Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 10, 1898, Image 9

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Jahrgang !!!. Beilage zum Nebraska Ztaats-Anzeiger. No. 42.
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Int Weibischen Pii?;:", der vom
Jj&n 1T0U an ei.'.unüzwanzig Jahr,
lang gdü!:t wurde, der ßleichzc! mit
turn Spanischen Erofolgtlnege" fast
ganz Europa und da! rulsische ?.ften
verwüstete, auS deren Kämpfen und
dcwidtiS durch die Schacht von Pul
taraa. 1709, die heutig Machtstellung
S'.vßlandS h.'rvorzing. ereignete sich
manch' dramatische Episode, die nie.
wie Waüei'.stcin's Z.-.t. lhrcn Schier
fand.
!S cZ zur Schlagt den Pultawa
tarn, diente im Heere PcterS. deS Clä
ren, ein junger Offizier Namens Wla
dimir KeSmorow.
EineS Morgens entfernte er sich luft
wandelnd von dcn Ze'.tlarn und streifte
an den Gewässern deS Dnieper nach
wilden Enten und Schnepfen, die sich
wie Gchtoäne und rotiioeiße Pelikane
auf den ?iebenfliiisett deS CtromeS in
Schilf und Röhricht buhten, tummelten,
pustend und schmimineud die Jügrr
gänzlich mißachtend.
Tcr junge Mann war mitzmuthiz. er
sehnte sich ach den Fleischtöpfen deZ
elterlichen Hauscö. Er war eine ft.Ue.
beschauliche Natur von gewinnendem
Aeußern und mehr den Studien, den
sanfteren Regungen d?S menschlichen
KemiitdeZ als lr Kriegskünste geräufch.
vollem Winwar hold.
Sein Unglück wollte eS. daß aus dem
DiZicht deS SumpsrandeS jetzt eine Ge
statt auftauchte, die für eine polnische
Personification deS großen Jägers vor
dem Herrn. Nimrod. gelten konnte. Es
war Paul Petrsff. der öestder eweS na
hen Gute. Ganz in Pelze gehüllt, mit
Hoden Lederftiefeln, eine riefige Pelz,
milde auf dem bärtigen Haupte, sah er
auS wie der Ureinwohner deS Landes,
wenn nicht eine am Bande ihm über
die Achsel hängende Muskete auf einen
modernen Mensche hätte schließen
lassen.
Ter Wldm?nfch sah. dag der schmucke
junge Osfizier im ersten Augenblick e?
schroZen war. und um zu beweisen, daß
er kein Attentat auf jeneS Leben deab.
fichtigte, hielt er ibm die lederne Flasche
hin. die mit Waschnewka. einem auS
kleinrufstschenvorzüglichenKirschen treff.
lich bereiteten Schnaps, noch halb ge
füllt war.
.Trink. Brüderchen!" sagte der Nim
rod. und warum sollte Paul Petross
nicht Bescheid thun. Sie vertieften ftch
in ein Gespräch Über die Heldengestalt
de zwölften, schwedischen Karl, der am
Fuße verwundet, jetzt mit einem schon
geschwächten Heere der Streitmacht Pe
terö deS Großen unweit Pultawa'S ge
genübkrflnd; Petrcff lobte seine Arbu
sen oder Wassermelonen, seine ttantaln
gen, auch eine Kernfrucht, und nicht
lange darauf saßen die beiden in deS
Gutsherrn geräumiger Halle.
Ein wunderbares Kind brachte Wein.
Caviar. geräucherten Fisch und briet,
derweil die beiden aßen, den Schenkel
eine3 in Essig gelegenen Eber.
Marfa, die Schwarze, hatte noch nie
einen so besonders sauberen Menschen
gesehen, wie deS Czaren Offizier. Er
sah. wie ihre junge Brust unter dem
gestickten, bunten Mieder der Kleinrus.
sinnen hämmerte. Klein waren ihre
Hände und Füße, groß wie Feuerräder
ihre Augen. Ihre Lippen hatten die
Farbe einer Vogelbeere am Ende deS
Septembers. Wenn sie lächelte, und
sie lächelte gerne, wenn ihr Flammen
blick den des hübschen Kriegers kreuzte,
blitzte cS wie Wetterleuchten von ihren
Zähnen, gesund und weiß wie die eineS
jungen HundeS.
Nach einer Weile lallte der Besitzer
deS Hauses und Vater der bestrickenden
Marfa. Noch eine Weile und er schlief
auf der Ofendank, ganz uneingedenk
der Pflichten eines Wirthes und Be
schützerS der Unschuld vom Lande.
Wladimir KoSmorow faßte Marfa'S
Hand, behielt sie lange und schien in
den feinen blauen Aederchen sein Schick
sal lesen zu wollen. Er zog die Sanft
widerstrebende auf sein Knie und wollte
sie küssen. Aber eS war heller Tag, auf
den Schlaf Nimrod Petroff'S nicht sicher
zu bauen. So faßen sie sich wieder
stille gegenüber und sahen sich an mit
jenem Wohlgefallen der Geschlechter an
einander, das Heil und Unheil über die
feit Jahrtausenden sich wie Blätter im
Walde erneuende Menschheit bringt.
Sie redeten nicht viel. Ihre Gedan
ken, ihre Herzen sangen ein goldenes,
frisches Kosclied beseligender Liebe. Der
Alte schnarchte.
Der Offizier aber sprang auf und ge
dachte deS Appells.
Marfa standen Thränen in den Au
gen und sielen wie Perlen auf ihren
jungen Busrn. Komm Abends an
mein Fenster!" flüsterte sie. Wenn
alles schläft, plaudern wir von der Zu
kunft." Zukunft eines Offiziers vor Pultawa!
Bah, wenn das Glück will, kann's ihn
zum General machen!
Die jungen Leute schieden, und als
der Offizier mit eiligen Schritten sich
wieder dem Feldlager zuwandte, klang
ihm noch eine Strophe Marfa'S nach:
Die Liebe läßt sich nicht befehlen.
Komm her zu mir und sei nun da!
Sie liebt eS. sich heranzuftehlen.
Und ungerufen ist sie nah!
Dann war'S ihm. als ob ihm Worte
und Töne noch wie fchmüch?!nde Begl:i
ter nachkämen:
Die Liebe, die noch wandeln kann,
Da ist die rechte Liebe nicht I
Die Liebe hält in festem Bann,
Die Liede muß zur Treue werden.
Die Liebe, die noch wandeln kann!
In dem undiSciplinirten Logerleben
war die kurze Abwesenheit Wladimir
Komoro!i)'S nicht bemerkt worden.
DeS Abends, als die BiwLk . Feuer
brannten, schlich er sich klopfenden Her
zenS an das Fenster Marfa'S. Warum
hämmerte eS nur so in dem armen pul
fixenden Ding? Er wußte eS selbst nicht,
daß er krank war; doppelt trank, vor
Liebe, und weit eS ihm so von der früh
oerftordenkn Mutter vererbt worden.
Eine selige Nacht.
Zwar ließ ihn Marfa nicht ein. aber
sie schlang ihre Arme um sein Haupt,
und zog eS halb herein in die warme
Stube, legte eS an ihr pochendes gesun
deS Herz, ließ ihn Rosen, Lilien pflücken
von ihren Lippen und Zähnen. Und
so plauderten sie die ganze selige, mono
beglänzte Zaubermärchen Nacht hin
durch in Rußland war'S eine Juni
nacht, die achte deS Monats, und doch
kalt herb, wie ein jungfräuliches Seel
chen. Sie sprachen von der Zukunft
Marfa und Wladimir, er wollte kom
men und sie heirathen und sie den Vater
verlassen und deni Geliebte auf das
elterliche Gut folgen. So spannen sie
Pläne von HauS zu HauS, wie Spin
neu ihre Fäden von Ast zu Ast. Und
wenn einer aus der Ferne Spinnen,
gegen einen blauen Himmel abgehoben,
zwischen Zweigen schweben ließ, so kann
er glauben. eS seien große, in der Luft
schwimmende Vögel. So bauten sie
groß in die Zukunft und ahnten nicht,
wie klein der Mensch ist und seine Kraft
gegen das Schicksal.
Unter Thränen und Küssen und hei
ßcn Versprechungen schieden sie. Am
Norgcn hatte Peter, der Czar, seine
Pläne festgestellt und hielt Revue. Er
erspähte eine schwache Stellung gerade
da, wo jetzt der Schwedenstein sich er
hebt und der AuZgar.g der Schlacht ent
schieden wurde. An der Front deS Re
gtmentS stand Wladimir KoSmorow,
ein wenig bleich und überwacht, aber
schön in seiner Jugend und ein Schim
mcr süßen Glückes lag wie eine Gloriole
um seine weiße Stirn. Peter sah ihn
an und der Offizier präsentirte.
Wie heißt Du?
Wladimir KoSmorow, zu Befehl,
Herr!"
Wladimir KoSmorow, Du wirst
beute Nacht an dieser Stelle wachen.
Wenn der Feind weiß, daß hier ein
Einbruch möglich, wird er ihn der
suchen und Du wirft das Signal
geben. Ein paar Mann und einen
Trompeter suche Dir aus Major
KoSmorow!"
DaS Avancement der Austrag
alles kam so unerwartet, daß Wladimir
kaum Fassung fand, Peter die Hand zu
küssen. Und schon war der Czar mit
seinem Gefolge verschwunden.
ES litt KoSmorow nicht lange zwischen
den Zelten. Er eilte zu Marfa, theilte
ihr daS Gefchehniß mit.
Major! Nun wirft Du mich nicht
mögen."
Närrin! Aber heute Nacht kann ich
nicht an'S Fenster kommen."
Siehst Du! Dienst! Der Czar hat
befohlen! O eine Stunde!"
ES darf nicht fein. Marfa, Süße,
leb wohl!"
Auf dem Rückiveg begegnete der Lic
bende dem schon nicht mehr ganz nüch
ternen Vater seiner Schönen ; der hielt
ihm wieder den Maschnewka hin. Jener
dankte und that einen Zug: Grüßet
mir Eure Tochter Marfa. Auf ihr
Wohl!"
Wladimir Kosmorow stand auf dem
Posten und dielt Wache. Die Leute
rings um ihn her, der Trompeter, in's
Gras gelagert, würfelten, schliefen.
Der junge Major hatte seit vierund
zwanzig Stunden kein Auge zugethan.
Er setzte sich auf einen Stein, stützte
das Kinn in die innere Handfläche und
dachte an Marfa. ES war ihm, als zö
gen füß verhallende Liederklänge heran.
Die Liebe läßt sich nicht verjagen.
Wie Tauben von dem nahen Dach ;
Wie schwer sie fei, Tu mußt sie tragen,
Sie sei nun Luft, nun Ungemach.
Die Liede läßt sich nicht behandeln,
Sie trotzt dem Schmeicheln, dem Gebot:
Doch mit der Liede läßt fich'S wandeln
Durch'S Leben in den schwersten Tod.
Und dann kam'S noch lockender, rei
ner :
Die Liebe, die noch zweifeln kann,
DaS ist die rechte Liede nicht!
Sie gleicht dem Glücke, das zerrann,
Und Liebe hat Bestand auf Erden,
Doch die nur, die nicht zweifeln kann.
Und zum Schluß, wie Glcckenton über
endlose Schneefelder:
Die Liebe aber, die vertraut.
Dem Führer folgt, wie hilflos, blind.
Die fragend rechts und links nicht
schaut.
DaS ist die rechte Liebe Kind!
Die Liebe, die nicht wandeln kann,
Dir Gott IS letztes Glück ersann!
Letztes Glück; eS war Wladimir, als
sänke er willenlos in Schlaf, wie ein
eingelulltes Kind und so war eö auch.
Er schlief, wer weiß wie lange und seine
Umgebung auch.
Da klopfte ihm Jemand auf die
Schulter. Er erwachte.
Peter der Große stand vor dem
Major.
DeS Czaren Gesicht war purpurroth
vor Wuth: er fand feinen Erwählten
cuf einem wichtigen Posten, von dessen
Bewachung ec den SchlachtauZganq, ja
vielleicht deS ganzen Krieges Glück ab
hängig glaubte, eingeschlummert.
Der Czar erhob die Hand zum
Schlage.
Donnerwetter!"
Da stand Koömorow's Herz stille.
Ehe sein Geist daS Ungeheure fassen
konnte, fein Verbrechen, dessen Ent
deckung durch den obersten Kriegsherrn,
den Zorn deS Barbarenfürften der
sagte der kleine MuSlel und todt sank
er in die Farren.
Ter Czar wandte sich schüttelt ab.
Er sprach etwaS zu dem Gefolge und
licß dann einen anderen Offizier antre
ten.
In den zwanziger Jahren kam Kaiser
Nikolaus Pawlowitsch auf daS Schlacht
feld von Pultawa, an den Schweden
stein. Tie Sage erzählt ihm von einem
Liebespaar. Am Tage nach der Schlacht
habe man eine schöne Polentochter,
Marfa, in dem Schilfröhricht, an dem
Dnieperflllßchkn ertränkt und mit ihrem
eigenen Zöpfchen eigener Hand
erdrosselt gefunden. Czar Peter habe
damals gemurmelt, man solle dem stei
nen Major einen Stein setzen.
Nikolaus Sehn. Alexander II., stand
auch eines Tages an dem Schwedenstein
Pultawa. Erstaunt sah er zwischen
weißen Buchenftämmen und alten kein
russischen Kirschdäumen eine Marmor
Gruppe im Sonnenlicht glänzen, daS
schräg durch die Waldung fiel.
Auf einem Feldstein saß ein junger
Offizier, die Hand unter daS bartlose
Kinn hallend, müde, wie ein glück
lich gewesener Liebender. DaS Schwert
war ihm zur Seite geglitten, fein rech
ter Fuß tret auf eine Feldtrompete mit
Troddeln. Ueber den im Schlaf zu
lauschen Scheinenden beugte sich mit
mildem Kusse auf die Stirn der Engel
deS Tode?.
Peter hatte den Wunsch zürnend au?
gesprochen.
Nikolaus Pawlowitsch vernahm ihn
auS dem Munde der Legende des OrteS
und erfüllte den Befehl deS Begründers
von Rußlands Größe.
Alexander der Zweite, den der Todes
Engel längst grausamer geküßt, sah
staunend und sinnend das Denkmal
auf dem Schlachtfeld? von Pultawa,
dessen Bedeutung ihm ein alter Veteran
als Hüter gesetzt, erklärte, dem sie auch
der Verfasser dieser Mittheilung dankt.
Von zwei Studenten, die nur
einen rack hatten.
Einmal hatte der ftud. mcd. Kasimir
so häufig Briefe mit verschämten Andeu
tungen nach Hause geschrieben, daß er
richtig mitten im Monat einen Haufen
Geld geschickt bekam. Er theilte nun
ab: daS ist für dcn Kneipivirth, das
für die Zimmervelmiitherin, das für die
Wäscherin u. f. w.. und zuletzt blieb
noch ein kleiner Rest.
Damit mache ich mir hmte einen
vergnügten Abend !" sagte er.
Du?" stieß fein Zimmergenosse, der
ftud. jur. Leonhard. wehmüthig heroor.
Ich!" sagte Kasimir kaltmüthig;
denn waS ging ihm Leonhard an, mit
dem er durchaus keine innige Freund
fchaft geschlossen hatte; sie waren zu
fällig durch Vermittelung ihrer Wirthin
Studenkameraden geworden.
Leonhard sagte nichts, aber seine
Augen blieben begehrlich auf dem Gelde
haften. Plötzlich kam ibm eine Idee.
Du, Kasimir, willst Du mir meinen
halben Frack abkaufen?"
Was thue ich mit der Hälfte?"
Ich mune natürlich, das halbe
Besitzrecht auf dsn Frack."
Kasimir überlegte. Er. wie Leon
hard gehörten zu der äußerst zahlreichen
Sippe der sogenannten Abcndbrod.
schinder." Sie hatten sich in zahlreiche
Bürgerfamilien der kleinen Univerft.
tätSftadt .cinsühren lassen, und bald
hier und bald dort wurden sie zu Thee
und Buttcrdrod eingeladen, öfteis aber
auch zu kleimn Tanzgesellschaften, wo
cS schon nicht mehr Thee und Butter
brod, sondern Bier, Wein und Braten
gab. Dazu gehört aber unbedingt ein
Frack, und Kasimir besaß keinen. Wenn
er. waS nicht selten vorkam, mit Leon
hard gleichzeitig zu einer Gesellschaft
eingeladen war, mußte er bei sämmt
lichen Bekannten herumlaufen, um einen
meist schlecht sitzenden Frack zu
borgen. Leonhard'S Frack paßte ihm
ader ausgezeichnet, und ein halbes Be
sitzrecht sollte, wie ihm dieser auSeinan
der setzte, darin bestehen, daß er nicht
nur stets auf den Frack Anspruch habe,
sondern auch bei gleichzeitiger Einla
dung abwechselnd; in diesem Falle
sollte daS eine Mal Kasimir, daS nächste
Mal Leonhard Anspruch auf den
Schniepel" haben. Kasimir schlug ein
und schob Leonhard die Hälfte deS Reft
geldeS zu.
Einige Wochen vergingen. Die ge
meinschaftliche Benutzung deS Fracks
schien keine Schwierigkeiten zu machen.
Da erhielten sie Beide einmal die Ein
ladung zu der großen Tanzsoiree des
CommerzienrathS Breitenftein. Diese
alljährlich wiederkehrende Soiree war
gewissermaßen die Perle aller Privat
feftlichkeiten. an denen Studenten in
größerem Maßstabe betheiligt waren.
Wein, vor Allem Sekt, floß da in Strö
men, und alle Delikatessen aller Saisons
gaben sich da ein Rendezvous. Die
Reihe des FrackanrechtS traf diesmal
Leonhard, und da fo ziemlich alle ihre
Bekannten geladen waren, stand Kast
mir vor der Unmöglichkeit, einen Frack
zu erhalten und somit daS Fest zu be
suchen. Dazu kam. daß dieses in den
letzten Tagen deS Monats stattfand
der Commerzienrath wollte den Musen
söhnen Gelegenheit geben, gerade an
jenem Tage zu schwelgen, an welchem
daS Verhängniß deS Datums ihnen daS
Darben zur Regel machte. In den
Portemonnaies beider Studenten zu
sammen befand sich eine so kleine
Summe, daß sie kaum als Trinkgeld
für den commerzienrüthlichen Garderobe
dimer hinreichte.
Woher also einen Frack nehmen?
Denn auch Leopold sah billiger Weise
ein, daß eS eine Grausamkeit wäre,
Kasimir von diesem Feste auSzufchlie
ßen. Sie kamen schließlich überein.
daß Kasimir zuerst hingehen, sich an
dem aufgestellten kalten Büffet fo schnell,
als möglich, satt essen und sodann zu
rückkehren solle, um daS unentbehrliche
Kleidungsstück dem rechtmäßigen Eigen
thümer für den Reft deS Abends und
der Nacht zu übergeben.
Kasimir ging also zur Soiree, und
Leonhard saß zu Hause und wartete
Anfangs mit großer Geduld, dann
jedoch mit stetig wachsender Ungeduld.
Kasimir hätte schon längst da sein müs
sen, aber bald wird eS Leonhard zur
Gewißheit: der Stubennachbar hatte
ihn betrogen.
Leonhard befand sich im Ballanzug,
nur statt des Frackes trug er einen ein
fachen grauen Rock. Entschlossen warf
er den Mantel über, eilte nach dem in
einem Lichtmeer strahlenden Hause deS
Commerzienrath Breitenftein, stieg die
Marmortreppe hinauf und gelangte in
die Garderobe. Der Diener eilte herzu,
um dem v.'rfpäteten Gaft den Mantel
abzunehmen, aber dieser wehrte ab, er
wolle noch nicht ablegen, er wolle zu
nächst feinen Freund Kasimir sprechen,
den er aus dem Saale herauszurufen
bitte.
Ich darf meinen Posten nicht der
lassen," erklärte der Garderobediener,
aber ich will einen Lohndiener rufen,
der Ihren Wunsch erfüllen wird."
Er öffnete, die Saalthür, winkte
einem Lohndiener und kehrte mit diesem
zurück.
Schrumpel !" rief Leonhard über
rascht.
In der That, Schrumpel. Wichsicr
und Faktotum zahlreicher Studenten,
befand sich hier in der Stellung eineS
LohndienerS. Auch er begrüßte Leon
hard freudig, dem er weit mehr gewo
gen war, als dem Stubenkameraden
desselben, denn die beiden Studenten
hatten in Bezug auf Tringeldgeben
verschiedene Gepflogenheiten und dem
biederen Schrumpel sagte diejenige
Leonhard'S mehr zu.
Zunächst erkundigte sich der Letztere
theilnehmend nach Kasimir.
O. der amüstrt sich ausgezeichnet,"
erwiderte Schrumpel, zuerft hat er
gegessen und getrunken, was Zeug und
Leder hielt, dann wollte er nach Hause
gehen, aber da holte ihn gerade Frl.
LieZbcth zur Damenwelt, und seitdem
ist er stets hinter ihr her und macht ihr
fürchterlich den Hof."
Das fehlte noch ! Zu dem bisherigen
berechtigten Groll gegen Kasimir kommt
jetzt auch die Eifersucht. Schon seit
längerer Zeit verehrte Leonhard die
niedliche LieSbctb Breitenftein mit jener
schwärmerischen Liebe, wie sie nur ein
Student in dem ersten Semester vor
räthig hat.
Kasimir faß in einem mit Palmen
geschmückten Nebenraum deS Tanz
saaleS neben Lieschen und schwebte im
siebenten Himmel. Er hatte sich schon
so schön satt gegessen, bekanntlich die
Vorbedingung eineS sicheren männ
lichen AustretenS, er hatte einige Glä
ser Sekt getrunken, bekanntlich das pro
datefte Mittel, um in eine kühne Begei
fterung gerathen zu können, und nun
saß er neben dem Ideal auch seiner
Träume e! wäre geradezu eine Fäl
schung, behaupten zu wollen, daß er in
dieser Lage die geringsten Gewissens
bisse deS Frackes wegen gefühlt hätte.
Aber gerade im höchsten Stadium
feines WonnedufelS sollte er unliebsam
an dieses Kleidungsstück erinnert wer
den. denn gerade als er eS wagte,
LieSchenS Fingerspitzen zu drücken,
klopfte ihm Jemand auf die Schulter,
und als er sich entrüstet umblickte,
stand Schrumpel vor ihm.
WaS wollen Sie?" herrschte er ihn
mit vernichtendem Blick an.
Ich wollte Ihnen sagen." flüsterte
Schrumpel vertraulich, daß auf dem
Rücken Ihres Frackes die Naht aufge
trennt ist."
Ah, Donner Verzeihung,
gnädiges Fräulein "
Der Schaden läßt sich leicht repa
riren," flüsterte Schrumpel weiter,
wenn Sie in die Garderobe kommen
ollen "
Lieschen erleichterte ihrem Tänzer die
Situation, indem sie sich erhob und
mit freundlichem Kopfnicken der
fchmand. Kasimir aber schlich mit
Schrumpel eiligst der Garderobe zu.
In dieser befand sich kein Mensch, nur
der Garderobediener saß in einer Ecke
und schien zu schlummern.
Haftig entledigte sich Kasimir deS
Frackes, um den Schaden in Augen
schein zu nehmen; aber da geschah
etwas, was bereits den seligen König
Nebucadnezar in Schrecken versetzt
hatte, nämlich aus den Garderobestücken
heraus erschien eine lange bleiche Hand
schrieb zwar kein Menetekel an die
Wand, aber langte hastig nach den,
Frack und entreißt ihn den Händen
Kasimirs, und ehe sich dieser noch von
seinem Schreck erholt hatte, trat Leon
hard hervor, mit dem ominösen Klei
dungSstück angethan. Erbittert wandte
sich Kasimir nach Schrumpel um
denn der Frackrücken war heil und
ganz ader der Wichfter hatte sich be
reits vorsichtig gedrückt.
Nun, geh nur nach Hause, alter
Knabe," sagte Leonhard, und denke
über das Thema Ein Mann ein
Wort" nach !"
Damit schritt er in den Tanzsnal.
Kasimir aber suchte wüthend seine Gar
derobe hervor und eilte heim, unterwegs
den Schwur ablegend, sich am nächsten
Tage dei'm Schneider einen Frack zu
bestellen und wenn er ihn baar be
zahlen sollte !
Immer übel.
Die nachfolgende hübsche Anekdote
entnehmen wir der bekannten in Jäger
kreisen vielverbreiteten, gut redigirten
und reichhaltigen JagdZeitschrift St.
Hubertus". Ein alter polnischer Edel
mann, leidenschaftlicher Jäger, kommt
aus Karlsbad und erzählt folgender
maßen: Naturalnie, meine Herren.
Karlsbad helft auch nicht vor Alles, ich
werd Ihnen erzählen, wie gegangen.
War ich angekommen in Karlsbad und
ließ mir Doktor holen. Doktor, sag
ich zu ihm, mir ist Morgens immer
Übel, helfen Sie mir von das Zustand,
das ift Zweck, wenn ich hierhergekom
men. Doktor fühlt mir an Puls und
sagt : Hören Sie mal, Her von Sokol
niki. Sie trinken wohl ein bischen viel?
WaS, sag ich, trinken? Gar nicht trink
ich. So ! sagte Doktor, dann machen
Sie sich wohl wenig Bewegung? Sag
ich, Doktor, habe doch große Güter und
bin ich naturalnie den ganzen Tag
unterwegs. So! sagte Doktor, dann
haben Sie wohl viel Aerger in der
Wirthschaft? Aerger? sag ich. gar nicht
Aerger hab ich, bin ich Gott fei Dank
reicher Mann, brauch ich mich nicht zu
ärgern wie deutsches Nachbar. Na
sagte Doktor, dann erzählen Sie mal.
wie leben Sie denn den Tag über? Ich
erzähl' ihm also : Sag ich, feh'n Sie,
Doktor, um 9 Uhr ftch' ich auf, dann
trinke ich Thee mit ein und zwei
Kognak, ader von gutem, alten Potem.
dann setze ich mir auf Pferd und reit
ich in Wirthschaft oder auf Jagd mit
Windhunden. Wenn ich komme zurück,
dann nehme ich Frühstück, aber warmes.
Zu Frühstück trinke Flasche Ungar,
kommt Freund, dann zwei und drei,
wie so iS. Nach Frühstück, dann leg
ich mich auf Chaiselongue und leS ich
Zeitung Dziennik pozanSki" oder Ga
zetta TorunSka", aber nicht zu ärgern,
blos zu ZeitungZlesen". Potem.
dann gehe ich auf Hof und bcseh ich
wein Pscrd. waS ich habe Tag vorher
von Händler gelauft. Hat er mich be
luxt, dann hat er mich beluxt, aber
ärgere ich mich euch nicht. Dann
gehe ich zu Diner und trinke ich
Flasche Bourdcaux; kommt Freund,
dann zwei, auch drei, auch vier, wie so
iS, aber Freund kommt nimmer Bei
Kaffee, naturalnie, EchnäpZchen. auch
zwei, auch drei, auch vier, aber immer
von gutem, altem. Wenn haben wir
nach Diner geschlafen, dann laß ich an
spannen und sehen wir auf Vorwerk
und red' ich mit Inspektor, aber ärgere
ich mich gar nicht mit ihm. wie deutsches
Nachbar, red' ich nur mit ihm und fahre
ad. Wenn kommen wir nach HauS,
dann trinken Gläschen Grogk, auch
zwei, auch drei, aber immer von gutem,
altem Rum. Flasche zu 9 Mark, von
Jünke auS Rathökeller in Danzig.
Potem, nachher wird Karte gespielt und
Ungar getrunken, aldo wir fahren auf
Birsch! Zu Abendbrot ganz frugal,
kalte Küche. Majonaise mit Hummer,
aldo Aal, aldo LachS und kaltes
Fleisch, dazu trinken wir echtes Kulm
dacher, vor drei Mann immer Achtel
chen. Kurz vor Schlafengehen, dann
geh' ich noch in Keller und hab ich zum
Zuspitzen Flaschen von dem ganz alten
guten Ungar: manchmal bleiben wir
noch Weilchen fitzen, wie so iS, und
schlafen dann sedr gut. Sehen Sie,
Doktor, so leb' ich tagüber, ader waS
soll ich Ihnen sagen, anderes Morgen
immer Übel."
(s in Glücköpil,.
DaS N. Wiener Tagl." erzählt fol
gende Geschichte: Aller guten Dinge
sind drei." DieS mochte wohl ein Wie
ner Geschäftsmann gedacht haben, als
er vor einiger Zeit den Haupttreffer auf
ein LooS der Donau-DampffchifffahrtS
Gesellschaft einkasfirte; eS war dieS
nämlich der dritte Haupttreffer, der der
also vom Glück Verfolgte" auf diese
Loose machte. Der Mann hat in zehn
Jahren an derselben Kasse feine Ge
winnst: nach Abzug der 20prozentigen
Steuer waren eS jedesmal rund 42.000
fl einkasstrt. Als er zum ersten Male
kam. erregte er am Kassenschalter nur
vorübergehende Aufmerksamkeit, gerade
fo viel, als ein vielbeschäftigter Beamte
jemand schenken kann, der einen Haupt
treffer einstreicht und bei dieser Gelegen
heit keine der üblichen Spenden für
WohlthätigkeitSfondS, Waisenknaben
oder dergleichen macht. Nach etwa vier
Jahren so lange nämlich ließ ihn
Frau Fortuna in Ruhe kam der
Mann wieder und präsentirte wieder
daS mit dem Haupttreffer gezogene
LooS. Diesmal erinnerte sich der Kaf
sirer, daß er diesem Herrn einmal schon
den gleichen Gewinn ausbezahlt, und
in höflichster Weise ließ er die Meinung
durchblicken, daß diesmal wohl der
WohlthätigkeitSfondS etwas bekonnen
werde. Der Kaufmann erwiderte dar
auf: Nein, diesmal noch nicht. Ich
habe ja zu Haufe noch einige Dampf
fchiffloofe. Aber nächstens '."Sprach'S,
empfahl sich dem Kasstrer und zog. den
schönen Gewinn in den Taschen, fröh
lich heimwärts. Ter Kasstrer sah
dem Kaufmann, der fo auf fein Glück
vertraute, etwas verwundert nach, denn
den Mann je wieder am Kassenschalter
zu erblicken, kam ihm ja nicht in den
Sinn. Allein, ein Kassirer denkt, und
Fortuna lenkt". Der Kaufmann kam
wirklich, er erschien vor einige Zeit wie
der nun zum drillen Male, im Kassen
bureau, um sich abermals e!nm Haupt
treffer auf ein Dampffchiffloos ausbe
zahlen zu lassen. Der Kasstrer erkannte
ihn natürlich sofort und war dermaßen
verblüfft, daß er an alles Mögliche und
Unmögliche dachte, nur nicht an den
thatsächlichen Zweck deS Besuches : daß
der Kaufmann erschienen war, um schon
wieder einen Haupttreffer zu erheben l
Kurz, geschäftsmäßig wie ein Mann,
der in solchen Dingen Erfahrung hat,
wickelte der Gewinner die Sache ab. Er
präsentirte da? LooS. nahm dierauf die
Gewinnsumme, netto 42,021 Gulden,
vom Kassenpult, empfahl fich rasch und
verschwand. Der Haupttreffermann hat
gewiß noch eine weitere Anzahl von
Dampfschifflooscn, und eS scheint, daß
er sich mit der Hoffnung fchmeichelt,
noch ein viertes Mal u. f. w. der
schönen Gewohnheit, den Haupttreffer zu
machen, treu bleiben zu können; denn
auch diesmal hat er für den Wohl
thätigkeitSfondS nichts zurückgelassen.
Zerstreut.
Unter dichten Weinlaubranken
Sitzt versunken in Gedanken
Herr Professor in der Laube;
Bei ihm in der Frühftückshaube
Frau Professor, der das Schweigen
Niemals war besonders eigen.
Wie sie trinken mit Behagen,
Plaudert sie von alten Tagen,
Von Freund Rath, der sie verehrte.
Von dem Arzt, der ft: begehrte.
Vom berühmten Advokat,
Der einft um ihr Händchen bat,
Von dem Rentner, reich an Thalern,
Von dem Forstmann und zwei Malern,
Die sie alle heiß umworben
Und beinah' vor Lieb' gestorben.
Als sie so die Schaar durchlaufen
Und, um etwas auszuschnaufen,
Momentan geendet hatte,
Frug voll Neugicr sie der Gatte:
Von den Vielen, die gekommen.
Welchen hast Du nun genommen?"
Abgeholfen.
Dame : Ich gebe Bettlern niemals
etwas auf der Straße l"
Bettler : Na, ick komm ooch in Ihre
Wohnung! Wo wohnen Sie denn?"
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