Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 10, 1898, Image 9

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    Mr SöttttfflM-t
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Ialirgang I!!. Bc.lagc.;um ?!cbraska Ztaatö-lnzcigcr. No. Ztt.
schlaue Spitzbuben.
(ne walilk o'k'äichik von A. ?krnu.
Acht Uhr AdendZ. Lurch dit große
ToppelthUr leerte sich der Epkisesaal,
und mit den zahlreichen Kasten drang
ein intensiver Epeisengeruch in die Vor.
Halle, an deren Breitseiten EophaS und
Stühle zur Siuhe einluden.
DaS weibliche Geschlecht, zumeist daZ
reichere, war vorherrschend, darunter
überwiegend Engländerinnen, einige
französische Damen und wenige Teutsche.
AuS dem Nebensalon traten jetzt zwei
neue Wüste herauf die dort gesessen
hatten und nun von der sitzenden Gc
sellschast mit und ohne Lorgnetten auf
merksam gemustert wurden.
ES waren zwei jüngere Herren. Ter
eine größere, hellblonde, bartlose
Mann, von oben bis unten bis zur
Unerträglichkeit karrirt, derart, daß eS
fast weh that, die GefichtSstüche nicht in
derselben Weise gemustert zu sehen, um
so mehr, da die Hände in den Hosen
taschen versenkt blieben. Der andere
mit braunen, gelockten Haaren zeigte
bei mittlerer Größe und kräftiger Ge
statt ein, bis auf unruhig lauernde
Augen, angenehmes Gencht. Der
starke Echnurrdart und eine Narbe auf
der Stirne gaben ihm einen beinahe
kühnen Ausdruck. Der Herr war in
schwarzem Smoking. Die Beiden
schritten einige Male ungenirt in der
langen Halle auf und ab. der jüngere
Blonde schweigsam, der Andere lebhaft
sprechend, dann setzten auch sie sich, lie
ßen Kaffee serviren und schlürften
Cognac zur (Zigarette.
Am nächsten Tage waren die Per
sonalien der beiden Neuangekommenen
durch Wirth und Oberkellner bekannt
geworden, Mister Gaston hatte über sich
und seinen Schützling Mister More
allerlei mitgethnlt. Der Blonde war
der Sohn der reichen Wittwe deS frühe
ren indischen Kaufmann? Gilbert H.
More, Mister Gafton dessen Freund
und jetzt Intimus, Rathgeber, Facto
tum der Familie, mit dem jungen
Herrn vorläufig hier angelangt, als
Quartiermacher fiir die Wittwe, die
mit ihrem Gefolge in acht bis vierzehn
Tagen nachzukommen beabsichtigte,
wenn daS Hotel für fte passende Räume
und Gesellschaft bot. BiS nach dem
Urtheilsspruch von Mr. Gaston bliebe
die Dame an irgend einem anderen
Orte deS Genfer SeeS.
Wirth und Kellner behandelten die
reichen englischen Gäste mit besonderer
Aufmerksamkeit, um so mehr, als diese
nur die feinsten Weine und namentlich
Champagner tranken. Eine auSrei
chende Wohnung für die bedürfnißvolle
Wittwe war noch nicht frei, Mr. Gafton
runzelte zwar die Stirn, entschloß sich
aber schließlich, noch etwa acht Tage zu
warten. Schon am zweiten Abend
hatte er mit einigen Damen, die er an
der gemeinschaftlichen Tafel als Nach
darinnen fand, Bekanntschaft gemacht.
Seine lustige Konversation, englisch
und französisch, entzückte allgemein ; er
verrieth, daß feine Großeltern Franzo
sen, natürlich adelige, waren, während
seine Mutter eine Engländerin gewesen
sei, die der Bater in Bombay auf einer
seiner Reisen kennen und lieben ge
lernt. DaS Interesse für Mr. Gafton wuchs
noch, als er sich an'S Klavier setzte,
ziemlich gut spielte, einige Lieder sang
und schließlich mit Kartenkunststücken
die sich immer mehr um ihn sammelnde
Gesellschaft unterhielt.
EtwaS von seinem Erfolge kam auch
dem schweigsamen Mr. More zu gute,
der im schwarzen Anzug und weißer
Halsbinde nicht interessanter aussah,
aber ein indischer Nadod hatte daS nicht
besonders nöthig, und eS gab einige
Wittwen im Hotel, die leicht zu milden
Urthtilen geneigt waren, wenn man sie
für jung und begehrenswerth halten
wollte.
Mr. Gafton war allerdings muster
giltig. Er scherzte nach rechts und
links, zeigte sich liebenswürdig, gefüllig
und entgegenkommend, fo daß sogar
einzelne Herren sich ihm näherten, eine
Anzahl Damen bereits für ihn schwärm
ten, die Engländerinnen sich zuflüfter
ten, daß er awfully nice sei, die
Französinnen ihn .charmant' fanden,
und besonders eine darunter. Madame
de französische Wittwen find in der
Regel von Adel Melin ihre großen,
dunklen, besonders bei elektrischem
Lichte wirkungsvollen Augen wie ein
BelagerungZgeschoß auf ihn richtete.
Die Annäherung vollzog sich ohne
Schwierigkeit.
Am nächsten Tage gingen Madame
de Melin und Mr. Gafton miteinander
spazieren. Von ihrem Alter behaupte
ten Sachverständige, daß man schon seit
vielen Jahren und zumeist seit der Höhe
ren Entwickelung kosmetischer Künste
darüber ohne sicheren Anhalt sei. WaS
ihren Geift anbelangte, so erschien er
gleichfalls umschleiert. Ein Hauptbe
helf ihrerseits bei der Konversation, die
auS dem Gewöhnlichen herausging, war
ein Lächeln, das prachtvolle Zähne und
rosenrothe Lippen zeigte. Besonders
interessant als Wittwe war aber die
Dame unbedingt durch die reichlichen
und kostbaren Schmuckgegenftände, die
sie ftetS trug und durch ihre elegant be
kleidete volle und hübsche Figur.
Mr. Gafton schien daS auch gefunden
zu haben, und er zählte und plau
derte besonders ledhast. Er sprach von
seinem lustigen Leben in Indien, von
feiner fröhlichen Sorglosigkeit als Jung
geselle, die ihm erlaubte, überall zu sein
und zu bleiben wo eS ihn reize.
Seine treue Anhänglichkeit für Mr.
More fei feldstoerftändlich nur idealer
Natur, fein dem sterbenden Gatten
gegebenes Versprechen, den Hinterblei
benden Freund und Berather zu sein,
erfülle er als eine ihm leichte und na
türliche Pflicht.
Madame de Melin ihrerseits nickte
lächelnd und betonte auch ihre Frei
heit und Unabhängigkeit. Sie war
vor einigen Tagen noch unschlüssig,
ob fte sich hier wieder für Monate fest
niederlassen sollte, jetzt aber ein
nicht mißzuverstehender Seitenblick
traf ihren Begleiter jetzt wäre das
anders geworden. Sie wollte noch
heute ihre Koffer aus dem Depot kom
men lassen, um mit deren nicht unbe
deutenden Inhalt von Kunst und
Werthsachen ihren Salon wieder hübsch
und gemüthlich auszustatten, um viel
leicht alte und neue Bekannte bei sich
empfangen zu können. Der Thee mit
dem alten Familiensilber servirt, mun
dete doch anders, als von dem abgegrif
fenen Hotelgefchirr, und echte, wohlge
wählte Kunstgegenstünde, Bilder und
Bronzen, machten die armselige Zim
mereinrichtung eines Gasthauses erträg
licher.
So flanirten sie durch die Straßen
und besuchten einige Lüden, in denen
die Dame wie eine geschätzte Bekannte
freudig begrüßt wurde. Mittags kam
ein prachtvolles Rofenbouquet für die
Wittwe. Später wurde ein wenig qe
tanzt, auch dabei bewährte sich Mr.
Gafton ohne Tadel. Am nächsten Mor
gen langte eine große Kiste, mit M 1
bezeichnet, an und wurde auf dem Bor
platz der Etage, wo sowohl die Eigen
thümerin Madame de Melin. als auch
die beiden englischen Herren wohnten,
untergebracht. DaS Wetter war an
diesem Tage wundervoll, vom erwärm
ten See hoben sich leichte Dunstschleier
und milderten Töne der Gebirge am
jenseitigen Ufer.
Mr. Gaston war nach einem längeren
Gespräch mit Mr. More, der aufmerk
sam zuhörte und nur ab und zu mit
dem blonden Kopf nickte, zu der schönen
Wittwe mit dem Vorschlag gekommen,
daS schöne Wetter zu einer größeren
Tour zu benutzen. Sie sah befangen
lüchelnd zu ihm auf.
Madame," sagte er derftündnißvoll,
Sie können sich n.ir ruhig anver
trauen. Gewissenfestigkeit, Fürsorge
und Muth sind nicht meine schwächsten
Eigenschaften." Zum Beweise dafür
wies er auf die breite Narbe hin, die
feine Stirn durchquerte und haspelte
mit vieler Lebhaftigkeit die wunder
reiche Geschichte einer Tigerjagd im
Himalaya Gebirge herunter, bei der
sein Freund More sen. beinahe zer
rissen worden wäre, ohne seinen ent
scheidenden Eingriff mit dem Bowie
meffer. Madame de Melin begnügte sich, tief
aufzuseufzen und mit ihrer Hand das
pochende Herz zu beruhigen. Das Pro
gramm wurde gemacht und genehmigt:
mit dem Dampfer zum anderseitigen
Ufer, von da nach Ouchy und Abends
von Lausanne mit der Eisenbahn zu
rück. Mr. More fühlte sich nicht ganz
wohl, ein bittender Blick 'Gafton? be
stimmte die Dame, jeden UederredungS
versuch zu unterlassen, und so sah man
einigen recht vergnügten Stunden des
Alleinsein? entgegen.
Af dem Dampfschiffe hielt man daS
Paar mindestens für Brautleute, so
nahe aneinander gerückt saßen die bei
den. so innig hatte (ijafton die Hand
der Wittwe erfaßt, die er gelegentlich
an die Lippen drückte. Er hatte eine
ziemlich umfangreich aussehende Reise
decke im Riemen mitgenommen und
war aufgestanden; auf der Bank an der
SchiffSdrüstung mit dem einen Bein
knieend, zog er seine Geldtasche um die
Billets an der Kaffe zu lösen, aus der
Tasche und machle, mit dem Porte
monnaie auf daS Ufer weisend. Ma
dame de Melin einige Bemerkungen
über die herrliche Scenerie.
Als die Dame sich rasch umwandte,
stieß sie zufällig an Gastons Arm und
im Nu war die Geldtasche aus der Hand
in den See gefallen.
Ein leichter doppelter Aufschrei des
Erschreckens, ein kurzer schmerzlicher
Blick nach der entschwundenen Habe
und ein verächtliches Achselzucken von
Mr. Gaston folgten dem unangenehmen
Ereigniß. Wer wohl die vier oder
fünfhundert Francs da unten einst sin
den werde," meinte er lachend, und
wie jetzt weiter kommen? Seine Be
gleitcrln aber maß sich alle Schuld bei,
überreichte dem Herrn ihre wohlgefüllte
Börse und bot ihn, darüber zu der
fügen. Natürlich lehnte er das ent
schieden ab, fügte fich aber schließlich,
der Noth gehorchend, entnahm eine An
zahl Goldstücke, deren demnächstige Rück
gäbe zur Bedingung stellend.
Der fatale Zwischenfall war bald
vergessen. Die Sonne sandte ihre er
wärmenden Strahlen, sie drangen bis
in die Herzen hinein, weckten Liebes
blüthen. die Augen sprachen, die Hände
sprschen, und schließlich hatten auch die
Lippen das entscheidende Wort ge
sprechen.
Auf der Fahrt nach Ouch? hatte fich
Mr. Gaston mit Madame de Melin,
Rentiere aus TrrnnS, Wittwe deS Kapi
tön Melin. im Alter von 31 Jayren
stehend. waS fie gesenkten HaupteS zu
gestand, verlobt.
In dem schönen Garten des Hotels
von Ouchy wurde der neue Bund mit
einem- Glase edlen WeineS und einer
Umarmung feierlichst besiegelt. Mr.
Gafton wollte daS große Ereigniß sofort
seinem jungen Freunde More und Fa
uiilie sowie anderen Intimen tele
graphiren. Die junge Braut wollte
erst morgen ihre wenigen Angehörigen
fie war elternlos benachrichtigen;
daS neue Glück machte fie heute noch zu
bewegt. Arm in Arm stiegen die Früh
lichen nach Laufanne hinauf. Mr.
Gafton bestand darauf, daß Lucie, feine
Lucie. im Hotel ein Zimmer nahm, um
fich so lange ein wenig auszuruhen,
und der Kühle deS finkenden TageS zu
entgehen, bis er feine Depesche expedirt
hätte.
Der erfteTrennungsschmerz!" meinte
Lucie, sich an den Theuren schmiegend.
Der Theure hatte alSbald sein Ge
päckftück vom Portier, wo er eS zuerst
hinterlegte, in Empfang genommen,
eilte an das Telegraphenamt und sandte
zwei Depeschen ab:
Die eine, an daS Hotel gerichtet, wo
er und die brüutliche Wittwe Wohnung
hatten, lautete:
Kiste M. 1 heute angelangt, gehört
Mr. More. ist demselben sofort auszu
folgen. Komme erst mit dem letzten
Zuge. Madame de Melin."
Die andere an Mr. More war in
Chiffreschrift abgefaßt.
Und nun folgte eine Reihe der böse
sten Ueberraschungen. Von den Er
regungen deS TageS und vom Weinge.
nuß ermüdet, war Madame ringe
schlummert. AIS fie auS freundlichen
Träumen erwachte, war eS bereit?
dunkel, und zu ihrem Schrecken befand
fie fich allein, ganz allein in der Stube.
Mr. Gafton, der sehnsüchtig erwar
tete Freund, Geliebte und Verlobte kam
nicht wieder, Niemand hatte ihn je
sehen, er hatte keinerlei Nachricht hinter
lassen. Angft, Sorge und entsetzliche
Ahnungen machten die Bedauernswerthe
erbeben. Ein Entschluß mußte gefaßt
werden. Wo sollte fie den Vermißten
suchen, wo Nachfrage halten? Viel
leicht war ihm ein Unglück zuge
stoßen? Sie konnte doch nicht in
Lausanne bleiben, wo fie fremd, allein
und ohne Gepäck war l So eilte sie zur
Eisenbahn, unter den Reisenden umher
spähen, Thränen in den Augen, voll
Trüdniß und Zorn bestieg sie den ge
rade abgehenden Zug nach Montreux
zu einer entsetzlichen Rückreise.
Im Hotel wußte man nicht? von
Mr. Gafton. Der Wirth machte ein
besorgtes Gesicht, denn auch Mr. More
war sofort nach Empfang einer De
pesche. nachdem er die ihm, laut tele
graphischer Ueberweisung ausgefolgte
Kiste, die, wie er sagte, seiner Mutter
gehörte und von ihm sofort weitcrzu
schicken sei, hatte auf einen Wagen schaf
fen lassen, fortgefahren und bis jetzt,
noch nicht zurückgekommen. Madame
Melin verstand in ihrer innersten Auf
regung von alledem nichts. Sie wankte
auf ihr Zimmer und fiel wie gebrochen,
kaum entkleidet, auf das Bett.
Am nächsten Tage hatten die Gäste
einen ausgiebigen UnterhaltungSftoff,
und die Schadenfrohen oder Spott
luftigen konnten sich weidlich ergötzen.
Zwei geriebene Hochstabler hatten den
Wirth empfindlich geprellt und eine zu
vertrauensselige, heirathslustige Wittwe
arg betrogen und noch ärger bestohlen.
Ein leerer Koffer mit wenigen werth
losen Gegenständen und mehreren
schweren, sorgfältig verpackten Steinen
waren dem fluchenden Wirth, der Sta
chel im Herzen und ein sich hoch belau
fender Geldverluft der Stachel der
Dame verblieben.
Madame de Melin ließ sich lange
Zeit nicht sehen, fie nahm ihre Mahl
zeiten auf dem Zimmer, und wenn fie
auS dem Hotel schlüpfte, war fie noch
mehr als sonst verschleiert.
Der Irrthum des Äarbiers.
Ein australisches Siltcnbild" von ii. E.
Schmidt.
Jack Penhall stammte, wie alle Leute,
deren Name die Silbe pen" enthält,
aus Cornwallis und war, wie die mei
ften seiner Landsleute, ein erfahrener
Bergmann. Er war Boß" (Aufscher)
in der Schamrock"Mine, beherrschte
aber nur drei Leute, zu denen eine
Zeitlang der Schreiber dieser Zeilen
gehörte. Die Leute von Cornwallis
find als Ringkämpfer bekannt, und
unser Boß" machle von dieser Regel
keine Ausnahme. Davon abgesehen
war er ein gemüthliches Haus, spielte
gern Poker und frank gern Whisky.
Gegen diese letztere Leidenschaft
wehrte er sich auS Seelenkrüften ; aber
der Geift war willig und das Fleisch
schwach bei Jack Penhall, und die
Thatsache, daß er alle drei Monate
ein Gelübde ewiger Trockenheit ad
legte, beweist, daß dieses Gelübde ebenso
regelmäßig gebrochen wurde. AIS er
zuerst auf den Shamrock kam, hatte er
eben wieder abgeschworen", und etwa
drei Wochen lang arbeitete er tüchtig
mit in der Mine. Unser Schacht war
einige Monate nicht bearbeitet worden
und hatte fich mit Wasser gefüllt, daS
zunächst entfernt werden mußte. Zu
diesem Zwecke benutzten wir einen gro
ßen, mit Eisen beschlagenen, faßahn
lichen Eimer, der etwa zweihundert
Liter faßte. Ein Mann saß unten im
Schach, tauchte den Eimer ein und diri
girte ihn, so daß er hübsch auf der
Rutschbahn in die Höhe glitt. Einer
stand oben und leerte den Eimer auS
und der Dritte ging neben dem Pferde
her, welche? daS Hinaufziehen und
Hinunterlassen besorgte.
Ich saß gewöhnlich unten bis an die
Hüften im Wasser. ES war da? hübsch
kühl, aber nicht ganz ungefährlich;
mehrere Male löste sich der schwere
Eimer vom Haken und kam polternd
den steilen Gang herabgerollt ; dann
sprang ich wie ein erschreckter Frosch
in'? Wasser und tauchte unter, um dem
Stoße zu entgehen. Während wir den
Schacht trocken legten, hantirte der
Boß" in der Schmiede und suchte
die Bohrer uud Spitzhacken zusammen,
um fie zu schärfen und für die Arbeit
in Stand zu setzen.
Als der Schacht trocken war, began
nen wir mit den Bohrarbeiten und
Alles ging 14 Tage lang in schönster
Ordnung; dann gerieth Jack Penhall
wieder an die Flasche und ließ sich nicht
mehr in der Miene sehen. Meine bei
den Kameraden waren erfahrene Ar
beiter und wußten, waS in einem fol
chen Falle zu thun ist. Der eine war
ein JrlSnder und hieß wegen feines
auf einer Seite vorstehenden Unterkie
fers Lobsided Pat" (Schiefer Patrick). ;
den Andern nannten wir GuS Caftle
maine, weil er in Caftlemaine in Neu
Süd'WaleS geboren war und mit dem
Vornamen August hieß. GuS war ein
guter Kamerad aber ein bösartiger
Raufbold, der selten mit heiler Haut
auS der Stadt zurückkehrte, wenn er
Samstags dahin gepilgert war. Kaum
hatte der Boß" seinen alten lüderlichen
Lebenswandel wieder aufgenommen,
als diese beiden Burschen feinem Bei
spiele folgten und leider muß ich ge
stehen, daß auch ich vom steinigen
Pfade der Tugend abwich und mit mei
nen Kameraden die bcqueme Chaussee
di? Lasters entlang zog. Indessen bc
hielten wir doch genug Verstand und
Lebensart, um wenigstens den Schein
zu wahren. Wir stellten unsere Ge
brechen nicht öffentlich zur Schau wie
Jack Penhall, fondern bemühten uns,
unser unschönes Treiben so geheim wie
möglich zu halten.
Zu diesem Behufe bohrten wir in der
glatten Unterschicht, Worauf die gold
haltige Quarzader ruhte, und die auS
ungemein hartem, blau-fchwarzem Gra
ni.t bestand, ein sogenanntes Kanonen
loch. Dies Loch lief genau rechtwinkelig
mit dem Gestein, und wenn wir es
daher mit Dynamit luden und abfeuer
ten, so knallte eS zwar laut genug, aber
der Sprengstoff fuhr einfach heraus,
ohne das Gestein wegzureißen. Zwei
mal täglich luden wir das Loch, damit
die Nachbarn daS Knallen hören und
denken sollten, wir wären tüchtig an der
Arbeit. Im Uebrigen tranken wir
während der Arbeitszeit an dem unter
irdischen Schauplatze unserer Thätigkeit
eine schwere Menge Whisky, rauchten,
erzählten Schnurren und schliefen, Alles
für einen Wochenlohn von vier Pfund
Sterling für den Mann.
Diesem idyllischen Leben wurde plötz
lich dadurch ein Ende gemacht, daß daS
Schicksal in Gestalt eines BarliierS ein
griff. Der Barbier hieß Humpy Joe
(buckliger Sepp) und sah so aus wie
sein Name. Er betrieb fein Geschäft in
einem mit Blech bedeckten stilvollen Ge
bäude, dessen Wände theil? au? Baum
rinde, theil? aus Kattun bestanden.
Durch eine Kattunwand war das In
nere in zwei Räume getheilt, wovon der
vordere als Rastrftude, der hintere als
Spielsaal diente. Ein Schlafzimmer
brauchte Joe nicht, denn er saß Nacht?
am Karteutisch, und wenn er einmal
schlief, so war er so betrunken, daß eS
ihm gleichgiltig war, wo er lag.
Nach einer dergestalt durchlebten
Nacht rüttelte sich Joe eines Morgens
gegen 10 Uhr aus seinem betäubten
Zustande auf und ging in die Rafir
ftube, um nach seinen Kunden zu sehen.
Diese waren zum größten Theile Chine
sen, die mit ihrem Haarwuchs ftetS sehr
penibel find, wahrend die weißen Gold
gröber in ihrer großen Mehrzahl wachsen
lassen, waS wachsen will, und mit
langem Haupthaar und struppigen
Bärten herumlaufen. Drei oder vier
Söhne de? himmlischen Reiche? saßen
da und warteten auf den Haarkünstler.
Joe feiste, noch halb im Schlafe, den
Ersten mechanisch ein, kratzte ihm da?
Gesicht und den Kopf bis auf den für
den Zopf bestimmten Haarbüschel in
der Mitte deS Schädel? rein und winkte
dann dem Nächsten, fich auf dem Rastr
ftuhl niederzulassen. Nun wollte eS
daS Unglück, daß Jack Penhall, der feit
1 t Tagen keinen nüchternen Augenblick
mehr gehabt hatte, in die Barbierftube
gekommen wer und fich hingesetzt hatte,
um sich rafiren zu lassen. Gewöhnlich
besorgte er dies Geschäft selbst, aber in
seinem jämmerlichen Zustande war feine
Hand für derlei delikate Sachen zu zit
terig, und fo hatte er e? vorgezogen, fich
dem buckligen Barbier anzuvertrauen.
Jack trug keinen Bart, sein Geficht hatte
eine lederne Farbe, seine Haare waren
lang, straff und kohlschwarz, seine
Augen klein, seine Nase stumpf kurz
und gut. der Barbier hielt ihn in
feinem Dusel für einen Chinesen und
behandelte ihn demgemäß. Der Boß"
hatte eine große Ladung Whisky im
Leib und war todtmüde; er glich einer
Riesenschlange, die einen Ochsen der
schlungen hat, rührte und regte fich
nicht und merkte nichts von Allem, was
mit ihm vorging. Humpy Joe rasilte
ihm zunächst da? Gesicht, seifte ihm
dann den Kopf ein, zog sein Messer ab
und schor den Unbeweglichen nach allen
Regeln de? chinesischen BarbiergcwerbeS.
Als rund herum alles glatt war und
nur noch in der Mitte ein dichter Büschel
langer schwarzen Haare stand, weckte er
den vor ihm Sitzenden auf, bedeutete
ihm, er fei fertig, und hielt die Hand
hin, um seine halbe Krone zu em
pfangen.
JackZ Auge fiel auf den Spiegel,
dem er gegenüber faß. Dort sah er sich
als Chinesen und blitzschnell schoß ihm
die schreckliche Idee durch daS wüste Ge
Hirn, daß die blauen Teufel" hinter
ihm her feien, d. h. daß er einen gelin
den Anfall von deliriurn. trernens
habe. Er fuhr fich mit beiden Händen
nach dem Schädel, die entsetzliche Wahr
heit wurde ihm klar und mit einem
Wuthzeheul stürzte er fich auf den Bück
ligen, der immer noch die Hand offen
hielt und auf seinen Lohn wartete.
Joe erkannte seinen Irrthum und
seine Gefahr in demselben Augenblick
und wandte sich zur Flucht. Die Thüre
konnte er nicht erreichen, er stürzte sich
also gegen die Wand, die an dieser
Stelle aus Baumrinde bestand. Die
Rinde gab nach und der Barbier war
fast zur Hälfte im Freien, als Jack die
andere Hälfte ergriff und mit einem
Feuereifer bearbeitete, der bei den zu
schauenden Chinesen theils Erstaunen
und Furcht, theils Heiterkeit, 'und bei
dem armen Barbier ein lautfchallendeS
Wehegeschrei hervorrief. Er strampelte
und zappelte wie ein Fisch an der Angel,
aber Jack hielt fest und ließ nicht nach,
bis feine Arme erlahmten. Tann erst
gelang eS dem Zerbläuten, loSzukom
mcn und das Weite zu gewinnen. Der
Sieger aber blieb auf der Wahlftatt
und machte fich mit neuer Wuth an die
Zerstörung deS Ortes, wo ihm die ent
setzliche Unbill widerfahren war. Er
riß die Blech-, Rinden und Kattun
stücke von den Wänden, zerbog, zerbrach
und zerriß sie, hob die Pfosten auS,
worauf daS Gebäude geruht hatte und
machte den ganzen Platz dem Erdboden
gleich. Dann erst hielt er die Unthat
für gerochen und verließ ven Schauplatz
dieser denkwürdigen Ereignisse.
Wir saßen unten im Schachte, labten
uns am Whisky und erzählten
Schwünke, als wir plötzlich Jemanden
die Leiter herunterklcttern hörten. ES
war der "boss", der uns diesen uner
warteten Besuch abstattete. GuS warf
einen Stein auf das Kanonenloch, da
mit Jack eS nicht sehen sollte und dann
ergriffen wir eilends Hammer und
Bohrer und machten unS an die Arbeit.
Penhall übersah die Sachlage sofort,
das war uns gleich klar, und da er
übler Laune war, auch das konnten
wir merken, obwohl wir nicht? von fei
nem Abenteuer wußten , so machten
wir unS auf ein Donnerwetter gefaßt.
Aber Jack sagte lein Wort, sondern
setzte sich krumm bin und sah unS zu.
DaS war unangenehmer, als wenn er
zornig geredet hätte, und ich war sehr
froh, als GuS die Offensive ergriff und
das peinliche Schweigen brach, indem er
den "dos'' anredete:
WaS fitzt Ihr fo da herum wie ein
Ncgertreiber ? Wir thun unsere Arbeit,
auch ohne daß Ihr da sitzt und auf
paßt !"
.So scheint'?.' gab Jack zurück.
Ihr habt verd diel gethan, seit
ich nicht unten gewesen bin. Hol mich
der Kuckuck, wenn Ihr ein ehrliche
Tagewerk gethan habt."
.Well,' mischte sich Lobfidcd.Pat in
die Unterhaltung, wenn eS Euch nicht
gefüllt, unZ ist'! egal. Wir können
anderswo gerade so gut Arbeit dckom
men !'
Diesen kräftigen Reden fügte ich denn
auch noch mein Echerflein bei, ein Wort
gab das andere und wir waren nahe
daran, eine unterirdische Keilerei zu be
ginnen, alZ Jack in seiner Aufregung
den Hut vom Kopfe schob und seine
chinesische Tonsur enthüllte.
Dieser Anblick entwaffnete uns voll
ständig und während der nächsten fünf
Minuten waren wir so sehr damit de
schäftigt, unserer Fröhlichkeit Ausdruck
zu verleihen, daß wir keine Zeit hatten,
den Schimpfreden deS Alten, die sich
wie ein unerschöpflicher Strom über
uns ergossen, Beachtung zu schenken.
Die vielgerühmte AnsteckungSkraft deS
Lachen? bewährte sich aber nicht und
mit unserer Freundschaft war eS vorbei.
Al? un? Jack Penhall am nächsten
Samstag den Lohn auszahlte, theilte er
un? in dürren Worten mit, unsere
Dienste seien nicht länger gewünscht,
und mit diesem Bescheide trollten wir
un? in die Schänke.
Alt Hochzeitsbräuche in Polen.
Bei allen Nationen bestehen eine
große Menge eigenthümlicher Gebräuche
und Ceremonien, die besonders in ein
zelnen wichtigen Momenten in Kraft
treten, wie bei Trauungen, Taufen,
Begräbnissen . Jeder dieser Bräuche
hat seine spezielle Bedeutung und eS ist
sehr zu bedauern, daß die immer mehr
um sich greifende Allgemeinkultur die
nationalen Eigenthümlichkeiten so un
barmherzig verwischt. In Polen gab
e? früher eine ganze Reihe absonder
licher Momente bei den Hochzeiten, die
natürlich auch immer mehr verschwin
den und nur noch bei wenigen, streng
am Althergebrachten festhaltenden Fa
mitten üblich sind. So schritten früher
in Polen die Brautjungfern der Braut
voran beim HochzeitZzuge, sämmtlich
mit langen rothen Seidenschleiern ge
schmückt. Nach der Trauung wurden
der Braut dann von ihren Freundinnen
die Augen verbunden und fie wurde so
an die Thüren ihre? neuen Heim? ge
führt, die verschlossen waren und ihr
erst nach dreimaligem Klopfen geöffnet
wurden von dem jungen Ehemanne,
der fie mit offenen Armen empfing, ihr
die Binde von den Augen löste und fie
in ihr neueS Reich einführte.
In anderer Gegend wurden der
Braut gleichfalls die Augen verbunden,
aber die Lippen mit Honig beftrichen,
damit der erste Kuß der Frau dem Ehe
manne süß sein sollte. Wahrend dieser
Kuß gewechselt wurde, warfen die
ringsum gruppirten HochzeitSgüfte Rei?
und Erbsen, Weizen, Gerste, Roggen,
Hafer :c. in die Hautthür als Symbol
dafür, daß dem jungen Paare niemals
die zur LebenSnothdurft gehörigen
Dinge fehlen sollten. ES liegt in
allen diesen kleinen Handlungen ein tie
fer Sinn und eS ist zu bedauern, daß
mit dem Schwinden dieser Symbolik
auch alle Poefie mehr und mehr au? dem
Leben der Nationen ausgelöscht wird.
Sin theures Tpielzeug.
Da? theuerste Spielzeug, da? jemal?
ein Kind besessen, waren wohl die sil
bernen Soldaten, die Ludwig XIV.
als Knabe erhielt, um die Kriegskunst
zu erlernen. Diese Liliputanerarmee
bestand aus zwanzig Schwadronen Rei
terei und zehn Abtheilungen Fußvolk.
Das waren die ersten Truppen, die der
allmächtige Monarch" in den Tagen
seiner Jugend befehligte. In Pariser
Archiven finden fich noch die Rechnungen
deS Bildhauers Ciffay, wonach dem
Künstler dafür insgesammt 75.000
Franken gezahlt wurden, für jene Zeit
also eine erhebliche Summe. Später
wanderten diese kostbaren Soldaten in
die Münze, wo sie eingeschmolzen und
zu Geld ausgeprägt wurden, um einen
Theil der Unterhaltungskosten für wirk
liche Soldaten zu decken.
Turch die Blume.
Der Leibarzt de? Czaren Alexander
de? Dritten, Doktor Botkin, der im
Jahre 1890 in Mentone starb, erhielt
kür feine ärztliche Bemühungen kolossale
Honorore, und seine ärztliche Förde
rung für eine Konsultation betrug hun
dert Rubel. Eine? Tages hesuchte ihn
der als ebenso reich wie geizig bekannte
Fürst Demidoff. Nachdem Dr. Botkin
das erforderliche Rezept verschrieben, sah
er, wie der Fürst zwei Fünfrubelscheine
au? der Tasche zog und sich anschickte,
ihm dieselben als Honorar einzuhändi
gen.
Ich danke, Durchlaucht," bemerkte
Botkin in verbindlichstem Tone; aber
Sie wissen doch, daß ich von Armen nie
etwas nehme!"
priitjCtt rjictutig.
Professor (zum Prinzen, der beim
Addiren eine zu kleine Summe heraus
gerechnet): Aber Hoheit sollten wirklich
nicht so bescheiden fein!"
in guter Schuster.
Sind Sie mit Ihrem Schufter zu
frieden?"
Sehr er thut waS er mir an den
Hühneraugen absehen kann !"