Der 21Tust:nncnfi. 9ijfi'.)l:;3 to:i 3 i n MB ? p p. In der Thiergartettstrcte zu Berlin fiebt ein vornehmes HauS mit glänzen dki, Spiegelscheiben; der Vorgarten mit skimn sauberen bunten KleZmezen und seinen nach der Schnur aufgestellten Hortensien und Fuchsien zeugt von einer ptinlichm OrdnungZiieve. jeden i'for, gen lieft der Cäctner im Herdft die ob oefallenen veraildten Blatter us. in, Winter fegt er den Schnee hübsch vor sichtig zusammen, und zur wärmeren Jahreszeit giebt er den leichtsinnigen Käfern, die da entlang luftwandeln wollen, numerirte Pasftrscheine. Ja e ist sag stilvoll in der Villa! Tie Butzenscheiben im alten Gemach, d Zlmdel ouS venmani chem G!a im Vorraum, die vergoldeten Knöpfe auf dem kunstreich geschmiedeten bitter, ,m Hintergrund eine klassische weiße Figur, die aus dem Lorbeergebüsch lugt und dam die Eauigage mit den Gummi' rüdern. der Kutscher mit dem rosigen Beeffteakantlid und der i'alai mit dem steinernen Trinkgeldzeficht AlleS paßt harmonisch zu einander, und AlleS athmet kühle Ruhe, einfache Gediegen heit und selbstbewußten Modegeschmack, An aroßen ffefttaaen muß auch der Springbrunnen seine Künste zeigen. Ah! Der murmelt so hamlich und so interessant! Wenn ich ihn rieseln und plätschern höre, kehrt ost daS An denken an die Jugendzeit wieder. Ich war noch ein ganz kleiner Bursche, da ging ich zuweilen an einem Hause vor über. daS zwei Löwen hatte, die den Rachen aufrissen; zwischen ihnen rauscht der Brunnen, daS Wasser gurgelte und klatschte auf den Randstein, und ich steckte den Kopf durch die GltterftSd und lauschte. Tann überkam eZ mich wohl wie ein Traum und die große Ew samkeit deS Strandes stieg vor mir auf, wo die Wellchen klingend gegen die Uferfteine schlugen und die Mürchenge danken zu Gestalten wurden, die durch die kleine Wildniß der Haselgebüsch, huschten. Ja,' so einen Springbrun, nen kann ganz außergewöhnliche Ting, erzählen! Mir hat er auS der Geschichte dieses vornehmen HaufeS m der Thier, oartenftraße eine kleine Episode berichtet der Herr Geheimrath wird eS mir nicht verzeihen, daß ich sie auZplaudere. und die gnädige Frau wird noch um eine Idee spitzer und gelber werden; aber was geht mich im Grunde genommen daS Mißbehagen dieser Leute an? Die poetische Gerechtigkeit sagt, daß eS ihnen gut thut, wenn sie niedriger gehangt werden. ES ist sehr schlimm, ein Musterknabe zu sem; und die Herren" Eltern soll ten sich wohl bedenken, waS sie thun. wenn sie die Rinder dazu zwingen, m der Klaffe obenan zu sitzen, die besten Zeugnisse nach Haufe zu bringen und lobenSwerthe Beispiele abzugeben. Da bei wird nicht selten ein geistiger Miß muth großgepäppelt, die Seele, schon deS Kindes, wird kühl und berechnend. eine wohlanständige Heuchelei über, wuchert alle anderen Pflänzlem, und endlich kommt eS so weit, daß der Staub deS gemeinen Lebens sich auf die Em pfindungen legt, und daß dort, wo sonst die rothen und blauen Blumen lieblich duften, nichts als Schutt liegt. Der Herr Gkhkimrath waren schon als Kind von einer unnatürlichen Ruhe und kann ten dumme Streiche nur vom Hören sagen, als warnende Exempel. So ging es durch die Klaffen; als die Mut, ter starb, war er in seiner Selbftbe, zagmunz laion o weit gediegen, oa er thrünenloS an der Bahre stand. Die Gewächse in Wald und Heide konnte er klasfifiziren, ein Gedicht hatte für ihn nur BerZfüße und Reime, der Sonnen aufgang war eine Naturerscheinung, und die Zähren bestanden aus Drüsen absonderungen. Ganz anders war fein um ein Jahr jüngerer Bruder, der sich von vornherein zum entant ternble entwickelte, ein offener und ehrlicher Charakter, der sich nie dazu bequemen mochte, den gnädigen Tanten die Hand zu küsien. der die Verstellung haßte und aus seinem Herzen keine Mördergrube machte. Die beiden Brüder waren einander gleichgültig; mit den Jahren verschärf, ten sich die Gegensätze in ihren Charak, teren. Während der ältere bei nicht besonders hei vorragender Begabung alles WünfchenSwerthe durch regel mäßige und andauernde Thätigkeit er reichte, arbeitete der jüngere rückweise und in Sprüngen. Die eine Woche vernachlässigte er AlleS, um in der nächiien durch verdoppelten Eifer da? Versäumte nachzuholen; dabei steckte etwa? Geniales in ihm, ein Drang, schöpferisch thätig zu sein, der noch nicht tn daS richtige Bett gelenkt worden war. ein unentwirrteS dunkles Sehnen, besten Ziel ihm selbst noch unklar erschien Jedenfalls hct.e er ein Herz voll Luft uns L ede, voll schwärmender Begeiste rung, die der Aeltere nicht kannte, weil sie sich nun einmal nicht wie eine He ringZwaare auf lange Zeit einpökeln läßt. Der Eine suchte und hatte Alles, was sich als Conserde in der Blechdose findet, der Andere liebte eZ. srifch vom Spalier zu pflücken. Und mit sechzehn Jahren schon warmer angehende Muster mensch Herr im Hause, er tyrannisirte den schwachen Vater, der sich ganz sei. nem Einflüsse beugte, und terrorisirte die Diener. Hätte der Mustermensch sich damit ur begnügt, und hätte er den Bruder wenigster; mit wohlwollendem Auge angesehen! Allein er hatte selbst keine Jugend, er besaß wohl ein dunkle? Em psinden. daß sie ihm längst Lebewohl zugewinkt habe, doch kein Sehnen nach ihr. n.ir einen gewiss- Haß gegen die, welche sie genossen und tn dem süßen Rausche schwelgten. Er begann, nicht offen und ehrlich, sondern in langsamer, kluger Minirardeit den Vater Wider seinen jüngeren Sohn ausputzen, beide ,u entnemöen. tnnch. der tüngere ftudirte Medicin, doch fast Wider seinen Willen; er war von dem schlau derech nenden Bruder in eine Laufbahn hin, eingedrängt worden, die ihm nicht de, hogte. AIS er nach ein paar Jahren genug vom Baum der Erkenntniß ge nascht hatte, um einzusehen, daß er zum Arzt nicht tauge, trat die Katastrophe ein. Der Vater, über daS lockere Leben seines Sohne? Heinrich, das Rudolf in arellg.'r Weife ge childert hatte, tu empört, verstieß den UebclthSter; er sah nicht in daS Her, femeS Kinde?, daS nicht kannte. Zu stolz, um zu Kreuz zu kriechen und sich vor dem höhnisch au ,hn hcrabdlickenden Akustcrdruoer zu demüthigen, zer chnitt Heinrich den dün nen Faden, der ihn noch mit den Seinen verband; sein kleines mütterliches Erbe wurde ihm ausgezahlt, dann verschwand er, um als Verschollener in der Fremde zu leben. Als der Vater bald darnach starb, geschah das Unerhörte: im Tcfla mente wurde der jüngere Sohn enterbt. ES gab zwar Leute, die den Kops schüt telten und meinten, da? sei nicht mit rechten Tinaen zugegangen, und der alte Familiendiencr wußte noch etwas Anderes, er hätte von einer Aenderung deS letzten Willens erzählen können, die auf dem Sterbebette erfolgte. Aber Heinrich kam nicht wieder, um fein Recht zu behaupten oder zu verfechten. und der alte Diener, der gleich darauf Knall und Fall entlasten wurde, fand vielleicht keine Gelegenheit, mit dem Enterbten in Verbindung zu treten. Dem Juftizrath, der als Testaments, Exekutor handelte, theilte der alte Mann mit. was er wußte, doch der Mann des Gesetzes that, als ob er nichts gehört habe. So zogen die Jahre dahin, und die Sache galt für erledigt. Rudolf trat daS reiche Erbe an und wurde nach Ablegung der Prüfungen als Staats diener angestellt. B:S dahin war ihm Alles geglückt. AlleS war glatt gegangen; der vermö gende RegierungSrath nahm eine von Vielen beneidete soziale Stellung ein, die Augen der Töchter au? der höheren Beamtenwelt und dem Adel richteten sich auf ihn. und eine bedeutende Laufbahn schien ihm zu winken. ES ist indeß auch dafür gesorgt, daß die Bäume nicht m den Himmel wachsen. Ein höherer Be, amter machte eine? TageS die Ent deckung, daß der Herr RegierungSrath wohl ein gewiffenhafter schematl!er. aber durchaus nicht sonderlich begabt sei; ihm fehlten Wärme und Kraft, er war unfruchtbar und dazu noch etwa? bequem. Und als dieses herbe Urtheil an maßgebender Stelle bekannt gegeben war, blieb der Herr Rath trotz aller Connerionen und trotz feines Vermögen! sitzen, bis ihm ein Hintermann borge- zogen wurde, woraus er oann pntcm chuldigft quittnte und, zum Geheimen begnadigt, kalt gestellt wurde. Somit war, es mit feinem Streberthum vorbei; und auch in feinem LiebeSwcrben hatte er kein rechtes Glück und keinen Stern. Ein schönes, junges Fräulein besaß Charakter genug, seine Hand auZzu chlagen, es hieß, sie hätte erklärt, keine ledendige mit weißer Cravatte behaftete Mumie heirathen zu wollen. Jahre vergingen, bis er diesen Korb, dessen Stachel lange schmerzte, völlig verwun den hatte. Liebel Du lieber Gott! Davon lag nur ein bescheidene? Theil chen in seiner Natur. Er wünschte eine Frau, mit der er prunken konnte. oder die zu repräsentnen verstand; und da er das Erste nicht erreicht hatte, suchte er, bereits im vorgerückteren Alter stehend, dcs Zweite zu erringen. Dies mal ward eS ihm nicht schwer; er fand die vermögende Wittwe eineS Ritter gutSbesitzerS geneigt, fein Hauswesen ,l verwalten und ihn der Ein amkeit seines JunggesellenthumS zu entreißen. Aber die Fesseln, die golden zu sein ver- sprochen hatten, erwiesen sich bald als drückend; denn die gnädige Frau war ehr eigen, sehr scharf und spitzzüngig und machte hohe Ansprüche an daS Leben; und die beiden Töchter, die sie auS erster Ehe mitgebracht hatte, eifer ten dem Vorbilde ihrer Mutter bald nax. Die drei Grazien, die sein HauS zier, ten. lebten einträchtiglich für Mode, Gesellschaft, Theater, Concert und hoch verfeinerte Respektabilität in einer Welt deS Scheins ; und fo sehr sich der Herr Geheimrath an dieselbe gewöhnt hatte, so siel ihm doch oft, wenn er im AtlaZ fauteuil am Marmorkamm saß. daS Bild einer andern Häuslichkeit ein, in der eS mehr Ruhe und Behaglichkeit und weniger Klatsch und Kabale und Spitz' findigkeit gab. Auch waren die An prüche, die an seine Börse gestellt wurden, maßlose ; die Rechnungen für Roben waren hart, und die SouperZ. wie Theater und Concert kosteten nicht wenig. Die Emkünft. aus den Gütern reichten bei weitem nicht für daS Taschengeld der extravaganten jungen Damen auS. an denen nur die Coftüme reizend waren. Auf feine Thiergarten Villa hatte er schon eine Hypothek auf nehmen müssen, und mit mathemati cher Sicherheit sah er den Zeitpunkt voraus, da er zur zweiten schreiten mußte. Diese unliebsame Thatsache trug nicht dazu bei. die Atmosphäre in dem Hause zu einer gewülhlicheren zu machen; eS fehlte nicht an bitteren Worten, an scharfen Vorwürfen und hämischen spitzen. Der Herr Geheim rath bemerkte eineS Tage!, die Bkiüze auS den E::!crn seien ihm fl uhcr weit bedeutender geschildert worden, als sie in Wirklichkeit seien: und die Frau Rath erwiderte in bissiger Manier, sie sei deswegen nicht in die Stadt gezogen und habe sich darum nicht zum zweiten Male vermählt, um den Herrn Rath zu ernähren. Einunddreißig Jahre waren der gangen, seit die feindlichen Bniü sich getrennt hatten. EZ war an einem Spätnachmittag im Herdft. Ein feiner prickelnder Regen siel herab und j'.illte die Residenz in einen großen, naffen. grauen Schleier. Ornnz elegisch sacht sank da Wasser vom Himmel und drang in die Form eines starken Thaus m die fe.n, sten Poren und Ritzen, bi.'gen diese AlleS durchfluthende Sündfluth hzl nicht einmal der Schirm. Die großen Pferde vor den Omnibussen keuchten und schwitzten, Männer wie Frauen hatten die Hüte tief in die &t;rn gczo gen, die Tücher um die Häupter geschla gen oder die Rockkragen aufgestülpt und tappten mürrisch in die nasse Dunkel heit hinein, ohne sich viel nach rechts oder links umzublicken. Widerwillig flackerten im Thiergarten die Laternen und kämpften gegen vereinzelte Wind ftöße an. Weithin glänzte das A-phalt Pflaster, auf dem sich Menschen, Wagen und Pterde fast gespenstisch abspiegelten Um fünf Uhr war eS bereits völlig dunkel. Eine Droschke kam durch daS Branden, burger Thor und wandte sich der Thier gartenftraße zu. Ein paar Häuser vor der Villa deS Herrn GeheimrathS hielt daS Gefährt an, und ein ältttcher, ein wenig nachlässig gekleideter Mann stieg aus, sah nach der Uhr und hieß den Kutscher warten, bis er zurückkomme. Er war hoch und schlank, ging etwas vornübergebeugt und machte mit seinem langen, grauen Bart, feinem dürftigen. abgegriffenen Röcklein und feiner gerade nicht blendenden Wäsche einen ein bis chen verwilderten und einigermaßen ärmlichen Eindruck. Er trug keine Handschuhe und hatte leinen Schirm, und als er fröstelnd im Sprühregen stand und an der Klingel zog. sah er gern wie Jemand aus, der milde Gaben heischt. Dazu pßte allerdings die Droschke erster Klasse nicht; aber die hatte fünfzig Schritte vor der Villa Pofto gefaßt und konnte von dem Die ner, der das fleinere Trinkgeldgesicht trug, nicht bemerkt worden. Mit mißtrauischer Miene blinzelte der glatte Lakai den Besucher an, der sich danach erkundigte, ob der Herr Geheimrath zu Hause sei; er wollte schon hochmüthig sagen, daß hier nichts gegeben werde, aber es traf ihn ein Blick aus den Augen des vermeintlichen BettlerS, der ihn zu Vorsicht mahnte. Wen tou ich melömr sagte er in einer süffisanten Manier. .Darf ich um die arte bitten," setzte er ein diZchen höhnisch hinzu, als ob er dessen gewiß fei, daß der Besitzer einen selchen einen Luxusartikel nicht führe. Ist nicht nöthig," sagte der Fremde urz. that einen Griff in die Wegen tasche und holte einen Thaler hervor. worauf der Bediente inftinktmäßig die bekannte hohle Hand machte. Hier ist meine Karte," bemerkte der Fremde mit ernsthaftem Gesicht, IS ob er durch aus nicht beabsichtige, Scherze zu frei ben melden Sie nur, eS fei ein alter Mann draußen, der den Herrn Geheim rath kenne." via, oenn tommen ie man." er widerte der Bediente, der jetzt keine Ein Wendung mehr machte, aber bleiben sie einen Augenblick im Vorzimmer. sie tropten i von Regen." Ter Fremde entgegnete lüchts. er trat in da? Vorzimmer, das schlecht beleuchtet war. und setzte sich im Halb dunkel auf einen Stuhl, gebückt und still, aber mit einem forschenden, neu gierigen Zug um die Lippen. In sei- nen Augen leuchtete eS einen Moment auf, als ob die Situation ihn amüffre; dann, als die anstoßende Thür ein wenig geöffnet wurde, verschwand das wieder, er sank zusammen und saß regungslos da, wie eZ einem gedroche nen, alten Manne geziemt. Hier ist der Herr!" schnarrte der Lakai. Hereinkommen!" befahl der Ge heimrath, der in großer Toilette, im Frack und mit der unvermeidlichen weißen Binde, dastand. Der Fremde stand auf, humpelte etwas gebeugt in das Arbeitszimmer deS Herrn GeheimrathS und machte ein tiefes Kompliment. In der ge dämpften Beleuchtung war es schwie rieg. sein Gesicht. daS er halb seit wärtZ geneigt hielt, genau zu erkennen. Was wünschen Sie?" frug der Ge heimrath kurz, ich bin presst ct." Sie erkennen mich nicht, Herr Ge heimrath?" frug der Mann fast demü thig ; dann. a!Z der Lakai langsam die Thür geschlossen, richtete er sich ein wenig auf und sagte das eine Wort: Rudolf!" DaS traf. Der Mann mit der wei ßen Binde trat einen Schritt zurück und nestelte an der Schnur, um da? Pincenez zu finden. Ich weiß wirklich nicht" sagte er, mit wem " Ich glaub'S wohl," versetzte der '!ast ; .in einunddreißig Jahren wird man nicht jünger. Du bist auch alt geworden." Jetzt dämmerte eZ wie eine Ahnung in dem Echeimrath auf; aber eS war keine angenehme Empfindung. eS kam wie ein Schauer deZ Schrecken? über ihn. .Sollte eZ möglich sein." stra nullt er mit weit geöffneten Augen. .Du bist e?. Heinrich? Du bist zurück gekommen und nicht in den besten Umstünden, wie ich sehe " er machte eine bezeichnende Bewegung nach dem ärmlichen Anzüge hin ; kein Laut einer Empfindung kam über feine Lippen, kein Wort deS Willkommens. Er streckte nicht einmal die Hand aus. um die des einzigen Bruders zu schütteln, den er so lange Jahre nicht gesehen, der verschal len gewesen war: den er auS seinem Erbe gedrängt hatte. Heinrich blieb still und sah ihn ernst haft an. Eine merkwürdige Pause folgte. .Tu wirst jetzt in Berlin bleiben?" setzte der Geheimrath dann wieder ein. Tie Furcht zitterte auS jedem Worte, die -Verlegenheit und die Scham. Ter Bruder erwiderte nicht?; jetzt sah er wie ein Richter auf den stammeln den Mann, der feinen Welt hinab, und immer stolzer richtete .er sich auf. immer vernichtender wurden scme Blicke, immer eisiger ward .der Au druck feines Antlitzes. Ich bin verheirathct eine Wittwe mit zwei erwachsenen Töchtern" fuhr Rudolf nach einem Augenblick pem lichcn Schweigens fort, aber unsere Verhältnisse sind nicht so gar glänzend AuS dem Staatsdienst bin ich auSge, treten, und wir brauchen diel a zu viel für unsere Mittel wir können nicht auskommen " Ja daS Entsetzen um den Groschen, daS war ihm die Hauptsache. Ader trotzdem wenn ich Dir he fen kann disponire ganz über meine Kasse. Augenblicklich ist zwar tie. Ebbe " Er machte eine Bewegung, als ob er nach dem Portemonnaie greifen oder die Brieftasche hervorziehen wollte Jetzt hielt der Verschollene nicht meh an sich. Mensch!" rie er. Mensch! Wie unglücklich mußt Du fein, daß dieß Deine erste und schwerste eorge ist. ich könnte eine Anleihe bei Dir machen wollen! Aber ich will Dich und mich nicht aufhalten wozu diese qualvok len Augenblicke unnöthig zu verlängern? Sieh, Du haft mich mit dem Vater auSeinandergedracht, Du haft mir meine Jugend vergiftet und mich auS der Heimath vertrieben, auS der Hei, math, an der mein Herz mit allen fei, nen Fasern hing ! O wie lange hat es gewährt, diS in den fremden Län dern die Wunden, die Tu mir geschla gen, nur einigermaßen vernarbten, und daS Heimweh, an dem ich so lang litt, durch die Zelt gemildert ward und jetzt, oa ich nach melzr als einem Menschenalter wiederkomme, empfängst Du mich so ! Kein einzige, nicht daS kleinste herzlichste Wort nur die Angst vor der Unbequemlichkeit und die Furcht vor der Schande! Ja, Du bist treu geblieben in Deiner grauenhaften Ver, ödung und Erstarrung !" er err o,'yeimrctty stierte mit aufgeriffenen Augen wie geistesabwesend vor sich hin. DaS Beste wäre eS ge, Wesen, dachte er, dem lästigen Menschen die Thüre zu weifen, aber nun hat er dich überrumpelt und nur keinen eclat Berlin ist groß," fuhr Heinrich fort, aber für unS beide hat eS nicht Raum, Du wirft die Stadt verlassen, ohne Aufsehen zu machen, nach Verlau etlicher Monate wirft Du hier nicht mehr wohnen. Es lüftete mich, ein wenig Komödie mit Dir zu spielen, ch wollte mich doch selbst davon über zeugen, daß Tu ein Lump bist ' Der Geheimrath fuhr auf und nahm eine trotzige, herausfordernde Stellung an. Ein Lump," wiederholte der Andere leiie, aber scharf accentuirt und zischend. Ich bin nicht arm, durch, aus nicht, durch harte Arbeit ist eS mir da draußen geglückt, ich bin sehr reich Ich will nichts von Dir, gar nicht! mehr, weder Dein Weid, noch Deine erbärmliche brüderliche Gesinnung Zwar ist ein Testament in meinen Hän den, daS Dich ruiniren würde, falls ich eS aufdeckte, und die Geschichte an die große Glocke hinge. Wie eS mir zuge gangen ist, das ist mein Geheimniß. ES liegt bei meinem Notar, ein Wort, und Du n.ußt nicht nur das Geld, fon dern auch die einunddreißigjährigen Interessen herausgeben Der Geheimrath sank geknickt auf dem nahestehenden Senel ; große Schweißtropfen perlten auf seiner -tirn. Und damit überlaß ich Dich Deiner Schande und Deiner eigenen Verach tung." DaS waren feine letzten Worte; er verließ das Gemach. Als Heinrich hinaustrat, stieß er mit dem Diener zusammen, der an der Thür gehorcht hatte. So recht," murmelte er vor sich hin, der wird eS der gnädigen Frau schon rapportiren. Damit sie aber nicht im Zweifel über den Besuch ist hier." sagte er laut und wandte sich an den Lakai, hier ist noch ein Thaler, und dies ist meine Karte, die überbringen Sie augenblicklich der Frau Geheim rath." Damit verließ er das Haus. Der Regen goß in Strömen herab. Eiligst lief er auf die Droschke zu und suhr sein Hotel zurück. in Ein paar Monate darauf hatten ''.'heimrath? die Stadt verlassen; eZ hieß, sie seien auf ihre Güter gegan gen. Sie kehrten nicht wieder zurück. Ein gebrochener, kaum geduldeter und von den Seinen jämmerlich behandelter alter Maun, sitzt er apathisch, ftump ! und vernichtet in seinem einsamen Ge mache auf dem Gutshofe. Oeinnch hat eme prächtige illa im Westen erworben und führt ein behag lichcs. ftillumfriedeteS Leben, eifrig Studien hingegeben, die ihn zur Zeit fei ner Jugend schon beschäftigt und er freut hatten. Er ist ein Wohlthäter der Armen und nimmt am geistigen Leben der Hanplftadt den regsten Antheil aber den Namen eineS Muftermenschen nimmt er nicht in Anspruch und hoffent lich wird ihm auch Niemand denselben anhängen. Der Rarnerals-Türkc'. Der Referendar HanS Schneider fand eZ auf dem GeburtZtagZdiner bei feinem Onkel, dem Fabrikbesitzer Ottomar Schneider, furchtbar langweilig. Er hatte daselbst eine alte, dicke Tante zur Tischnachbarin bekommen, die ihn mit den abgestandenen Familiengeschichten anödete und dabei fortwährend zum Essen animirte. Und dieses Effen ! EZ schien von einer zehnfach verliebten Köchin herzurühren, die Alles, waS ih an kulinarischer Kunst fehlte, durch Reichlichst deZ Salzgehaltes zu ver decken gesucht hatte. Tasür waren aber die Tischzetränke nicht zu genießen Onkel Ottomar hielt in dieser Hinsicht aus Einfachheit und verköstigte die ganze Gesellschaft mit einem einzigen Roth fast, der zwischen Margaux und Kanz leitinte ungefähr die Mitte hielt, den er aber Ehauteau Lafitte Schloßab zug" nannte. Um das Unglück zu ver vollständigen, befanden sich an de Tafel noch verschiedene andere Mitglie der aller möglichen Schneider'schen Linien, die einander m Familien Toalen uvervoten. und hierin an Länge, Witzarmuth und Selbstgefällig seit da Menschenmöglichste leisteten Kurzum, eS war nicht zum Aushalten Als aber nach aufgehobener Tafel eine entfernte Cousine sich am Klavier niederzulaffen begann, um daS Jnter mezzo auS der Cavallerm Rufticana vorzutragen, beschloß der Referendar, einen Staatsstreich zu wagen. Weißt Du, Onkel." sagte er. ich habe furchtbare Kopsschmerzen und muß unbedingt ein wenig auf die Straße !" Daß Du mir aber bald wieder kommst," entgegnete der Onkel. Gewiß, gewiß," stöhnte HanS kcgneider, und fort war er. Mit icner Plötzlichkeit, mit der ge niale Gedanken den Menschen oft über kommen, war eS ihm klar geworden. oa er oen eil oes Avenos aus einem höchst flotten Maskenbälle zubringen müffe. zum Trost für die ausgestandenen Leiden. Und zehn Minuten später be, fand er sich wirklich in der Phil Harmonie", jenem prachtvollen Etab, lissement, das den Hauptstädtern nicht nur die erlesensten Symphome-Conzerte, sondern auch die famosesten Redouten bietet und so daS Niki'fche Element mit dem Neckischen vereinigt. Mit dem Blick deS Sachkenners musterte der Referendar die Weiblichkeit, fest ent azionen, in aioe mir irgend einer Fee zu pokulieren. welche das Andenken an eine fürchterliche Tischnachbarin, die dicke SeiteN'Tante von vorhin, gründ lich in seiner Seele ausrotten sollte. Eine holde Spanierin lächelte ihm verheißungsvoll zu. Er näherte sich ihr und sprach sie an, allein schon nach den ersten Worten bemerkte er, daß in der exotischen Hülle einer Fabrikmamsell aus der verlängerten Ackerftraße steckte. und nach einigen verbindlichen Worten ließ er sie stehen. Aehnliche Ent- täufchungen erlebte er bei verschiedenen Repräsentantinnen anderer Völkerschaf ten. bis er endlich an einer wunderbaren Türkin hängen blieb. Holde Odaliske." flötete der Re- erendar. würde eS wohl Ihren Inten tionen entsprechen, mit mir eine Flasche Heidsieck auf ihr spezielles Wohl zu lee ren?" Warum nicht? allein nur unter einer Bedingung." Und die wäre?" Daß Sie Ihren abscheulichen Frack mit einem Kostüm vertauschen. Nennen Sie eS Caprice oder was Sie wollen, jed nfalls habe ich mir. borge nommen. heute meine Gesellschaft nur einem LandZmann zu widmen. Ich bin Türkin, seien Sie also Türke !" Ich füge mich Ihrer Bedingung unter einer Gegenbedingung, daß Sie auf mich warten, bis ich ein solches Kostüm aufgetrieben habe." Seien Sie unbesorgt; ,ch werde Lokal nicht vor Schluß des BalleZ echte SultarZkostüm, das ihm oben diein wie angegossen faß. Er sah bild schön darin aus. Während der ganzen Expedition hatte er seinen Durst wacker niedergekämpft, einen wahren Höllendrand. der sich auS dem versalzenen GedurtStagdiner ent wickelt hatte. Jetzt aber mußte unde dingt eine .gehörige Quantität Flüssig keit aufgegossen werden. .Kutscher, fahren Sie hinüber nach dem ZNeiN'Einzang deS RathhauZlellerS und warten Sie dort auf mich." Eine leere Nische nahm ihn auf. Der Kellner machte zwar ein sehr ver dutztcS Gesicht, als er den Türken er blickte, wurde aber sofort sehr freund lich. als der Fremde RüdeSheimer AuS lese bestellte. .Die Odaliske wartet ja auf mich", dachte der Referendar, Mäh rend er sich mit der zweiten beschäftigte, und bei der dritten dachte er gar nicht mehr. Nach einer Weile sagte der Kellner: .ES ist schon recht spät. Sie müffen nach Hause gehen, Herr Türke." .Gut, daß Sie mich daran erinnern," entgegnete der Referendar, wie viel macht das?" .Bezahlt haben Sie ja schon." Ja, ja, bezahlt hab' ich schon; wo ist denn der AuSgang?" Hier die Treppe hinauf." Die Treppe nah in gar kein Ende. Und plötzlich wurden Flügelthüren vor ihm aufgerissen, und er befand sich im großen RathhauSsaal. dem berühmten Congrcßbild von Anton v. Werner gegenüber. Aber nicht wie sonst. lebloS auf die Leinwand gebannt, erschienen die Figuren, sondern leibhaftig saßen sie um den Congreßtisch, wie damals, als sie im ReichskanzlerPalaiS über die Geschicke der Türkei berathschlagten. Na. da ist ja der Eroßtürke in höchsteigener Person!" vicf Graf An drassy, nun werden wir mit unseren Debatten schneller zum Ziele kommen." Seien Sie mir willkommen, Ma jestüt!" mit diesen Worten ging Fürst Bismarck auf den Ankömmling lo?. es ist unS eine hohe Ehre, daß sie sich persönlich zu unS bemühen; wir find gerade dabei, über Ihr Wohl und Wehe Entscheidungen von großer Wichtigkeit zu treffen." Ader ich bin a gar nicht der Sul tan," stammelte der Referendar, daß ich zufällig so aussehe, erklärt sich da durch, daß ich " Lord BeaconSfield, der englische Te legirte, unterbrach ihn: ES ist im höchsten Maße erfreulich, daß Eure tür kische Majestät sich in fo guter Laune befindet. DaS wird unsere Verhand lungen ungemein erleichtern. Wollen Sie gefälligst Platz nehmen?" Mecha nisch gehorchte er. Hieraus nahm Fürst Gortfchakoff das Wort: Um die orientalischen Wirren ein für alle Mal zu beenden, schlage ich hiermit formell vor, die Türkei einfach zu theilen." Fürst BiZmarck erklärte, die en An trag sofort zur Abstimmung bringen zu wollen; wer dafür ist, erhebe die rechte Hand! DaS ist die Ma orität! Tie Türkei wird getheilt!" Und zwar auf der Stelle!" ergänzte Gortfchakoff; je des Land wird durch feinen Herrscher repräsentirt, wir haben den Padischah hier theilen wir ihn!" Der Pseudo-Türke suchte zu entfliehen. Aber die Repräsentanten der Groß mächte waren flinker, als er, sie ergrif en ihn bei Armen und Beinen und wa ren eben im Begriff, ihn in Stücke zu reißen Zu Hül e, zu Hül e!" chrie der Re ferendar. - Na endlich! sagte der Kellner deS RathhauSkellerS; seit einer Stunde chüttele ich Sie an Armen und Beinen. aber Sie wollten nicht aufmachen!" Ist denn Bismarck noch da?" mur melte HanS, noch immer schlaftrunken. Nein, BiZmarck ist längst fort," ent gegnete der Kellner, und Sie sollten auch machen, daß Sie fortkommen, eS ft schon furchtbar spät!" Draußen wartete der Wagen noch immer. Nun aber nx nach der Phil Harmonie!" befahl der Referendar. AIS er an dem BallEtablissement auSftieg, bemerkte er ein Paar, daS sich eben zum Heimweg anschickte; er er kannte am Arm eineS großen gepelzten Herrn feine schöne Odaliske. Und kaum hatte HanS Schneider feine große Nachtfahrt auf Zeit bezahlt, als jenes .aar in den nämlichen Wagen stieg und davon fuhr. da verlassen !" In einem Wagen erster Klasse auf .seit suiir vans coneioet von einem Mas!enGaroerobcgeichüft zum ande, ren. Er fand sie zwar, dem Usus in Karnevalszeit entsprechend, alle geöffnet. aber ein echteS Türkenkoftüm vermochte nicht aufzutreiden. lleberall zeigte man m tiroler', vyine en", Stierkämpfer", Thierverkleidungen aller Art, nur keinen Türken. Kutscher, wiffcn -ie nicht noch so ein Geschäft?" Jawohl, ich woaß oanS in der Bahnhofftraße, da giebt es Alles!" ..Also rasch dahin !" Und hier fand er daS Gesuchte : ein Jrcinde. Ae wahrer Freind in'n Löwen DaS iS ä Edelfchdeen. Glick. wenn sich zwee Mändfchen Von'n Härzen ganz verfchdehn. Tä guden Aexämmblahre Sinn freilich dinn gcfä'd. Das märkd wohl där und jener. Doch merfchdenS, Wenn'S zu fchdäd. Wär Gäld hadd. griegd Sie Freinde In Hill' und Jewerfluß. E? gchd ooch wundcrfcheene. Sa lang' fä han'n Genuß". Doch iZ eS blädzlich alle" Wenn Mangel gommd und Nodh, Da gibdd mer'n frieher'n Gäwer Nich gärne drockneS Brod. Doch oft hadd dreie Freinde, Wär Gäld nich' biedcn gann: Noch seinen Jonadhan. Ooch heite find't ä David. vruckfelzlcr. Der Herr trat wüthend an den Schal ter und verlangte ein Rind(Rund)reise dillct ausgestellt.