Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 24, 1898, Image 10

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    Tangos Erwarten.
NovcUkUk von fimiiiiii M ü 4 n f r.
Schwer zitierte bis Hitze über dem
Selen der Jade; graugeld und weißlich
glitzerte daS regungslose, stumme Was.
ser, sodaß dem Beschauer die Augen
schmerzten. Von dem Wilhelmshavener
Grodenlande jenseits der Seedeiche ftie
gie widrige, salzige Dünste empor, und
der scharse Geruch deZ schweren, leicht
desliültcn EchlickeS sielte sich über die
ürmlichen Heuhaufen an der Deich
döschung. deren würziger Tust in der
schwülen MeereS Atmosphäre der
schwamm, und über den mageren Stau
den der XeidjIistuK't bin.
Die weite Hede vor WilhelmShaven
war leer bis auf das Wachtschiff. einen
schlanken reuur mit trodla treten
nien. der unter Dampf vor Anker lag.
Scharf Hoden sich der weisze Rumpf mit
. den boöen Borden und die gelven ltfsl
ften uno Sornfteine von dem Geflimmer
ab. Sem Rauch deckte in chwarzvrau
neu dicken Ballen weithin daS Wafser.
Am Horizonte verschwamm bie lütte in
blaugrauen Dünsten, die nur unoeur
lich daS Ufer von Eckwarden hervortre
ten ließen. Barel und da Seebad
Dangaft waren unsichtbar. Reiner war
die Luft nach See zu. wo die rothe, derbe
Masse des einmastigen euchlscyines
.GeniuSdank- sich trotz der Entfernung
deutlich am Horizonte abhob.
EtwaS mehr jadeeinwürtS stand ein
Schooner unter vollen Segeln, ohne daß
die flaue Brife ihn sonderlich vorwärts
getrieben hätte; nur mit der Fluth. die
fast ihre volle Höhe erreicht hatte, trieb
er langsam, willenlos den tfaTenmo
len zu.
ES war aeaen Abend. Der August,
sonntag mit seiner sengenden Hitze hatte
nur wenige Spaziergänger auf die
Deiche gelockt: nur am Badestrände
tummelte sich Alt und Jung im Wafser,
Weiter hinaus suchten Arbeiterkinder
aus ßebbenS mit bloßem Kopf und
schwarzen, von dicker Schlammkrufte be-
deckten nackten Beinen nach Krabben
und Seesternen. wobei sie hart an der
Uferböschung, den Sack mit Krebsen in
der Land, im Waffer schritten, die
breiten unbespülten heißen Steine der
meidend.
Auf dem Grodenlande hinter der Hep
penser Batterie standen angebundene
Schafe. beweaunaSloS auf das magere,
salzige GraS starrend. Jetzt blökten sie
mitleidfordernd, denn ein Pärchen kam
den Strand entlang, und sie dachten
dabei an ihren Hüter, der sie gegen
Abend dem kühlen Stalle zuführen
sollte. Aber daS Pärchen chritt vorüber,
ohne einen Blick für durstende Thiere
m haben, vorüber, ohne etwas Anderes
zu fühlen, zu sehen als das Glück, denn
Ihre Herzen hatten sich gefunden für alle
Seit.
Der starke, treuehrliche Matrose in
dem blendend weißen Paradehemd und
dem blauen Kragen der Kaiserlichen
Marine hatte lange nicht den Muth ge
funden, dem schmucken und zierlichen
Dienstmädchen sein Herz auszuschütten.
bis ihm vor wenig Tagen die beherzte
Kleine noch mitten in seinen konfusen
Liebesreden einfach das Köpfchen an die
Brust legte.
Und wie liebte sie ihn! DaS ahnte er
gar nicht.
.Mein HanneS !"
Wie leuchtete daS hübsche, runde Ge
sichtchen deS Mädchens, die im leichten.
bellen Sommerkleid? sich auSnahm wie
eine küblfrische eben dem Bade entstie
gen Möoe. DaS reiche, sandfarbene
Haar war aufgebunden und über dem
schmalen Nacken zum starken Knoten
geschlungen. Der freie HalS verlor sich
weich und voll unter der Blouse, deren
obersten Knopf sie geöffnet hatte, um
freier athmen zu können in ihrem
Glücke.
ülit verschränkten Händen schritten sie
dahin, dicht aneinander gedrückt und
Auge in Auge gesenkt, ohne die Hitze zu
achten, obwohl dem Matrosen helle
Tropfen auf der braunen, offenen
Brust standen und obwohl dem Müd
chen daZ Stirnhaar feucht in'S Gesicht
hing.
Nur manchmal blieben sie stehen, um
die heißen Lippen aufeinander zu pref
fen. wortlos, in stummem festsaugenden
Kuffe.
.Meine Henni, bist Du nun glück
lich?
.0 Du!
Wie in träumerischem Geflüster kam
eS von den rothen Lippen, ganz Sehn
sucht, ganz Hingebung, und doch zuckte
eS im selben Momente schmerzlich über
ihr Gestcht, und herb legte eS sich um
ihre Mundwinkel.
Er sah diesen stillen Gram auf den
lieben Zügen. Wie daS mollige, warme
Händchen in seiner Rechten zitterte!
Tiefer neigte er sich auf ihren Scheitel.
.Henni, mein süßeS Mädel, was haft
Du?
Er wußte sich ordentlich hinabbücken,
um das Geflüster zu verstehen.
.HanneS HanneS. ich hab' solche
Angst und ach. wie bin ich glücklich,
wenn eS nur,."
Nun sprach er auf sie ein, besorgt,
wie ein Vater zum kranken Liebling
spricht, ermuthigend und bekümmert.
.WaS erschreckt Dich denn so? fürch.
test Dich wohl vor mir?
Sie barg daS Köpfchen an feiner
starken Brust.
.HanneS, wenn ich dran denk', wie
das mit uns werden soll und ich mag l
nicht mehr leben ohne Dich! leiden
schaftlich baftig kam'S von ihren Lippen,
.Ader Tu sollst ja gar nicht mehr le-
den ohne mich. Du sollst ja mein sein,
aani mein, und mir allein sollst Du
gchören. wenn ich zum Herbst entlassen
werde.
HonaunasloS schüttelte sie daS Köpf
chen. und keucht stand eS in den lieben
blauen Augen.
.Ich kann'S ja noch nicht glauben,
daß wir zusammen kommen. Du weißt
ja nicht. waS zwischen unS steht. Ost
rede ich mir auch ein. eS sei eine alberne
Furcht, aber dann will'S mir daS Herz
zuschnüren. HanneS. ich bin ja doch
ein anständiges und ehrliches Mädchen.
wenn ich auch dienen muß und . . .
.Mein süßeS Liebchen, aber das weiß
ich doch Alles.
.Nein, laß HanneS. einmal muß eS
doch runter vom fernen, denn ich hab'
ja Nichts, rein gar Nichts, als waS ich
mit mir rumtrage. Nichts auf der
ganzen Welt als mich und meine große
Liede zu Dir. und Du ! Du bist ein
Bauernsohn ! Ihr habt ein schönes Gut
da drüben in Eckwarden. was werden
da Deine Leute sagen, wenn Du mich,
daS arme Ding, da hinein bringen
millft? und ich weiß nicht, waS ich thue.
wenn ich Dich nicht kriege.
DaS war der aan Kummer, den
fein Lieb drückte?
Nun mußte er lachen, recht fröhlich.
recht sorglos.
Sie nahm fein Lachen fast Übel, und
den Blick zu Boden gerichtet, fuhr sie
fort mit der leisen Stimme verhaltener
Leidenschaft: . . ..undStine, die in der
ersten Etage dient, sagte noch heute
Morgen, ich sollt' man nicht so ftol,
thun mit Dir, und ich kriegte Dich noch
lange nicht, und Dein Vater wär' ein
Bauer, und die wären alle so stolz.'
Vor Schluchzen kam sie nicht weiter.
Nun schmeichelte er und bat und schalt
auf das dumme Geschwätz der Stine ;
ruhig und vernünftig redete er von sei
ner Liebe, und die schlichten, herzlichen
Worte wirkten ersichtlich beruhigend auf
daS Mädchen. Innige Dankbarkeit
strahlte aus ihren Augen, die noch durch
die Thränen lächelten. Nun wollte er
noch einen Schritt weitergehen zu ihrer
Beruhigung. Drüben über dem Jade
decken schimmerte dicht über der Eckwar
dener Deichkrone ein roth von der
Sonne beschienenes Dach, und dahin
deutete der Matrose mit der ausgestreckt
ten Hand.
Siehst Du das rothe Dach da drü
ben? Das ist unser Gut. und ich der
spreche Dir hier in Deine Hand, daß ich
lieber sterben will im Elend als eine
Andere als Dich heimführen, und ich
hab' Dich ja so lieb, und ich kann meine
Worte nicht schön setzen, aber, Henrn,
Gott soll mich verderben auf der Stelle,
wen ich Dich belüge, daß ich Dich treu
und ehrlich zum Weibe hoben will.'
Er sprach'S männlich, ernst und eine
starke ruhige Entschlossenheit lag auf
den gebräunten Zügen. Sie bekam
Hochachtung vor seiner Entschlossenheit
und sah begeistert zu ihm auf, aber ihr
ängstlich verschüchtertes Herz war doch
nicht so schnell zu überzeugen, und die
augenblickliche Ruhe ihres Herzens war
eine künstliche.
An der Deichkante setzten sie sich in's
GraS und er redete weiter, sicher anord
nend, von ihrer Zukunft.
Und nächsten Sonntag, wenn's
gut geht, da fahr' ich rüber mit dem
Dampfer und sag' meinem Alten AlleS
und bring' Dir feine Einwilligung, und
acht Tage drauf.. ..
.Noch acht Tage ! Sie schrie fast
auf; noch acht Tage, ehe ich weiß, ob
ich Dich lieben darf? und ungestümer
umklammerte sie seinen HalS.
Ach, Alles vergessen, Nichts denken.
nur ruhig, ganz still den Kopf an die
Schulter des Geliebten lehnen.
Aber da schrickt eS sie wieder empor.
die Furcht, die Angst, die sie schon tage
lang nicht loS werden konnte ; gequält
kam eS von ihren Lippen, die er nicht
lassen wollte : .Nein, nein, ich bin ja
noch nicht Dem. ich darf ja nicht -Dein
Vater o Gott noch acht Tage,
Brütend lagerte eS zwischen seinen
Brauen.
Nein, Henni, 'S geht nicht anders.
denn schreiben, das hat keinen Zweck,
oder wie soll ich dem Alten daS schrei-
den. wie gut und schön Du bist und
wie unsäglich lieb wir unS doch haben
und was für eine brave Tochter ich ihm
in'S Hans bringen will, nein, das muß
ich ihm sagen, Auge in Auge, und vor
nächsten Sonntag krieg ich keinen Ur
laud."
Nun kamen ihr die mühsam zurück
gehaltenen Thränen wieder, und er zer
marterte sein Gehirn, um einen AuS
weg zu finden. Gab eS denn keinen?
Der Jammer feines MädchenS schnitt
hm in die Seele.
.Kein AuSmeg? Es durchzuckte ihn.
leuchtend brach eS aus seinen Augen,
und er stieß sein Lied fast von seiner
Brust. Aufspringend maß er schon,
den Kopf zurückgeworfen, mit heraus
fordernden Blick das schimmernde Was
ser der Jade. Ein und eine halbe
Stunde kräftig auSgreifen, dann war
er drüben, und was bedeutete eine
Stunde für ihn, der stets für den besten
Schwimmer galt, für ihm, der minde
stenS zwei Stunden aushielt?
Sie verstand nicht gleich, wie er froh
lockend ihr zusammenhanglos seinen
Plan entwarf. Als sie begriff, war sie
anfangs sprachlos.
Du HanneS? Du willst nach Eck
warben schwimmen? Du willst mir die
Einwilligung. . . . ? Sie vermochte das
in ihren Augen Ungeheuere in feinem
Plane noch immer nicht fassen.
Ja, mein altes Mädel, ja. ich will
rüber schwimmen, und wir haben drü
I den eine flinke Jolle, in der ich zurück
komme, und mein jüngerer Bruder
borgt mir von seinen achcn ! und waS
ist dabei? Unser HauS liegt ja gleich am
Seeteich. Nachdarn haben wir nicht.
und wenn ich auch keinen Fetzen mit
bringe, etwas dringe ich dem Alten ja
doch, und das ist eine süß:, kleine
Schwiegertochter, und mein Bruder
rudert mich mit zurück, ja, vielleicht
bring' ich den Alten auch gleich mit
rüder, daß er meine schmucke Braut
nach heute Abend kennen lernt !
Nun begriff sie. und sie bat. de
schwor, flehte mit Thränen und schalt
sich albern und kleinmüthig, aber Alles
umsonst. Die herrliche Gelegenheit.
dem Mädchen die Stärke seiner Liebe
bezeugen zu können, die durste er sich
nicht entgehen lassen. daS glaube er
ihrem Kummer schuldig zu sein. Für
ihr Flehen hatte er nur ein glückliches,
siegendes Lachen.
.Und meine Plännen, die raffst Du
dann zusammen und trägst sie über'n
Deich, dort ist ein bischen Buschwerk.
wo Du sie verstecken kannst. Dann setz'
Dich hier an den Deich und warte. biS
ich zurückkomme, kannst auch mal 'n
Endchen ab und zu laufen, nur nicht zu
weit, daß ich Dich gleich finde.
Sie kannte die Festigkeit feiner Ent
schlüsse, und fühlte sich machtlos. Noch
einmal stürzte er zu ihr nieder, und
noch einmal umschlangen sie sich, als
wollten sie sich nie mehr lassen.
Jetzt leb' wohl. Henni.
Eilig ging er eine Strecke am Strande
hinunter.
Schluchzend barg sie das Gestcht in
den Händen, und sie schaute erst auf,
als sie den Schwimmer im Wasser plät
schern hörte. Kein Mensch weit und
breit. Langsam näherte sie sich seinen
Kleidern, raffte sie zusammen und band
sie in die Schürze. Nun sah sie ihm
nach, wie er, mächtig ausgreifend, in
langen Stößen davon schoß. Wie
langsam ging eS doch, und wie fern lag
noch daS rothe, von der Sonne beschie
nene Dach in Eckwarden.
Sie fuhr sich mit dem Tuch über die
Augen, weil die Thränen ihr den
Schwimmer verbargen, und ach. wie
weit, wie weit war er schon. Nur sei
nen Kopf, der dunkel auf dem hellen
Wasser lag, konnte sie noch erkennen.
Jetzt 'hatte er die schwarze Seetonne er
reicht, die am Eingange der tiefen
Rhede lag, und jetzt jetzt sah sie ihn
nicht mehr, todt und still lag die Was
serwüfte vor ihr. Noch einmal glaubte
fte seinen Kopf als winzigen Punkt zu
sehen, wie sie, die Augen mit der Hand
beschattend, starr hmausbliate, aber,
merkwürdig, nicht in der alten Richtung
auf das rothe Dach zu, sondern mehr
seewärts.
Nun kam der Wind auf und kräu
feite die stumme Wasserfläche, und die
Wogen klatschten zu ihren Füßen gegen
den Steinwall, und flehend ruhte ihr
thränenfeuchter Blick auf den Fluthen,
die ihr Liebstes bargen.
Die Ebbe hatte jetzt eingesetzt; erst
lanzsam, dann immer schneller zogen
sich die Wasser nach der hohen See
zurück.
ES wurde Abend ; müde vom Hin
ausftarren und mit brennend heißen
Augen erhob sie sich. Kaum vermochte
fte aufzustehen, fo schwer lag eS ihr in
den Gliedern. Als sie seine Kleider
über den Deich in daS Gebüsch trug, da
flössen ihre Thränen von Neuem. Dann
kehrte sie zurück an den Strand, um
von Neuem hinauszublicken mit schmerz
lich zuckenden Lippen und gefalteten
Händen.
Wo war er jetzt?
DaS arme Mädchen dachte nicht an
daS Glück. daS ihr bevorstand, sie dachte
nicht, ob er schon drüben wäre, ob er
schon mit dem Vater spräche, ob er schon
die Einwilligung hätte, sie dachte nicht
an daS zurückkehrende Boot, sie dachte
immer nur das Eine: Wo war er
jetzt?
Mehr und mehr verdämmerte die
Ferne. daS rothgelbe Abendleuchten
ging über das fahle Gewölk binter den
Kasernen, und dunkle, violette Schat-
ten verbreiteten sich über dem Wasser,
aber kein Boot, kein Ruderschlag, nur
schrilles Mömenschreien und leises Gut
geln der adfluthenden See ringsum,
und eS waren doch schon Stunden ver
rönnen, seit er sie verlassen hatte.
Manchmal drohte die Müdigkeit, sie
zu übermannen, und gern hätte ihr ge
quälteS Herz im Schlafe Ruhe gesucht,
aber sie zwang sich zum Wachen ; ob
wohl die Dunkelheit sie nur wenige
Schritt weit sehen ließ, starrte sie den
noch unverwandt auf das Wasser. Ein
mal drohten ihr die Augen zuzusinken,
und als sie dieselben mühsam wieder
öffnete, da sah sie zu ihrem Schrecken
beim matten Scheine des aufgehenden
Mondes die dunklen Massen des Schlam
meS, den das zurückfließende Wasser
bloSgelegt hatte, sich zu ihren Füßen
ausdehnen.
Bitter weinend stammelte sie heftige
Seldftanllagen, und bald wahnsinnig
vor Angst und Gewissensqualen warf
sie sich zu Boden, das harte Strandgras
mit den Fingern umkrampfend.
Wohl suchte sie sich mitunter noch
Muth einzureden, er habe kein Boot
finden können, um ihn zurückzubringen,
oder der Vater sei nicht zu Hause gewe
fen und er wolle seine Rückkehr abwar
ten ; aber dann sagte sie sich : nein, er
wäre schon längst zurück, er hätte mich
nicht so lange warten lassen in furcht
barer Angst. Qualvolle Stunden.
Das Blut stockte ihr in den Adern,
und gräßliche Schreckdilder des mit dem
Tode ringmden Schwimmers traten ihr
vor die Augen. Und diese fürchterlichen
Bilder wurden immer häufiger, immer
deutlicher drang ein dumpfes Röcheln
an ihre Ohren :
.Henni, ich thu ja für Dich !
Laut aufschreiend wankte fte empor
von dem thauseuchlen Grase, die Arme
nach dem See ausbreitend. Jetzt stand
der Mond hoch am Himmel und beschien
die glänzende, feuchte Fläche deS sich
weit hinausdehnenden Schlickes, und
nur ganz in der Ferne sah sie die weißen
Kämme der dunklen Wogen in die
Nacht hineinrollen.
Der Wind war stärker geworden, und
drüben sah sie geisterhaft den Schooner,
dessen Masten und Stängen sowie die
Raanocken im Mondlicht funkelten,
gegen den Wind ankreuzen und sich den
Hafenmolen nähern.
ES war Mitternacht. Irgendwo
schlug eine Uhr. und die Panzerschiffe
im Hafen verkündeten Mit hellen Schlä
gen acht GloS. Nun wurde sie ruhi
ger. Jetzt kam er nicht mehr. Ent
weder er war todt barmherziger Gott
todt ! und dann war ja doch Alles
aus. oder er kam gegen Morgen. Müh
fam wankte sie über den Deich zu seinen
Sachen, nahm jedes Kleidungsstück aus
der Schürze, netzte eS mit ihren Thrä
nen und hüllte eS wieder ein. Dann
ging sie gebrochen den Deich entlang
der Stadt zu. Die Kleider wollte sie
mit nach Haufe nehmen, denn zu ihr
würde er ja doch gleich kommen, wenn
er wirklich zurückkäme. Unsicheren
Schrittes betrat fte den schmalen Lauf
steg über die Schleusen an der alten
Hafeneinfahrt. Ein Weilchen blieb sie
an daS Geländer gelehnt stehen, denn
an der Lootsenftanon sah fte einige
Männer, und sie scheute sich vor den
rohen Reden der Seeleute, die ihr sicher
zugeworfen wurden, falls man sie ge
wahr wurde.
Der Schooner war zu Anker gegangen
und eine Jolle hatte ftch der Treppe ge-
nähert, um den Lootsen an Land zu
setzen. Die Obenftehenden sprachen mit
denen in der Jolle, und die Laute dran
gen scharf durch die Nacht an das Ohr
des Mädchens. Anfangs achtete sie nicht
auf das Gespräch, aoer da traf fte ein
Wort, daS ihr das Herzblut gerinnen
machte.
.Wo fandet Ihr ihn?
Trieb nach See zu mit der Ebbe.
Todt?
Kann schon ein. todter wie em
Stück Holz!
Ein dumpfer Schrei und daS Nieder
schlagen eineS Körpers veranlaßte die
Männer, sich umzusehen.
Hmni lag am Boden, bewußtlos.
daS Bündel war aufgegangen und die
Kleider lagen zerstreut am Boden.
Hallo! was ist daS?
RathloS umstanden die Seeleute das
Mädchen. Da kamen haftige Schritte
von der anderen Seite her, und zwei
Männer wollten eilig an der Gruppe
vorüber. Da stutzte der vordere, eine
Secunde tastete er fassungslos in der
Luft herum, dann brach er neben dem
Mädchen zusammen.
Henni, Henni! stirb nicht, Du darfst
nicht sterben, ich bin ja da so komm
doch zu Dir, ich bin 8 ja, Dem HanneS,
und da ist der Vater, und wir konnten
doch nicht eher da fein, haben unS
halb todt gerudert, aber unsere Jolle
war leck, und ich mußte eine halbe
Stunde laufen zum Fischer Jarden, um
ein Boot zu leihen, und dann kamen
wir nicht an Land, weil die Ebbe das
Wasser fortgenommen hatte und nun
Henni! Henni! Sie lebt, komm
Vater, sie lebt, ach Gott, wie bin ich
glücklich, glücklich!
Und sie lebte. Verwundert schlug sie
die Augen auf. um gleich darauf mit ei
nem Freudenschrei die Arme um den
Geliebten zu legen.
Hannes zog den Alten, der sich wieder
holt verstohlen die Augen wischte, zu
dem Mädchen nieder.
Komm Vater, komm, sag ihr, daß
Du fte gern und freudig an Dein Herz
nehmen willst.
Und der Alte brachte nur stotternd
hervor: Ja, mein liebes Kind, wen
mein HanneS so lieb hat, daß er bei
Nacht über die Jade schwimmt, man
blos, um dem alten Vater fein Glück zu
melden, den soll er haben.
Und nun stand sie auf und küßte den
ehrlichen Alten auf beide Wangen.
Die Männer auS der Jolle hatten in
zwischen einen schweren Gegenstand die
Treppe heraufgetragen.
WaS habt Ihr dort?
Ein Matrose antwortete: Eine
Robbe, kommen selten vor in der Jade.
trieb nach See zu und war bereits todt.
Nun kommt rein," sagte em alter
Lootse. Kommt rein, die Nacht ist
frisch, wollen einen steifen Grog brauen,
und Ihr Drei da, Ihr habt's verdient.
i -
5 r ühre i f.
HuniorcSke von Hans F r a u n g r u b e r.
Drunten beim Keuschler. im Breu
ningerhäusl, geht es stürmisch zu. Der
Breuninger sitzt am Tische und lugt arg
verdonnert unter den buschigen Brauen
hervor, sein Weib schluchzt, und der
kleine Bude, der sich an die Falten ihres
Kittels klammert, schreit wie beim Zahn
brecher. Der Krämer hat ihnen just die
Hölle heiß gemacht; nun geht er und
keift noch zurück: Alsdann, 'bald moc
gen früh die fünfundzwanzig Gulden
nit 'zahlt fan. klag ich die Schuld ein,
und öS werbt? auspfändet. öS Glum
pert 1 Draußen ist er.
Der Breuninger wartet ein Weilchen,
dann fährt er empor und schüttelt die
tfaun nach dem Abgehenden. Wie
hat er g'sagt? WaS hat er g'sagt ?
Glumpcrt hat er g sagts Na. wart.
Kramersecl. nit ein lukertcn Heller kriegst
j sehn von mir!
Freili ah noh. jammert daSWeid.
.nacher verschachert er unS d Hütten
willst 'leicht in Winter in a Mausloch
schliefen mit Weid und Kid? Klei
schaust dazu, daß d' wo 'S Geld her
bringst!
Der Mann höhnt: .Wo ist denn
Dein wo? Woaßt Du ein' Narrn. der
unS noch ein' Hosenknopf leiht? Jh
nit! Tann stützt er sich wieder auf die
Tischplatte. Nach einer Weile beginnt
er nachdenklich: .Woaßt noh, Leni. wie
die Veverl auf d' Welt kema iS. da hat
unS die Frau Gräfin vom Gschloß dro
den dreißig Guldenzcttel spendlrt. Wann
mit der was z' machen wär!
Die Keuschlerin führt schluchzend die
Fürtuchzipsel an die Augen. .DäS
Geld ist lang hin, und d' Veverl iS ah
schon g sterben. Ader däS sag lh Dir.
Kasper, der Frau Gräfin bist schon z'
oftmächti kema; däS hat koan Schick nit,
bald mr n Leuten allweil die Stuben
thür einrennt. Wie d' Veverl kema iS,
dafelbn war was anders, mein lieber
Vota!
Sei wohl, belrästigt dieser, .ja
Leni. wannS d'halt wieder a KloanS
hättft. aft wär uns eppa gholfen.
Woher nehmen und nit stehlen?
Der Breuninger kratzt ftch die Ohren
Plötzlich wendet er sich haftig gegen die
Leidensgefährtin, em rettender Ge
danke ist ihm in den Weg gelaufen.
.Jh thuS. Leni. ih geh ins Gfchloy
und woaß. waS ih sag. wannS ah nit
wahr iS!
Die Breuningerin schaut ihn ungewiß
an. WaS sagst?
Daß D' a KloanS haft, sag ih!
Jammernd ringt sie die Hände.
Aber Mann, bift übergschnappt? Denk
Dir doh. wann d' Frau Gräfin käm
oder herschicken that?
Bald s' wen schickt, aft laß ih neamd
eina, und selber kimt s' nit ehwenn der
Schnee mt weg i5."
Entschlossen greift er nach seiner Pu
delmütze. ftülpt sie über die Ohren.
tappt au? dem Haufe und watet durch
den hohen Schnee in die kalte Landschaft
hinein.
Sein Weib lugt ihm durch die halb
blinden Scheiben der kleinen Fenster
nach, dann haftet eö m der Stube um.
rückt die Stühle zurecht und zankt mit
dem Buben, der einem Hampelmanne
mühsam die Beine abgebrochen hat.
So verrinnt eine Stunde. Da
platscht ein derber Schritt in den Flur,
ein Stampfen und Schlurfen, die Thüre
fliegt auf, und der Keuschler ist wieder
daheim. Er feuert die Mütze in den
Winkel, reckt sich und streckt ftch inmitten
deS Gemaches und tippt schließlich mit
der Faust kräftig auf seinen Hosensack.
Lem. waS glaubst, was an ,h da
drein?
' AthemloZ starrt ihn das Weib an.
Mein Häusl han ih drein, Leni, als
a ganzer han ih'S drein! jauchzt der
Mann, zerrt etliche Banknoten hervor
und wirft fte auf den Tisch. Bin h
a Kerl oder nit? brüstet er sich, indem
er sich mongesauig in die run wiril.
Grüßen laßt s' Dih schön, und ein'
warmen Löffel kriegen m'r morgen ah
,'effen. ....
Aber recht lS S nit, asper, gar
nit recht!" wendet die bestürzte Ehe
Hälfte ein.
Die Hütt'n verschachern lS ah nit
recht. poltert der Gatte. Auf der
Stell schmeiß ih dem Kramer 's Geld
hin zwanzig Gulden kriegt er, koan
lumpigen Pfifferling mehr. Ein' süaß'n
Wein bring lh Dir mit, Lern, und a
Bröckl Fleisch tragt'S ab heut!
Eilfertig rafft er ein paar Bank-
noten ein, um sein Heim vor den
Klauen deS Gläubigers zu retten und
verläßt die Keusche.
Aber kaum hat er die Thüre hinter
sich, da schreckt sein Weib zusammen ob
eines gräulichen FluchcS. der lm Flur
die Wände erdröhnen macht. Mit
einem Satz ist der Breuniger wieder in
der Stube, knirscht mit den Zähnen und
ringt die Hände. Donnerwetter. Weib.
hiaz is's g'fahlt! Die Gräfin kimmt!
Erbleichend bricht das Weib in zetern
des Klagen aus. und der Bub fällt mit
Geschrei ein. Der Keuschler rafft sich
auf: Stad seids! Und Du. Leni,
schleunig in'S Bett hiaz hilf, was
helfen kann. Er drängt fte trotz rhreS
SträubenS auf tms Lager, wirft die
Decke über sie und thürmt ein gewalti.
ges Ueberbett darauf.
Aber Kasper S Hindi"
Saaradibir. a Kind brauchst ah,
däS hätt ih glei vergessen!" stöhnt der
erfinderische Gatte, faßt mit derben
Fäusten den Kleinen und hebt ihn zur
Mutter in'S Bett. Rasch umwickelt er
d'en Kopf deS Buben, der nicht weiß,
wie ihm geschieht, mit einem geblümten
Umhängetuch. das er ihm noch bis an
die Nase herabzieht, und schärft ihm
ein: HanSl, hiaz sei brav und rühr
Dich nit! Mach d' Augen zu und sei
müuserlftad!
Schleunig schiebt er die rothen Vor
hänge vor die kleinen Fenfter, da pocht'S
an der Thüre.
Einen Jammerblick sendet daS Ehe
paar der Gräfin entgegen, die, in
weichen Pelz gehüllt, den dämmerigen
Raum betritt. Leise und fürsorglich
wandelt fte gegen daS armselige Lager.
Nun, Breuningerin. wie geht's?
Matt. Frau Gräfin -- soviel matt
bin ih halt.
DaS wird sich geben, liebe Frau.!
Und wo ist daS Kleine? Ist'S ein Bub
oder ein Mädel?
.A Bua. bedeutet der Vater, der
sich die schweißtriefende Stirne trocknet,
.schlafen thut er grad!
Die Grünn neigt sich trotzdem über
daS Bett und hebt behutsam das ge
dlumte Tuch. Ein kräftiger Welt
bürger. ei. ei! Ist er schon getaust?
Wie heißt er denn, der Kleine?
Da schlägt das vermeintliche Neugc
borene die Augen auf und schmettert in
die Stille deS Gemachs: .Breuninger
Hansl hoaß ih!
Die Sdnift.
r t rn a in II I er A II i I r i l t k N.
Vertonn:
Herr FipS, Schneidermeister.
Baron Pumpel.
i, jluftritt.
Herr FipS: Guten Tag. Herr
Baron. Sagen Sie 'mal, können Sie
mir wohl heute die f0 Mark geben, die
Sie mir schuldig sind? Ich bin ein
wenig in Verlegenheit.
Baron Pumpel: .Selbstverständlich!
Halten Sie 'mal die Hand auf. Alle
Wetter, da fährt ja gerade in dem
Omnibus mein Freund Windig vor
über, den muß ich dringend sprechen.
Wir treffen uns schon wieder, nicht
wahr? Adieu!
Herr
Herr
2. Austritt. (8 Zage später.)
Herr FipS: .Guten Tag,
Baron.
Baron Pumpel: .Guten Tag,
FipS, wie geht'S Ihnen?
Herr FipS: Danke, da wir unS ge
rade treffen, so geben Sie mir wohl
heute die 50 Mark.
Baron Pumpel: Wie? sagten Sie
etwas? Ich habe mich nämlich wohn
sinnig erkältet und das ist mir auf die
Ohren gefallen, fodaß ich absolut nichts
mehr hören kann. In 8 Tagen werde
ich wieder vollkommen hergestellt fein,
dann werden wir uns besser verftündi
gen können. Adieu, solange!
(Noch 8 Tag' später.)
.Guten Tag, Herr
3. Auftritt.
Herr FipS
Baron."
Baron Pumpel: .Sieh' da, Herr
FipS.
Herr FipS: .Die 50 Mark
Baron Pumpel: .Bekommen Sie
selbstverständlich auf der Stelle. Wün
schen Sie Gold oder Papier?
Herr FipS: I, da wäre mir Gold
lieber.
Baron Pumpel: Wie schade. Nun
habe ich zufällig nur Papier bei mir.
Herr FipS: Thut nichts, dann nehme
ich gern Papier."
Baron Pumpel: .Nicht doch, Herr
FipS, haben Sie gar nicht nöthig.
Herr FipS: Ader ich sage Ihnen
Baron Pumpel: Keine Umstände.
Den kleinen Gefallen werd ich Ihnen
doch wohl thun können. Wir treffen
unS ja fast alle Tage. Habe ich recht?
Na, darum, Adieu auf Wiedersehen."
Auftritt. (Weitere 8 Tage später,
Herr FipS: Herr Baron, Herr
Baron !
Baron Pumpel: Ah, Herr FipZ.
freut mich ungeheuer, wie geht's Ihnen,
alter Freund?
Herr FipS: Recht gut. Und Ihnen?
Sind Sie wieder erkältet!"
Baron Pumpel: Ich? nein, ich bin,
Gott fei Dank, ganz gesund."
Herr FipZ: Warten Sie hier aus
einen Ihrer Herren Freunde?
Baron Pumpel: Nein."
Herr FipS: Sagen Sie 'mal Herr
Baron, machen Sie irgend einen Unter
schied zwischen Gold und Papier?"
Baron Pumpel: Hm. wie man'S
nimmt."
Herr FipS : Ich nun gar nickt.
wissen Sie, darin bin ich komisch. Mir
ist eS völlig gleichgültig, ob man mich
in Papier, Gold, .Silber, Nickel oder
Kupfer bezahlt.
Baron Pumpel: So?"
Herr FipS: Ja. und nun Herr
Baron, da jetzt nichts mehr im Weg
steht, feien Sie so gut und bezahlen
Sie mir die fünfzig Mark.
Baron Pumpel lverftnkt in Nach
denken.)
Herr Fips: Nun, Herr Baron!
Zahlen Sie bitte, zahlen Sie schnell.
Baron Pumpel: .Merkwürdig, wie
sich das trifft, Heute, wo doch nnn
wirklich die beste Gelegenheit wäre,
gerade heute muß ich ausnahmsweise
kein Geld bei mir haben l
Vereine.
Bei unS gibbd'L wohl gee Aerdchen,
In dän nich ä Verein.
Fidehle Leite wollen
Rächd oft beisammen sein.
Tä Schidzen, Sänger, Durner,
Die feiern manches Fäsd.
Und dür Humor bei jeden
Aen'n Sachsen nie verlüßd.
Tür Vorschdand" hadd bei allen .
Ganz särchderlich zu dhun.
Er gann nich 'mal am Sonndag
Dran denken auSzuruhn.
Ee Ausschuß dreibd den andern.
Wenn ärgend äddwaS loS".
Mer sorgd ser daS und jencS;
Dä Rihriggeed iS groß.
Doch schimmfd dä Frau. isd'S Männchen
In jeden Gommidch".
Dä Ginder drunter leiden
Und ooch daS Bordemonneh.