Der iMauc und der Graue. Nach dkii Zu!zk,chnungkn tmrt Union i'elnamn. Vta 'MobtU liin. ES war während b blutigen Eam K, orthT.s iftsio I kK,rst fMill Vk'J i"- - " - 1 Woodcock vom 12. MaffachusettSRegi ment ftch aus einer RttognoZcirungS. tour befand. Er saß forschend borge, lehnt auf seinem Siosik und sah durch seinen Feldstecher auf eine weite Flache virginischem Tieflandes, das hin und wieder von recht winkeligen Waldchen unterbochen wurde, herab. Im grauen Lichte des JndianersommerZ kamen ihm jene seebraunen und geldlichen Flecke wie vorgeschobene Infanterie CareeZ vor, deren Bajonette sich blinkend im Abendscheine bewegten. In Wahrheit dienten jene Gebüsche Haufen von grau uniformirten Solda ten zum Versteck, die von Zeit zu Zeit daraus hervorstürzten, um detachirte Unionssoldaten zu überfallen, einige bleierne Jnvectiven über sie auSzuspeien und dann, gehüllt in leichte Wolken von Pulverdampf, wieder zu entweichen, doch selten, ohne einige zuckende, wimmernde Kameraden auf dem von Rossen zer trampelten Wiesengrunde zurückzulassen. Die Uederledenden schienen in diesen hellfarbigen Flecken wie Gespenster zu verschwinden. Abtheilungen von Unio nisten wagten sich allerdings in die Ge ftrüppe hinein, fanden jedoch nie eine lebende Seele darin. Kaum waren sie an der entgegengesetzten Seite wieder heraus, dann freilich entströmten den verwünschten Verstecken schon wieder neue Haufen der Vorhut der Confö derirten. Als Oberst Woodcock sein FeldglaS herunternahm, lag Unmuth ob der ge schauten Vorgänge auf seinen nachdenk lichen, wettergebrüunten Zügen. Capitain," sagte er zu seinem Käme raden, täuschen wir unS nicht. Diese Kerle fechten wie der Teufel. Nur bleibt eS rüthfelhaft. wie sie in den Ein geweiden dieser Dickichte so spurlos ver schwinden können. ES soll mich " Der Satz wurde nicht vollendet. Der Oberst gab plötzlich seinem Roffe die Sporen. ES stürmte mit seinem Reiter in die Niederung hinab, und wo seine Hufe gegen Kiesel in seiner Bahn don nerten. da flogen Funken, krachend wie Pistolenschüsse. Eine Abtheilung UnionS-Cavallerie kreuzte in der Diagonale die Bahn des Kommandeurs. Ihre blauen Uniformen waren entsetzlich bestaubt. Der Zug bewegte ftch auf eine Schatten verheißende Baumgruppe zu. Da sielen plötzlich zwei der Reiter unter einem Kreuzfeuer, und gleichzeitig tauchte ein umfang reiches, weißes Gebäude vor den Blicken des erstaunten Obersten Woodcock auf. Wie aus dem Boden gewachsen. ge spenstisch stand eS da, im letzten Schim mer des scheidenden TageS. Offenbar aus der Colonial-Epoche herftammend. trug eS gleichwohl die Merkmale hoher moderner Cultur. ES war der Sitz südlicher Aristokraten; das schien dem Obersten gleich klar. Ein niedrige? Gitter, dahinter ein verdorrter Blumen garten, umfing den rechten Flügel des Schlosses. Ein barhäuptiger Flüchtling in grauer Uniform, mit einer weißen, blutbefleck ten Binde um die Stirn, strebte auf diesen Flügel zu, zwängte sich durch eine Fliederhecke und klomm zu einem hohen Bogenfenster empor. Eine schneeweiße Hand ward durch ein Spalt der Vorhänge fichtbar. Sie öffnete das Fenster und schloß eS wie der, nachdem sie dem Grauen" herein geholfen. Spaßhaft," murmelte der Blau rock". Ich glaube, dieser Hansnarr bildet sich ein, er fei nun so sicher wie in einem Bankgewilbe. Bah!" Damit stürmte er, den Säbel in der Faust, auf den Garten zu, übersprang das Gitter und durchbrach die Flieder hecke. Vor dem verhangenen Fenster machte er Halt. Ein fürchterlicher Schlag mit der flachen Klinge zertrüm merte eS dergestalt, daß ein Mann be quem durchkonnte. Als der Oberst die GlaStrümmer auf dem Teppich deS Zim merS dumpf niederkrachen hörte, machte er eine Pause. Während derselben be merkte er. daß ihm eine Handvoll seiner Leute gefolgt war. und so sprang er nun ohne Bedenken auS dem Sattel direkt in die Fensternische und von da in das Zimmer hinein! Welch ein Bild! Vor einer geschloffe nen Thür stand eine Dame, jung und schön, mit bleichem, edlem Antlitz, die Arme weit ausgebreitet, so daß ihre Finger die Thürpfosten zu beiden Sei ten berührten. Sie sah fast aus wie eine Gekreuzigte, so innig schmiegten sich ihre weichen Formen an das Kreuz im Getäfel der Thür. Betroffen trat der Oberst einen Schritt zurück und grüßte militärisch. Er der suchte etwas zu sagen, aber Entschuldi gungen find oft taktlos, und als er den noch Verzeihen Sie" stammelte, gerieth er über die eigene Thorheit so in Ver wirrung. daß er schnell hinzufügte: Nein, ich nehme das zurück! Weiß wohl, daß ich ein Eindringling bin. aber Krieg ist Krieg! Der Graue", den Sie verbergen, würde in meinem Hause, wenn er jemals dahin gelangen sollte, ebenso verfahren." Niemals!" Welche Anmuth lag in diesem entschie denen Widerspruch, mit so weiblich füßer, rauher Sprache ungewöhnter Stimme geliefert! Der Blaue" war wie verhext. Er gehörte gewiß nicht zu den Weichherzigen, dieser Bvstoner Club Mensch, der Frauen kaum anders als Spielzeug, wenn nicht als eine Strafe anzusehen gewöhnt war. Aber nun kam eS über ihn wie eine Offenbarung. Zum ersten Male im Leben begegnete er etmaS wirklich Imposantem, Starkem t,tX sirttiA WiMisrn uuv t ivy -.' Ms - Er schwankte, fast war er geneigt, umzukehren. Da erblickte er eine An zahl verwunderter Gesichter am Fenster. Ah! Und lächelten nicht einige cynisch? TaS war entscheidend. Er drang wie der auf die stumme Gestalt an der Thür ein und kam ihr so nahe, daß er den liedlichen Athem deS blühenden Mäd chenS auf feiner staubigen Wange fühlte. O dieser Athem! Wären nur die verwünschten Beobachter hinter ihm nicht gewesen! Er wünschte sich weit weg. aber er blieb, und dann kam eS sanft, aber be stimmt auS seinem Munde: ES thut mir wirklich leid, aber Sie müffen bei Seite treten." Niemals !" Die merkwürdige Wiederholung klang dumpf, schien das einzige Wort zu fein, dessen das arme Wesen noch fähig war. Verwirrt packte der Oberst nach dem Säbelgriff, daS Zittern feiner Hand zu verbergen. Das arme Mädchen mißver stand die Bewegung. Ein flehender Blick, der ein Herz von Stein erweichen konnte, traf den unglücklichen Offizier. Ich fage Ihnen, wir müssen da! Haus durchsuchen. Madame: wir sind im Krieg, und Krieg bleibt Krieg !" Der Oberst biß die Zähne zusammen. Wenn einer seiner Untergebenen diese öde Redensart herausgebracht hätte und in so sanftem Tone, er würde ihm einen Stoß versetzt haben. Die abfo lute Nothwendigkeit, sich vor der eige nen lächerlichen Sanftmuth zu retten, trieb den Obersten zu dem Kommando: Durchsucht das HauS !" Einige Blauröcke" stürzten inS Zim mer. auf die stumme, bleiche Gestalt zu. aber der Säbel deS Obersten fuhr da zwischen. Zurück da !" rief er. Giebt eS nicht noch andere Thüren als diese, Ihr elen den Narren?" Die Leute machten Kehrt, beschämt, wegen dieser Zurechtweisung in Gegen wart einer so schönen, muthigen Dame. Da ist eine, Oberst." Und hier nch eine, Sir." Schön, so theilt Euch und durchforscht das Haus von der Dachkammer bis zum Keller. Gebt Pardon, wenn sie die Waffen strecken. Ihr zwei Beide da geht ums HauS herum, aufzupassen, daß der der Kerl da drinnen nicht durch ein Hinterzimmer entschlüpft." Die Leute thaten, wie ihnen ge heißen. Ihr Kommandeur schien ver gnügt. Er wollte, wär'S auch nur für eine Minute, mit der Dame allein sein, auf deren Antlitz etwas wie frohe Span nung lagerte. Der Oberst fühlte das wachsende Verlangen, für die liebliche Feindin etwas zu thun. Hütte sie gesagt: Sir, als Mann von Ehre und Ritterlichkeit beschwöre ich Sie. retten Sie den Mann, den ich hier verberge," er würde Beide zu seinem eigenen Pferde geleitet und ihnen glückliche Reise gewünscht haben, selbst auf die Gefahr hin, kasfirt zu werden, aber sie sagte nichts. Da stieß er endlich heraus: Ist der da drinnen Ihr Mann?" Sie lächelte. Ein Bruder vielleicht?" Sie blieb stumm, aber ihr Auge sagte Nein". Den Obersten packte Höllenpein: Dann, dann ist eS der Geliebte", wollte er eben sagen, aber da kamen die beiden Kavalleristen von draußen zurück und meldeten: ES ist nur ein Fenster da, und das ist zugenagelt. Ha! rief der Oberst, Komödie spie lend. Dann haben wir ihn ja!" EtwaS wie Rachsucht beschlich sein Herz. Sein RechtSstnn schien ihm gemiß braucht worden zu sein. Nicht vn jenem unschuldigen, liebenswürdigen Wesen, nein, vom Schicksal. Er war vierzig Jahre alt geworden, ohne daß sein Herz auch nur für einen einzigen Tag einem anderen Herzen angehört hätte. Schließlich sagte er feierlich: Zum letzten Msle beschwöre sch Sie, wenn Sie sein Leben lieb haben und das Ihrige, fort von dieser Thür, fort!" Sie warf die Fülle ihrer Locken zurück und sandte ihm einen langen. Vorwurfs vollen Blick hinüber, gleich einer Her ausforderung über eine Kluft. Niemals!" Da polterten die von der Haussuchung zurückkehrenden Unioniften mit der Mel dung herein: Nichts zu finden. Keine Seele im ganzen Haus!" Ich weiß eS besser!" schnauzte der Oberst seine Leute an, den Säbel wüthend in die Scheide stoßend. Hier," setzte er hinzu, auf den Kamin deutend, reißt die Kloben aus dem Feuer! Wir wollen die Bude in Brand setzen! Her aus damit!" Aber auch jetzt schien der Muth der Dame nocb ungebrochen, wenn auch ihre Wangen erbleichten, als zwei riesige Blauröcke" die brennenden Scheite aus dem Kamin rissen und alles Brennbare darauf häuften, was sich im Zimmer vorfand. Umzingelt das Haus!" kommandirte dcr Oberst. Nehmt jeden Graurock" gefangen! Laßt keinen entrinnen! Fort, fort!" Die Leute flogen jetzt fort, wie auS ihrem Neste herausgeräucherte Hornissen. Der Oberst näherte sich der Dame. EtwaS Hohes laz in ihrem Blick. Der Offizier war davon tief ergriffen, aber gleichzeitig Abrannte Eifersucht in seinem Innern, wenn er an den verborgenen Liebhaber dachte. .Wollen Sie die Thür öffnen!" sagte er: ' 'Niemals!" ES war die Stimme einer Märtyrerin. Oberst Woodcock trat bei Seite. Zum ersten Male fühlte er sich zusammen brechen unter dem Eindruck eines der höngnißvollen Momentes. Sie zurück lassen in dem feurigen Ofen, damit sie sich für einen Anderen opkre? Daran zu denken, war unerträglich. Und Hand an sie zu legen, wär's auch nur in fünf ter. überredender Weise, würde eS nicht Entweihung gewesen fein? Aber der Rauch verdichtete sich geführ lich. Eo trat der Oberst noch einmal an der Dame heran, sein Verlangen zu wiederholen. Eine Veränderung ging mit ihr vor. Zwar sank sie taumelnd, halb erstickt und erblindet fast auf ihrem Posten zusammen, .aber dennoch blieb sie entschlossen, zu sterben! Durch den Rauch selbst nicht wenig gequält, hielt der Oöerft den Athem an und. breitete seine Arme noch gerade zur rechten Zeit aus, um daS sinkende Mäd chen aufzufangen, bei Seite zu bringen und auf eine Ottomane niederzulegen. Dann eilte er zurück und brach die Thür mit ein paar gewaltigen Fuß tritten ein. Komm heraus, Graurock", rief er in den dicken Oualm hinein. Komm heraus und renne, was Du kannst ! Ich schieße nicht und schwöre, Dich frei zugeben. Also, schnell heraus mit Dir!" Niemand antwortete. Sehr der stimmt schlich der Oberst vorsichtig in daS Zimmer, eS zu durchsuchen. Er fand eS leer, verlaffen und mit einer Verwünschung rannte er zurück nach dem Lager der ohnmächtigen Dame. Draußen war ein großes Getümmel. Die Soldaten schrieen zum Fenster her ein: Kommen Sie heraus, Oberst! Um Gottes willen, treiben Sie eS nicht zu weit ! Retten Sie sich ! Noch ist es Zeit !" Glücklicherweise zeigte ihm daS Ge schrei die Richtung zum Fenster, sonst würde er sich nicht haben herausfinden können. AlS er sich im Fenster zeigte, verwandelten sich die Mahnrufe in Freudengeschrei, daS sich verdoppelte, als man im Arme des Obersten eine zarte, weibliche Gestalt sah. Ein Dutzend Hände halfen ihm heraus, und bald hatte er die schöne Ohnmächtige, etwas entfernt vom brennenden Hause, auf einem weichen Bette von Herbftlaub niedergelegt. Endlich öffnete die nach Luft ringende Gestalt die Augen, große, braune Augen, die ängstlich und wild hin und her wanderten. In diesem Moment schlug über dem Eckfenster deS Schlosses eine rothe, flammende Lohe zum Nachthimmel empor. Sie redete eine fürchterliche Sprache für die arme Gefangene uud verwandelte dieselbe in eine Wahn finnige. Den Feuertod deS Geliebten wähnte sie zu schauen, und sie gebärdete sich wie eine rächende Furie. Mit wildem Geschrei strebte fle, ringend und kümpfend, sich von ihrer Umgebung loszureißen, um sich in daS brennende HauS stürzen zu können. Vielleicht würde eS ihr auch gelungen fein, wenn nicht ein Anderer dem Oberst Woodcock zu Hilfe gekommen wäre. ES entstand nämlich in der Um gebung deS gedachten SchloßflügelS plötzlich ein Zusammenlauf. Zwei UnioN'Kavalleriften kamen daher, zwi schen sich ein elend aussehendes Men schenkind führend und gefolgt von einer Anzahl anderer Blauröcke, die den Kon förderirten, diesen ihren einzigen Ge fangenen, mit lauten Verwünschungen überhäuften. Der Oberst schien gar nicht darauf zu hören, so aufmerksam ruhte sein Auge auf dem bleichen Antlitz seiner Gefangenen. DaS Fieber beruhigte sich. Er hielt die Knöchel ihrer Hände jetzt widerstandslos umfaßt. In ihren Blicken lag es wie Ahnung, daß ein Wunder für fie geschehen. Rob, Rob, bist Du eS? Also nicht todt, nicht ermordet, verbrannt und mir entrissen? O Gott, welch ein Wun der !" Der Mann in Grau" sank neben ihr nieder und schloß fie in seine Arme. Auf, daS Feuer gelöscht! Ueber laßt mir diese Leute. Ich werde allein mit ihnen fertig werden." Mit diesen Worten vertrieb der Oberst alle uner wünschten Zeugen vom Lager deS Mäd chenS. Bist Du verletzt. Kleine? Haben fie Dir etwas gethan?" DaS waren die ersten Worte deS Geliebten und er blickte dabei an der langen Gestalt deS Ober ften mißtrauisch empor. Doch dieser erwiderte den Blick in solcher Weise, daß seine Miene deutlich sagte : Oho ! Führen wir etwa Krieg gegen Frauen?" Bewahre, man hat mir kein Leid zugefügt, und, Gott sei Dank, auch Dir nicht, Rob!" sagte fie. Dann blickte auch fie, aber flehend, zum Ober ften auf und fügte hinzu : Sie wer den ihn verschonen, verschonen um meinetwillen !" Ter Oberst trat bei Seite. Ein Kavallerist kam eben herangesprengt. Er kehrte von der Verfolgungstour zurück, die er vor etwa einer Ctunoe angetreten. Vier unserer Kameraden flno in Feindeshand gefallen", meldete der Mann mit bebender Stimme. O, die Schurken hatten unS eine gemeine Falle gestellt !" .Hören Sie wohl !' sagte der Oberst zu seinen Gefangenen. Beide neigten daS Haupt, aber die Dame sagte weinend : Sie werden ihn doch verschonen !" Dr Oberst drehte ftch kalt zu dem vom Pferde gestiegenen Soldaten her um. Bewache fie!" befahl er, dann ging er fort. Oberst !' rief ihm der Konfördcrirte nach. .Well?" antwortete jener, zurück blickend. .Könnte ich mit Ihnen wohl ein Wort im Vertrauen reden, nur eine Minute unter vier Augen?" Dr Oberst blieb stehen. .Well?' Oberst", sagte der Gefangene leise, dicht an den Offizier heranttetend, .sehe ich wie ein Mann von Ehre aus?" Der Angeredete lächelte kühl. Doch lag darin keine Beleidigung deS hilf losen FeindeS. Ich muß bekennen." sagte er ge dehnt doch. waS wollen Sie?" Ich habe eine Bitte an Sie, und zwar eine ganz ungewöhnliche, im Kriege wie im Frieden." Nun denn, heraus damit !" Ich wünsche jene Dame eine kurze Strecke über die konföderirten Linien hinaus zu eskortiren. Dort wird sie Freunde finden, die fie nach Richmond bringen werden. In kürzester Zeit bin ich wieder hier." Der Oberst holte tief Athem. Er blickte in das hagere, aber freundliche, männliche Geficht. Tann lachte er. Ich weiß, eS ist unerhört," fiel der Gefangene ein, und Sie werden mich natürlich für verrückt halten, aber hören Sie mir zu. Trüben, auf demselben Plan, wo ihre 60 Kameraden liegen, da liegt auch der Vater der Dame todt, mit dem Geficht nach dem Feinde zu. Den Bruder hat man tödtlich ver wundet hinter die Front trankportirt. Von diesen fürchterlichen Dingen weiß die Aermste bisher nichts, gar nichts. Und nun bedenken Sie, drüben steht auch ihr Heim, ihr Obdach in Flammen ! Meinen Sie nicht, daß eS mit diesem Verlust an einem einzigem Tage genug fei? AlleS, was ihr geblieben, bin ich, ihr Verlobter. Wenn auch ich falle dann, ja dann weiß unser Herrgott allein, waS aus ihr werden mag." Ter Oberst lächelte in ftch hinein und dachte: Er irrt ftch. Wegen einer Heldin braucht man nicht besorgt zu sein." Aber seine Antwort lautete : Sie haben wirklich die Stirn, die gewünschte Erlaubniß auf das bloße Versprechen hin zu verlangen, daß Sie fich wieder als Gefangener stellen wol len, sobald die Dame in Sicherheit ist?" ES ist mir gleichgiltig. waS Sie von mir denken", sagte der Konföderirte. ES handelt fich um die Dame. Aber das schwöre ich bei Gott sobald ich fie in guten Händen weiß, kehre ich zu Ihnen zurück und will jede mir von Ihnen auferlegte Strafe, und wäre eS Tod, erleiden. Verstehen Sie mich wohl? Auch den Tod!" Der Oberst raschelte mit dem Fuße im trockenen Herbftlaube, jedoch ohne das Auge von dem Bittsteller zu wen den, dessen Muth und Geradheit Achtung geboten. Dann sagte er: .Wissen Sie, waS daS für mich be deutet, wenn ich die Erlaubniß ertheile, und Sie Ihrem Schwur untreu wer den? Degradiren würde man mich, und mein Name würde als der eines Narren von Regiment zu Regiment fliegen !" Wenn Sie bedenken wollen, daß noch eines Anderen Ehre als die meinige auf dem Spiele steht, wird Ihnen meine Treue desto sicherer fein!" Der Oberst näherte fich nun dem Konföderirten so dicht, daß er ihm in das geäderte Weiß feiner Augen schauen konnte, und sagte : Schwören Sie, vor Gott dem All mächtigen, daß Sie zu mir in die Ge fangenschaft zurückkehren wollen, sobald Sie diese Dame über die konföderirten Linien in Sicherheit gebracht haben?" Ich schwöre I" antwortete der Graue" feierlich. Und ich glaube und vertraue Ihnen !' versicherte der Blaue", dem feindlichen Bruder die Hand reichend. Kommen Sie !" Die Beiden kehrten nun wieder zu der armen Verwaisten zurück, die, gleich ihrer Bewachung, trostlos in den praf selnden Brand deS Schlosses ftante. Kommen Sie mit mir", befahl der Oberst barsch. Wohin? WaS wollen Sie mit mir beginnen?" seufzte sie. DaS werden Sie schon sehen !" sagte der Oberst, noch unwirscher ; aber der Konföderirte half dem Mädchen auf die Füße und sagte : Geh nur dicht vor mir her, in östlicher Richtung." Die Drei machten fich scheinbar nach dem Lager der Unionsarmee auf den Weg. und das Mädchen war bald genö thigt. fich schwer auf ihren Begleiter zu stützen. O Rob". seufzte sie, wird man unS einsperren, wird man Dich tödten?" Erzählen Sie eS ihr!" sagte der Oberst in rauhem Tone. Man hatte eben eine eingezäunte, offene Waldpar celle erreicht, und der Oberst fetzte hinzu : Warten Sie hier, ich gehe mein Pferd zu holen." Nun nahm das Paar auf einem ab gehauenen Baumstamm Platz und un terhielt sich bis zur Rückkehr des groß müthigen FeindeS in gehobener Stirn mutig. Er hatte fich so leise wieder heran geschlichen, daß er mit seinem Roffe plötzlich, wie auS der Erde gestie gen. vor den Uederralchten stand. DaS Thier war ungesattelt. trug aber eine wollene Decke auf dem Rücken. Nun aufgesessen, aber schleunigst !' mahnte der Oberst, dcr. nachdem der Konföderirte den Anfang gemacht, da? Mädchen hinaushob und eS hinter dem Geliebten placirte. den eS bebend um schlang. Um die Wahrheit zu sagen, der Oberst zögerte auffallend lange, ehe er die Hand von der Taille dcr schönen Gesangenen zurückzog und mit bebender, dumpfer Stimme ein Gixxl by ! heraus brachte. DaS Mädchen fand keine Worte. Ader fie ergriff die rauhe Hand des Obersten und beugte fich nieder, um einen heißen Kuß der Dankbarkeit auf die Hand zu drücken. Der Brand deS EchloffeS erlosch. Die eS bewachenden Kavalleristen ritten da her dem Lager zu, wo fie den Obersten mit den Gefangenen vermutheten. Inzwischen saß dieser noch auf dem selben Platze, wo er den Gefangenen die Freiheit gegeben. Er fühlte sich wie verwaist, und doch ward sein Herz von wachsenden Zweifeln zerrissen. Wird der Mann zurückkommen? Das Gefühl antwortete Ja", aber die kalte Vernunft Nein". Schon manche Stunde war verflossen. Da, endlich, licß fich Pferdegctrappel hören. Sein Herz sagte ihm, daß eS der Erwartete war, dennoch zog er den Säbel. ES konnte ja auch ein Feind fein, gegen den er fich vertheidigen mußte. Wer da?" rief er. als er die Um riffe des Nahenden unterscheiden konnte. Ich bin eS. Oberst", antwortete eine willkommene Stimme. Ter Konföderirte hatte Wort gehal ten. Er ritt neben dem Obersten auf und sprang vom Pferde. Aber weshalb schwang ftch der Oberst gleich auf daS Thier? Wissen Sie was", flüsterte er. fich zu dem Verdutzten niederbeugend, machen Sie. daß Sie fortkommen, so schnell Ihre Beine Sie tragen können, zurück zu den Ihrigen." WaS soll das heißen?" antwortet der Graue". Gott, Gott! Sie wei nen doch nicht etwa ? Gewiß ! Ich meine, daß Sie frei find, fliehen Sie !" Nur Ein? verfpre chen Sie mir : Machen Sie Ihren Ein fluß geltend, daß mir ein gefangener Unionssoldat im Austausch gegen Sie herübergeschickt werde. Good by !" Der Konföderirte war kaum weg. als der Oberst am Saum der Lichtung einen Zug seiner Leute herankommen sah. Mit einem Satz war er vom Pferde, zog den Revolver und feuerte fünf Schüffe auf einen imaginären Feind ab. Dann schwang er sich wieder auf daS Thier und sprengte wie toll auf die Senigen zu, als ob er eben einem gefährlichen Zusammenstoß entkommen. Ich mußte so handeln." rief er keuchend, ich war gezwungen!" Was? Sie haben den Rebellen er schössen. Oberst?" Da gabS kein Besinnen! Jetzt heißt eS tödten oder getödtet werden! Sie waren hinter uns her! Die Wälder wimmeln von ihnen! Bleibt heraus, rath' ich Euch, bis es Tag wird. Ihr seid zu schwach zum Angriff. Ueber dieS kennen sie das Terrain, wir aber nicht. Fort nach dem Lager!" Wenige Stunden später entstand plötzlich um die Lagerfeuer der UnionS Armee, während man die TageSereig niffe besprach, eine lebhafte Bewegung. Vier Soldaten, ohne Mützen, der Was fen beraubt, keuchend, aber mit freude strahlenden Blicken, taumelten daher. Sie fielen beglückt zu Boden, als fie da angelangt waren, wo eine freundlich? Flamme ein Bild von Brüdern beleuch tete, die nach schweren Leiden und Stra pazen der Ruhe Pflegen durften. Gütiger Himmel!" schrie jetzt ein Artillerist, der die Ankömmlinge ge nauer betrachtete. Sind das nicht die vier Kavalleristen, die gegen Abend drüben bei den Hügeln stürzten und in FeindeS Hand fielen?" Im Nu waren die Vier die Löwen des TageS. Sie konnten sich vor Fra gen kaum retten. Wie seid Ihr nur entkommen?" Welchen Umständen verdankt Ihr Leben und Freiheit?" O, wir wissen so gut wie gar nichts,'- sagte einer der Vier. Denkt Euch, kommt da ein junger Kerl zu unS ins Zelt, giebt uns Fußtritte, flüstert aber dabei: Drückt Euch!" Ja wohl, drückt Euch, sagte er. und daß er alles mit dem General "all right" ge macht habe. Wir natürlich nicht faul, sprangen vom Boden auf, drückten unS" pflichtschuldigst und da sind wir!" AlleS lachte in der Runde. Aber Einer, der beim Brande deS AriftokrateN'SchloffeS zugegen gewesen, sagte dann spitzfindig: Na, ich will weiter nichts sagen, und ehrlicher Tausch ist ja keine Räuberei, aber daß ein Frauenzimmer vier Kerle werth fein kann. daS ist doch etwas ganz Neues!" Vier?" schrie eine wilde Stimme über die Schulter deS Spaßvogels hin weg. Nur vier? Wißt Ihr wohl, daß jene? Frauenzimmer vierhundert von Euch plundrigen Kerlen werth ist? Hätten wir nur ein paar Regimenter, aus lauter fo muthigcn Leuten be stehend, wie diese Heldin, dcr Krieg würde am längsten gedauert haben!" Und Oberst Woodcock begab fich lang samm Cchrities. in tiefes binnen ver lorcn, in sein Ouartur. Seine Erin nerungen weiltcn bei dem Grauen". Ob der und seine schöne Braut auch deS .Blauen" gedachten? Napoleon der (Erste als ter Kejcnfcnt. Nach der Schlacht von usterlitz (1805) brachten die Theater in Paris eine Reihe militärischer Dramen, in denen viele Kosaken niedergesüdelt. viel Pulver verschoffen und noch mehr Patriotismus gepredigt wurde. Unter diesen theatralischen Mißgeburten machte ein Drama, das Jetta. die Tochter dcS KosukenbctmanS" hieß. daS größte Aus sehen. Niemand kannte den Bcrsaffer. der fich pseudondm JulcS Marlin" nannte, und endlich vcrdreitcte ftch daS Gerücht, derselbe sei im Kreise der Tuilerien in der nächsten Nähe deS ruhmgekrönten väsar zu suchen, und dieses Gerücht fand um so mehr Glau den, als Napoleon selbst in dcr Vor ftellung erschien, die man mit größt möglichem Pomp ausgestattet hatte. Am anderen Morgen durchlaZ Napoleon sorgfältig die Kritiken dcr Journale über Jetta", die ihn aber gar nicht be friedigten, denn fast alle Blätter hatten der schönen Jetta" Loblieder gesungen. Man fürchtete, durch eine gerechte Kritik deS Machwerkes eine hohe Person zu verletzen, was leicht Unannehmlichkeiten nach ftch ziehen konnte. Wie sehr war man daher überrascht, als einige Tage später der Moniteur" über Jetta" schonungslos zu Gerichte saß, und Ten denz. Handlung. Plan und Durch führung deS Stückes als erbärmlich mit den herbsten Worten geißelte, dem Publikum wie der Intendanz einen ver dordenen ästhetischen Geschmack vorwarf und zum Schlüsse die ganze Aufführung verdammte. ES blieb nicht lange Ge Heimiß. daß die fast unerhört scharfe Kritik auS der Feder Napoleons ge flössen war. ES war zwischen den Zei len zu lesen: der Kaiser fühlte fich ver letzt, daß man ihm die Pathenftclle bei einer so erbärmlichen litterarischen Ar beit zuschreibe. Napoleon wollte nun den Verfasser deS Stückes kennen lernen, und Fouche erhielt den Befehl, denselben zu ermit teln. Nach vieler Mühe entdeckte die Polizei, daß das Drama von der Toch ter eines um das Kaiserreich sehr ver dienten und auf dem Schlachtfelde ge gefallenen Obersten herrühre. Natalie Simpfrone war ein schöncS, in der ersten Jugendblüthe stehendes Mädchen, das fich nicht wenig bewunderte, als eS eines TageS den Befehl erhielt, ijch zu gegebener Stunde im Audienzsaale des Kaisers einzusinken. Also Sie find die Mutter JettaS?" fragte der Kaiser, wobei er daS zarte Geschöpf mit fichtlichem Wohlgefallen betrachtete. Ich bin mit Ihrem Werke sehr unzufrieden! Haben Sie den Mo niteur" gelesen?" Ich schrieb daS Stück nicht um An erkennung zu gewinnen also auch nicht um Eurer Majestät zu gefallen I" sagte Natalie stolz. Ich wollte unge konnt Ihrem Ruhme einen Kranz win den. Eure Majestät haben daS Recht, meine Arbeit zu verdammen, aber ich weiß nicht, ob ich eS verdiene, daß mich Eure Majestät hierher befchieden, bloß um mir das zu sagen." Napoleon betrachtete fie einen Bugen blick erstaunt; er war eine solche Sprache nicht gewohnt; aber doch sagte er nach einer Pause: Ihr Vater hat fich um Frankreich verdient gemacht, ich will mich als den Vollstrecker seines muth maßlichen letzten Willens betrachten. Erbitten Sie ftch nur eine Gnade." Gebieten Sie dem Moniteur" Sire, die Beleidigungen gegen den Verfasser der Jetta" zu widerrufen, Er sprach von der erbärmlichen Mache eines gehirnlosen Skrikdcnten, von Pfuschwerk...." DaS war allerdings hart," meinte Napoleon lachend. Aber, mein Kind, ich widerrufe nie! Als Tochter eines im Militärdienste ergrauten ManneS hätten Sie auch mehr vom Wesen der Schlachten verstehen sollen. Damit Sie daher, wenn Sie künftig wieder etwas schreiben, keine Schnitzer machen, werde ich Ihnen einen probaten Lehrer geben, der Ihre literarischen Studien leiten soll. Mein erster Ordonanz Offizier St. Hilaire soll Ihr Lehrmei fter sein. Keinen Widerspruch, Fräu lein, eS ist mein Wille!" Natalie verließ ziemlich bestürzt die kaiserlichen Gemächer. St. Hilaire war ein noch junger Mann, reich an Vorzügen deS Geistes und Körpers. Nun, bester St. Hilaire. wie geht eS Ihrer Schülerin?" fragte nach eini ger Zeit Napoleon; macht fie gute Fortschritte?" Sire." erwiderte der Offizier. Fräulein Natalie gelobte keine Kriegs oramen mehr zu schreiben, fie entwickelt jetzt ein entschiedenes Talent für elegi sche Poesie." Wirklich? Sagen Sie mir. St. Hilaire. hätten Sie nicht Luft zu hei rathen?" Sire! Wenn ich mir erlauben dürste, Ihre Worte zu deuten, ich könnte durch Ihre Gnade dcr glücklichste Mensch sein." Nun gut, dann trachten Sie, es bald zu werden. Die Kaiserin wird für die Ausstattung sorgen. Keinen Tank! Höchstens den. 'daß Sie Ihre künftige Frau in meinem Namen bitten, fich später mehr mit ihren Kindern als mit dcr Poesie zu beschäftigen."