Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 07, 1898, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    l
L
1W
)
r
f
iintt liiiann
VWH'WHVHW
?J U
Jahrgang 11).
Beilage zum Ncbraska taats-?ln;cigcr.
No. 7.
IParurn sie fdjinolltc?
tfuif (5hcitanb8fii:tnrur?ii kn Richard
t'üui tjtr ;Heiu8 6otf f.
Cin Novemderadend war i3 ; ich er
l , , tl. f i- - - W...4:. f.'.;4
iiiztctr. Mich Iriiick Nv utuuuv, ui'uuii
seitdem manch.-? Jahr in die Lande ge
gangen ist. Und ich sehe rr,ich. in mei
nen Hsveleck gehüllt, durch da! Schnee
gcftöber meiner Bchausunz zueilen; ja.
ich weiß sogar noch, des; mein Herz sehr
laut und ungeftäm klopfte, just, als od
ich einer großen erwartungsvollen greude
entgegenliefe. , Die? sollte nun zwar,
wie ich mich bald zu meinem Leide über
zeugen muhte, nicht der Fall sein, aber
einen Girind hatte besagtes Herzklopfen
doch, einen guten, gewichtigen sogar,
der "fronern fominini" war. wun
der volle blaue Augenfterne und gold
blonde Locken besaß, aus den Namen
Rosa hörte und seit zwei Monaten meine
kleine Frau war.. ..
Endlich war ich dahcim! Mit schnellen
Schritten hatte ich die Treppe zu meiner
Wohnung erstiegen und war, aus dem
Borsaale d-n nasictr lesenden Mantel
und Hut ablegend, nach dem Wohnzim.
mer geeilt, sroh. den staubigen Conto
dllchern entronnen zu sein, zwischen de
nen ich der geplagte Mitinhaber der
Firma Strahlendorff & Co. tagS
Über bis über die Ohrcn begraben ge
Wesen war.
Traußen ächzte und stöhnte der
Sturmwind in immer heftigeren Stößen
und rüttelte ungeduldig an den Fenstern
hin und her; innen aber war eZ behag
lich erwärmt durch da? lustig flackernde
Feuer im Kamin, da! In röthüchen Re
siezen auf dem Fußboden spielte. Die
Lampe verbreitete einen traulichen Licht
schein auf dem Tische, vor dem meine
kleine Frau mit einer Häkelarbeit in den
geschäftigen Händen saß.
ES war ein köstliches Bild behaglich
fter. heimlichster Gemüthlichkeit, da! fich
meinen Augen darbot! Die alte Rococo
uhr in der Ecke deZ Zimmers, ein alteS
Erbstück unserer Familie, tickte mit der
ihr eigenen Gemüthlichkeit herüber und
hinüber; die um den Tisch stehenden
Sessel streckten einladend ihrer Armleb
nen nach mir aus, just, als wollten sie
mich zum Niedersetzen animiren, und
das Wasser zum Thee im Samowar auf
dem Tische summte und surrte so gc
schäftig zwischendrcin, alö sei eS schier
ungeduldig ob des langen Wartens.
Wie dezaubert blieb ich an der Thür
stehen und ließ meine Blicke sich an dem
reizvollen Bilde weiden. In diesem
Augenblicke erst fühlte ich so recht, wie
glücklich ich doch war. der ich nach des
TageS Last und Mühen dah:im eine
trauliche Häuslichkeit hatte, eine kleine
liebe Frau fand, die mich auf Händen
trug, die mich liebte, wie nur eine Frau
den Gatten zu lieben vermag!
Ich lachte sie Alle aus im Geheimen,
die Anderen, die noch unbeweibt in der
Welt umherftolzirten. Sie hockten jetzt
dahcim in kalten ungemütlichen MiethZ.
siuben, oder vertrauerten die langen
Abende in durchräucherten Kneipen beim
Kartenspiel, indeß ich am wärmenden
Ofm saß und mit meinem Weibe plau
derte. scherzte und koste. Freilich
früher hatte ich eS auch nicht begreifen
können, wie man nur einen einzigen
Abend im Jahre daheim .veröden"
könnte; ich war auch so ein Brausewind
gewesen, dem die eigenen vier Pfühle
immer zu eng waren; aber seit ich der
heirathet, war das AlleS andrS gewor
den. Nicht gezwungenermaßen! Nicht
weil meine Gattin vielleicht gesagt hätte:
Ader Männe, Du wirft doch nicht in's
BierhauS gehen und Deine kleine Frau
allein daheim bleiben lassen wollen!"
O nein, bei Leibe deswegen nicht! Aber
sie hatte eS verstanden, mir da? Leben
zu HauS so traulich, so einzig gemüth
lich zu machen, daß ich mich den ganzen
Tag über nach dem Abende sehnte, um
wieder an ihrer Seite zu sitzen, in ihr
rofigeS, lockenumvalltes Gefichtchen mit
den schelmischen blauen Augen zu
schauen, ihrem fröhlichen Geplauder zu
lauschen.
Und jeden Tag dankte ich der Holden
von Neuem durch einen Extrakuß hier
für. Den sollte sie auch heute haben ;
gleich jetzt doch halt!
Ich durfte der althergebrachten Ge
wohnheit" nicht vorgreifen, die darin
bestand, daß Mimi mir allabendlich,
wenn ich vom Bureau heimkehrte, bei
meinem Eintreten in'S Zimmer ent
gegeneilte, um sich den Abendkuß auf
die rosigen Lippen drücken zulassen
Indeß.... was war das?.. ..Heute
kam sie nicht!.. ..
Diese Abweichung von der .altherge
brachten Gewohnheit" konnte ich mir im
ersten Augenblicke nicht anders erklären,
als daß sie mein Eintreten überhört ha.
den mußte, weshalb ich mich durch ein
ziemlich vernehmliches Siäuspern bemerk
bar machte.
Allein auch das half nicht; sie blieb
unbeweglich fitzen ....
Rosa." rief ich nun.
Keine Antwort.
Da eilte ich auf sie zu. und meinen
Arm um ihr blondlockiges Köpfchen le
gend und mich zu ihr niederzeugend,
fragte ich nicht ohne eine gewisse heim
liche Besorgniß im Herzen, denn ich
fülchtete, sie könnte sich unwohl fühlen,
vielleicht gar bedenklich erkrankt sein:
.33a5 fehlt Dir, mein Liebling, daß
Tu fo still und betrübt dasitzest und mir
nicht, wie sonst entgegeneilest ? Fühlst
Tu Dich unwohl, mein Her,?"
.Geh," sagte sie statt aller anderen
Antwort und streifte unwillig meine
Hand von ihrem Haupte hinweg. Und
dann, als ich sie an mich pressen wollte.
sich von mir wendend, mit Herder, ton
lofer Stimme : .Laß das" dann
Ichritt sie hinau. aus dem Zimmer, in
ihr Boudoir.
.Geh!.... Laß da?!...." wieder
holte ich, der Davonschrcitenden wie im
Traume nachblickend, denn ich dezrifs
ibr sonderbares Wesen nicht. Nur das
Eine wurde mir allmählich klar, daß
sie nicht krank war, sondern
schmollte.
Ader weswegen schmollte sie? Wie
sehr ich auch mein Hirn zermarterte, ich
vermochte Nichts, absolut Nichts zu ent
decken, wodurch ich ihr Veranlassung zu
diesem, allem Anscheine nach höchst un
gnädigen Zorn gegeben hätte. Solid
war ich bis zur Lächerlichkeit, das hatte
mir vorhin noch mein ehemaliger Schul
freund, mit welchem ich zusammen das
Gymnasium bis Obcrsecunda besucht
hatte, der luftige, fidele Paul Thierfel
der, zugerufen, als ich ihm, wie regel
müßig feit zwei Monaten (seitdem ich
vcrheirathet war), die Partie Billard
abgeschlagen hatte, zu welcher er mich
d,i unserer Begegnung auf der Straße
anzureden gesucht hatte. Ja, ich kam
nachgerade wegen bemeldeter Solidität
bei meinen Freunden und Kollegen
schon in den Geruch, ein Pantoffelheld
zu sein, und erst gestern hatte Freund
Hanow, als ich ihm, dem eingefleischte
ftcn aller Junggesellen, im Gegensatze
zu seinen pessimistischen Ansichten über
das Ehcleben. die Annehmlichkeiten
desselben in den bewundernden Aus
drücken geschildert hatte, allen ErnfteS
gemeint: .Na, na, alter Junge, werde
nur nicht gar zu überfchwünglich in der
Schilderung dieses dieses Immer
daseinS; mir will'S bald scheinen, als
wärest Du auf diese Schönfärberei ab
gerichtet! Du stehst doch nicht etwa
schon unter dem Pantoffel der Gnädi
gen?"
Wogegen ich mich natürlich sehr der
wahrt hatte!
Ueber meine Gutmüihigkeit, meine
ehemännliche Aufmerksamkeit, hatte
meine Frau ebenfalls keinen Anlaß zur
Klage. Denn jeder Wunsch, den sie
äußeite, war schon von vornherein ge
wählt. ES verging kein Tag, wo ich
ihr nicht durch irgend eine kleine Lie
besgabe, eine Nippsache, ein Tütchen
mit Zuckerwerk oder sonst irgend Etwa?,
eine Freude zu machen bestrebt war!
Und nun sollte ich um Nicht? und wie
der Nicht, um einer Laune willen (denn
eine solche konnte eS ja doch nur fein!)
ihren Zorn ertragen!
Zwar hatte Rosa mir heute beim
Mittagsmahl ihr Leid über die Unge
fchickUchkeit deS HauSmädchcnS geklagt,
welchem .ine der kostbarsten Punschter
rincn, die unS mein Associer zum
Brautgeschenk gemacht hatte, beim Siei
nific in Trümmer gegangen war; aber
was hatte das mit mir zu tdun? Sie
konnte mich doch unmöglich für die Un
Vorsichtigkeit des Mädchens verantwort
lich machen? Nein, das that sie nicht,
so ungerecht war sie nicht, daß sie um
deS Mäschens willen auch über mich
ihren Verdruß ergoß! Aber waS war'S
dann?
Sollte eiwa doch Freund Hanow
Zkecht haben, der stets behauptet hatte
und trotz eindringlichster Gezenbeleuch
tung immer noch steif und fest behaup
tete: .Und ich sage Dir. alteS HauS,
die Weider find die unbeständigsten Ge
schöpfe der Welt! Unzuverlässiger,
wechselnder alS der April find sie in
ihren Stimmungen, ihren Entschlüssen,
ihrem ganzen Wesen. Für Alles leicht
entflammt, enthusiaSmirt, aber wie
lange? Hahahal Was ihnen heute
gefällt, das werfen sie morgen zum
alten Eisen! Freilich da? vermagst
Du Idealist nicht zu begreifen, der Du
geradezu haarsträubender Weise in deS
alten PostöirekiorS Töchterlem vernarrt
bist; Tu siehst nur die Lichtseiten an
den Frauen, willst die Schattenseiten
mit aller Gewalt verkennen und ruhst
nicht eher, als bis eS Dir geht wie den
Motten, die so lange um das Licht flat
tern, bis sie sich die Flügel verbrannt
haben. Ich sage Dir, die Zeit wird
kommen, wo Du an mich zurückdenkst.
Du bekümmert ausrufst: .Er hatte
echt, mein Freund Hanow, die Wei
der find die undeßündigften Geschöpfe
der Welt!"
Ich hatte bei solchen ZorneSauS
brächen deS weiberfeindlichen Freunde?
immer hell auflachen müssen heute
aber war das anders! Sollte er etwa
Recht haben? Sollte fie meiner in der
kurzen Zät unseres Zusammenlebens
wirklich schon überdrüssig geworden
sein?
Ich saß trübselig, verstört auf dem
Sessel, auf dem sie vorhin gesessen
hatte, und grübelte Und je län
ger ich grübelte, desto mehr verfinsterten
ftch meine erregten Sinne. Das Bild
der Geliebten, das mir bisher in den
rosigsten Farben vor Augen geschwebt
hatte, verlor mehr und mehr an Glanz;
die schelmischen lachenden Augen, die
für mich der Inbegriff alles GlückeS
gewesen, der holde, süße Kindermund,
der so lustig zu plaudern, so hcrzer
quickend zu lächeln, so wonneberauschend
zu küssen verstand. ach! AlleS er
schien mir jetzt nur als gefügige? Werk
zeug in der Hand einer berechnenden Ko
ketten, die darnach gestrebt, mich dum
men Gimpel um meiner sicheren Exi
ftenz. meiner gesellschaftlichen Stellung
willen in ihre Netze zu locken C
Falschheit. Dein Name ifl Weib!
Ich sah unS im Geiste wieder in der
Kirche vor dem Altare stehen. Vom
hohen, farbig bemalten Fenster fließt
eine bunte Garde gedämpften Lichtes zu
unS herüber. Orgelllünge. Weihe
doller Gesang. Der alte, ehrwürdige
Geistliche legt unsere Hände in einan
der. wir wechseln die Ringe und sprechen
au? brünstigen Seelen das .Ja", das
unS für immer bindet.
.Sei ihm, dem treusorgenden Gut
ten, allzeit ein liebendes, gehorsames
Weib," sagte er ihr in den Geleitwor
ten, die er unS Beiden mit auf den
Lebensweg giebt, .bereite ihm ein trau
licheS, holdes Heim, in dem die Liebe,
die unverwelkliche, immergrüne Liebe
wohnt, auf daß er an Deiner Seite Er
holung und Labung findet, wenn er
heimkehrt von dem beschwerlichen und
sorgenvolle Tagewerke." Haha! Schöne
Erholung und Labung das! Statt
des traulichen, holden HeimS wartet
meiner unheimliche, trostlose Einsam
keit. statt freundlicher, antheilvoller
Blicke, statt eine? zärtlichen LächelnS
empfangen mich verfinsterte Mienen.
Freilich ich bin aufbrausenden,
jähzornigen Temperamentes und lasse
mich leicht zum Zorne, zu einem bösen.
Worte hinreißen. Vielleicht hatte ich
auch heute Mittag, durch irgend eine
berufliche Unannehmlichkeit erregt, mit
einem unüberlegt gesprochenen Worte
ihr leicht empfindsames Gemüth verletzt.
Aber war eS nicht ihre Pflicht, zu der
gcsscn, zu verzeihen, mir, dem Vielbe
schüftigten? Wußte fie nicht, daß ein
einziger, liebender Blick aus ihren
Lugen hinreichte, um all' meine trüben
Gedanken zu verscheuchen? Warum kam
fie nicht, wie eS ihre Pflicht war, als
gehorsames und dem Manne unter
tbänigeS Weib und liedkoste mir den
Aerger, den Verdruß, die Sorgen von
den Wangen?
Ein nie gekanntes Wehegefühl stieg
in meiner Bruft auf. krampfte mein
Herz in namenloser Bitterkeit zusam
men. Gut denn ! Sie hatte den Streit
heraufbeschworen, mochte fie auch die
Folgen tragen, mochte sie selbst empfin
den, wie es thut, wenn um Nicht!
und wieder Nichts Zank und Unfrieden
in's HauS getragen werden
Das versöhnende Wort sollte nicht
über meine Lippen dringen, stumm,
kalt, herzlos, wie fie vorhin an mir
vorübergeschritten war, so wollte ich an
ihrer Seite sitzen, bis sie selbst er
kannte, wie Unrecht sie mir gethan !
Ich setzte mich an meinen Arbeitstisch
und versnchte mich in'S Lesen zu ver
tiefen, um gewaltsam die verzweifelte
Stimmung zu bannen, die mein Herz
erfüllte. Aber vergebens ! Ich fand
keine Ruhe. Die Buchstaben tanzten
vor meinen Augen, sie sprangen bunt
und wild durcheinander, wurden im
mer größer und größer und formten
fich schließlich zu kleinen, zwerghasten
Wesen, die mir höhnisch lachend zurie
fen: .Haha, hihi, kurze Herrlichkeit
war'S mit Eurer Liebe; vorbei ist AlleS.
und Du trügst die Schuld l"
Tu trägst die Schuld ! Immer und
immer wieder gellten mir diese Worte
in die Ohren.
Ich sah mich gefesselt, willenloZ
gebannt am Boden liegen und mein
Weib, seitab stehend, ihr Ohr dem Ge
flüster verleumderischer Zungen leihen,
sah. wie mein Weib erst fragend, ent
setzt auf mich schaute, als könne sie nicht
glauben, was man ihr gesagt.. .. wie
sie dann erbleichend sich von mir
wandte, mich floh, und fliehend zu
sammenbrach unter der Uedermacht deS
Schmerzes wie ich aufspringen
wollte, um sie an mich zu reißen, um
sie den Schändlichen zu entreißen, die
fie belogen wie ich machtlos zurück-
sank wie man sie hinwegtrug
weiter. . .. immer weiter schier
endlosen Weg. . ..
Entsetzt, schweißgebadet sprang ich
auf. reckte und dehnte die Glieder; Gott
sei gedankt ! fie waren frei ; eS war
ein Trugbild, das mich gcquült I
Und wunderbar. Wie nach tosen
dem Sturm und Ungewitter die Sonne
freundlich wieder zur Erde hernieder
lächelt, daß AlleS erheitert athmet, daß
AlleS am erneuten Leben sich labt, so
zog auch in mein Herz allmählich eine
friedvolle, erquickende, süße Ruh: ein.
Eine ermahnende Stimme in meinem
Innern sprach vernehmlich zu mir:
.EZ ist so traurig, einsam zu sein, und
so schön, zu lieben. Soll eS immer so
bleiben zwischen Euch?" Ihr habt Nicht
auf der weiten Erde, als einander. Ihr
hattet Euch lieb und wäret glücklich:
vergesset Beide, waS Euer Herz beküm
mert und lasset eS sein, wie eS früher,
wie eZ gestern, wie eS heute am Mor
gen noch war !"
Ja. so sollte eS fein ! Von einem un
widcrftehlichen, halb unbewußten Im
pulse getrieben, eilte ich nach dem
Schlafzimmer.
Da lag mein Weib, süß schlum
mernd, im Traum noch lächelnd, der
gedämpfte Lichtschein der rosenrothen
Ampel spielte auf ihrer alabafterweißen
Hand, die an dem Bettrande hernie
derhing. Behutsam kniete ich nieder
und bedeckte die schlanken Finger, die
so oft in fröhlichem Uedermuth in mei
nem Barte gezaust, mit glühenden Küs
fen.
Da erwachte sie.
.Botho, Tu hier?" rief sie, noch
traumbefangen, zu fo später Stunde
und-angc!leidet? WaS ist geschehen?"
.Ich kann nicht schlafen, wie Du,"
erwiderte ich, .denn ich werde bis zum
Wahnsinn gemartert, durch Dein
schweigendes Zürnen! Weöhalb
weshalb zürnst Du mir?"
Da lachte sie silberhell auf und flü
fterte mir Etwas in'S Ohr. Ich aber
preßte sie an mich und verschloß ihr den
Mund mit Küssen
Und warum sie schmollte?
Weil ich vergaß, ihr den Ab
schied skuß zu geben, als ich heute
am Nachmittag von ihr schied, um mein
Bureau aufzusuchen !
Königin Ulab.
Novelle!!? aus der Bühncnwelt. Von
Charles Buet.
Man spielte im Theater der Porte
Montmartre eine prächzige Feerie, in
der alle wunderbaren Schöpfungen der
shakespcare'schen Werke vorkamen: Cym
beline und Porzia, DeSdemona und
Cordclia, Ophelia, Julia und hundert
andere, blond wie die Aehren und
schwarz wie der ErebuS. Diese Feerie
hieß, wenn ich mich recht erinnere, ein
WeihnachtStraum". Im letzten Akt
vor der Apotheose, während eines Bal
lets, in welchem silbergepanzerte Ama
zonen gegen goldgeschmückte Ktiegeiin
nen kämpften, erschien ein ungeheurer
Käsig mit afrikanischen Lösen und
japanischen Tigern, die ein rothhaariger
kleiner und phlegmatischer Engländer,
ein Thicrbändiger von Beruf, mit der
Klugheit eines Helden und dem Blute
eines Hexenmeisters beherrschte.
Doch nicht in der schönen Hoffnung,
den ThierbSndiger von seinen Bestien
zerrissen zu sehen, ging Loredan Mon
tagncc alle Abend nach der Porte
Montmartre; ein arderer Magnet zog
ihn hierher. Lucy Bell, welche im
.WeihnachtStraum' die Rclle der Kö
nigin Mao spielte. Wenn Lucy Bell
auch noch nicht die große Künstlerin ge
worden war. um die sich London, Wien
und Petersburg streiten, fo war sie doch
schon daZ graziöseste, hübscheste, liebenS
würdigste Kind, das man seyen konnte.
Sie war elfenhast klein, dazu hatte sie
goldfarbige Haare, die sie vollständig
wie mit einer leuchtenden Aureole ein
hüllten, ein feiner, goldiger Nebel, der
sie stets umwallte. Unter diesem flam
wenden Schleier zeigten ftch eine reine
Stirn und große, sehr große Vergiß
meinnichtaugcn. i
Loredan liebte, ohne Hoffnung, ohne
Wunsch. Lucy Bell war die Freude
seines Herzen?, die Fee feiner Träume,
die Freundin seiner Seele. Er sah sie
überall; unaufhörlich beschwor er das
angebetete Bild, und die sanften, azur
blauen Augen mit dem weichen Blick
erhellten sein Leben wie eine unauS
löschliche Fackel.
Lucy ftand in tausend Dingen höher
als die anderen Evastöchter, ihre
Schwestern. Sie verstand weder lächelnd
zu lügen, noch mit den Leiden eines
Bndern zu spielen, noch die zarten Ge
fühle eines Menschen zu verspotten.
Sie spielte keine Rolle im Leben. Sie
gehörte nicht zu jenen entsetzlich koketten,
schönen Sirenen, die das Rechnen aus
dem Zrunde verstehen und nie ver
lieren, sondern stets bei jenem Hazard
spiel gewinnen wollen, daS man die
Liebe nennt.
UcbrigenZ sprach Loredan nie mit
ihr, und man wußte im Theater von
ihm nichts weiter, als daß er daS Ori
ginal war, daS man alle Abende auf
feinem Fauteuil No. 33 bemerkte.
Eines Abends ging der Vorhang wie
cewöhnlich über der großen, prachtvollen
Dekoration hoch, die den Palast der
Königin Mad darstellte.
Der Saal der Porte Montmartre
war gedrängt voll, lein leere Plätzchen,
bis auf den Fauteuil No. 33, den Bre
don Montagnac eben verlassen hatte,
um hinter die Kulissen zu gehen. Grade
begann daS Ballet vor der hübschen
Königin Mab. die, aus Kissen l egend,
ihren Zofen erzählte, wie sie am vorigen
Tage stundenlang in Begleitung eineS
jungen Edelmannes Namens Raoul
daS Gehölz von Meudon durchstreift
hatte.
Hinter dem Hinterprospekt ftand der
eiserne Käfig, in welchem die von dem
Lärm der Instrumente aufgeregten
Löwen und Tiger umhersprangen. Ihr
englischer Wärter hatte an jenem Abend
zu viel Rum in seinen Erog gethan und
zu viel getrunken; er schlummerte in
glückseliger Ruhe.
Plötzlich übertönte ein schreckliches
Gebrüll die Fansaren. Dann hörte
man einen Angstschrei; darauf erhob
sich ein Ruf der Verzweiflung aus zwei
tausend Kehlen.
Ein junger Löwe war auS dem Käsig
entwischt, auf die Bühne gesprungen.
Seine Augen blitzten vor Wuth und
Wildheit, seine fürchterlichen Pranken
bearbeiteten den Boden und zerrissen
die Tttllschärpen, die Guirlanden, die
Blumensträuße, die die entsetzt ent
fliehenden Figurantinnen zurückgelassen
hatten.
ES war schrecklich. Man suchte Was
fen, hundert Stimmen kommandirten,
Niemand gehorchte. Geheul, Rufen,
ein wirres Durcheinander, ein unstn
Niger Wirrwarr, Körper, die alle Aus
günge versperrten, ein sich in den Ku
lissen zusammenballender Strom ent
setzter Menschen und Wände, die unter
dem Drängen der Menge zusammen
brachen; daS war daS Bild, das das
Theater in diesem Augenblick bot. Nie
erschütterte eine entsetzlichere Scene
Paris.
Tort unten lag die kleine Königin
Mab, Lucy Bell, von dem magnetischen
Blick der Bestie faScinirt. leblos und
starr auf den Kissen; eine leichenhafte
Blässe wandelte ihr hübsches Gesicht zu
Wachs, und ihre blauen, in Thränen
schwimmenden Augen schloffen sich in
restgnirter Angst. Ter Löwe beobach
tete sie.
Noch eine Sekunde und Lucy fiel
der Bestie zum Opfer.
Loredan überlegte nicht. Er hielt
in der Hand einen Stock, einen leichten,
biegsamen Stock mit einem silbernen
Griff. Schnell stürzte er vor, rannte
auf die Bühne und schlug den Löwen
mit dem Kuopf dcS Stockes auf die
Nase.
Beim Anblick diese? Mannes, dem an
seinem Leben so wenig zu liegen schien
und der fich selbst den Klauen und
Zähnen deS schrecklichen ThiereS darbot,
erhob sich ein neuer Lärm. .Dann
herrschte ein tiefeS, majestätisches
Schweigen, als wolle es den Mann be
grüßen, der zu sterben wußte.
Doch Loredan starb nicht. Er fühlte
in sich eine unbekannte, über
menschliche, unerschöpfliche Kraft, die
jede andere Kraft verachtete. Er
peitschte den Löwen mit feinem bieg
samen Stöckchen mitten auf die
Schnauze. Er bohrte seinen haßerfüll
ten Blick in die wilden Augen des Fein
des, und wie geschah das nur? der
Feind war besiegt!
Da erschien endlich der Engländer,
der aus seinem Rausche erwacht war,
mit einem großen Netz, daS er über den
Löwen warf. Dann erzwäng er sich
mit fich mit seinem im Feuer gerötheten
Eisenftabe Gehorsam und schleppte die
Bestie nach dem Käfiig, in den er sie ein
schloß.
Ter Vorhang fiel.
Die Zuschauer hatten an jenem Abend
mehr für ihr Geld erhalten, als fie er
wartet hatten. Und als Loredan sich
itefdewegt sich Lucy Bell näherte, und
sie aus ihrer Erstarrung erwacht war,
da warf sie ihre Arme um seinen HalS
und fragte ihn mit zärtlicher Stimme:
.E ist also wahr, daß Sie mich lie
den?"
Drei Monate' später berichteten die
Zeitungen von der Vermählung Lore
dan MontagnacS mit Lucy Bell, der
kleinen Königin Mad.
Die schönen HSndl'n.
Der Peperl hat mit feinem Schwester!
und seinen Eltern einen Ausflug ge
macht; nun sitzen sie wieder im Koupce
um heimzufahren und ein Jäger hat
ihnen gegenüber Platz genommen.
Der Pepi ist ganz weg über die vielen
Hündl'n", welche der Weidmann neben
sich liegen hat, immer nühcr und nüher
kommt er hinzu und giebt nicht undeut
lich zu verstehen, daß er ein solches für
sein Leben gern Hütte, während dem
Vater ein umS andere Mal das Wasser
im Munde zusammenläuft, denn er
sieht , sie im Gedanken schon gebraten
vor sich. .Kommst dielleicht billig
dazu", kalkulirt er und fragt, ob nicht
einige feil" wären?
.DaS nit". sagt der Jäger, .aber
da? nette Büberl da soll sei Freud' um
sonst haben!"
.Wirst sehen Alte". Zäunt der Mann
der Gattin zu. .da springen ein paar
umsonst 'rauS, das soll ein Abendessen
werden! Sauber in Speck wickelst '
ein, Sauerkraut haben wir ja auch
noch
Bis hierher ist er in feiner Gedanken
fchwelgerei gekommen, da pfeift e? und
man führt nun in der heimischen Bahn
ftation ein.
.Jetzt paß' auf Mutter", sagt der
Ehegatte im AuZfteigen. .jetzt wirft
einen nobeln Menschen kennen lernen"
und der Pepi macht ein paar Lugen
wie die Ealzdüchsen vor Erwartung.
Da. jetzt I der Jäger langt neben
sich und, rasch, hat er einem Huhn ein
Federt auZgeruft, da? er dem sprach
losen Buhen hinhült. .So", sagt er
grinsend. Z.daS steckst Tu aufs Hauberl
und jetzt allerseits adjcS !"
ras höchste Glück ist stumm."
Diese Wahrheit hat Mancher wohl
schon selbst erlebt. Gestern Mittag, so
erzählt ein Berliner Zeitungsmann
waren wir Zeugen einer kleinen Scene
die da Wort treffend illustrirte. Eit
hochdctagteS Mütterchen war mit eine
Kiepe voll Jliederfträußen nach Berlir
gekommen, um die Blumen hier zt
verkaufen. Beim Verlassen deS Stadt
bahnhofs Friedrichsftraße hatte fie daS
Glück, einen Damenrinz zu finden.
Die Alte, welche wohl den hohen Werth
de? Ringes nicht erkannte, war schon
im Begriff, ihren Fund einem Schutz
mann abzuliefern, als eine elegant ge
kleidete junge Dame in Begleitung
eines älteren Herrn auf sie zustürzte
und den Ring als ihr Eigenthum rekla
mirte. Die Dame hatte das Schmuck
stück mit dem Handschuh vom Finger
gezogen, den Verlust aber beim Beftei
gen einer Droschke sofort bemerkt. Be
reitwilligst wurde ihr der Ring über
geben, der Herr, in dessen Begleitung
sich die Dame befand, griff in die Tasche
und drückte der Alten einen Fünfzig,
markschcin mit der Bemerkung in der
Hand, sich dafür gute Feiertage zu
machen. DaS sich vor Freude kaum
fassende Mütterchen hielt den Schein
noch immer in der Hand, als der
freundliche Spender mit dem Fräulein
schon lange davongefahren war; sie
vermochte kein Wort über die Lippen
zu bringen. Tag höchste Glück ist
ftumm.
Die drei ersten Papiermühlen in
Deutschland.
Die erste Papiermühle in Teutschland
ward im Jahre 139 in Nürnberg ange
legt. Da erft 50 Jahre später die
Buchdruckerkunft erfunden und zu den
ältesten Drucken Pergament genommen
wurde, der Briefwechsel aber auch
äußerst beschränkt war, so mag sie, ob
schon auf die natürliche Weise, als
Monopol bestehend, doch nur wenig Ab
satz gehabt haben, und eS vergingen
volle 80 Jahre, the eine zweite in Basel
1470, entstand; mit ihr fast zugleich
aber erblühte eine dritte, 1477 vom
Grafen Eberhard von Württemberg am
See zu Urach angelegte, die für 15
Gulden jährlichen Zins an einen Pa
piermacher aus Caftilien verpachtet
wurde. Sie machte bedeutende Ge
schäfte, weil nun die Buchdruckerkunft
fich deS leinenen Papiers bediente und
in Schwaben bereits eine Menge Pressen
(in Ulm, Eßlingen, Blaubeuren. Reut
lingen und Tübingen) beschäftigte.
Wortspiele.
Da? dumme Kind, weil ihm die
Butter auf dem Ofen schmolz
schmollt's.
Tausend Felle kaufte er jüngst und
hundert Häute heute.
Mähen haben wir nicht, noch wohl
die Leute sähen sehen.
Wer von Natur aus grob der kaum
ein guter Wirth wird.
Die Mutter sagt, daß auf dem Brod
nicht Butter oder Schmalz sondern Muß
muß.
Ich wünschte, daß das große LooZ
nicht auf einen Einz'gen, sondern auf
Viele fiele.
Es dauerte nicht lange, bis der Bar
bier mit seinem Kamm kam.
Nicht arg ermüdet wird, wer mit
'nem Pferd führt.
Die Mutter sprach: Den Ofen will
ich nun anstecken ; geh' Wilhelm, geh',
hol'ö Holz!"
Kaiser Wilhelm . bei Spichern.
Als der Kaiser Wilhelm I. nach der
Schlacht von Spichern die fast senkrech
ten Höhen betrachtete, welche zu stürmen
eS gegolten hatte, sagte er zu einem
Soldaten, der in der Nühe stand:
.Aber Kinder, das war ja foft nicht
möglich, daß Ihr da heraufgekommen
seid.
.Ja. Majestät." lautete die Antwort,
.möglich war'S freilich nicht, aber rauf
sind wir doch!"
Buern-Renommage.
WoaS, Sedp, mi haßt' an armen
Schlucker. Tu? I han ja mehr Mist in
mei Stuab'n, wia Du af Dein Acker."
Gerechte Strafe.
Münchener: .Hab'n Sie aber an
Kröpf! Wie hab'n S' denn den
kriegt?"
Stciermürkcr: .Der kommt vom
Wassertrinken."
Münchener: .TL? g'fchicht Jhne
aber g'rad recht!"