Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 24, 1898, Image 9

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Jahrgang lt.
Beilage zum Nebraöka Ztaatö.'lnzcigcr.
No. 4.
Das iBclyirnnuj ivii PunrilL'.
Nach dc r.ii'u iiv-ü.v" .-rtJ -'jc.:r.fa::
nitn. i'oit , v 3 5 f
In dem Etlichen Tunöillt im füd.
lichen England herrschte große Aas.
regung. In einer Zeit von drei Mo
naten wurden dort mehrere Morde aus
gchlimnißvolle Weise verübt, ohne das?
ti gelungen wäre, jemandem auf die
Spur zu kommen.
Liese Morde gtstahen jedesmal, wie
gerichtlich festgestellt wurde, mittels
eine? scharfen MefserZ oder eineZ Dol
che?, aber daZ Sonderbarste dabei war.
datz kein einzige? von den Opfern be
raubt wurde. Auch dcr Zhatort war
jedesmal ein anderer.
Ter elfte Mord wurde in einem
Schlafzimmer verübt, dcr zweite auf
einer Brücke, der dritte in einem der
ersten Gasthäuser deZ Städtchens, der
vierte endlich im Stadtpark. Weder
Polizei noch GerichtZkommisston wußten
hier Rath. Man wendete sich darum
nach London mit dem Ersuchen. eZ möge
ein erfahrener Geheimpolizist nach Tun
ville entsendet werden.
Ter Borstand der Abtheilung .Ge
heimpolizci" hatte für diese schwierige
Aufgabe mich gewählt. Ich war da
mal? jung, erst eine kurze Zeit im Amt
und dürstete nach Thaten, um mich
auZzuzeichnen. Mit allem Nöthigen
bekannt gemacht und mit einem Au?
weis versehen, reifte ich also nach Dun
ville.. Hier wurde mein Erscheinen
streng geheimgehalten. In einem
Gasthaus nahm ich als .Zahnarzt'
Wohnung. eineStheilS deZhald, weil ich
in dieser Kunst bewandert war, anderer
seit? hoffte ich als solcher mit den unter
schiedlichften Menschenklafsen am leichte
ften bekannt zu werden. Und wirklich
hatten sich bald mehrere Patienten ge
meldet, denen ich entweder Zähne ouS
zag oder plombirte.
Bei dieser Gelegenheit brachte ich nun
die geheimnißvollen Morde zur Sprache,
aber keiner der Patienten konnte mir
darüber auch nur das Geringste mit
theilen. Meine sonstigen Nachforschun
gen waren ebenfalls umsonst.
Mitten in einer Nacht wurde ich durch
ein heftiges Pochen an meiner Zimmer
thür aus dem Schlaf geweckt.
.Wer da?" rief ich.
.Stehen Sie auf. Herr, aber nur
schnell!" rief eine Stimme draußen.
.Richter Dikson möchte Sie gern spre
chen."
ES war die Stimme des Wirths.
Haftig kleidete ich mich an und eilte
hinaus.
Herr Dikson sah ganz verstört auS.
O, welch' schreckliche Dinge gehen
da bei uns vor I" rief er aus.
.Was ist geschehen?" fragte ich.
.Kommen Sie !"
Er führte mich in daS anstoßende
Zimmer, wo ich auf dem Divan einen
Mann mit Blut befleckt liegen sah, wel
cher schwer stöhnte und ächzte.
Bei unserem Eintreten wollte sich
'dieser schnell erheben, und die zwei
Wärter, welche ihn an Händen und
Füßen festhielten, mußten sich zusam
mennehmen, um ihn daran zu verhüt
dern.
.Hilfe, Hilfe !" rief der Verwundete
verzweifelt, schon wiederum naht daS
Gespenst heran gerade auS dem
Monde der o, o ! es wirft sich mit
dem Messer in der Hand auf mich
Hilfe. Hilfe ! -"
.DaS ist schrecklich ! So schreit er
jeden Augenblick !" flüsterte der Richter.
.Wer ist daS?" fragte ich.
.ES ist mein Diener. Ich habe ihn
in die Apotheke nach einer Arznei für
mein Kind geschickt, welche? plötzlich er
krankte. Nach einigen Minuten ist er
in diesem Zustand zurückgekehrt. WaS
halten Sie davon, um Himmelswil
len?"
.Gewiß, hat ihn die Person deS An
greiferS durch ihr Aussehen erschreckt.
Zum Glück ist er nicht getödtet. und so
dürfte eS uns wohl gelingen.' mit Hilfe
dieses armen Teufels dem Mörder auf
die Spur zu kommen."
Man holte den Arzt. Dieser er
schien und untersuchte den Verwunde
ten nur ganz oberflächlich :
.Ein Schlag in'S Genick zum
Glück glitt der Stoß an der Krawatte
ab eS ist nicht so schlimm bringen
Sie Wasser!"
Der Verwundete beruhigte sich, wurde
gewaschen und verbunden.
Wann, glauben Sie. daß der Ver
mundete vernommen werden kann?"
fragte ich den Arzt.
.Etwa übermorgen, vorausgesetzt,
daß unter dem ausgestandenen Schrecken
nicht fein Verstand dauernd zu leiden
haben wird."
.Schade, daß ich gerade in diesem
Augenblick nichts erfahren kann. Ich
bitte Sie. Herr Dikson." fragte ich.
.wo führt der Weg in die Apotheke?"
Der Richter deutete mir die Richtung
an. ich nahm meinen Revolver zu mir
und machte mich auf den Weg.
Die Nacht war schön. Vollmond, so
daß ich alles, was sich nicht in dem
Schatten der Häuser befand, ganz deut
lich wahrnehmen und beobachten konnte.
Mit größter Vorficht spähte ich jeden
Winkel in der Gaffe durch und horchte
auf jedes Geräusch. Ich traf niemand.
Endlich erblickte ich die Apotheke und ihr
Schild mit dem goldenen Lamm",
welches im hellen Mondlicht weithin
glänzte. So weit konnte der Unglück
liche kaum gekommen fein er mußte
früher angefallen und dabei verwundet
worden fein.
Ich drehte mich um. kehrte langsam
zurück und erreichte ein enge? Gaßchm.
.Hier", dachte ich, .konnte der Mör
der aufgelauert haben ha. was ist
daS?" hastig sprang ich zur Seite und
zog auch meinen Revolver auS der
Tasche. Und was sah ich? ES war eine
weiße Gestalt, welche sich auS einem
Fenster dcS ersten Stockwerks des Hau
seS, welche? unmittelbar in daS Eüß
chen führte, hnauSneigte.
AthemloS stand ich da und wartete,
WaS die Gestalt jetzt beginnen würde.
Ich stellte mich jetzt ganz in den
Schatten der Bäume zurück, welche sich
doppelreihig bis zu dem Güßchen hin
zogen. Die Gestalt sah lange nach
allen Seiten herum und verschwand
endlich in dem Gemach.
So stand ich da mit dem Revolver in
der Hand und wartete, bis die Gestalt
abermals zum Borschein käme doch
umsonst, mein Warten war vergeblich,
und so kehrte ich denn ohne Ergebniß
abermals in mein Gasthaus zurück.
Die wildesten Träume beunruhigten
in dieser Nacht meinen Schlaf, und
schon am frühesten Morgen stand ich
auf und begab mich zu dem Richter, um
ihm meine Erlebnisse von gestern mit
zutheilen.
.In welchem Hause haben Sie diese
Gestalt gesehen?" fragte Dikson.
Von der Apotheke links."
.Dann hat Sie Ihre Phantasie ge
täuscht, denn besagtes Hau? ist zu dieser
Zeit nicht bewohnt."
.Ich bin kaltblütig genug," wendete
ich ein. um mich nicht von mir selbst
täuschen zu lassen, und eS ist darum
nicht ausgeschlossen, daß gerade dieser
Umstand einen Verbrecher dazu vermocht
hat, daS leere HauS zu seinem Versteck
zu wühlen."
Auf mein Verlangen wurden mir
sechs Wachtleute zur Verfügung gestellt,
welche mich zu diesem geheimnißvollen
Hause begleiteten.
ES war ein schönes HauS mit ge
rüumigem Hof und einem Garten,
dessen Mauerumfriedung lüngS der
Gaffe sich hinzog. Der Eigenthümer
deS Hauses, ein reicher, alter Jung
geselle befand sich mit seinem Diener
auf Reifen. DaS Hausthor war ge
sperrt und ich mußte daffelbe von einem
Schloffer öffnen laffen.
Jetzt trat ich in die Einfahrt; alles
still wie in einem Grab. Die Thüren
rechts und links, auch jene, welche in
den Hof hinausführten, waren alle ge
schloffen. Hier konnte niemand ein
dringen: ich war wiederum zu Ende
mit meinem Scharfsinn.
Doch nein. Plötzlich entdeckte ich
Kothspuren auf der Erde, welche noch
feucht waren. Wer ist wohl diese Per
son. welche hier war, und wie kam sie
hinaus?
Ein Wachtmann machte mich jetzt auf
eine Holzwand unter der Treppe auf
merksam. In düser Wand zeigte sich
eine kleine Thüre, welche wir vorher
nicht bemerkt hatten.
Dieselbe ließ sich ganz leicht öffnen,
und wir gelangten durch sie in einen
Keller. Mit Revolvern in den Händen
drangen wir nun vorwärts.
Aber auch hier war niemand zu sin
den. Dafür entdeckten wir. daß man
durch die Kellerfenfter ganz leicht in den
Hofraum gelangen konnte.
Zwei von den Wachleuten ließ er in
derEinfahrt zurück, zwei andere in dem
Hofe und mit den übrigen fügte ich mich
in die oberen Stockwerke hinauf.
Hier war alles gut verschlossen, nur
auf den Gängen' hatten wir abermals
die frischen Fußtritte eines Menschen
erkannt. Diese führten zu dem Fenster
eineS Gemachs und von da wiederum
zurück. Wa steckt also dieses geheim
nißvolle Wesen?
Wir wanderten zurück in den Keller,
von da in den Hof hinaus und in den
Garten, welcher auf das sorgfältigste
gepflegt. RechtS in der Gartenmauer
fanden wir eine Thür, welche in daS
Güßchen hinausführte. Ich drückte an
der Klinke, die Thür ging auf und wir
gelangten in'S Freie.
Gerade in diesem Augenblick schritt
ein großer, starker Mann an unS vor
über. Ich fuhr zusammen. Aus sei
nem aschgrauen Gesicht glänzten zwei
eisige Augen auf mich ; sie waren bei
nahe unbeweglich, wie die Augen einer
Leiche.
.Wer ist dieser Mensch?" fragte ich
meinen Begleiter.
Ein armer Dufcl, Herr. der heißt
Patrik und beschäftigt sich mit der
Gärtnerei. Ader mit seinem Kopf soll
eS nicht ganz richtig bestellt sein."
Um Himmelswillen I" schoß es mir
wie ein Blitz durch den Kopf, daS ist
ja die Gestalt, welche ich gestern in dem
Fenster dieses HauseS sah. WaS hat
ihn wohl daher geführt? Woher dieses
gespenstige Antlitz und dieser todte
Blick? War er mondsüchtig? Und konnte
er eS nicht sein, welcher diesen Mord
anfall auSgesührt?
Ich fragte nun einige Neugierige
nach ihm aus, welche sich inzwischen um
unS ansammelten. Sie sagten, daß
Patrik den Garten pflege und jetzt wüh
rend der Abwesenheit deZ Eigenthümer;
den Gatteir täglich besuche und den
Schlüffel zu dieser Thür bei sich habe.
Schnell kehlte ich auf daZ Polizeiamt
zurück und meldete meine gemachte Ent
beckung. Von da begaben wir unS in
die Wohnung PatrikS. welche hinter
dem Städtchen lag. Patrik war nicht
zu Haufe, aber die Thür feiner Woh
nung stand vnen. Wir durchsuchten
alle seine Sachen und fanden darauf in
einer Kiste einen Dolch versteckt, an
welchem noch ganz deutliche Blutspuren
sichtbar waren.
In diesem Augenblick kehrte auch der
Gärtner Patrikj zurück. Er sah uns
ganz stumpfsinnig an und zeigte auch
keine Bewegung, als wir ihm den Dolch
zeigten. Es schien, als wäre er sich sei
ner Handlungen gar nicht bewußt.
Wir forderten ihn auf. unS zu fol
gen, er ließ sich ganz ruhig in daS Ge
fängniß abführen.
DaZ mit ihm eingeleitete Verhör war
ohne Erfolg geblieben. Stumpfsinnig
starrte er den Richter an und gab keine
Antwort.
Mit Ungeduld warteten wir nun auf
die Vernehmung des verwundeten Die
ners. Aber auch dieser gab keine
zufriedenstellende Auskunft und erzählte
nur. er fei ruhig seines Weges gegan
gen, als plötzlich eine Riesengestalt
auS dem Güßchen auf ihn stürzte
und ihm einen starken Hieb in daS
Genick versetzte. Unwillkürlich habe er
die Flucht ergriffen und sich auf diese
Weise gerettet, Mehr wiffe er nicht.
Der Gärtner Patrik wurde nicht vor
daS Schwurgericht gestellt, fondern nach
vorausgegangener ärztlicher Unter
suchung in die Irrenanstalt abgeführt,
wo er nun sorgfältig beobachtet wurde.
Und wirklich stellte sich bei ihm in der
ersten Nacht deS Vollmondes eine fürch
terliche Tobsucht ein. Er stürzte sich auf
seine Wörter und wollte diese erwürgen.
Jetzt war kein Zweifel mehr, daß nur
er allein der Ui heder dieser geheimniß
vollen Morde war. In der Irrenanstalt
verblieb er bis zu feinem Tode.
Unser elmiit.
Von Zh. ZoellerLionheart.
Gratulire. Herr Hauptmann, ein
Junge!" Mit diesen Worten begrüßte
die Dame, die seit ein paar Stunden
das Regiment in unserem Hause führte,
meinen Vater, als er von dem Dienst
heimkehrte.
Nach dem strahlenden Aussehen mei
neS Vater? zu urtheilen, mußte die Ge
burt eines Jungen allerdings ein Ereig
niß von weltbewegender Bedeutung
fein; denn bei der meiner beiden Schwe
ftern ich bin die älteste sah er wem
ger beglückt auS. und die Mama bat
ihm beinahe demüthig die wiederholte
Enttäuschung ab. Die Dienstboten
schlichen auf den Fußspitzen umher,
denn mit dem Gestrengen war damals
nicht gut Kirschen effen, so übellaunig
schrie er jeden an.
Dieses Mal brachte der Klapperftorch
eitel Sonnenschein und Freude in unser
HauS. So ein Junge muß doch ein
ganz besonders werthvoller Mensch sein,
Überlegte lch mit meinem sechsjährigen
Verstände und bekam Riesenrespekt vor
dieser wichtigen Persönlichkeit, um die
sich jetzt alles bei uns drehte und die
mir eine fo große Tüte mitgebracht
hatte.
Die Taufe gestaltete sich zu einem
glänzenden Triumphfeste. .ES ist ja
ein Junge!" hatte mein Vater in mei
nem Beisein zu meiner Großmutter
gesagt, als liege in dem bloßen Faktum
schon eine genügende Erklärung. Von
seinem Standpunkte mochte er ja auch
ganz recht haben. Nur, daß die Groß
mama diese Erklärung als vollgültig
ansah, ohne ihr eigen Geschlecht dadurch
herabgesetzt zu sehen, wollte mir, als ich
älter wurde, nicht recht verständlich er
scheinen.
.Schade, daß die Lotte das bin ich
kein Junge geworden. Verstand hätte
sie dazu." bemerkte einmal mein Vater.
Ich zerbrach mir den Kopf darüber,
weshalb bei einem Frauenzimmer"
mein Vater betonte das Wort stets so
mißachtend, als wäre eS schon ein Ver
gehen, als solches auf die Welt gekom
men zu fein dasjenige für vorwitzig
und unangemeffen gälte, was bei einem
Maskulinum zur Zierde gereicht. Mein
rascher Verstand, meine schnelle Gedan
kenüußerung wurden immerfort geta
dclt, während man meine? Bruders
vorlautes Wesen später als frühreife
Befähigung anstaunte und offen be
wunderte.
Bei der schmalen Zulage und dem
bloßen Hauptmannsgehalt war eS ein
Kunststück, mit vier Kindern ftandeSge
müß auszukommen. Die Krone der
Schöpfung, unser kleiner Helmut, hat
indeß unter den knappen Verhältniffcn
nie zu leiden gehabt. Alle Einschrün
kungen trafen unS: ES sind ja nur die
Mädchen. Mädchen find dedürfnißloZ",
hörte ich öfters Mama sagen.
AlZ unser Helmut er war nach
Papa und Großpapa getauft worden,
nach Quinta im Laufe der Jahre kam,
sprach er von unS nur achselzuckend als
von den .dummen Mädchen". (Zrnos
lieblich dargebotene Puppe wieS er als
Baby schon höhnisch mit den Worten
zurück: Schickt sich nicht für Jungen",
und als er mit vielen Nachhilfestunden
und vielem Anfeuern von meiner Seite
es glücklich bis zur Tertia gebracht,
blickte er von der Erhabenheit seiner
Gymnasialbildung mit unverhohlener
Verachtung auf unser Müdchenwiffen
herab.
Ohne Sang und Klang waren die
Schwestern und ich seiner Zeit einge
segnet worden. AIS dieser große Tag
für unsern Helmut in der Kadetten
anstatt herankam, bildete er wieder eine
wichtige Epoche in unserem Familien
leben.
Auch nach einer anderen Seite hin
sollte dieser Tag zu einem Abschnitt in
meinem anspruchslosen Dasein werden.
Ich lernte in Helmut'S Vorgesetzten,
der mein Tischführer war, den Mann
kennen, dem ich jubelnd mein Leben an
vtraut hätte. Nach wenigen Wochen
that er die bedeutungsvolle Frage. Aber
er war arm von Haufe aus und mußte
auf die vorgeschriebene HeirathSzulage
rechnen.
Mit vertrauender Liebe wandte ich
mich an Großmama. Ja, mein Seel
chen, natürlich würde ich sie euch geben,
wenn nicht der Junge wäre. Deine
Eltern rechnen von meiner Seite auf die
Zulage, die sie nicht bestreiken könnten,
da Helmut in ein Reiterregiment will.
Ich spare dafür seit den letzten Jahren
schon, mein liebes Kind."
Da riß mir zum eisten Mal der Ge
duldsfaden. WaS all die gefärbten,
oft gewendeten Kleidchen, das Verzich
ten auf jeden Jugendgenuß nicht ver
möcht, die Liebe brachte eS zum Vor
schein, daS Rebelliren gegen daS Fimi
lienidol. Der Junge und immer der
Junge", rief ich bitter aus, haben wir
Mädchen denn gar keine DaseinSberech
tigung?" Die alte Großmama sah mich mit
großen, erschrockenen Augen an. Mein
Auflehnen hatte sie ersichtlich schwankend
und irre gemacht.
Helmut könnte allerdings auch in
ein billigeres Regiment na, sprich
mit deinen Eltern," stotterte sie un
entschlossen, .ich bin mit allem einver
standen."
Ich faßte mir ein Herz, Ich kämpfte
zäh, wild, leidenschaftlich um mein
Glück. Doch vergeblich. Man der
wieS mir meinen verwerflichen EgoiS
mus, zeigte mir klar, daß ich vor
meinen anderen Schwestern nicht bevor
zugt werden dürfe, daß dazu nur einer
Ansprüche habe : unser Helmut, der der
Familie einen neuen Glanz und neue
Ehre hinzuzufügen bestimmt sei.
Paul und ich nahmen also Abschied.
Welch einen traurigen Abschied! Er
stammelte etwas von Geduld haben.
Wenn Hauptmann erster Klasse fei
Ich habe Geduld gehabt o, wie
viele! Papa hat längst den Abschied
als Major. In Erna hat sich zum
Glück ein reicher Gutsbesitzer verliebt.
Marie heirathete gegen den Wunsch der
Eltern einen Wittmer, einen reich ge
wordenen Bäckermeister, der sich zur
Ruhe gesetzt hatte. WaS wird unser
Helmut zu dem Schwager sagen?"
waren MamaS ängstliche Bedenken.
Aber Marie war sehr selbständig.
Sie antwortete trocken : DaZ ist mir
gleichgiitigl Ich habe jetzt eine gute
Versorgung und eine gesicherte Zu
kunft."
Ob sie recht hatte? ES ist ein etwa?
hausbackenes Glück geworden, indeß
fühlt sich Marie zufrieden dabei und
überhört Helmut'S Seitenhiebe über die
Säbelbeine des früheren Bäckers.
Ich arbeite viel für Stickereigeschäfte
und Porzellanmanufakturen und ver
diene ein ganz nettes Geld für die hüb
schen SSchelchen, die ich Abends heim
lich abliefere. Freilich habe ich selbst
nur wenig von dem Erlös. Er man
dert zu Papas besonderer Pflege fast
ganz in die gemeinschaftliche Wirth
schaftskasse. Papa thut, als merke er
nichts davon, und Mama wird roth
und streichelt mir stumm über den
Scheitel.
Unser Helmuth braucht schrecklich viel
Geld, und er hat fast immer Schulden.
Die arme Großmama hat seufzmd
schon zweimal vom Capital hergeben
müffen. Aber nun hat alle. Noth ein
Ende, all die schweren Opfer für Hel
mut sind doch nicht umsonst gebracht :
seit ein paar Tagen ist er mit einer
steinreichen Amerikanerin verlobt, und
nächste Woche wird er sie unS vorstellen !
Hei. wie daS unser kleines HauS in
Aufruhr bringt! Unser Helmut wird
kommen! Ich bin todtmüde von all
dem Scheuern. Gardinenausstccken,
Laufen treppauf, treppab. Nun sitze
ich unter dem schwülduftenden Linden
bäum und halte Mittagsruhe.
Welch glänzende Uniform verirrt sich
da zu unZ? In Gala, mit Helm und
Epauletten. Mir kommt die hohe Ge
ftalt, vom Rücken gesehen, so bekannt
vor Hilf Himmel! Er, mein Paul!
Paul Grädnitz! Und ich in meinem
Arbeitskittel mit dem zerzausten Haar !
Aber eZ giebt kein Entrinnen mehr, die
alte Dörtde führt ihn gerade auf
mich zu.
Wie mein Herz klopft! Die Linde
duftet, die Vögel jubiliren. Mir stocken
die Pulse in süßem Schreck. Wie statt
lich er geworden ist, münulich straff und
blühend schön, in den besten Jahren !
Und ich? Seh' ich'S an feinem er
fchrockenen Blick und der verlegenen
Röthe nicht, da er nun vor mir steht
und meine beiden Hände hält? Höre
ich'S dem erkälteten Ton seiner Stimme
nicht an. was aus mir geworden, wie
enttäuscht er ist? Eine verblühte,
alte Jungfer.
Ader Grädnitz ist ein Ehrenmann.
Er fühlt sich gebunden. Er löst zögernd
und stockend sein Wort ein. Ich fühle,
welche Mühe eS ihm kostet, und Gnaden
gaben kann ich nicht annehmen.
Wie er erleichtert aufathmet, als ich
bewegt ablehne weil ich meine alten
Eltern nicht verlassen kann, weil
weil ich doch eingesehen, daß daS Ju
gendgefühl eine Täuschung sei und waS
der Dinge mehr sind, die ich mit fliegen
dem Athem herzähle, um ihn zu täu
schen. Er hört auS allem nur das
Nein, das befreiende, und küßt bewegt
und in dankbarer Ehrerbietung zum
Abschied meine Hände. Dankbar für
mein Nein !
Und nun sitze ich allein unter der
Linde. Entgöttert ist der Himmel, der
Jubelsang ist Klage, der umstrickende
Duft thut meinen Nerven weh
Da ein Schrei. Ein gellender Weh
schrei im Hause. Großer Gott, was
ist geschehen? Mein kleines Leid ist ver
geffen. Ich stürze ins HauS. Mein
Bater liegt da im Seffel wie gebro
chen ; feine Stirn ist vornüber gesunken
auf die gefalteten Hände. Die Mutter
liegt auf den Knien neben ihm, wim
mernd, stöhnend.
Ich nehme da? Telegramm vom
Boden, das die beiden Alten zu Boden
geschmettert, und lese: .Mein lieber,
alter Kamerad ! Leider eine Unglücks
botschaft. die ich Ihnen zu melden habe.
Ihr Sohn, mein Adjutant, liegt schwer
verwundet infolge eines Duells. Strei
tigkeit wegen eines MüdchenS auf einem
Maskenball. Sein Gegner war ein
RegierungSaffessor von Plönitz. Leider
nur wenig Hoffnung auf Erhaltung
feines Lebens. In tiefer Theilnahme
Ihr von Dallberg."
Ein dumpfer Laut ringt sich von den
Lippen meines VaterS: Todt, todt,
mein Stolz, meine Freude, elend zu
Grunde gerichtet, mein Helmut, mein
armer, armer Junge !'
Mühsam erhebt sich die Mutter in
meinen Armen. Ihr wirrer Blick rich
tet sich hilfesuchend auf mich und wie
geistesabwesend gleitet'S mechanisch über
ihre Lippen: .Mein gutes, gutes Kind!
Du haft unS nie im Leben einen Schmerz
bereitet."
DaS unbewußte Lobeslied der Mut
ter hat mich mit meinem verfehlten
Leben ausgesöhnt.
Gräfin v. Schimmelmann.
Eine absonderliche aber segensreiche
Mission hat Gräfin V. Schimmelmann
übernommen. In den Häfen der deut
schen Ostseeküfte wurde vergangenen
Sommer oft eine Schooneryacht unter
dänischer Flagge segelnd bemerkt. ES
war dieS die .Duen" (auf Deutsch
.Taube") der Gräfin v. Schimmel
mann. In Swinemünde, Stettin,
Ahlbeck und Stralsund, und wo sonst
noch die Duen" ankerte, hielt die Grä
fin Versammlungen ab, in denen sie
über Zweck und Ziel ihres Unternch.
mens sprach. Die Gräfin, eine Dame
von sehr sympathischem Aeußern und
vornehmer Erscheinung, entstammt dem
bekannten Geschlecht, daS in Deutsch
land und Dänemark ansässig ist. Sie
verlebte ihre Jugend theils in Holstein,
theils in Dänemark auf den Gütern
ihrer Eltern; sie kam dann an den
deutschen Kaiserhof und war längere
Zeit Hofdame beider Kaiserin Augusta.
Von Hause auS vertraut mit dem arm
seligen, entbehrungsreichen Leben der
Fischereibevölkerung, hat sie einen Theil
ihre? Vermögens geopfert und in
richtungen getroffen, die den Fischern
ausschließlich zu Gute kommen. Vor
mehreren Jahren errichtete sie in Göhren
auf der Insel Rügen ein fo.zenanntc?
Fischer und Ceemannshcim. wo die
Fischer gern und häufig veiMjren.
Hier erhalten sie für wenige Pfennige
warmeZ Effen und Trinken. Die Grä
sin selbst leitet daZ Ganze ; in der lik
denZwürdigftcn Weise vcr!,hrte sie ml1
ihren Fischern, und zwa: bediente sie
sich dabei dcr plattdeutschen Sprache.
Wie schnell sich daS segensreiche Unter
nehmen entwickelte, beweist, welch'
dringende? Bedürfniß hier vorlag.
Eine weitere Wohlthat bereitete den
Fischern die Giäfin noch dadurch, daß
sie in Göhren einen Brunnen bauen
ließ, der ihnen stetS frifchcZ Waffer lie
fert. daS sie früher tagelang entbehrten.
Buch im Winter, wenn die Fischer ohne
Arbeit und Verdienst sind, greift die
Gräfin helfend ein; da wird Holz
schnitzerei und Flechterei getlieben.
sodaß auch da ein Nothpfennig verdient
wird. Ihre schöne ',')acht dient der
Gräfin nun dazu, sie nach den verschie
denen Plätzen zu bringen. Die Be
satzung steht unter der Leitung eine
KapitänS. ES sind meistens Jungen,
die ftch dem SeemannZBeruf widmen
wollen und an Bord der Duen" jeden
falls eine gute Schule durchmachen.
Als ti bkwundtrnSwtrthts Kunst
n,rk
darf man die Uhr bezeichnen, die sich
im Lesesaal deZ neuen ReichstagSge
bäudeS in Berlin befindet. Sie ist
mit ewigem Kalendertag, Datum, Mo
nat und Jahreswechsel, sowie Mond
Phase gefertigt worden. Der goldene
Grund der viereckigen Platte, die drei
weiße Zifferblätter trägt, ist mit sym
bolischen Figuren bemalt, die den Tag
und die Nacht verfinnlichen. Der Tag
wird durch einen Schmetterling (Tag
Pfauenauge) und die Sonne, die Nacht
durch eine Fledermaus und einen Ko
meten fymbolisirt. Links ist das Blatt
für die Wochentage, rechts daS für die
Monate, in der Mitte daS Datumzif
ferblatt. Ueber diesem erscheinen in
einem Ausschnitt die Mondphasen in
Gold auf azurblauem Grunde. In
zwei weiteren Ausschnitten ist links die
feststehende Jahreszahl der Erbauung
deS ReichZtagSgebüudeS zu lesen, wüh
rend die Zahlen rechts felbftständig bis
zum Jahre 1990 bei der Jahreswende
NachtS 12 Uhr wechseln. ES lohnt ftch,
bei Besichtigung deS ReichStagSgebüu
deS dieses tadellos funktionirende Kunst
werk, daS ein rühmliches Zeugniß für
die Kunft feines Schöpfers ablegt, in
Augenschein zu nehmen.
Der kleine Max
kommt mit großem Gebrüll in's Zim
mer gestürzt. Mama, Mama !"
Still, die Kinder müssen schweigen,
wenn die Erwachsenen reden."
Aber, Mama, ich will Dir nur
etwas sagen."
DaS kannst Du sagen, wenn der
Papa die Zeitung zu Ende gelesen hat."
Der kleine Max schweigt und wartet
geduldig, bis der Papa die Zeitung zu
Ende gelesen hat. Da sagt die Mama
zu ihm freundlich: Jetzt rede Du
auch, was wolltest Du sagen?"
Ich wollte nur sagen, daß ich den
Hahn der Wasserleitung offen gelassen
habe, ich bekomme ihn nicht wieder zu."
r hat recht.
Zecher (auS dem Weinkeller tau
melnd): ES ift nicht wahr. waS die
Aerzte sagen, daß ein Ei und ein GlaS
Wein einen Menschen 24 Stunden lang
aufrecht erhalten können; ich habe 16
Eier gegessen und einige 30 Gläser
Wein getrunken und habe nun alle
mögliche Mühe, mich nur einen Augen
blick aufrecht zu erhalten."
Ausrede.
Kunde: .Ihr Haarwuchsmittel hat
aber verteufelt wenig Erfolg bei mir
gehabt!"
Friseur (achselzuckend): .WaS wächst
bei diesem kalten Wetter?"
höchste Frechheit.
Wirth: .So eine Frechheit! Den
ganzen Nachmittag sitzen Sie bei einem
einzigen Glas Bier, und nachher können
Sie eS nicht 'mal bezahlen."
Galant.
Fräulein: Diesen Wein hat Papa
seit meiner Geburt im Keller liegen."
Herr: So, so. also noch ein ganz
junges Weinchen!"
Gute Erklärung.
Fritzchen (ein Rezept lesend): WaS
bedeutet denn hier oben .Rec." Papa?"
Vater (Juftizrath): .Recipe ! DaS
ift die vom Arzt an den Apotheker ge
richtete Aufforderung Nimm ein !'
(Erkannt.
Er: Wollen Sie mir nicht Ihren
Fächer leihen?"
Sie : O, Sie verstehen schon ohne
dies genug Wind vorzumachen!"
weh !
Alte, ich hab' den HauZthorfchlüffel
noch nicht, gieb mir'n."
Wozu denn, Du find'ft ja so wie so
das chlttffelloch nicht, wenn Tu heim
kommst !"
Modern.
A: Wie geht's Deiner Frau?"
B: Ich sehe sie sehr selten!"
A: Ja warum denn?''
B: Weil sie immer hinter mir
auf dem Tandem sitzt!"