Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 31, 1898, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Sstitttfststmtff
rf y' sLr v tftf ?r j5
Jahrgang l. Beilage zum Ncbraöka taatöAnzeiger. No. 4.".
Ein stummer Zeuge.
ine. Vrinnkiunq von t'ümiusl Llkillkiianl
M uff-
Der Criminalpoliz'ft Treuert saß in
srinem AkbtUZjimmkr und dacht nach,
wohki ti tarnt, dag er so ruhig dssitzkN
und sich mit scinkn Gedanken unteihal
tm könne, statt auf dit lutspuren
eine VklbrkcherS gkhktzt 111 sein. Tu
lieber Gott, vielleicht besserten ftch die
Menschen, und mit so viel Rasfinement
auch Hr. Treuert seinem eigentlichen
Berufe obzuliegen wußte, durste er doch
ein so auffüllt,; Zeichen steifes
Moral, wie seine augenblickliche Muße
eS bedeutete, nur mit Freuden degrü
Ken. Na ja. da? that er denn auch,
und dennoch seufzte er. Ja. warum
seufzte er? Und die Antwort, die er sich
auf diese Frage gab. bestand erft in
einem zweiten Seufzer, sodann aber in
der beruhigenden Erwägung, daß er den
Müfzigang nicht vertrage, das er sie
wohnt sei, Verbrechen nachzugehen und
mit der Entecking ihrer Urheber der
Menschheit einen Dienst leiste. Viel,
füdig spann sich für Hrn. Steuert sonst
die Erfüllung seiner Pflichten zu einem
Netze aus. mit dem er ftch nicht ungern
beschäftigte. Die Pause kam ihm nicht
gelegen, von dieser Empfindung aber
bis zum Wunsch, ein neues N.tz flechten
,u müssen. ift'S doch noch ein weiter
Weg.
Da klingelte eS. Herrn Treuert'S
Dienftmüdchen öffnete, und bald darauf
klopfte eS an die Thür von Hrn.
Treuert'S Arbeitszimmer.
, Herein !"
Ein zartes Geschöpf leistete dem fräs
tig hervorgestoßenen EinladungZrufe
Folge ein junge? Müdchen von
schlankem Wuchs. daS keine zwanzig
Jahre alt sein konnte und verweinte
Augen hatte, sonst aber daS Bild an
muthiger Frische bot.
.Sie wünschen?" frug der Criminal.
Polizist.
Bei dieser Frage stürzten der jungen
Damen die Thränen aus'S Neue aus
den Augen. Herr Treuert führte sie
zu einem Sessel und wartete, bis fte
ftch einigermaßen beruhigt hatte. Fast
mit einem Scldstvorwurf sagte er sich,
daß sein geheimer Wunsch nach Anfer.
tigung eimS neuen Netzes im Begriff
fei, erfüllt zu werden.
In der That bestätigten die ersten
Worte, die das Fräulein äußerte, nach
dem fe ihre Faffung wiedergewonnen
hatte, daß sie ftch an Hr. Treuert als
den bewahrten Criminaliflen wende,
daß er ihr als solcher empfohlen wor
den sei. Und fte erzählte folgende Um
stände :
Ihr Papa. Herr Friedrich Melchert.
war der Besitzer einer großen Möbel
fabrik. Seinem Geschäst eifrig zuge
than, war er der Letzte, der eS Abends
verließ. Sobald die Arbeiter sich ent
fern: hatten, setzte sich der Chef noch
einmal hin, um seine ausgedehnte
Correspondcnz zu beenden.
Unter den Angestellten befand sich
auch ein Ncffe des Herrn Melchert. ein
schmucker junger Mensch von wohl tnt
wickelt Gestalt, der großmüthige Wal
lungen kannte, von Jugendfehlern aller
Art aber nicht frei war. Ludwig
Schmitz hatte die Universität besucht,
ftch aber mehr allerhand gymnastischem
Sport, als dem Kultus der Wissenschaft
ergeben. Da er einsah, daß er für die
gelehrten Fächer nicht tauge, hatte er
die Stelle bet'rn Onkel angenommen,
die ihm ein sofortiges Einkommen
sicherte. Aber seine jugendliche Schwär
merei, der junge Mensch war leine
vierundzwanzig Jahre alt führte ihn
immer wieder in seine Eport-Clubs zu
rück und damit hingen spät endende
Aukflüze mit seinen Ruderfreunden
zusammen.
Nun sind die Alten nicht immer so
geduldsam gesinnt, wie die Erinnerung
an ihre eigene Jugend sie vielleicht
machen sollte, und so kam eS, daß die
hüusize Übertretung der vom Onkel
sehr scharf gehandhadtcn Büreauregeln
zu heftigen Reibungen zwischen Herrn
Melchert und seinem Neffen führte.
An einem Abend dieser Woche hatte ein
besonders erbitterter Streit ftattgefun
den, und roth vor Zorn war Ludwig
Schmitz aus dem Büreau gestürzt.
Eine Stunde später, eise halbe
Stunde nach Schluß der Fabrik, hatte
man Herrn Melchert ermordet in feinem
Schreibzimmer aufgefunden. Er saß
auf seinem Stuhl, sein Kopf hing auf
da? Schreibpult herab. Mit einem
Taschenmffer. daß in einer Blutlache zu
Füßen des Ermordeten lag. war die
That begangen worden. Nachdem es
gereinigt und genau untersucht wor.
den war. erkannten die Buchhalter daS
Messet als Ludwig Schmitz angehörig.
Bon einem dem Morde vorauSge.
gangenen Kampfe war nichts ersichtlich.
Der Stoß mit dem Meffer war äugen
scheinlich von hinten geführt worden
und hatte daS Herz durchbohrt. Der
Geldschrank war seines Inhaltes be
raubt, und bevor der Mörder durch die
Büreauthüre auf die Straße lief, hatte
er das Echreibpult Ludwig'S geöffnet
und solche Dinge herau?gmommn, wie
ein junger Mensch, der auf eine große
Reise geht, sie wohl zu sich steckt.
Nur durch ein geschickte? Kreuzverhör
hatte Herr Treuert so viel aus feiner
Klientin bnauS bekommen und richtete
nun die Frage an sie :
WaS für Schritte find in dieser An
gelegenheit bereits geschehen?"
Der oberste Buchhalter deS armen
Papa hat den Borfall sofort zur An
klage gebracht, und die Palizei fahndet
nun auf meinen Better, den sie für
den Mörder hält."
.Hm !" machte Treuert, .ist denn der
junge Schmitz geflüchtet?"
.Ja wohl," antwortete Fräulein
Melchert, .die Umstünde haben ftch ja
derartig seltsam verkettet, aber ich
glaube natürlich an die Schuld Lud
wig'S nicht. Er ist der beste Mensch
unter der Sonne."
Und erröthend hielt sie den Blick des
Criminaliflen aus. Er versprach ihr,
sobald er eine Spur deS Schuldigen
entseckt haben werde, zu ihr zu kom
men, geleitete sie an ihren Wagen, und
fte fuhr davon.
Herr Treueit begab ftch sogleich auf
den Schauplatz des Verbrechens. Eine
volle Stunde brachte er damit zu, die
Oertlichkeit zu prüfen, erzielte aber
einen nur sehr dürstigen Erfolg. Die
einzige wichtige Thatsache, die er her
ausdekam. war die. daß der Neffe kurz
vor der Entdeckung des MordeS in der
Nahe der Fabrik gesehen worden war.
Herr Treuert sah ziemlich unsicher
drein.
.Ist daS Schreibpult deö Herrn
Schmitz berührt worden?" fragte er
dann und zog die obere Schublade her
aus.
.Wesentliches wird kaum daraus ent
fcrnt worden sein." erwiderte der Pro
kirnst. Die fehlenden Sachen hat die
Polizei verzeichnet und die blutigen
Fingerspuren, die den Papieren ausge
drückt find, unter denen man noch
irgend einen früheren Brief deS Herrn
Schmitz gesucht, werden Sie auf den zu
unterft liegenden Skripturen finden.
Die ganze Sache schien dem unter
suchenden Gerichts CommissariuS so
klar, daß er nach kaum zehn Minuten
forteilte, um einen Haftbefehl gegen
Schmitz auszufertigen."
.Hm!" machte Treuert wieder und
fuhr dann fort, die Schublade zu durch
suchen. Dabei zog er ein Mikroskop
aus der Tasche und besichtigte verschie
dene Papiere durch daS ElaS. Einige
dieser Papiere steckte er zu sich, und
seinen Mienen nach zu schließen, war cr
auf etwas AufschlußverheißendeS ge
stoßen.
.Für den Augenblick scheint eS mir
genug." sagte er dann zum Prokuristen,
und leise pfeifend entfernte sich Herr
Treuert und begab ftch nach der Stadt
zurück.
ES mochte vier Uhr Nachmittag? sein,
als Treuert wieder in das Comptoir der
Fabrik trat. Er brachte ein viereckiges
Packet in einem Umfange von fünfzehn
Zoll mit, daS in braunes Packpapier
gewickelt war.
.Und nun ersuche ich Sie, sämmt
liehe Angestellte der Fabrik in diese?
Zimmer zu rufen, Herr Schilling."
sagte Herr Treuert zu seinem Prokura
sührer. .Lassen Sie die Außenthüren
verschließen, und sobald die Leute hier
versammelt find, besorgen Sie ein
Gleiches mit der Büreauthür. Laffen
Sie sie fest verrammeln. Ich möchte ein
interessantes kleines Experiment hier
vornehmen."
.Wie ich sehe, bedienen Sie sich eines
Typographen." fuhr er fort, als der
Prokurist ftch feines Auftrages erledigt
hatte. .Möchten Sie nicht so freund
lich sein, die Lederriemen frisch anzu
feuchten? Ach, er ist noch unbenutzt?
Dann um so beffer, dann laffen Sie
ihn. wie er ist."
Und Herr Treuert fuhr fort, sein
Packet aufzubinden.
Im Lause von fünf Minuten hatten
sich sämmtliche Angestellten mit etwa?
mystifizirten Gesichtern eingefunden und
Alles war zum nächsten Schritt bereit.
Mit schnellem Blick fuhr Treuert über
die vierzig Gesichter vor ihm. Dann
wandte er sich an den Prokuristen und
raunte ihm zu: .Stellen Sie sich dicht
neben mich, und wenn die Namen auf
gerufen werden, so notiren Sie den, bei
welchem ich Sie mit dem Fuße anstoßen
werde.
.Nun, Leute," wandte er sich jetzt an
die Versammelten, da ftch in der trau
rigen Mordnngelegenheit, die in den
Händen der Polizei ruht, wenig mehr
thun läßt, hat mir der Herr Prokura
sührer freundlich gestattet, ein kleines
Experiment vorzunehmen. In China
erkennt man jedes Individuum, das in
einem großen Handelsbetrieb angestellt
ist, und sogar jeden Soldaten an der
Innenseite seiner Fingerspitzen. Die
Zeichnung der Linien und Furchen an
dieser Stelle soll nicht bei zwei Menschen
die gleiche sein. Dafür möcht' ich mir
nun Gewißheit verschaffen. Jeder,
dessen Name aufgerufen wird, trete ge
säuicjst vor und puffe seinen linken
Daumen erst auf den mit chemischer
Tinte gesättigten Riemen, dann drücke
er nochmals auf diesen Streifen Prä
parirten GlafeS. Und damit man die
Personen hübsch au-einander zu halten
vermag, ersuche ich jeden Einzelnen,
seinen Namen auf daS Papier zu schrei
den, da! ich unter den Glaiftreifen ge
breitet habe."
Herr Treuert nahm jeden Mann, der
hervor trat, um zu thun, wie ihm ge
heißen, scharf aus'S Korn. Nummer
einS. Nummer zwei, Nummer drei
lauter harmlose Burschen, zogen an
seinem Blick vorbei; Nummer vier sah
schon lange nicht so harmlos drein, son
dern hatte ein finsteres Aussehen. daS
den Criminal Commiffür veranlaßte,
dem Fuße deS Prokuristen einen leisen
Stoß zu versetzen. Herr Schelling be
eilte ftch daraufhin, den Namen von
Nummer vier zu notiren. So zoz die
Projksston an den beiden Männern vor
über, bis fte schließlich alle ihre Dau
menabdrücke vollzogen und der Pro
kurift ungefähr ein Dutzend Namen der
zeichnet hatte. Jetzt hob Herr Treuert
sein geheimnißvolleS Packet in die Höhe
und sagte:
.Ich habe eine kleine Laterna magica
hier, durch welche ich die Platte mit den
Abdrücken zu schieben gedenke. ES ist
bereits finster genug, find' ich, und
ach ja, die Rückseite deS großen Kaien
derS dort ist wie dazu geschaffen, alS
weiße Wand zu dienen. Bitte, Herr
Schelling, drehen Sie ihn um und
heften Sie ihn an. So! Danke!"
Bei diesen Worten hatte Herr Treuert
seine Laterne so gestellt, daß AlleZ glatt
und ohne Verzug vor fich ging.
.Uni den Versuch etwas interessanter
zu gestalten," fuhr er fort, .will ich
Ihnen erst einmal die Daumenabdrücke
eine? Herrn vorführen, an deffen Be
kanntschaft mir ungemein viel liegt.
Dann führe ich Ihnen die hier aufge
nommenen Abdrücke vor und überlaffe
es Jhaen, etwaige Vergleiche anzu
stellen." Auf der an die Wand geworfenen
Sichtscheibe erschien ein merkwürdige
System ausgekerbter, in einander lau
fender Linien, die begannen, man
wußte nicht wo, und ebenso endeten.
Die von Herrn Prokuraführer Schel
ling ausstellte Liste lag vor dem Crimi
nal'Cominissär, er schob die lange
Glasplatte hinein und ließ fie bei Num
mer vier halten. Einige Sekunden
ließ er daS von dieser Nummer gegebene
Bild neben dem elften spielen. ES
stellte ein vollkommen abweichendes
Linienwirrsal dar. Nun schob er beide
über einander oder ließ daS biwegliche
Bild über das feste gleiten. DaZ Re
fultat war ein verworrenes Netzwerk sich
durchquerender Linien.
Schnell ging er die ganze von Herrn
Schelling aufgesetzte Lifte durch und be
handelte jede Nummer in gleicher
Weise, so daß die Unterschiede für jeden
Blick klar hervor traten. Plötzlich aber
fügte ftch das eine Bild so genau in da?
andere, daß keine leiseste Abweichung
deZ einen vom anderen Bilde wahrge
nommen wurde. Linie paßte auf
Linie, kein Strich, kein Fleck trat da
zwischen hervor. Die Gleichheit des
Abdrucks war so markant, daß Herr
Schilling nachsah, ob ftch auch wirklich
noch beide Platten in der Laterne be
fanden. Sein Blick streifte dabei die
Versammelten, und er bemerkte, daß
im Hintergrunde deS ZimmcrS eine
Bewegung entstand.
Im seiden Augenblick stieß der Herr
Criminal Commifför einen gellenden
Ruf auS.
Haltet ihn fest ! ES ist Fledrer
der Mörder Fledrer ! Haltet ihn fest.
Leute! Laßt ihn nicht entwischen !"
Bevor sich aber eine Hand auf ihn
legen und ihn festhalten konnte, hatte
HanS Fledrer das Fenster aufgerissen
und fich kopfüber hinaus gestürzt.
DaS Zimmer lag zur ebenen Erde,
der Fall that dem Verbrecher nichts,
und wie von Furien gejagt, rannte er
die Straße entlang. Bis die Thüren
geöffnet und der Verfolgungsschrei an
gestimmt werden konnte, hatte er einen
tüchtigen Vorsprung gewonnen.
Draußen dämmerte eS erft, und da
an der Fabrik nur wenige Häuser flan
den, konnte man den Flüchtling noch
erkennen. Die Arbeiter stürzten ihm
nach und schrie'n: Haltet den Mörder!
Haltet ihn !"
DaS Geklapper von Pferdehufen ließ
fich vernehmen, hoch zu Roß kam ein
Reiter vorüber gesprengt und setzte dem
Fliehenden alSdald nach. Fledrer er
kannte, daß er eingeholt werden müsse,
wenn er auf der Chaussee fortlief, hur
tig kletterte er über eine Steinmauer
und sprang von dort auf freies Feld
hinab.
Mit einem Satz sprang der Reiter
vom Sattel, setzte mit Turnergewandt
hcit über die Mauer, und ehe die Ver
folger recht wußten, was geschah,
sträubt sich Fledrer in dem eisernen
Griff seines athletischen Gegner.
Aber da? ist ja Ludwig Schmitz,"
rief Herr Schelling erstaunt, als er mit
den Anderen herdcigelaiifen war.
.Trifft fich ganz nett I" schmunzelte
der Herr KciminalkommiffariuS ; da
wäre ja auch die poetische Gerechtigkeit
gewahrt, für die ich sonst gerade nicht
einstehen kann."
Man brachte den Gefangenen nach
der Fabrik und dort li,ß er ftch zu einem
zerknirschten Bekenntnis! herbei.
Er war am Mordadend zurückgcblie
den, um den offenen Geldschrank zu
plündern. AlS er den heftigen Streit
zwischen Onkel und Neffen vom sicheren
Versteck auS mit anhörte, dachte er ftch
gleich, wie vortheilhaft ftch die Scene
zu feinem Nutzen ausdeuten ließe. Auf
dem Wege durch das allgemeine Schreib
zimmer sah er das offenstehende Pult
von Ludwig Schmitz durch und steckte
das darin befindliche Taschenmesser zu
fich. Nachdem er die grause That da
mit vollbracht hatte, kehrte er an daS
Pult deS jungen Herrn zurück, um den
Augenschein vollends gegen ihn zu kch
ren, und bei dieser Gelegenheit hatte er
seinen Daumenabdruck hinterlassen,
durch den er überführt worden war.
Die Erklärung deS Herrn Schmitz
lautete einfach genug. Er war am
Tage der That in der guten Absicht zu
rückgekehrt, seinem Onkel gute Worte
zu geben, an der Thür aber hatte fich
der Stolz dagegen gesträubt, und ohne
die Schwelle deS Fabrikgebäudes zu
überschreiten, war er wieder fortgegan
gen. Gleich darauf war er einem fei
ner SportZfreunde begegnet, der ein
Gut in der Nähe besaß und ihn einlud,
zu ihm zur Jagd zu kommen. Kurz
entschlossen sagte Schmitz zu und hatte
erst heute um 3 Uhr Nachmittags von
dem tragischen LebenZabschluß seines
Onkels gehört. Sofvit hatte sich der
junge Mann ein Reitpferd vom Freunde
geliehen und war nach der Fabrik ge
sprengt.
Der Herr CriminalCommissür steckte
lächelnd die hohe Banknote ein, welche
Fräulein Melchert ihm in einem Brief
Umschlag zugehen ließ. Er war gar
nicht überrascht, als er anderthalb
Jahre später eine Einladung zur Hoch
zeit von Fraulein Melchert mit Herrn
Ludwig Schmitz empfing. Er saß auch
an der Hochzeitstafel aber am nüch
sten Tage brütete er daheim wieder an
feinem Schreibtisch, ob ihm nicht bald
die Verpflichtung zufalle, ein neues
Failgnch für eine verlorene Menschen
seele zu flechten.
Ver Renommir-Lzase.
Eine tragische Geschichte von M. B e n d a.
Nun hatte sie endlich einmal einen
Hasen, einen wirklichen und wahrhafti
gen Hasen, den ersten in ihrer jungen
Ehe. und der mußte auf so tragische
Weise....
Doch halt ! Hübsch der Reihe nach er
zählen und nicht das Ende zum Anfang
machen!
Also: Der Beginn unserer kleinen,
wahrhaftigen Geschichte liegt um ein
paar Tage zurück. Vor einigen Tagen
warS gegen Abend, als Herr Lindner,
der als Koift im Bureaup eines Rechts
anwaltS ein materiell sehr bescheidenes
Dasein führte, seine im vierten Stock
belcgene Wohnung, weit draußen in
einer Straße deS fernen Ostens, betrat.
Er überraschte seine junge, fleißige
Frau bei einer ungewohnten Arbeit
fte war damit beschäftigt, ein Hascnfell
mit Stroh auszustopfen und dem Balg
die ungefähre Form eines todten Hafen
zu geben.
Auf feine verwunderte Frage, was
fte denn da mache, erhielt der Mann
von seiner Frau die Antwort : Einen
Renommir-Hasen l" Und auf eine wei
tere Frage, was fie denn darunter der
stehe, gab das Frauchen folgende Er
klärung ab :
.Alle Miether im Haufe haben in
diesem Winter schon einmal einen Hasen
zum Küchenfcnster heraushängen ge
habt, nur wir noch nicht I Ein richtiger
Hase wär' mir ja schon lieber; da eS
aber dazu bei uns nicht langt, muß
eben ein ausgestopfter herhalten. Die
Leute im Hause fallen doch auch mal
denken, daß wir Hasenbraten essen!
Die ganze Woche laß ich ihn draußen
hängen, bis zum Sonnabend! Dann
erst hol' ich ihn wieder rein, und unfe
ren liebenswürdigen Nachbarsleiitcn
soll vor Appetit daS Wasser im Mund
zusammenlaufen! Nun, hab' ich da;
nicht fein auZgedacht?"
Die junge Frau war während dieser
Erklärung ordentlich warm geworben ;
ihre Wanzen glühten und ihre Augen
glänzten, als sie zum Schluß die Frage
an ihren Mann richtete. Allein dieser
war anderer Ansicht als feine Frau und
konnte ihrer triumphircnden Sieges
freude nicht beipflichlen. Sein juristisch
angehauchtes Gewissen sträubte sich
dagegen.
Das ist eine Vorspiegelung falscher
Thzjsnchcn !" erhob er warnend sein:
Stimme. Thu'S nicht I Bedenke,
wenn Jemand aus dem Haufe dahin
ter kommt, daß Du dann blnmirt bist
bis auf die Knochen und für alle Zei
ten! Keine ruhige Minute wirft Tu
mehr haben vor all' den Hänseleien
unserer liebenswürdigen HauSgenos
sinnen!"
Allein die wuhlzemeinten Warnun
gen verhallten im Winie Frau Lind
ner bcharrte auf ihrem Vorhaben.
An diesem Abend mußte Herr Lind
ner ausnahmsweise noch einmal in's
Bureau gehen; er hatte seinem Chef
versprochen, behufS Erledigung einer
dringenden Arbeit Überstunden zu
machen. Und als er feine Arbeit voll
endet hatte und nach Haufe ging, kam
ihm der geniale Gedanke : Wie wär'S,
wenn Du für daS Honorar dieser Ueber
stunden einen wirklichen, leibhaftigen
Hasen kauftest !"
Sein Weg führte ihn an einem Ee
schüft vorüber, vor dessen Schaufenster
eine stattlich: Reihe Hasen hingen.
Von drei Mark an." stand auf einem
Stück Papier, das einem strammen
Burschen auf seinen breiten Rücken
geheftet war.
Wenige Minuten später eilte Herr
Lindner überglücklich im Besitz eines
leibhaftigen Hafen nach Haufe.
Frau Lindner hatte sich, als ihr
Mann die Wohnung betrat, bereits
zur Ruhe legeben, und da? war diesem
gerade recht. Unter dem Vorwande,
noch einen Schluck Wasser trinken zu
wollen, begab er sich in die Küche.
Richtig, am Fensterkreuz hing der Re
nommirhase. Herr Lindner knüpfte ihn
ab. versteckte ihn sorgfältig unter der
Küchendank und hing an seiner Stelle
den wirklichen".
Dann legte auch er fich zur Ruhe,
und trotz der freudigen Erregung über
den gelungenen , Streich umfing ihn
bald tiefer Schlaf.
Anders gings feiner Frau. Diese
konnte die ersehnte Ruhe nicht finden.
Schuld daran waren die warnenden
Worte ihrcs Mannes. ES wäre ja ge
radczu fürchterlich, wenn Jemand hin
ter ihr Geheimniß käme ! Der Renom-mir-Hzse
hinz zwar bereit? draußen,
gesehen hat ihn bis jetzt noch Niemand,
denn als fte iht am Fensterwirbel an
schleifte, war eS bereits ganz finster
gewesen, wenn fie ihn also jetzt wieder
hereinnahm, konnte fte ftch vor der
Möglichkeit einer Blamage schützen.
So erhob sie sich denn leise von ihrem
Lager, warf eine schützmde Hülle über
und tastete fich vorsichtig im Finstern
zur Küche. Die Schleife am Fenster
Wirbel war rasch gelöst und pardautz,
sauste der vermeintliche Renommir
Hase in die Tiefe. Er war der jungen
grau aus der Hand gerutscht für ein
mit Stroh ausgestopftes Fell war er ihr
allerdings merkwürdig schwer vorgckom
men. Erschreckt lauschte fie, bis der dumpfe
Schall deZ Aufschlags zu ihr herauf
drang; dann blieb fte noch einen Augen
blick rathlos stehen. Was follte sie be
ginnen? So, wie sie war, konnte sie
doch unmöglich auf den Hof hinuter
gehen ! So blieb ihr denn nichts weiter
übrig, als das ausgestopfte Fell feinem
Schicksal zu überlassen.
Am nächsten Morgen, alZ Frau Lin
ner in die Küche kam, um den Kaffee zu
kochen, galt ihr erster Blick dem echap.
pirten RcnommirHasen er war vom
Hofe verschwunden. Wahrscheinlich
hatten die Katzen den Balg verschleppt.
AlS da? Ehepaar dann am Kaffee
tisch saß, fragte der Mann schmunzelnd:
Nun, Frauchen, was macht denn Dein
Sienemmir-Hafe?" Sowie aber Frau
Lindner ihre nächtliche Expedition cr
röthend erzählt hatte, stürmte ihr Gatte
in die Küche, um gleich darauf wie eine
geknickte Lilie, das ausgestopfte Fell in
der Hand haltend, zurückzukehren. Mit
einem unfü,siich traurigen Lächeln kam
eZ über feine Lippen : 'Nun haben wir
doch einmal einen richtigen Hasen ge
habt ! Da, Frauchen, ist Dein Renom
mirchase! Du siehst, die Strafe ist nicht
ausgeblieben sie ist zwar hart, aber
gerecht !"
ine sonderbare Geschichte.
Man hatte viel von Illusionen und
Taschenspiclciflückchen gesprochen.
Ich glaube nicht," so begann der
Stammtischgcnosse Fridolin Aufschnei
der. d.iß irgend einer von Euch auf
diesem Gcdikte etwas auch nur an
nähernd so Merkwürdige; erlebt hat,
wie ich seinerzeit im Salon der Fürstin
M."
Erzählen," rief die gzrze Kneip
runde, .Erzählen!" Und Frido',in Auf
schncider erzählte:
EZ wZr nach einem glänzend?
Souper, als der weltberühmte Preftidi
gitateur B. von der Fürstin aufacfor
oert wurde, doch ein recht packend:
Kunststück zum Besten zu geben.
B. ließ sich nicht lanze bitten.
Er ersuchte vor Allem, ihm für
wenige Augenblicke den kostbaren Ring
aus dem Fmiliettschmuck zu Überlassen.
Der Ring wurde l!kho!t. der Künstler
ergriff ihn und schlcudklte ihn zum Ent
setzen dr Zuschauer durch ein Bozen
fenftcr hinaus in die Nacht.
Tann zündlte er sich gleichgültig eine
Cigarette an und luß den Kammeidie
ner rufen.
.Jean, gehen Sie sofort hinunter
auf den Platz und suchen Sie den Ring
der Fürstin!"
Jean verbeugte sich, ging und kam
nicht wieder.
Die Stimmung wurde immer ge.
spannt, immer beklommener.
Nur der Künstler behielt sein über
legeneS. sarkastisches Lächeln und be
mühte sich, die Conversation in möz
lichft harmloser Weife weiterzuspinnen.
So verging etwa eine Halde Stunde.
Da konnte die Fürstin ihre begreif
liche Ungeduld nicht länger dkmeiftcrn.
.Wo ist mein Ring? Wo bleibt
mein Diener?" herrschte sie den Künft
ler an.
Der schien verlegen zu werden.
Er zuckte die Achseln und stottert:
.Verzeihung. Durchlaucht, ein unbe
greifliches Versehen! Wir wollen einmal
die Zofe binunterschickcn. Zofen wiffen
gewöhnlich am genauesten wo die Kam
merdiener stecken."
Die Zofe ging und kam nicht
wieder.
Nach Verlauf einer weiteren halben
Stunde schien der Preftidigitateur un
ruhig zu werden. Er sah aschfahl aus,
und der Schweiß stand in großen Per
len auf feiner Stirn.
Rings um ihn wurden Stimmen de?
Mißtrauens, des Unwillens, der Em
pörung laut. Da schien eS plötzlich,
als raffe er gewaltsam den letzten Reft
seiner Krast zusammen. Mit kühnem
Griff öffnete er das nahe beim Fenster
stehende goldene Vogelbauer und
ein Schrei dcZ Entsetzens ward rings
gehört ließ den LiedlingsKanarie
vozel der Fürstin hinausflattern in die
pechrabenschwarze Nacht.
Eine Minute später flatterte daS
brave Thierchen wieder herein.
Um den HalS trug eS den kostbaren
Brillantring, in der einen Kralle den
Kammerdiener, in der andern die Kam
merzofe!" Herr Fridolin Aufschneider soll nach
dieser Erzählung schleunigst verschwun
den sein und den Stammtisch für lün
gere Zeit gemieden haben.
Der Sigenthümllcht."
In einem Eisenbahnzuge in Belgien
sitzen zwei Herren einander gegenüber
und unterhalten sich über das, was ei
nen Reisenden zunächst interessirt, Ge
päck, Retourbillets. Freigepäck, für wel
ches besondere Bestimmungen gelte.
Gelegentlich erwähnt der eine, er möchte
einmal den Koffer deS anderen messen,
zieht auch ein Metermaß hervor und
mißt. Nun, der scheint ja 'n bischen
eigenthümlich zu sein." denkt sich der
zweite Herr und meint, Jener habe die
Liebhaberei, alle möglichen Gegenstände
zu mcssm. Da sagt der Eigenthüm
liche": .Ihr Koffer ist 7 Centimeker
zu lang und darf daher nicht als Frei
gepäck im Waggon bleiben. Ich bin
Eisttibahninfpeltor und muß Sie in
eine Strafe von 5 Franken nehmen.
Wollen Sie mir Ihren Namen ange
ben?" Nun war die Eigenthümlichkeit"
aufgeklärt, und eS haß. die Sache neh
men, wie fte lag. Aber," sagte der
Betroffene, .Sie erlauben mir doch nu
wohl einmal Ihren Maßstab, um selbst
nachzumessen!" ..Bitte " Und nun
sagte Nummer Zwei mit höflichem
Lächeln: Ich bin im Königlichen Aich
amt Direktor im Maßamte. Da Ihr
Maßstab, wie ich zu meinem großen Be
dauern sehe, nicht vorschriftsmäßig ab
gestempelt ist, hat erstens Ihre eben
vorgenommene Messung keine gesetzliche
Gültigkeit, und zweitens bin ich leider
genöthigt, Sie in eine Strafe von 50
Franken zu nehmen. Wollen Sie mir
Ihren Namen angeben?" An jenem
Tage sprachen sie nicht weiter.
Drei kurze Antworte.
Am 30. Juni 1623 ließ Wallen
stein, den die Belagerung von Stral
sund zu ermüden begann. Abgesandte
der Stadt vor ftch. Dieselben benah
men sich aber sehr unhöflich gegen den
Herzog von Friedland. Dieser begann
nämlich daS Gespräch mit folgenden
Worten : Ich bin bereit, die Belage
rung aufzuheben, wenn ihr Euch mit
Geld abfindet." Die plattdeutsche Ant
wort lautete : Dat hebdcn wie (haben
wir) nich." Stirnrunzclnd fuhr der
Herzog fort: .Dann müßt ihr Euch be
reit erklären, kaiserliche Besatzung in
die Stadt aufzunehmen." Die Abge
sandten erwiderten: Dat don (thun)
wie nich." Wüthend über die zweite
kurze und schroffe Antwort sprang der
Herzog auf und überschüttete die Depu
tction ml einer Menge kräftiger
Schimpfreden. Die Stralsunder zoen
daraufhin ruhig ab, indem sie noch die
Bemerkung machten : Dat sünn (find)
wie nich l"
Der xfifsize Geschäftsmann.
Junge Frau : .Der Wäscheschrank,
den wir bor einem halben Jahre bei
Ihnen staust haben, ist jetzt schon ganz
auZ dem Leim gegangen."
Mödelhändler : ott. müssen Sie
aber eine große Ausstattung gehabt
haben, gnädige Frau!"
!?oschcidi',ie Litte.
Scpp (den sie dci der Raufenü jäm
mcrlich zurichten): Sacra, las't doch
noch für die nächste Nirchweih a b i s s e l
was von mir übrig!"