Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 23, 1898, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    :iuf
uba gefallen.
Jiutniuit' '.'iOPt'.i'ItC
tun l'unst.
WaZ schleift der Mulatte da untkr
nurnen KenSern entlang r fteht un
beweglich und schaut herauf, als arte
er, daß ich hinunteriommc ich habe
mehr zu thun in diesen kriegerischen
Tagen deZ Ausstände?, er sieht Der
mummt und verdächtig auZ und trügt
einen rm in der Binde, alZ sei er im
Ausstand verwundet. Er wird fort,
gehen. AnanaZ und Bananenverkäu
fer auf Eseln reiten vorbei. Maulthier.
Wider mit Körben voll MangoS uno
Apfelsinen ziehen vorüber, dahinter ein
großer Echn?arm lachender, schwatzen
der Neger, jeder an einem Stück
Zuckerrohr kauend. Der Mulatte sieht
noch immer und ftarrt herauf da
Trommeln, die spanische Ronde naht
ein wilder Sprung trägt den Mann
dicht vorS HauS, das Fenster klirrt, ein
Rtin flient an meinem Haupte in?
Zimmer , der Mann ist fort wie
w?it ick iedt lDäde. als hätt' ihn der
Boden verschlungen. Ich trete iurü.
und betrachte das zertrümmerte Fenster
und den Stein, staunend hebe ich ihn
auf. Ein Bananenblatt ist darum ge
wunden, ich löse die Hansschnur einige
weiße Blätter, eng beschrieben, fallen
mir entaeaen.
ES find anscheinend Tagebuchblüiter,
ick, kenne die fcckmtt. aber aus Dem ie
ten Blatt, worauf mein Auge fällt, lese
ich, vcn fremder Hand geschrieben: Am
dritten Januar ist er für die Freiheit
seines Baterlandes gefallen, yre ,ei
nem Anaedenken.
Der Oberst Kommandirende
Gomez."
Ich verstand jetzt, er war todt, gefal
len. der Stein durchs Fenster war die
Post der Insurgenten, sie brachte mir
sein Testament.
Er war also todt, mein Freund Paolo
Kerner mein alter Paul eit langen
Wochen harrte ich unruhig auf Kunde
von dem plötzlich Verschwundenen, jetzt
wußte ich'S. er war todt, gefallen im
Kampfe gegen die spanische Regierung
mir ward eng umS Herz und ein
heißes Weh stieg in mir auf. ich ergriff
den Strohhut und trug die Blätter ins
Freie ich konnte sie hier nicht lesen.
Die enge, steile Straße am Hafen ging
ich hinauf, an den einstöckigen Häusern
vorbei, an denen das Erdbeben gertit
telt. ,ornia hörte ich die spanische Trom
mel. die die Truppen zur Revue auf den
Prado riefen. Je höher ich die Straßen
der am GebirgShange gebauten Stadt
bockstiea. desto elender wurden die Hau
fer. nackte Negerlinder kollerten über
den steiniaen Weg.
Auf der Höhe der Vorberge empfing
mich Palmenschatten, und ich sah mich
um. Dies war die Aussicht, die er so
sehr geliebt, die leuchtende runde Bai
von Santiago de Cuba, von dem grünen
Borberae und nochmals vom todten
Kran blauer wilder Gebirge umkränzt,
dort unten die bunte Stadt mit den
flachen Dächern, ringsum tropische
Natur in blühender Fülle dieS Land
hatte der thatkräftige, arbeitSlustige.
ernste deutsche Freund so heiß geliebt,
für dieS Land war er gestorben. mir
zitterte die Hand, die das Geheimniß
hielt. laß sehen die Blätter.
Sie hat mich erhört
Glückseligkeit! Ich will nüchtern sein,
trotz Allem ! Wäre der ZuckerpreiZ nicht
fo niedrig gewesen, der stolze Pflanzer
wäre lieber gestorben. alZ daß er heute
den deutschen Ingenieur als Theilhaber
und zugleich als Schwiegersohn an
nahm, aber er konnte meine Patente,
meine verbesserten Maschinen nicht ent-
dehren. So habe ich Josefita errungen
mit Hebeln und Schrauben, mit
Zeichnen, Rechnen und Erfinden und
durch die große Liede meine? Herzens !
Wie ich hier von meinem Balkon aus
im Bollmondlicht die kleine Villa da
drüben im KokuZnußhain erblicken kann
wie viele Abende habe ich hmüberge.
schaut, sehnsuchtsvoll, fast Hoffnung?
los, und bin wieder hineingeschritten
ins Zimmer und habe gearheitet an
meiner Zeichnung und bin wieder hin
ausaeschritten und habe hinübergegarrt.
bis mir die Augen schmerzten. Als sie
beute Abend von mir Abschied nahm im
Palmengang, da lächelten die schönen
dunklen Augensterne und ich las, daß
sie mir idre ganze Seele gegeben um
ihre Seele hatte ich geworden, ich will ihr
Sein herüberziehen in meine Aussas.
suna. auf meinen Flügeln will ich sie
treuen 1 ?Eft sie nicht rein, hold und
klug, warum soll sie nicht deutsch wer.
den. eckt deutsch und innig und eine
selbständig denkende Frau? Habe ich
ibr nicht schon oft erzählt vom deutschen
Wesen? Von meinem alten Mütterchen
svrack ffl iQt Deute uno von yDiar,
meiner Vaterstadt, und ich malte ihr
auf ein Stück Papier m der patmviatt
aefüaten Villa daS alte deutsche quadern
starke Kaiserhaus auf und erzählte ihr
von den grünen Harzwäldern. mit
Erstaunen und mit fragendem lies
hörte sie vom Schnee, der in weißen
Flocken herabfällt, und vom Eis. da?
die Flüsse und Teiche in Feffeln schlägt
und hart macht wie Krystall. Mit
Sehnsucht sah sie über die palmenbe
kränzte Bai. über der NachtZ daS Kreuz
des Südens steht, und malte mir
lächelnd aus. wie es wohl fein müßte,
dort oben in dem kalten Land, wenn sie
auf solchem EiS auf Stahlschuhen
glitte mit mir ! Winterpracht in dem
Berge. Rauhreif im Tannenwald.
Wgskthgl, o ich bringe euch von den
Palmen meine Braut, mein Weib hin
auf zum Besuch, daß sie euch kennen,
lerne in eurer Herrlichkeit! Heut
nahm ich Abschied von ihr als meiner
Braut, und jauchzend fuhr ich am
Strande der Bai entlang, jauchzend
sprang ich in? Boot, um nach HauZ zu
sahren.
In ganz Weftindien ist die Bai von
Santiago de tfuba berühmt, daß sie in
silbernem Glanz aufleuchtet wie PhoZ.
phor. wenn sie ein Fisch durchzieht.
in 0t1 liiv,4f lir tM
WlUll li llll uu Ml fci; 4 1 Ms j
tauche meinen toa ,n die tfiing, tat
die Wasserperlen leuchtend daran nie
verliefen, gleich grünlich leuchtenden
Funken, und in daS Wasser schrieb ich
den lieben Namen, und der Mulatte
drehte grinsend die Ruder, ho.
Josefita ist meine Braut, heute habe ich
sie gewonnen.
Ich habe wieder einmal Recht
gehabt meinem zukünftigen Herrn
Schwiegerpcpa gegenüber wann
wird er durch Schaden klug werden?
Wie oft habe ich ihn davon abgehalten, so
voreilig und billig seine angefangenen
Minen im Gebirge an die amerikanische
Gesellschaft zu verkaufen!
So wenig ergiebig der Anfang war.
so fest war ich nach meinen Prüfungen
überzeugt, daß bei un? Schätze in der
Erde steckten, die bei etwas Wageniuth
zu Heden waren. Der amerikanische
Minen.Jngcnieur ist ein tüchtiger Mann
jetzt, wo ich ihm nicht mehr im Wege
stehe, wird er vertraulich, nennt den
"eher papa" einen "oKi sool," lobt
mich für meinen Widerstand und mein
besseres Wissen und will mich in den
Dienst feiner Gesellschaft ziehen,
glaub'S schon, daß sie mich brauchen
können, denn meine Arbeit hat mich
hier in diesen zehn Jahren bekannt ge
macht, und man achtet auf daS, was ich
sage, außer dem eher papa. Heute
zeigte ich ihm die ErzProben, die die
neuen amerikanischen Bohrer gefördert,
jetzt flucht er und Josefita hatte trübe
Augen.
Der grauende Sonntagmorgen fand
mich schon im Gebirge, ich ging an
unseren jetzt nicht mehr unseren
Minen vorbei, auf die ich so viel Hoff
nungen gesetzt . die Amerikaner gehen
tüchtig darin vor hätte ich doch einen
Theil ihrer Betriebsmittel gehabt.
Weiter! Der Wald umfing mich und
mühsam drang ich durch die dichten
Mahagonyftämme und daS Gebüsch
von Kakteen und Lianen. An einem
erlosckenen Krater führte mich mein
'steiler Weg vorbei, in wilder Fülle
sproßten Palmen an dem geröllbedeckien
weiten Kessel deS vulkanischen Gipfels.
Ich klomm an dem felsigen Rande ent
lang, da riß der Wald auseinander, er
konnte nicht Fuß fassen an dem jähen
Abgrund, den ich erreicht, steil fiel
der Felsen unter mir taufende von Fuß
tief hinab, rechts und links umschlossen
den Absturz die Waldkuliffen. und vor
mir breitete sich in Glorie die weite un
endliche See, der die Sonne leuchtend
entstieg.
Senkrecht stand der Felsen über der
See. ich sah gerade unter mir die mäch
tige weiße Brandung der See an seinem
Fuße zerstäuben. Hier auf dem Gipfel
sah ich eö nur. ihren Donner konnte ich
in der Höhe nicht mehr vernehmen. In
purpurner Gluth erhob sich die Sonne,
die Strahlen deZ Morgenrothes machten
die See ergleißen und der FelZ, auf
dem ich saß. erglomm in der Lohe, die
ihn traf. DaS ist der unerreichbare
Reiz der tropischen Natur, daß sie so
reich und rein und ursprünglich daliegt,
als entränge sie sich eben erst der Hand
deZ Schöpfers. Nirgends ahnt man in
olcher Landschaft schon bc5 Menschen
Kunst und Nähe, jungfräulich ist die
Natur, vom Thau deZ Morgen- er
quickt. Die Sonne begrüßte ihre Erde
allein. Ein zufälliger Zeuge dieses
schimmernden WcltengrußeZ ist ein
kleines Wesen, deS da oben Zwischen
Felsen hockt im Urwaldzauber. Und
die Natur. dieS Land soll ich nicht lie
den, es nicht in mein Herz schließen, als
eine schöne zweite selbstgewählte Hei
math, hat sie mir nicht auch Josefita
geschenkt?
Langsam ging ich zurück über die
Vorderge und stieg endlich die steilen
Straßen Santiago? hinab bis zum
Marktplatz. Die letzten Kirchzänger
eilten in die Frühmesse, die schon de
gönnen hatte. Ich folgte ihnen in die
alte Kathedrale und trat hinter einen
Pfeiler, um Josefita zu sehen. Die
Responsorien rollten durch die Hallen,
gebrochen fiel daZ Licht durch die bun
ten Fenster, Murillo'S Madonnen grüß,
ten von den Wänden herab, der Ort
war mir heilig. Josefita betete hier.
Der Gottesdienst war vorüber, sie trat
heraus und begrüßte mich mit holdem
Lächeln in der Kirchenpforte. Wir
gingen zukommen an der Bai ent
lang zur Villa selig zwei Kin
der. ES war lebhaft bei Tische, zwei fpa
nische Offiziere waren anwesend, ein
älterer und ein jüngerer, beide Vettern
Josefita's und gestern mit dem Kriegs
schiffe gekommen. Mein Schwiegcr
papa schimpfte wacker auf die Jnsur
genten, um seine Loizalität gehörig dar
zuthun, die beiden Offiziere wollten die
aufständischen Führer zum Frühstück
verspeisen und waren sehr tapfer ich
hielt an mich nnd schwieg, denn ich
kannte den spanischen Steuerdruck, die
Habgier der Beamten, die Hemmnisse
in Handel und Industrie und gönnte
dem Lande die Unabhängigkeit. Un
verstanden blieb ich in der Familie, auch
Josefita's Geschwistern war ich zu ernst.
nur ne, die ue. verneyt mich.
liebt mich allein, ich will ihr AlleS lang
sam sagen, sie soll mich ganz verstehen,
Ich war also still bei Zisch und freute !
mich, daß Joiefita ledhast war.
Gegen Abend gingen wir an der
Bai spazieren, der ältere Ofp.zier
fragte mich wegen meiner Meinung
Über den AuZgang deZ Ausstand??.
Ich enthielt ihm meine Meinung n'cht
vor. daß ich die Lage für die spanisch?
Regierung für sehr kntiich halte ange
ficht? der starken Strei'.kküfte der In
surgenten und deren günstiger Stel
lung, in den Gebirgen, machte ihn auf
mcrksam auf die hohen militärischen
Fähigkeiten der Führer, die drohende
Haltung der Vereinigten Staaten
aber AleZ prallte ab an der unerschüt
terlichen Zuversicht dieses Spanier?,
der wie fast alle seine LandZleute aus
die Unerschütterlichkeit der Thürme
von Kaftilien schwört, er dank'e sehr
höflich und blieb bei feiner Ansicht.
Sollte ich ihm von der Berechtigung
der auiständischen Bewegung etwa;
sagen? Er war Kaftilier, und Kaftilien
ist da? erste Land der Welt, wa? wußte
er davon, daß Spanien längst eine
enthronte Königin der Geschichte ist?
Josefita hatle keine schweren Fragen
zu beantworten gehabt, der Lieutenant
und Bclter hatte sie unterwegs gut
unterhalten, ein diZchen Verwandtschaft
ist so gut wie zehn Jahre Bekanntschaft,
hier wie überall.
Heute war viel zu thun auf der
Zuckerfabrik, der Echwiegerpapa kam
mit den beiden Offizieren herangeritten
und war sehr heiter und gutm Muthe?
freilich die beiden Herren waren ihm
liebere Gefährten. Soeben
erfahre ich da? Geheimniß der guten
Stimmung deS eher papa, der
jüngere Vetter hat ihm ein großes Kapi
tal zur Verfügung gestellt. Freilich
mehr Geld würde manche Sorge in
unserem Geschäftsbetrieb erleichtern,
aber da? Herz begehrt sein
kann nicht von ihr lassen !
Im Lager der Insurgenten.
Da? war kein Heldenstück. Antonio !
AI? ich vorgeftcru in die Stadt gehen
w.ll. kommt mir cui keuchendem Roß
mein Diener kntgezenzespnngt mein
Hau? sei umstellt, durchsucht von spa
Nischen Soldaten, ein Vcrhaft?befehl
gegen mich fei h?rau? wegen VerdachlS
! der Begünstigung der Jnfurrckiion
er hat mein Geld aufgerafft, der treue
Bnrsche, und mein Gewehr und
trug zwei Briefe auZ Deutschland, mit
schwarzem Rand die Mutter todt
von Josefita krank durch mich
Ring zurück
Ich habe vor Gomez gestanden und
den Befehl über einen Trupp wackerer
Burschen erhalten, starke sehnige Zun
gen. Enterbte der Fortuna. Schiff'
brüchige deZ Lebens, Desparado?
gleich mir. froh, durch einen ehrlichen
Tod au? der Welt zu kommen.
freut Euch, ein schönes LooZ ist unZ
gefallen, wir ollen sterben für diese?
schöne Land die Freiheit. Morgen
treffen wir auf die spanischen Zrup
pen, da? neue Regiment au? Saittiago.
wir wollen die ersten sein beim Sturm,
Burschen!"
Hier endeten die Aufzcichnuiigkn,
dc? anderen TageS war er gefallen,
nachdem er den Sieg noch gesehen, den
er erkämpfen half ! Die Waffengefähr
ten begruben ihn, daZ heiße Herz ruht
still in cudanischer Erde.
Recht. eZjnando und Don JranceZco.
aoer eine so große summe ist un
nöthig, und wir waren in einigen
Jahren bei tüchtiger Arbeit überhaupt
ohne fremde Hilfe hochgekommen.
meine Maschinen arbeiteten vorzüglich,
und die benachbarten Pflanzer fangen
an, sie zu bestellen. Dieses Durch
ringen durch schwierige Gefchüftsverhält.
nisse mit Hilfe und Sorgfalt. Thätig
keit und Fleiß ist wohl auch eine de
sondere deutsche Eigenschaft. Ich aber
lobe diesen Kamps trotz Mühe und
Sorge, er verleiht Selbstftändigkeit.
Unabhängigkeit von Anderen und Per
trauen zur eigenen Kraft, wir hät
ten dieS Kapital nicht gebraucht !
Was soll ich eS verheimlichen? Er
stört mich. der reiche Vetter ist der
Mittelpunkt geworden, und der eher
papa ist kühler als je. auch Jose
fita stimmt ein in den HymnuS auf
den Ankömmling, sie hat noch wenig
eigene Meinung und stimmt nach her
gebrachter Art mit Vater und Mut
tcr. Wochen find entschwunden,
und ich habe diesen Blättern, diesen
flüchtigen Notizen eincS rasch gleiten
den Menschenlebens nichts anvertraut,
denn was meinen Sinn wild bewegte,
mochte ich mir nicht einmal vor die
Seele stellen, die Klarheit schmerzte mich,
viel weuiger war ich im Stande. eS
niederzuschreiben, denn der traurige
Tag ging hin unter Hoffnung auf
frohere zufriedene Stunden, und
kamen frohere Stunden und glaubte
ich, daß alles andere schwarze Täuschung
gewesen, so warf mich doch wieder
trübe Stimmung ins Elend zurück,
und ich wußte nicht, was von beiden
eigentlich die Wirklichkeit war.
Eigentlich war ja Allc? wie sonst und
doch AlleS anders. Zehn Jahre lebte
ich schon in Santiago und war stet
mit allen Leuten gut aufgekommen
jetzt eist, wo ich als Sohn in eine Fa
milie eintreten, alle ihre Empfindungen
und Meinungen als die meinigen de.
trachten soll, merke ich den Zwiespalt
ganz, der meine Art von ihrer trennt.
Auch zwischen mich und meine Braut
hat eS sich geschoben wehe, daß ich eS
schreiben muß. meme Art, zu sein,
macht sie ängstlich und traurig, AlleS,
waS ich ihr sage, ist ihr neu und un
gewohnt, auS eigenem Denken ent
standen, und sie ist erzogen in lauter
Tradition, die sie mit Ehrfurcht betrach
tct, und eS graut ihr davor, diese
gleich mir auf Gehalt und Echtheit zu
prüfen. Ich muß daS Denken. daS
Fragen, das Zweifeln verlernen, wenn
ich sie lieben, sie glücklich machen will
ich will eS ia thun, Jofenta, oh,
schaue mich an und vergieb und lache
wieder Dein holdeS Kinderlachen ich
habe Dich ja fo lieb
Wenn sie mich so ansieht, ängst
lich. und doch nichts zu sagen wagt,
und ich sie liebe, heiß liebe Zwei.
fel, wilde Zweifel zerreißen mich. ist
ihr meine Liebe auch eine Wohlthat,
zerreißt meine Persönlichkeit nicht viel
leicht ihre am Alten hängende Patur,
verwickelt sie in Zwiespalt blutet
daran ihr Herz, wenn ich sie still wci
nen sehe?
Sie ist krank für mich
nicht zu sehen, ihre Mutter hat eS
heut schonungslos gesagt ich stehe
auch auf Seite der Insurgenten wie
anders sei doch Antonio, ihr Vetter, wie
schade, daß er nicht eher gekommen sei
mir steigt daS Blut in den Kopf,
dies letzte Gift kam aus dem alten
Weib, ihr Herzenswunsch, dem ich im
Wege stand schweigend ohne Gruß
ging ich hinaus. In die Berge bin ich
geflüchtet und habe mich niedergcwor
fen; wie beiß kämpft und ringt' solch
Menschenherz für seine Liebe gegen den
Verstand, der ihm zuruft, ob die Liebe
auch gut sei für den, den eS liebt,
j?reziofa mit Hindernissen.
heaicr Hiiiiiorkske vo (5. ?,ai!hiaZ.
Da war Knörke nun im Nothenzage.
ment. Wegen vorgerückter Sommerzeit
hatte er bei einem Meerschweinchen"
ooer Familientheater Unterkunft suchen
müssen und sein Direktor hieß Papa
HauZncr, glücklicher Besitzer von vier
Töchtern und einer komischen Alten, die
er seine Frau nannte. Außerdem be
fanden sich noch vier Mimen, die Herren
EchlingS und ein Roneftiehl bei der
Wandergefellschaft. Heute sollte in KS
nigsee mit Preziosa" eröffnet werden
Sie spielen den Reiberhauptmann,"
hatte der Direktor zu ttnörke gesagt
aber ohne Probe, denn die Biene ist
Sie noch nicht fertig." HauSner war
war ein geborener Leipziger.
Ader Herr Direktor, ich habe keine
Ahnung."
Thut nicht?. Mir haben eine
famöse Coufleuse." hatte der Direktor
geantwortet. Entschuldigen Sie mich.
ich muß auf die Biene, die Bodium
pretter annageln helfen, denn mein
Theatermeester ist Sie sehr nachlässig
und heeßt SchlingS."
Rudolf nörke lernte fein Pensum
und fand sich um sechs Uhr im Rath
hausfaale ein, wo die Bühne aufge
schlagen war. Mama HauSner und
ihre älteste Tochter Cäcilie hatten ihn an
der Kasse, einem kleinen Z'.lch mit obli
qatein Teller, begrüßt, und Papa Din!
tor führte seinen Mimen auf die Bret-
ter. welche für Königfee die Welt bedeu
tetcn. ihm üvkllancno. wo er Nch ein
Plüschen zum Anziehen auZfuchm
würde. Bald hatte sich Knörke ov.m
tirt. Trotz der Dunkelheit fand er ein
tischartigeS Brett und einen Stuhl tn;t
drei Beinen. Nun begann er Kerzen.
Schminke, Tricots und Echuhwerk aus.
zupacken, die er in einer Rcifttasche mit-
gebracht hatte: einige seiner olle ent
sprechende Kleidungsstücke entnahm er
einem wüsten Haufen von Garderobe
der mitten auf der Bühne lag.
Im Zuschauerraum wurde e? all
mählich laut. Die Galleriebesucher be
gannen die Hühnerleiter hinaufzuklet-
tern, welche zu der roh zlisammengrz'.M'
merten Estrade am anderen Ende deZ
Saale? führte. Auch auf den besseren
Plötzen wurden schon Stühle gerücki.
Die Gäste kamen.
Allgemach fanden sich auch die Schau
spieler ein und zagen sich in den Ecken
und Winkeln hinter den Kulissen an,
drei Schling? und ein Roneftiehl. Die
Damen verkleideten sich auf dem Balkon
oberhalb der Bühne, der sonst zu Or
chcsterzwccken diente.
Im Saale wurde es lauter und
lauter.
Kiek bloß die weißen Frauen schrie
ein Junge.
Nee, eS ist die alte Zigeunermutter,"
rief ein anderer. Hurra, sie soll leben.
Bravo!"
Alles blickte nach dem Balkon. Tort
stand die dickste TircktionStocher Antonie
und liebäugelte haldgeschminkt und
ganz in weißem Negligee gekleidet nach
dem neuen Schauspieler, der sich den
LuxuS einer Kerzendeleuchtung geftat
tetc. Sie hatte nicht bedacht, daß man
ihr kreidebleiches Gesicht von der Gallerie j
aus sehen konnte.
Ihre Schwester Cäcilie riß sie heftig
zurück. Die verhüllende Lcinewand des
Balkon? schloß sich. Schon begann die
Musik die Ouvertüre, Geige und Kla
vier.
Der Direktor, welcher von der Kasse
schon im Kostüm als Echloßvogt Pedro
gekommen war, schnallte sich das Stelz
dein an und gab mit der Klingel das
Zeichen zum Anfang.
Der Borhang yod sich, das fcptei ve
gann.
SchlinaS Bater und söhn, der eine
in Filzgaloschen an den mit TrikotS be
deckten Beinen, weil er an Podagra
litt, der andere in Reitstiefeln, einen
großen Mantel über den Rücken gewor
fen. um seinen Buckel zu verstecken, de
gannen ihr Zwiegespräch als Ton Fer
Tann
t:ot Herr rneftiehi cl3 R:tt?r Alonzo
auf. Die ihm folgende Gesellschaft
ipan'.fchii Edlen wurde du ich kirnst,
sinnige kiletiantkn dargestellt, die Rit
UrwamviZ, wkiße Beinkleider und sehr
schmutzige Strßcnfliescl trugen.
AlZ Marie HauSner und Rudolf
Kn:!e, Prezia .;nd der Räude rhaüpt
mann, sowie die Zigeunermutlcr
B:arda. Frau Direktor, ailitratei'
klapperte Papa HauZner hinter der
Szene mit einem Zazudourin. Da?
war die Zigeunerbande, die unsichtbar
blieb
Während des Melodrams? Preziosa?
platzte dem Geigenspieler die Quinte
sonst ging alle? gut von Etapcl. Der
Vorhang fiel, da? zahlreich erschienene
Publikum klatschte.
Papa Hausner rieb sich vergnügt die
Hände.
..etzl kommen kie ran, meinte er
zu seinem reuen Mitglied. Machen
S:e nur Ihre Szene reazt jcheene
Wiffen 'e. wo Ihnen Preziosa mit
dem Schießgewehr auf' Lcder rückt, da
gehen ie so, immer rückwärts und
dann "
Weiter lam er nicht. r war an der
Kulisse auf ein loseZ Brett getreten und
in der Tiefe vcrfchwunden.
Jammernd lief die Familie zufam
wen. Ihrer vereinten Kraft gelang eS.
den Verunglückten aus der ' Tiefe zu
ziehen, aber er halte sich eine zerschun
dene Nase und eine tüchtige Beule an
der Stirn gestoßen.
Sich von de Umarmungen seiner
Töchter freimachend, zog er daZ
Schwert, nicht um den Theatermeister
zu durchbohren, sondern um die kühle
Klmge auf die bccnncnde Geschwulst zu
drücken.
Ich habe e? dem BuckelinZki, dem
EchlingS gesagt, er soll die Brcttcrsch
seftnageln," murrte er. Wenn da?
nu bei offenem Vorhang passirt wäre.
Ei Herriäse?, die Plamage! "
Alles zankte mit EchlingS, aber Nie
mand dachte daran, die Unglücksbretter
zu befestigen. Die Vorstellung nahm
ihren Fortgang.
Der Prospekt blieb unverändert.
Direktor Hausner besaß nur eine Wald
dekoration und diese mußte als Park,
Felsenlandschafi, freie Gegend, sogar
als Straße dienen. Mittelst zweier
wackliger Tische die mit Pappdeckel der
kleidet waren, wurden ein Paar FelZ.
blöcke hergestellt, die den Vorzug hat
ten, die wippenden Bretter festzuhalten.
AlleZ ging gut. Auch im dritten Akt
passilte nichts von Bedeutung, außer
daß die Ehöre gräßlich falsch gesungen
wurden und der Klavierspieler mit dem
Stuhl zusammenbrach. DaS Publikum
war hoch.'ntzückt. So gute Spieler hatte
eS noch nie in Königsee gehabt.
Doch mit deS Geschickes Mächten
Ist kein ewiger Bund zu flechten
Der Pianist intonirte:
ES blinken drei freundliche Sterne
In? Dunkel de? Lebens hinein."
Die DirektionStöchter. Herr Rone
stiehl nnd sämmtliche EchlingS fangen
den Ehcr mit Grandezza auftretend,
ihnen folgten die spanischen Granden,
die Dilettanten von Königsee.
Da berührte ein Statist daZ lose
Brett mit wucht:gem schritt. Die eZ
wippte ?n die Höhe und traf den vor
anschreibenden SchlingZ Nummer zwei
auf feine wohl auZwattirten Pluder
h?sen. kchlingZ sprang erschrocken zu
rück und verschwand mit einem Schrei
ifi der elben Oeffnung. die im Zwischen
ckt den Direktor HauSner verschlungen
hatte.
Erschrocken drängten sich alle Mit
spielenden an der anderen Kulissenseite
zusammen. Aoer die losen Bretter ver
mochten die Last wcht zu tragen. Si
wichen von den untenstehenden Böcken
und schnellten an der entgegengefetzten
eite empor. Biarda Alonzo. Eugenie,
von Antonie Hausner dargestellt, sowie
der Zigeunerhauptmann und die Väter
spieler der KomöZie verschwanden unter
dem Podium.
Unvermögens zu fassen, was borge
gangen war, standen die Statisten am
Prospekt und machten schrecklich dumme
Gesichter.
DaS Publikum hatle den Vorfall an-
fangS mit Schrecken, dann bet der Mas
enw'.ederholung mit Heiterkeit aufge-
nommen. Als es aser die aloernen
Mienen der Statisten sah, brach eS in
einen Jubelsturm aus.
Im Sperrsitze lachte man, daß die
Thränen heradkollerten, auf der Galerie
aber brüllte der Janhagel, daß die Fin
fter zitterten.
urrah", schrien die Jungen,
jauchiten die Alten, quiekten die Mägde,
Alle bearbeiteten Brüstung und Boden
mit Fäusten und Füßen. DaS lose zu
lammengezimmerte Bretterwerk konnte
dieser energlfchen BeifallSbezeugung
nicht standhalten. ES gab einen Krach.
die Planken wichen und fürchterlich
schreiend purzelten die Galeristen in den
Saal.
Welch ein Durcheinander von Füßen.
Leidern und Köpfen. Noch hingen fünf
Jungen an den Ucberreften der Galerie
und brüllten, daß sie ganz blau im Ge
ficht wurden. Der Staub wirbelte in
dichten Wolken durch den Raum und
verdunkelte die ohnein spärliche Be
leuchtung, daß man keinen Schritt vor
sich sehen konnte. Aengftlich flüchtete
der bessere Theil der Zuschauer, Vater
HauSner aber stand einsam und starr
auf der Bühne, wie jener Mann auf
den Trümmern von Karthago.
Knörke ardkitlte sich zuerst au? der
Z.1ki.kung und ließ vor allen Dingen
den Vorhang fallen. Dann leiste er
den dlNZdgkpiiizclten Kolleginnen that
krästigen Beistand. Weder Männlein
noch Wkidlein halten Schaden gcnom
nun. nur Mittler HauSner wurde ohn
mächiig emporgezogen und auf rinn!
Stuhl gesctzt. wo man sie mit kaltem
'Waffcr und hartnäckigem Hündereiben
zum Leben erweckte.
Mit einem Seuszer öffnete sie die
Augen und ihr erster Blick traf den
unglücklichen Schling?.
..Jnfamigter Windbeutel", rief sie
und versetzt jäh aufspringend dem
Urheber deS Unglücks eine so gewichtige
Ohrfeige, daß dieser widerstandslos in
die Grude rollte, die er anderen gegra
den hatte.
Unterdessen hatte der Polizcidiener
m, t H.Ife einiger besonnener Bürger im
Saal Ordnung geschafft. Die schreien
den Jungen waren vom Brettergerüst
heruntergeholt worden, die weinenden
Mägde hatte man wieder auf ihre Füße
gestellt, die ohnmächtigen Frauen hin
ausgetragen. Zwar gab eS blutige
Nasen, zcrschundene Hände und Schien
deine. Beulen und Kleiderrisse in
Menge, aber eine ernste Verletzung war
nicht zu verzeichnen. TaS Entree war
einmal bezahlt, die Mehrzahl wollte
das Stück zu Ende sehen. AIS sich der
Staub verzogen hatte, ertönte der Ruf:
Vorhang hoch ! Hierbleiben ! Weiter
spielen ! Wir wollen noch einmal lustig
sein !"
Der Pianist spielte nothgedrungen
einen Walzer, der Geiger folgte in kla
genden Tönen.
Luftiger", schrien die Galeristen,
welche sich; im Sperrsitz bequem ge
macht hatten. Los ! Los! Hurrah !
Galopp !"
Die zwei Musikanten fürchteten daS
lynchbereite Volk. Ein rasender Galopp
brauste durch den Saal. DaS Publi
kum trampelte dazu den Takt.
Da erscholl die Klingel auf dem
Theater. Ter Hcxenfadbath war zu
Ende. Erwartungsvolle Stille trat
ein.
Noch einmal erhob ftch der Vorhang,
zum letzten Male in dieser kunftdegei
sterten Stadt, denn der Bürgermeister
verbot die weiteren Vorstellungen deS
McerschivkinchcnS" unter Direktor
HauSner. Die Wunden und Beulen
der Kaleriebesucher erheischten Ruche,
Weiter zog HausnerS Thespiskarren in
das Thüringer Land. Nur zwei Män
ner folgten ihm nicht.
Knörke. der schaudernd geflohen war,
und der Thcatermeister SchlingS. den
die Direktorin nicht mehr sehen konnte,
ohne in Krämpfe zu verfallen.
Tonbombardement.
Ein Mufikantenftreich wird im Süd
osten von Berlin viel besprochen. Ein
HauSwirth in der Reichenbergerstraße
hält streng darauf, daß auf seinem
Grundstücke weder Leierkaftenmänner,
rtnft rtnnpr nr fnnftin SWfrptpr hpr
edlen Hosmufik ihre Kunst ausüben
dürfen. Um den Feind der Frau Mu
sica zu bekehren, rückte nun an einem
Freitag bekanntlich für die Hof
künftler" ein brodlofer Tag eine
ganze Reihe derselben immer einer
den anderen ablösend, im Hofe deS be
treffenden Grundstücke? an. Unerbitt
!:ch blieb der Wirth. Orgeldreher und
Trompeter, Paukenschläger und Sän
ger, Harfenspielerinnen und Flötisten,
alle wurden hinauZgewicsen. Die Hof
Musikanten hielten nun auf der Straße
eine Art KriegSrath ad, dessen Ergebniß
war, daß sie eine regelrechte Belagerung
über das musikfeindliche Haus in Scene
fttzten, indem sie von den Höfen der
benachbarten Gebäude aus ein wohl
zweistündiges musikalisches Tonbom
dardement" eröffneten. Und was für
eins! Granaten und Bomben können
eine größere Wirkung nicht hervordrin
gen, als dieses Conzert. das Hidigeigei'S
Großvater zu dirigiren schien. Weder
höfliches diplomatisches Einschreiten, noch
die Bezahlung der Kriegskosten in Ge
statt zugeworfener Geldspenden konnten
die Belagerer zum Adueben veran
lassen. Erst alZ bekannt gegeben wurde.
daß der Commandant deS feindlichen
HaufeS. der, wie man nun erfuhr, an
dem vühängnißvollen Zage fein Ge
burtZfeft feierte, geflüchtet sei, rückte die
musikalische Artillerie unter den Klün
gen deZ auf einem Leierkasten gespielten
Rixdor crS" ad. Der Auftritt wirkte
schließlich selbst auf geschworene Feinde
dieser Genüsse derartig, dafc sie ihren
Aerger unterdrückten und mit in die
allgemein sich geltend machende Heiter
keit einstimmten.
Ter Tchnttmann im, Hochsommer
ist daS Neueste; er ist nicht mehr allein
da? Produkt künstlerischer Bestrebungen
der Knabenwelt zur Winterzeit, son
dcrn er überrascht al? ein Gebilde von
Künstlers Hand auch im Sommer das
Publikum, wenn er den Ideen deZ
franzöffifchen Bildhauer? Pierre Röche
ein inneres unvergängliches Theil sei
neS Daseins verdankt. DeS Wunders
Kern besteht nämlich auZ einer kupfer
nen Statue, in deren Sockel ein Gefäß
Mit numger Kohlen äure aufaeftcllt ift.
Die Figur überzieht sich mit schneeigem
EiS. wenn durch Druck auf einen ver-
borgenen Knopf die Kohlensäure im
gasförmigen Zustande durch eine große
Zahl künstlich geschaffener Perm ins
Freie dringt. Ein besonders schöner
Effekt soll erzielt werden, wenn bei
Statuen älterer Personen nur die
Kopf und Barthaare mit Schnee sich
überziehen.