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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (March 31, 1898)
Sstitttfststmtff rf y' sLr v tftf ?r j5 Jahrgang l. Beilage zum Ncbraöka taatöAnzeiger. No. 4.". Ein stummer Zeuge. ine. Vrinnkiunq von t'ümiusl Llkillkiianl M uff- Der Criminalpoliz'ft Treuert saß in srinem AkbtUZjimmkr und dacht nach, wohki ti tarnt, dag er so ruhig dssitzkN und sich mit scinkn Gedanken unteihal tm könne, statt auf dit lutspuren eine VklbrkcherS gkhktzt 111 sein. Tu lieber Gott, vielleicht besserten ftch die Menschen, und mit so viel Rasfinement auch Hr. Treuert seinem eigentlichen Berufe obzuliegen wußte, durste er doch ein so auffüllt,; Zeichen steifes Moral, wie seine augenblickliche Muße eS bedeutete, nur mit Freuden degrü Ken. Na ja. da? that er denn auch, und dennoch seufzte er. Ja. warum seufzte er? Und die Antwort, die er sich auf diese Frage gab. bestand erft in einem zweiten Seufzer, sodann aber in der beruhigenden Erwägung, daß er den Müfzigang nicht vertrage, das er sie wohnt sei, Verbrechen nachzugehen und mit der Entecking ihrer Urheber der Menschheit einen Dienst leiste. Viel, füdig spann sich für Hrn. Steuert sonst die Erfüllung seiner Pflichten zu einem Netze aus. mit dem er ftch nicht ungern beschäftigte. Die Pause kam ihm nicht gelegen, von dieser Empfindung aber bis zum Wunsch, ein neues N.tz flechten ,u müssen. ift'S doch noch ein weiter Weg. Da klingelte eS. Herrn Treuert'S Dienftmüdchen öffnete, und bald darauf klopfte eS an die Thür von Hrn. Treuert'S Arbeitszimmer. , Herein !" Ein zartes Geschöpf leistete dem fräs tig hervorgestoßenen EinladungZrufe Folge ein junge? Müdchen von schlankem Wuchs. daS keine zwanzig Jahre alt sein konnte und verweinte Augen hatte, sonst aber daS Bild an muthiger Frische bot. .Sie wünschen?" frug der Criminal. Polizist. Bei dieser Frage stürzten der jungen Damen die Thränen aus'S Neue aus den Augen. Herr Treuert führte sie zu einem Sessel und wartete, bis fte ftch einigermaßen beruhigt hatte. Fast mit einem Scldstvorwurf sagte er sich, daß sein geheimer Wunsch nach Anfer. tigung eimS neuen Netzes im Begriff fei, erfüllt zu werden. In der That bestätigten die ersten Worte, die das Fräulein äußerte, nach dem fe ihre Faffung wiedergewonnen hatte, daß sie ftch an Hr. Treuert als den bewahrten Criminaliflen wende, daß er ihr als solcher empfohlen wor den sei. Und fte erzählte folgende Um stände : Ihr Papa. Herr Friedrich Melchert. war der Besitzer einer großen Möbel fabrik. Seinem Geschäst eifrig zuge than, war er der Letzte, der eS Abends verließ. Sobald die Arbeiter sich ent fern: hatten, setzte sich der Chef noch einmal hin, um seine ausgedehnte Correspondcnz zu beenden. Unter den Angestellten befand sich auch ein Ncffe des Herrn Melchert. ein schmucker junger Mensch von wohl tnt wickelt Gestalt, der großmüthige Wal lungen kannte, von Jugendfehlern aller Art aber nicht frei war. Ludwig Schmitz hatte die Universität besucht, ftch aber mehr allerhand gymnastischem Sport, als dem Kultus der Wissenschaft ergeben. Da er einsah, daß er für die gelehrten Fächer nicht tauge, hatte er die Stelle bet'rn Onkel angenommen, die ihm ein sofortiges Einkommen sicherte. Aber seine jugendliche Schwär merei, der junge Mensch war leine vierundzwanzig Jahre alt führte ihn immer wieder in seine Eport-Clubs zu rück und damit hingen spät endende Aukflüze mit seinen Ruderfreunden zusammen. Nun sind die Alten nicht immer so geduldsam gesinnt, wie die Erinnerung an ihre eigene Jugend sie vielleicht machen sollte, und so kam eS, daß die hüusize Übertretung der vom Onkel sehr scharf gehandhadtcn Büreauregeln zu heftigen Reibungen zwischen Herrn Melchert und seinem Neffen führte. An einem Abend dieser Woche hatte ein besonders erbitterter Streit ftattgefun den, und roth vor Zorn war Ludwig Schmitz aus dem Büreau gestürzt. Eine Stunde später, eise halbe Stunde nach Schluß der Fabrik, hatte man Herrn Melchert ermordet in feinem Schreibzimmer aufgefunden. Er saß auf seinem Stuhl, sein Kopf hing auf da? Schreibpult herab. Mit einem Taschenmffer. daß in einer Blutlache zu Füßen des Ermordeten lag. war die That begangen worden. Nachdem es gereinigt und genau untersucht wor. den war. erkannten die Buchhalter daS Messet als Ludwig Schmitz angehörig. Bon einem dem Morde vorauSge. gangenen Kampfe war nichts ersichtlich. Der Stoß mit dem Meffer war äugen scheinlich von hinten geführt worden und hatte daS Herz durchbohrt. Der Geldschrank war seines Inhaltes be raubt, und bevor der Mörder durch die Büreauthüre auf die Straße lief, hatte er das Echreibpult Ludwig'S geöffnet und solche Dinge herau?gmommn, wie ein junger Mensch, der auf eine große Reise geht, sie wohl zu sich steckt. Nur durch ein geschickte? Kreuzverhör hatte Herr Treuert so viel aus feiner Klientin bnauS bekommen und richtete nun die Frage an sie : WaS für Schritte find in dieser An gelegenheit bereits geschehen?" Der oberste Buchhalter deS armen Papa hat den Borfall sofort zur An klage gebracht, und die Palizei fahndet nun auf meinen Better, den sie für den Mörder hält." .Hm !" machte Treuert, .ist denn der junge Schmitz geflüchtet?" .Ja wohl," antwortete Fräulein Melchert, .die Umstünde haben ftch ja derartig seltsam verkettet, aber ich glaube natürlich an die Schuld Lud wig'S nicht. Er ist der beste Mensch unter der Sonne." Und erröthend hielt sie den Blick des Criminaliflen aus. Er versprach ihr, sobald er eine Spur deS Schuldigen entseckt haben werde, zu ihr zu kom men, geleitete sie an ihren Wagen, und fte fuhr davon. Herr Treueit begab ftch sogleich auf den Schauplatz des Verbrechens. Eine volle Stunde brachte er damit zu, die Oertlichkeit zu prüfen, erzielte aber einen nur sehr dürstigen Erfolg. Die einzige wichtige Thatsache, die er her ausdekam. war die. daß der Neffe kurz vor der Entdeckung des MordeS in der Nahe der Fabrik gesehen worden war. Herr Treuert sah ziemlich unsicher drein. .Ist daS Schreibpult deö Herrn Schmitz berührt worden?" fragte er dann und zog die obere Schublade her aus. .Wesentliches wird kaum daraus ent fcrnt worden sein." erwiderte der Pro kirnst. Die fehlenden Sachen hat die Polizei verzeichnet und die blutigen Fingerspuren, die den Papieren ausge drückt find, unter denen man noch irgend einen früheren Brief deS Herrn Schmitz gesucht, werden Sie auf den zu unterft liegenden Skripturen finden. Die ganze Sache schien dem unter suchenden Gerichts CommissariuS so klar, daß er nach kaum zehn Minuten forteilte, um einen Haftbefehl gegen Schmitz auszufertigen." .Hm!" machte Treuert wieder und fuhr dann fort, die Schublade zu durch suchen. Dabei zog er ein Mikroskop aus der Tasche und besichtigte verschie dene Papiere durch daS ElaS. Einige dieser Papiere steckte er zu sich, und seinen Mienen nach zu schließen, war cr auf etwas AufschlußverheißendeS ge stoßen. .Für den Augenblick scheint eS mir genug." sagte er dann zum Prokuristen, und leise pfeifend entfernte sich Herr Treuert und begab ftch nach der Stadt zurück. ES mochte vier Uhr Nachmittag? sein, als Treuert wieder in das Comptoir der Fabrik trat. Er brachte ein viereckiges Packet in einem Umfange von fünfzehn Zoll mit, daS in braunes Packpapier gewickelt war. .Und nun ersuche ich Sie, sämmt liehe Angestellte der Fabrik in diese? Zimmer zu rufen, Herr Schilling." sagte Herr Treuert zu seinem Prokura sührer. .Lassen Sie die Außenthüren verschließen, und sobald die Leute hier versammelt find, besorgen Sie ein Gleiches mit der Büreauthür. Laffen Sie sie fest verrammeln. Ich möchte ein interessantes kleines Experiment hier vornehmen." .Wie ich sehe, bedienen Sie sich eines Typographen." fuhr er fort, als der Prokurist ftch feines Auftrages erledigt hatte. .Möchten Sie nicht so freund lich sein, die Lederriemen frisch anzu feuchten? Ach, er ist noch unbenutzt? Dann um so beffer, dann laffen Sie ihn. wie er ist." Und Herr Treuert fuhr fort, sein Packet aufzubinden. Im Lause von fünf Minuten hatten sich sämmtliche Angestellten mit etwa? mystifizirten Gesichtern eingefunden und Alles war zum nächsten Schritt bereit. Mit schnellem Blick fuhr Treuert über die vierzig Gesichter vor ihm. Dann wandte er sich an den Prokuristen und raunte ihm zu: .Stellen Sie sich dicht neben mich, und wenn die Namen auf gerufen werden, so notiren Sie den, bei welchem ich Sie mit dem Fuße anstoßen werde. .Nun, Leute," wandte er sich jetzt an die Versammelten, da ftch in der trau rigen Mordnngelegenheit, die in den Händen der Polizei ruht, wenig mehr thun läßt, hat mir der Herr Prokura sührer freundlich gestattet, ein kleines Experiment vorzunehmen. In China erkennt man jedes Individuum, das in einem großen Handelsbetrieb angestellt ist, und sogar jeden Soldaten an der Innenseite seiner Fingerspitzen. Die Zeichnung der Linien und Furchen an dieser Stelle soll nicht bei zwei Menschen die gleiche sein. Dafür möcht' ich mir nun Gewißheit verschaffen. Jeder, dessen Name aufgerufen wird, trete ge säuicjst vor und puffe seinen linken Daumen erst auf den mit chemischer Tinte gesättigten Riemen, dann drücke er nochmals auf diesen Streifen Prä parirten GlafeS. Und damit man die Personen hübsch au-einander zu halten vermag, ersuche ich jeden Einzelnen, seinen Namen auf daS Papier zu schrei den, da! ich unter den Glaiftreifen ge breitet habe." Herr Treuert nahm jeden Mann, der hervor trat, um zu thun, wie ihm ge heißen, scharf aus'S Korn. Nummer einS. Nummer zwei, Nummer drei lauter harmlose Burschen, zogen an seinem Blick vorbei; Nummer vier sah schon lange nicht so harmlos drein, son dern hatte ein finsteres Aussehen. daS den Criminal Commiffür veranlaßte, dem Fuße deS Prokuristen einen leisen Stoß zu versetzen. Herr Schelling be eilte ftch daraufhin, den Namen von Nummer vier zu notiren. So zoz die Projksston an den beiden Männern vor über, bis fte schließlich alle ihre Dau menabdrücke vollzogen und der Pro kurift ungefähr ein Dutzend Namen der zeichnet hatte. Jetzt hob Herr Treuert sein geheimnißvolleS Packet in die Höhe und sagte: .Ich habe eine kleine Laterna magica hier, durch welche ich die Platte mit den Abdrücken zu schieben gedenke. ES ist bereits finster genug, find' ich, und ach ja, die Rückseite deS großen Kaien derS dort ist wie dazu geschaffen, alS weiße Wand zu dienen. Bitte, Herr Schelling, drehen Sie ihn um und heften Sie ihn an. So! Danke!" Bei diesen Worten hatte Herr Treuert seine Laterne so gestellt, daß AlleZ glatt und ohne Verzug vor fich ging. .Uni den Versuch etwas interessanter zu gestalten," fuhr er fort, .will ich Ihnen erst einmal die Daumenabdrücke eine? Herrn vorführen, an deffen Be kanntschaft mir ungemein viel liegt. Dann führe ich Ihnen die hier aufge nommenen Abdrücke vor und überlaffe es Jhaen, etwaige Vergleiche anzu stellen." Auf der an die Wand geworfenen Sichtscheibe erschien ein merkwürdige System ausgekerbter, in einander lau fender Linien, die begannen, man wußte nicht wo, und ebenso endeten. Die von Herrn Prokuraführer Schel ling ausstellte Liste lag vor dem Crimi nal'Cominissär, er schob die lange Glasplatte hinein und ließ fie bei Num mer vier halten. Einige Sekunden ließ er daS von dieser Nummer gegebene Bild neben dem elften spielen. ES stellte ein vollkommen abweichendes Linienwirrsal dar. Nun schob er beide über einander oder ließ daS biwegliche Bild über das feste gleiten. DaZ Re fultat war ein verworrenes Netzwerk sich durchquerender Linien. Schnell ging er die ganze von Herrn Schelling aufgesetzte Lifte durch und be handelte jede Nummer in gleicher Weise, so daß die Unterschiede für jeden Blick klar hervor traten. Plötzlich aber fügte ftch das eine Bild so genau in da? andere, daß keine leiseste Abweichung deZ einen vom anderen Bilde wahrge nommen wurde. Linie paßte auf Linie, kein Strich, kein Fleck trat da zwischen hervor. Die Gleichheit des Abdrucks war so markant, daß Herr Schilling nachsah, ob ftch auch wirklich noch beide Platten in der Laterne be fanden. Sein Blick streifte dabei die Versammelten, und er bemerkte, daß im Hintergrunde deS ZimmcrS eine Bewegung entstand. Im seiden Augenblick stieß der Herr Criminal Commifför einen gellenden Ruf auS. Haltet ihn fest ! ES ist Fledrer der Mörder Fledrer ! Haltet ihn fest. Leute! Laßt ihn nicht entwischen !" Bevor sich aber eine Hand auf ihn legen und ihn festhalten konnte, hatte HanS Fledrer das Fenster aufgerissen und fich kopfüber hinaus gestürzt. DaS Zimmer lag zur ebenen Erde, der Fall that dem Verbrecher nichts, und wie von Furien gejagt, rannte er die Straße entlang. Bis die Thüren geöffnet und der Verfolgungsschrei an gestimmt werden konnte, hatte er einen tüchtigen Vorsprung gewonnen. Draußen dämmerte eS erft, und da an der Fabrik nur wenige Häuser flan den, konnte man den Flüchtling noch erkennen. Die Arbeiter stürzten ihm nach und schrie'n: Haltet den Mörder! Haltet ihn !" DaS Geklapper von Pferdehufen ließ fich vernehmen, hoch zu Roß kam ein Reiter vorüber gesprengt und setzte dem Fliehenden alSdald nach. Fledrer er kannte, daß er eingeholt werden müsse, wenn er auf der Chaussee fortlief, hur tig kletterte er über eine Steinmauer und sprang von dort auf freies Feld hinab. Mit einem Satz sprang der Reiter vom Sattel, setzte mit Turnergewandt hcit über die Mauer, und ehe die Ver folger recht wußten, was geschah, sträubt sich Fledrer in dem eisernen Griff seines athletischen Gegner. Aber da? ist ja Ludwig Schmitz," rief Herr Schelling erstaunt, als er mit den Anderen herdcigelaiifen war. .Trifft fich ganz nett I" schmunzelte der Herr KciminalkommiffariuS ; da wäre ja auch die poetische Gerechtigkeit gewahrt, für die ich sonst gerade nicht einstehen kann." Man brachte den Gefangenen nach der Fabrik und dort li,ß er ftch zu einem zerknirschten Bekenntnis! herbei. Er war am Mordadend zurückgcblie den, um den offenen Geldschrank zu plündern. AlS er den heftigen Streit zwischen Onkel und Neffen vom sicheren Versteck auS mit anhörte, dachte er ftch gleich, wie vortheilhaft ftch die Scene zu feinem Nutzen ausdeuten ließe. Auf dem Wege durch das allgemeine Schreib zimmer sah er das offenstehende Pult von Ludwig Schmitz durch und steckte das darin befindliche Taschenmesser zu fich. Nachdem er die grause That da mit vollbracht hatte, kehrte er an daS Pult deS jungen Herrn zurück, um den Augenschein vollends gegen ihn zu kch ren, und bei dieser Gelegenheit hatte er seinen Daumenabdruck hinterlassen, durch den er überführt worden war. Die Erklärung deS Herrn Schmitz lautete einfach genug. Er war am Tage der That in der guten Absicht zu rückgekehrt, seinem Onkel gute Worte zu geben, an der Thür aber hatte fich der Stolz dagegen gesträubt, und ohne die Schwelle deS Fabrikgebäudes zu überschreiten, war er wieder fortgegan gen. Gleich darauf war er einem fei ner SportZfreunde begegnet, der ein Gut in der Nähe besaß und ihn einlud, zu ihm zur Jagd zu kommen. Kurz entschlossen sagte Schmitz zu und hatte erst heute um 3 Uhr Nachmittags von dem tragischen LebenZabschluß seines Onkels gehört. Sofvit hatte sich der junge Mann ein Reitpferd vom Freunde geliehen und war nach der Fabrik ge sprengt. Der Herr CriminalCommissür steckte lächelnd die hohe Banknote ein, welche Fräulein Melchert ihm in einem Brief Umschlag zugehen ließ. Er war gar nicht überrascht, als er anderthalb Jahre später eine Einladung zur Hoch zeit von Fraulein Melchert mit Herrn Ludwig Schmitz empfing. Er saß auch an der Hochzeitstafel aber am nüch sten Tage brütete er daheim wieder an feinem Schreibtisch, ob ihm nicht bald die Verpflichtung zufalle, ein neues Failgnch für eine verlorene Menschen seele zu flechten. Ver Renommir-Lzase. Eine tragische Geschichte von M. B e n d a. Nun hatte sie endlich einmal einen Hasen, einen wirklichen und wahrhafti gen Hasen, den ersten in ihrer jungen Ehe. und der mußte auf so tragische Weise.... Doch halt ! Hübsch der Reihe nach er zählen und nicht das Ende zum Anfang machen! Also: Der Beginn unserer kleinen, wahrhaftigen Geschichte liegt um ein paar Tage zurück. Vor einigen Tagen warS gegen Abend, als Herr Lindner, der als Koift im Bureaup eines Rechts anwaltS ein materiell sehr bescheidenes Dasein führte, seine im vierten Stock belcgene Wohnung, weit draußen in einer Straße deS fernen Ostens, betrat. Er überraschte seine junge, fleißige Frau bei einer ungewohnten Arbeit fte war damit beschäftigt, ein Hascnfell mit Stroh auszustopfen und dem Balg die ungefähre Form eines todten Hafen zu geben. Auf feine verwunderte Frage, was fte denn da mache, erhielt der Mann von seiner Frau die Antwort : Einen Renommir-Hasen l" Und auf eine wei tere Frage, was fie denn darunter der stehe, gab das Frauchen folgende Er klärung ab : .Alle Miether im Haufe haben in diesem Winter schon einmal einen Hasen zum Küchenfcnster heraushängen ge habt, nur wir noch nicht I Ein richtiger Hase wär' mir ja schon lieber; da eS aber dazu bei uns nicht langt, muß eben ein ausgestopfter herhalten. Die Leute im Hause fallen doch auch mal denken, daß wir Hasenbraten essen! Die ganze Woche laß ich ihn draußen hängen, bis zum Sonnabend! Dann erst hol' ich ihn wieder rein, und unfe ren liebenswürdigen Nachbarsleiitcn soll vor Appetit daS Wasser im Mund zusammenlaufen! Nun, hab' ich da; nicht fein auZgedacht?" Die junge Frau war während dieser Erklärung ordentlich warm geworben ; ihre Wanzen glühten und ihre Augen glänzten, als sie zum Schluß die Frage an ihren Mann richtete. Allein dieser war anderer Ansicht als feine Frau und konnte ihrer triumphircnden Sieges freude nicht beipflichlen. Sein juristisch angehauchtes Gewissen sträubte sich dagegen. Das ist eine Vorspiegelung falscher Thzjsnchcn !" erhob er warnend sein: Stimme. Thu'S nicht I Bedenke, wenn Jemand aus dem Haufe dahin ter kommt, daß Du dann blnmirt bist bis auf die Knochen und für alle Zei ten! Keine ruhige Minute wirft Tu mehr haben vor all' den Hänseleien unserer liebenswürdigen HauSgenos sinnen!" Allein die wuhlzemeinten Warnun gen verhallten im Winie Frau Lind ner bcharrte auf ihrem Vorhaben. An diesem Abend mußte Herr Lind ner ausnahmsweise noch einmal in's Bureau gehen; er hatte seinem Chef versprochen, behufS Erledigung einer dringenden Arbeit Überstunden zu machen. Und als er feine Arbeit voll endet hatte und nach Haufe ging, kam ihm der geniale Gedanke : Wie wär'S, wenn Du für daS Honorar dieser Ueber stunden einen wirklichen, leibhaftigen Hasen kauftest !" Sein Weg führte ihn an einem Ee schüft vorüber, vor dessen Schaufenster eine stattlich: Reihe Hasen hingen. Von drei Mark an." stand auf einem Stück Papier, das einem strammen Burschen auf seinen breiten Rücken geheftet war. Wenige Minuten später eilte Herr Lindner überglücklich im Besitz eines leibhaftigen Hafen nach Haufe. Frau Lindner hatte sich, als ihr Mann die Wohnung betrat, bereits zur Ruhe legeben, und da? war diesem gerade recht. Unter dem Vorwande, noch einen Schluck Wasser trinken zu wollen, begab er sich in die Küche. Richtig, am Fensterkreuz hing der Re nommirhase. Herr Lindner knüpfte ihn ab. versteckte ihn sorgfältig unter der Küchendank und hing an seiner Stelle den wirklichen". Dann legte auch er fich zur Ruhe, und trotz der freudigen Erregung über den gelungenen , Streich umfing ihn bald tiefer Schlaf. Anders gings feiner Frau. Diese konnte die ersehnte Ruhe nicht finden. Schuld daran waren die warnenden Worte ihrcs Mannes. ES wäre ja ge radczu fürchterlich, wenn Jemand hin ter ihr Geheimniß käme ! Der Renom-mir-Hzse hinz zwar bereit? draußen, gesehen hat ihn bis jetzt noch Niemand, denn als fte iht am Fensterwirbel an schleifte, war eS bereits ganz finster gewesen, wenn fie ihn also jetzt wieder hereinnahm, konnte fte ftch vor der Möglichkeit einer Blamage schützen. So erhob sie sich denn leise von ihrem Lager, warf eine schützmde Hülle über und tastete fich vorsichtig im Finstern zur Küche. Die Schleife am Fenster Wirbel war rasch gelöst und pardautz, sauste der vermeintliche Renommir Hase in die Tiefe. Er war der jungen grau aus der Hand gerutscht für ein mit Stroh ausgestopftes Fell war er ihr allerdings merkwürdig schwer vorgckom men. Erschreckt lauschte fie, bis der dumpfe Schall deZ Aufschlags zu ihr herauf drang; dann blieb fte noch einen Augen blick rathlos stehen. Was follte sie be ginnen? So, wie sie war, konnte sie doch unmöglich auf den Hof hinuter gehen ! So blieb ihr denn nichts weiter übrig, als das ausgestopfte Fell feinem Schicksal zu überlassen. Am nächsten Morgen, alZ Frau Lin ner in die Küche kam, um den Kaffee zu kochen, galt ihr erster Blick dem echap. pirten RcnommirHasen er war vom Hofe verschwunden. Wahrscheinlich hatten die Katzen den Balg verschleppt. AlS da? Ehepaar dann am Kaffee tisch saß, fragte der Mann schmunzelnd: Nun, Frauchen, was macht denn Dein Sienemmir-Hafe?" Sowie aber Frau Lindner ihre nächtliche Expedition cr röthend erzählt hatte, stürmte ihr Gatte in die Küche, um gleich darauf wie eine geknickte Lilie, das ausgestopfte Fell in der Hand haltend, zurückzukehren. Mit einem unfü,siich traurigen Lächeln kam eZ über feine Lippen : 'Nun haben wir doch einmal einen richtigen Hasen ge habt ! Da, Frauchen, ist Dein Renom mirchase! Du siehst, die Strafe ist nicht ausgeblieben sie ist zwar hart, aber gerecht !" ine sonderbare Geschichte. Man hatte viel von Illusionen und Taschenspiclciflückchen gesprochen. Ich glaube nicht," so begann der Stammtischgcnosse Fridolin Aufschnei der. d.iß irgend einer von Euch auf diesem Gcdikte etwas auch nur an nähernd so Merkwürdige; erlebt hat, wie ich seinerzeit im Salon der Fürstin M." Erzählen," rief die gzrze Kneip runde, .Erzählen!" Und Frido',in Auf schncider erzählte: EZ wZr nach einem glänzend? Souper, als der weltberühmte Preftidi gitateur B. von der Fürstin aufacfor oert wurde, doch ein recht packend: Kunststück zum Besten zu geben. B. ließ sich nicht lanze bitten. Er ersuchte vor Allem, ihm für wenige Augenblicke den kostbaren Ring aus dem Fmiliettschmuck zu Überlassen. Der Ring wurde l!kho!t. der Künstler ergriff ihn und schlcudklte ihn zum Ent setzen dr Zuschauer durch ein Bozen fenftcr hinaus in die Nacht. Tann zündlte er sich gleichgültig eine Cigarette an und luß den Kammeidie ner rufen. .Jean, gehen Sie sofort hinunter auf den Platz und suchen Sie den Ring der Fürstin!" Jean verbeugte sich, ging und kam nicht wieder. Die Stimmung wurde immer ge. spannt, immer beklommener. Nur der Künstler behielt sein über legeneS. sarkastisches Lächeln und be mühte sich, die Conversation in möz lichft harmloser Weife weiterzuspinnen. So verging etwa eine Halde Stunde. Da konnte die Fürstin ihre begreif liche Ungeduld nicht länger dkmeiftcrn. .Wo ist mein Ring? Wo bleibt mein Diener?" herrschte sie den Künft ler an. Der schien verlegen zu werden. Er zuckte die Achseln und stottert: .Verzeihung. Durchlaucht, ein unbe greifliches Versehen! Wir wollen einmal die Zofe binunterschickcn. Zofen wiffen gewöhnlich am genauesten wo die Kam merdiener stecken." Die Zofe ging und kam nicht wieder. Nach Verlauf einer weiteren halben Stunde schien der Preftidigitateur un ruhig zu werden. Er sah aschfahl aus, und der Schweiß stand in großen Per len auf feiner Stirn. Rings um ihn wurden Stimmen de? Mißtrauens, des Unwillens, der Em pörung laut. Da schien eS plötzlich, als raffe er gewaltsam den letzten Reft seiner Krast zusammen. Mit kühnem Griff öffnete er das nahe beim Fenster stehende goldene Vogelbauer und ein Schrei dcZ Entsetzens ward rings gehört ließ den LiedlingsKanarie vozel der Fürstin hinausflattern in die pechrabenschwarze Nacht. Eine Minute später flatterte daS brave Thierchen wieder herein. Um den HalS trug eS den kostbaren Brillantring, in der einen Kralle den Kammerdiener, in der andern die Kam merzofe!" Herr Fridolin Aufschneider soll nach dieser Erzählung schleunigst verschwun den sein und den Stammtisch für lün gere Zeit gemieden haben. Der Sigenthümllcht." In einem Eisenbahnzuge in Belgien sitzen zwei Herren einander gegenüber und unterhalten sich über das, was ei nen Reisenden zunächst interessirt, Ge päck, Retourbillets. Freigepäck, für wel ches besondere Bestimmungen gelte. Gelegentlich erwähnt der eine, er möchte einmal den Koffer deS anderen messen, zieht auch ein Metermaß hervor und mißt. Nun, der scheint ja 'n bischen eigenthümlich zu sein." denkt sich der zweite Herr und meint, Jener habe die Liebhaberei, alle möglichen Gegenstände zu mcssm. Da sagt der Eigenthüm liche": .Ihr Koffer ist 7 Centimeker zu lang und darf daher nicht als Frei gepäck im Waggon bleiben. Ich bin Eisttibahninfpeltor und muß Sie in eine Strafe von 5 Franken nehmen. Wollen Sie mir Ihren Namen ange ben?" Nun war die Eigenthümlichkeit" aufgeklärt, und eS haß. die Sache neh men, wie fte lag. Aber," sagte der Betroffene, .Sie erlauben mir doch nu wohl einmal Ihren Maßstab, um selbst nachzumessen!" ..Bitte " Und nun sagte Nummer Zwei mit höflichem Lächeln: Ich bin im Königlichen Aich amt Direktor im Maßamte. Da Ihr Maßstab, wie ich zu meinem großen Be dauern sehe, nicht vorschriftsmäßig ab gestempelt ist, hat erstens Ihre eben vorgenommene Messung keine gesetzliche Gültigkeit, und zweitens bin ich leider genöthigt, Sie in eine Strafe von 50 Franken zu nehmen. Wollen Sie mir Ihren Namen angeben?" An jenem Tage sprachen sie nicht weiter. Drei kurze Antworte. Am 30. Juni 1623 ließ Wallen stein, den die Belagerung von Stral sund zu ermüden begann. Abgesandte der Stadt vor ftch. Dieselben benah men sich aber sehr unhöflich gegen den Herzog von Friedland. Dieser begann nämlich daS Gespräch mit folgenden Worten : Ich bin bereit, die Belage rung aufzuheben, wenn ihr Euch mit Geld abfindet." Die plattdeutsche Ant wort lautete : Dat hebdcn wie (haben wir) nich." Stirnrunzclnd fuhr der Herzog fort: .Dann müßt ihr Euch be reit erklären, kaiserliche Besatzung in die Stadt aufzunehmen." Die Abge sandten erwiderten: Dat don (thun) wie nich." Wüthend über die zweite kurze und schroffe Antwort sprang der Herzog auf und überschüttete die Depu tction ml einer Menge kräftiger Schimpfreden. Die Stralsunder zoen daraufhin ruhig ab, indem sie noch die Bemerkung machten : Dat sünn (find) wie nich l" Der xfifsize Geschäftsmann. Junge Frau : .Der Wäscheschrank, den wir bor einem halben Jahre bei Ihnen staust haben, ist jetzt schon ganz auZ dem Leim gegangen." Mödelhändler : ott. müssen Sie aber eine große Ausstattung gehabt haben, gnädige Frau!" !?oschcidi',ie Litte. Scpp (den sie dci der Raufenü jäm mcrlich zurichten): Sacra, las't doch noch für die nächste Nirchweih a b i s s e l was von mir übrig!"