." Nach zweitägiger Ueberlegung, wen sie mit der Misston, die Unterhandlung mit den Räubern zu führen, betrauen olle, glaubte Frau Stewart den rech ten Weg gefunden zu haben. In einer Miethskutsche ließ fte sich nach einer in ärmlicher Gegend gelegenen Straße bringen. Hier bewohnte Charley Stewart, der enterbte Ncffe deS Millio närS, ein schlichtes Häuschen. Er arbeitete für spärlichen Wochenlohn als Gehilfe in einem Ellenwaarengeschäft, aber er hatte seine Klara geheirathet und war glücklich. Der junge Stewart und feine Frau waren nicht wenig erstaunt über den unerwarteten Besuch, der ihnen zu Theil wurde; doch mit aufrichtiger Theilnahme kam Charley seiner Tante, welche Mutterstelle an ihm vertreten hatte, entgegen, führte sie in sein bestes Zimmer und machte sie mit seiner jun gen hübschen Frau bekannt. Ein we nig verlegen blickte stch grau ornelia in der einfach eingerichteten Wohnung um, und plötzlich brach sie in Thränen aus. Gegen Dich hat er ungerecht gehan delt. Charley." sagte sie bewegt. ES war eine seiner sonderbaren Launen. daß er Dich vor seinem Tode enterbte und sogar mir noch am letzten Tag einen Schwur abnahm. Dich nicht zu unterstützen ach, ich habe gar nicht den Muth, Dir meine Bitte vorzu tragen." .Laß alle?, was gewesen ift. beiseite. Tante." bat Charley; .der Onkel hatte seine eigenen Ansichten, und er ift wohl auch von einer gewissen Person schlecht beeinflußt worden. Dir ftehe ich in jeder Wet'e zi r Verfügung. Zögernd brachte grau Stewart ihr Anliegen vor. Natürlich hatte Charley schon von dem Leichenraub durch die Zeitungen gehört, jetzt aber erfuhr er alle Einzelheiten, las den Brief, den die Wittwe erhalten hatte, und rief so fort : .Man muß mit den Gaunern in Unterhandlung treten. ES ift der ein zige Weg, den Leichnam zurückzubekom men. Weiß Mr. Hilton darum?" .Er hat keine Ahnung von diesem Briefe und soll auch vorläufig nichts erfahren. In Deine Hand. Charley, will ich die ganze Angelegenheit legen ; vielleicht gelingt eS Dir, meinem Leben die Ruhe wiederzugeben." Charley soll allcS aufbieten." wandte ftch Klara an die alte Dame. bis er den Leichnam seines OnkclS Ihnen zurückgebracht hat. Ihnen ver dankt er seine Erziehung; er erfüllt nur eine Pflicht der Dankbarkeit nicht wahr, Charley?" Frau Stewart küßte die junge Frau auf die Stirne und schloß sie gerührt in die Arme. .Wie gut Du bist, mein Kind!" flüsterte sie. Sie blieb bis zum Abend als Gast in der Behausung deS jungen Paares und als sie sich verabschiedete, versicherte sie, daß sie seit dem Tode ihreS ManneS den ersten frohen Tag verlebt habe. Am nächsten Tage schon erschien im New York Herald" die von den Spitz duben geforderte Anzeige. EZ entwickelte ftch jetzt zwischen den Leichenräubern und Frau Stewart ein Briefwechsel, in welchem die Bedingungen noch vielen Handeln und Feilschen festgesetzt wur den. Zuerst verlangten die Räuder nicht weniger olS eine Viertelmillion Dol larS, dann wurden sie, als sie sahen. daß an einer derartigen Summe nicht zu denken war. billiger, und eS kam zwl schen den beiden Parteien eine Eini gung cus achlzlglauieno Dollars zu Stande. Nun kam die Schwierigkeit des Aus tauscheS. Die Räuber wollten die denk, bar größte Sicherheit haben, daß man fte nicht m eine Falle locke. Ihre Be dinqungen waren folgende: Der Ver trauenSmann der Frau Stewart sollte an einem bestimmten Abend um zehn Uhr ganz allein und ohne jede Beglei tung auf einem Einspänner New Jork verlassen und einen Weg einschlagen. der ihm auf einer mitgesandten Karte bezeichnet war. Alles andere habe er dem Ermessen der Herren" zu über lassen, welche jeden etwa beabsichtigten Verrath zweifellos erfahren und gebüh rend rächen würden. Charley erklärte sich' bereit, die un heimliche Nachtfahrt zu unternehmen. Die Nacht war Klarheit blitzten bitterkalt, in seltener und strahlten die Sterne. Auf feinem Wagen sitzend verfolgte Charley genau den Weg. der ihm mittels eines rothen Strich, s auf der von den Räubern gesandten Karte vorgezeichnet war. Hinter sich im Wagen hatte er eine Kiste, die zur Auf nähme der Leiche bestimmt war, neben Charley aber lag ein Revolver, der mit sechs Schüssen scharf geladen war. iyaney s Geduld wurde aus eine harte Probe gestellt. Der Morgen be gann zu dämmern: die bewaldeten Hügel von Mestchefter County lagen bereits hinter ihm, und noch hatte sich keiner seiner ,, Geschäftsfreunde" gezeigt Jetzt trabte sein Pserd am Saume eines dichten WaldeS dahin. Ter junge Mann sah auf seine Uhr eS war drei Uhr Morgens. Plötzlich tauchte aus einem Hohlweg ein maSkirter Reiter vor ihm auf und befahl ihm, anzuhalten. ES war ein hochgewachsener, kräftig gebauter Mann ; unter der MaSke, die er trug, stahl sich ein rothblonder Vollbart hervor. Haben Sie das Geld?" fragte der Reiter. Charley bejahte, und eS wurde ihm bedeutet, den Wagen zu verlassen und zur Abwicklung des GefchasteS in den Hohlweg zu kommen. AIS der Reiter bemerkte, daß der junge Stewart feinen evolver in sie A,a cye necne, tut er lachend: Sie mögen das Schießeisen ruhig an ftch nehmen, aber Sie werden keine Gelegenheit finden, eS zu brauchen. Wir bringen nur ein alteS, halbvergeffeneS Konto in Ordnung wir find einfache Geschäftsleute." Indem Hohlwege fand Charley zu seinem größten Erstaunen nur noch einen einzigen Mann, während er doch eine aanze Bande vermuthet hatte. Auch dieser Mann trug eine MaSke, er schien jedoch älter als der Reiter zu sein. Er saß auf einem niedrigen, nach Art der Farmerwagen gebauten Gefährt, an welchem eine Laterne angezündet war. Wo ist die Leiche?" forschte Charley. Der Reiter hob einen alten, über den Wagen gebreiteten Mantel auf und zeigte auf einen Sack. .Da liegt allks, was von Herrn Stewart noch übrig ge blieben ift." sagte er spöttisch; .doch jetzt schnell daS Geld e3 wird hell, und wir müssen weiter." Zuerst müssen Sie mich überzeugen, daß der Leichnam auch mit dem iden tisch ift. den ich suche zeigen Sie ihn mir." Seinem Verlangen wurde nachze geben, und bald blickte Charley auf jene bleichen Knochen, jenes fleischlose Gesicht nieder, die einmal daS ausgemacht hat ten, waS von Millionen Menschen be neidet worden war, beneidet um seine Millionen ! Der arme reiche Mann am Ziel hatte er nicht einmal daS gefunden. waS dem geringsten Bettlet zu Theil wird: den Frieden im Grade. Jetzt wurde daS Geschäft schnell adge wickelt. Der junge Stewart zählte beim Schein der Laterne den Betrag, welchen die Räuber sich als Losegeld sür die Leiche auZbedungen hatten, und dann waren ihm die beiden Männer behilflich, den Leichnam in den Koffer zu ver schließen, der auf feinem Wagen stand. Nun fahren Sie zu. Sir," redete ihn der Reiter an; halten Sie sich am Saume diese WaldeS, und Sie werden in einer Stunde die Bahnstation er reichen." Charley nickte und wollte sein Thier zum ausen antreiben, als der ältere Gefährte deS ReiterS ihm in die Zügel fiel. Sofort zog der junge Mann sei nen Revolver. Nehmen Sie das Ding nur wieder weg." lachte der MaSkirte, ich wollte Ihnen nur zum Schluß eine kleine ge schäftliche Eröffnung machen. Sie sind der junge Stewart; ich kenne Sie gut genug und weiß, daß auch Sie durch das Testament eine Probe von der Menschenfreundlichkeit und Güte Ihres Onkels bekommen haben. Nun, das ist Ihre Sache und geht mich nichts an. Aber wenn Sie morgen heimkommen. . so schlagen Sie daS Hauptbuch dieses großen Geschäfts manneS auf. Sie werden dort, wenn die Bücher richtig geführt worden find, ein Kouto offen finden. Aus diesem muß hervorgehen, daß da? Haus Alexander T. Stewart einem Unglücklichen, der dadurch zum Bettler gemacht worden ist. noch fünfundzwanzigtauseiid Dollars schulden. Machen Sie einen Strich durch dieses Konto, junger Mann. DaS HauS Stewart hat bezahlt Kapital, Zinsen und Schadenersatz für ein ge drocheneS Leben." .So find Sie jener Mann?" stieß Charles erregt hervor. Welche Rache haben Sie genommen Rache an einen Todten abscheulich I" Ich habe nur ein Konto geordnet," lautete die mit rauher Stimme gegebene Antwort. Und nun fahren Sie zu!" Dann schlug er mit der Faust auf die provisorische Behausung deö Todten und rief voll Hohn und Bitterkeit: He, Stewart, wer hat nun recht behalten, du oder ich? Haft du mehr bezahlt als einen Cent? Dem jungen Manne wurde es un heimlich. Er gab dem Pferde die Peit sche, und fort ging eS in gestrecktem Ga lopp. In der nächsten Nacht ging ein Fracht wagen nach Garden Ciiy ab, dessen ganze Ladung au einem Koffer be stand. Auf dem Koffer faß Charley Stewart. In der Kathedrale zu Garden City wurde die Leiche des HandclSfürftcn in einen bereitgehaltenen Sarg gelegt und sofort in einem Gewölbe untergebracht, daS durch eine elektrische Leitung mit den Glocken im Thurm in Verbindung steht. Wenn jetzt eine Frevlerhand sich an der eiche vergriffe, so würden die ehernen Wächter ihre dröhnenden Stirn men erheben. Auf den Stewart'schen Millionen schien ein Fluch zu lasten. Nachdem ast das gesammte vermögen der Frau Stewart nach und nach in die Taschen Hilton'S gewandert war, verminderte eS sich bei diesem auffallend schnell, und erst kürzlich war die Firma Hilton, HugheS & Co. diesen Namen hatte Hilton dem alten Stewart'schen Ge schüfte gegeben gezwungen, ihre Zah lungSunfühigkeit zu offenbaren und ihre Thore zu schließen. Charley Stewart aber, der sür seine Hilfe von der Wittwe dcS Millionärs mit einer Million bedacht worden war, lebt noch heute glücklich und zufrieden an der Seite feiner deutschen Frau. Von jenem Ge chäftZmann. der sein Konto auf so seltsame Art und Weise geordnet, hat die Polizei trotz eifrigen SuchenS niemals eine Spur entdeckt. 4 Y ?itt Radfahrermartcrl. An der Straße zwischen KremS und Gföhl ift jüngst ein Bild angebracht worden, welches einen Ochsen darstellt, der mit seinen Hörnern ein Fahrrad aufgespießt hat, während der dazu ge hörige Radfahrer daneben auf dem Bauche ausgestreckt liegt. Tarunter stehen folgende Reime : Den Franzl, den a jeder kennt, . Hat hier ein OchS vom Radl g'rennt. O Radler, der du fahrst zum hnferl, Sitz ab bei diesem Martertafeil, Und merk bergab man immer schiebt. Dieweil eS hier viel Rindvieh giebt. historisches. .Ist eS richtig. Herr Professor, die Chinesen sollen schon vor dreitausend Jahren daS Klavier erfunden haben?" .Ganz richtig, aber vor zweitausend Jahren schon haben sie eS wieder abge chafft." l