Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 10, 1898, Image 10

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    Per Doppelgänger.
V!Uiäih"mosrokk von ermann ?eisch'k,
LaZ zweite Bataillon eines Branden
durgischkn Jnsanterie RczimkniZ war
ach der kleinen Fest an; K. vcrst wo:
den; Uiy.lbt hatte bisher und feit lun
$en Jahren in einer Kreisstadt der Pro.
vin, gestanden und dase'.bft ein gemMH
licKeZ und beschauliche Dasein gefühlt.
denn eZ gab dort weder eine Kaserne.
ock bode Borzesedte und nichts von
lledem. was eine größere Garnison
oft recht ungemüthlich machen kann
Nun machte die Festung tt. kemesmegS
den Anspruch, eine größere Garnison
sein wollen, denn eS standen daselbst
außerdem nur noch ein Bataillon eines
anderen Jnfanterie'ZiegimentZ, sowie
Festung? Artillerie Kompagnie, aber
dennoch fanden weder die Offnere, noch
die Mannschaften diesen armjonmechiel
nach ihrem Ge chmaa. Bor allen Din,
gen war es der Wachtdienft in der
Festung, welcher ihnen äußerst fatal
war.
Während in der alten, heimathlichen
Garnison täglich nur eine einzige, un
bedeutende Wache aufzog, welche HSch
ftenö drei Posten stellte, so daß Monate
vergingen, ehe man wieder daran kam,
bedürfte es in St. zur Besetzung aller
Wachen und Posten taglich einer ganzen
Kompagnie, so daß man fast jede Woche
einmal aus Wache ziehen mußte. Dies
war weder den Hauplleuten angenehm,
welche auf diese Weise in der AuSdil
dung ihrer Kompagnien recht empfind'
lich gestört wurden und außerdem den
ungewohnten Dienst eineS Offiziers äu
iour versehen mußten, am allerwenig
sten aber den Lieutenants, welche bisher
vom Nacht-Ronde'Dienft absolut keinen
Schimmer hatten und nun in dieser
ganz fremden Garnison abwechselnd
Nächte lang die sieden Wachen und
zahlreiche, zum großen Theil recht ent
sernt und versteckt liegende Posten revi
diren mußten.
Mit der alten Gemüthlichkeit war eS
zu Ende; daß aber diese neue Situation
geradezu ungemüthlich wurde, dafür
sorgte der Festung? Kommandant.
Oberstlieutenant von Schleichwih. Dies
war ein kleiner, alter Hnr. mit einem
Ileinen, eingetrcckneten Gesicht, auf
welchem ein Lächeln selten zu erblicken
war. Er ließ die ihm anvertraute
Festung auf das Peinlichste bewachen,
der Wachtdienft war seine Spezialität,
und feine einzige Sorge ging dahin, daß
derselbe richtig versehen wurde.
Mit dem ihm neu überwiesenen Ba
taillon, welches, wie er sehr bald be
merkte, vom Feftungsoienft nichts
kannte, war der Kommandant sehr un
zufrieden und er machte daraus auf den
täglich stattfindenden Wachtparaden kein
Hehl, indem er dem BataillonSkomman
deur, Maior von Dorpitzki, fortwährend
Klagen und Beschwerden vortrug, welche
darin gipfelten, daß seine jungen Lieu
tenantS viel zu flott lebten und dabei
den Dienst vernachlässigten.
Im Fkstungsdienft verlange ich auch
im Frieden die äußerste Gewiffenhaftig
seit, Herr Major," sagte er bei solcher
Gelegenheit eines TageS bei der Wacht
Parade. Ihre jungen Herren scheinen
mir aber diese ernste Sache als Spielerei
zu betrachten Mich läßt die Sorge
um den Dienst die Nacht nicht schlafen;
ich überzeuge mich wiederholt, ob die
zungen Herren ihre Nonden gewissen,
haft gchen ich gehe ihnen nach,
aber ich kann versichern, daß selten einer
seine Schuksigkeit thut Also, bitte.
machen Sie den Herren Vorhaltungen
und bedeuten Sie ihnen, daß ich sehr
bedauern würde, wenn ich Strafen der
hängen müßte."
, So ungefähr lauteten die sich oft wie
verholenden Klagen des alten Kommas
. danten, und auch heute hatte er dem
Major dasselbe Lied gesungen.
.Sehen Sie da, Herr Major, Ihre
beiden Lieutenants, die beiden Gebrüder
von Hcpiie, einer ficht aus wie der
andere und einer ist so leichtsinnig wie
der andere. den Rondedicnst versehen
beise gleich unpünktlich. Einer von
Beiden hat heute die Ronde. ich kann
die beiden jungen Herren nicht von ein,
ander unterscheiden; bitte, warnen Sie
den Lew ff enden."
Der Major sagte lächelnd zu; wußte
er doch 10 gut, alZ das amt Oiniier
korps. daß der Oberstlieutenant die bei
den Ll-utenantS von Hoppe lehr genau
unterjchndm konnte, da dcr jüngere von
beiden seiner schönen und guten Tochter
sehr erfolgreich die Cour machte, was
dem Bater keineswegs angenehm war
da er den flotten Lieutenant nicht leiden
konnte.
Nachdem der Major sich seines Auf
trageS in wohlwollender Weise ent
ledigt hatte und die Wachtparade vor.
über war. gingen die beiden Gebrüder
, von Hoppe in ihre gemeinschaftliche
Wohnung, um den Paradeanug zu
wechseln und über die soeben erhaltene
Borhaltung ihre Anficht auszutauschen.
Die beiden Helden unserer Geschichte
waren sechZundzwanz''g und vierund
zwanzig Jahre alt. von schlanker Figur,
dunkelblondem Haupthaar und hatten
hellblonde, wehende Schnurrbärte, so
daß einer in der That aussah, wie der
andere. Sie waren beide gleich lebens
lustig, ohne gerade leichtsinnig zu sein,
und da ihr Vater ein wohlhabender
märkischer Rittergutsbesitzer und ehe.
maliger Offizier war, so fanden ihre
Bedürfniffe bei demselben hinreichendes
Verständniß und genügende pekuniäre
Unterstützung. WaS wollten fie mehr?.
Bei den Kameraden ihres heiteren undj
ritterlichen WeserS wegen hochdeliedt,
bei ihren speziellen Vorgespielt alZ
schneidige und tüchtige Cspjtcie in
bestem Ansehen stehend, war ihnen die
Nörgelei dcS allen Kommandanten höchst
gleichzeitig und nur in sofern unange
Nkdm. als fie ihnen die .-mbthlichktit
ftöitk. Wenigstes bei Max, dem ü?te.
ren Bruoer. wor dies einzig und allein
dcr Fall, während sich bei HanS. dem
jüngeren Bruder, nachdem er sich seiner
wahie Liede gegen Fräulein AgneZ
von Schleichwilj. der Tochter deS Kom
Mandanten, völlig bewußt geworden
war, doch ein recht empfindliches Gefühl
der Undehaglichkeit hinzugesellte. da er
fich sagen mußte, daß die Aussicht auf
Erfüllung seiner Wünsche mit der zu
nehmenden Adgeneigthcit deS BaterS
seiner Geliebten mehr und mehr in weite
Ferne entrückte, ja wohl gar gänzlich
dahinschwand.
.Die Geschichte muß ein Ende neh
men," sagte HanS. cli beide Brüder
in ihrer Wohnung behaglich beieinander
saßen.
.Welche Geschichte. HanS?" fragte
Mo; und dlieS künstliche Ringe aus
seiner Cigarre in die Luft. .Meinst
Du die Ronden?"
.Ich meine Beides!" erwiderte HanS
lakonisch, indem er ebenfalls blaue
Wölkchen von sich blies.
.Beides? Ich verstehe Dich nicht."
.Herr Gott." schrie HanS ungedul
big auf. .thu' doch nicht, als müßtest
Du von nichts! Spiele hier nicht den
Stockfisch. Mensch! Um zwei Dinge
bandelt eS sich; zunächst allerdings um
Deine heutig? Rande, von der ich gewiß
weiß, daß sie Dir der geehrte Komman
dant wieder auf Schritt und Tritt nach'
schleichen wird, denn er kann in der
Nacht nicht schlafen und macht sich ein
Vergnügen daraus, erröihend unseren
Spuren zu folgen. Da Du nun jeden
falls wieder irgend eine Dummheit
machen und einen verborgenen Posten
vergessen wirst, so find Dir drei Tage
Stubenarrest sicher, denn waS er unS
heute versprochen, daS hält er sicher,
darauf kannst Du Gift nehmen. Ich
aber habe keine Luft, unter Deinen
Dummheiten zu leiden."
.Na erlaube 'mal, HanS," entgegneie
Max lachend, .Dir kann eS doch ganz
egal fein, wenn ich brummen müßte."
Allerdings," eiferte HanS weiter,
das könnte eS; aber ich mag nicht dar
unter leiden und meine AgneS soll nicht
darunter leiden. Der Alte wird uns
dadurch nvch mehr Feind und schließlich
wirft er mich zum Tempel hinaus."
Das kriegt daS alte Heupferd fer
tig," stimmte Max bei.
Erlaube 'mal, Max." sagte HanS,
Heupferd ist doch wohl nicht der rich
tige Ausdruck; bedenke, Du sprichst von
meinem zukünftigen Schwiegervater."
Ganz recht!" lachte Max. wir
wollen daS nicht öffentlich auZfprechen,
fondern als Famillengeheimnitz betrach
ten. Ich verstehe nur immer noch nicht,
was Du beabsichtigst, wie Du die Arrest
gefahr von mir abirenden und Dir
gleichzeitig daraus einen Nutzen verfchaf-
en willst." ,
Das letztere ist mir auch noch nicht
ganz ltar, aber ge fliehen muß etwas.
sagte HanS. .Wir müßten versuchen,
ihn für unS milder zu stimmen, viel
leicht gar zu Dank verpflichten ."
Du kannst ihm la auf Deiner Pickel
flöte ein Ständchen bringen und wenn
er dann in gelinde Berzweistunz ge
räth, hörft Du auf und rettest ihn vor
dem Aeaßersten." bemerkte Max, auf
die etwas zweifelhafte musikalische Ader
seines Bruders anspielend.
Dir fehlt, wie ich Dir schon oft be-
merkt habe, ledwedeS Verständniß für
die Kunft. Nichts desto weniger bringt
mich Deine wegwerfende Bemerkung auf
eme Idee.
Er hat eine Idee!" rief Max hoch-
belustigt. Heraus damit, geliebter
Bruder und Kamerad!'
Famose Idee sogar, lächelte HanS,
sich hochdcfricdigt in feinem Sessel aus
streckend. Höre mal zu und sage dann
selbst, daß ich ein Kaptallerl bin. Da
keiner von uns den geehrten Schmieger
Vater in spo auS dem Wasser zieh
oder aus emcr sonstigen Gefahr erret
ten kann, denn ins Wasser geht er
nicht und in Gefahr begiebt er sich nicht,
so müssen wir ih.i anführen und ihn
ein wenig blamiren ; ist dies geschehen,
dann schwören wir ihm ewige Ver
schwiegenheit und hallen den Schwur
solange er fich fiepen unZ anständig be
nimmt, und dabei denk ich ihm seine
nächtlichen Spaziergänge abzugelröjnen
und mir die unvrgiingtiche Dankbarkeit
aller in hiesiger Festung rondethuenden
Kameraden zu erwerben, für mich selbst
aber den Hauptvogel adzujchießen und
die Braut einzuholen."
Junge, wenn Du daS fertig kriegst,
soll Dir selbst Dein unglückseliges Flö
tenfpicl vergeben sein! ' rief Mcx auS.
Warte nur. auch Imrübec sollst Du
nicht mehr spotten." erwiderte HanS.
DaS soll auch eine Rolle dabei spielen.
Mein Plan ist fertig, höre : Du
gehst heute Abend Deine Ronde wie ge-
wöhnlich und kaanft ganz sicher sein.
daß der Kommandant hinter Dir drein
schleicht, wie er daS schon oft gemacht
hat. Ich setze mir den Helm auf uud
schleiche hinter Euch drein ; am Eingang
zum Bastion 2 vor der langen Brücke
verstecke ich mich hinter dem Thor, und
wenn Du dort vorübergehst, kommst
Du zu mir und löst mich ab. Dann
bin ich Du und locke den alten Schlei-
cher irgendwo hin. wo eine Ronde nichts
zu suchen bat, während Du. sobald wir
außer Sicht sind. Deine Ronde weiter
abgehst, alle Wachen und Posten auf
daS gewissenhafteste rcvidirft und Dir.
der Sicherheit wegen, die Zeit jeder ein
zelnen Revision und die Namen aller
revidiiten Posten sorgsam notirst. Wir
tieften unS dann riach vollbrachter Thut
bei Kleist i:: der Weinstube und warten
dann rulzia cd, was sich morgen daraus
tnlxiiüi."
fcuns. Du bist ein großer Mann
oder " rief Max lachend und erfreut
auS.
Weiß schon, klnne meinen Schiller
auch." erwiderte HanS. .Wirft wohl
nun endlich einsehen, daß auch ein
jüngerer Bruder waS werth ist."
Die beiden brüderlichen Attentäter
besprachen ihr Projekt nun noch auSs ühr
licher und gingen dann hochdefriedigt
zum MiltagStlsch, wo sie in Gesellschaft
fröhlicher Kameraden die fröhlichsten
waren.
AIS auf den Thorwachen um neun
Uhr AbendS der Zapfenstreich getrom
melt und geblasen war, machten sich die
beiden Brüder, welche den Abend über
ganz ausnahmsweise zu Hause geblieben
waren, fertig um ihren Plan zur AuS
führung zu dringen. ES war Mitte
Oktober, der Abend war neblich, die
Luft jedoch noch immer lau und milde,
so recht ein Wetter für daS beabsich
tigte Vexirfpiel.
Die beiden Brüder wohnten am
Marktplatz unweit der Kommandan
tur und konnten von ihren Fenstern
daselbst ganz genau beobachten, wer
daselbft ein und ausging ; unweit der
Kommandantur aber, in einem abge
legcnen Seitenflügel des alten Schlos
seS, befand sich das FeftungSgefüngniß
und das Arreftlokal für die Garnison,
woselbst eine besondere Wache ftationirt
war. Die Revision derselben, sowie
der Gefängnißlokalitüten und Arrest
zellen mit ihren Bewohnern, war eine
besondere Aufgabe der Rondeoffiziere,
und da dieS nicht unerhebliche Zeit in
Anspruch nahm, so begannen dieselben
in der Regel damit ihren Nachtdienst.
Da nun der Kommandant den Heraus
ruf deS Postens vor dem Gewehr in
seiner Wohnung ganz genau hören
konnte, so wurde er dadurch in Kennt
niß gesetzt, daß der Rondeoffizier seinen
Dienst begonnen hatte und eS war ihm
nun leicht gemacht, die Revision daselbst
abzuwarten und den weiteren Schritten
desselben zu folgen, sofern dies in sei
ner Absicht lag. Da nun der Lieute
nant von Hoppe I auf der schwarzen
Lifte deS Kommandanten stand, so
hatte letzterer heute Abend fich borge
nommen, den Dienst deS jungen Offi
zierS genau zu kontrollieren und verließ
daher, mit einem alten Mantel und
einer noch älteren Mütze bekleidet, feine
Wohnung, deckte fich, wie er dies bei
solchen Gelegenheiten stets zu thun
pflegte, hinter einer Steinsaule deS
Vorbaues und wartete dort, bis der
Betreffende inS Freie trat, um dann
den weiteren Schritten desselben zu fol
gen
HanS von Hoppe beobachtete dieS
alles von feinem Fenster auS und
verließ, als er bemerkte, daß fein Bru
der quer über den Markt ging und der
Kommandant längs der Häufer ihm
nachschlich, mit Helm und Paletot be,
kleibet, das HauS, um fich auf dem
nächsten Wege nach der verabredeten
Stelle am Bastion 2 zu begeben und
dort seinen Bruder zu erwarten. Er
mußte mit seinem Programm sehr zu
frieden sein, denn er lachte schließlich
laut aus und wurde mitten in dem lau
ten Aukdruch seiner Heiterkeit von sei
nem ankommenden Bruder unter
brachen.
uyig, ,agie dieser, er ist gar
nicht weit von hier und hat fich hinter
einem vor dem Adler" stehenden
ffrochtwagen versteckt, mache nun.
daß Lu sortlommfl."
FamoS." lachte HanS. ES glückt
alles vortrefflich ; sobald ich fort bin
und den Alten hinter mir dreinfchleppe,
machst Du kehrt, gehst über die lange
Brücke nach Pulver chuppen 6 und der
Henker soll mich holen, wmn er Deine
Spur wieder findet. vergiß auch
Lünette rechts und links nicht und
schreibe Dir Deine Zeugen auf
aoieu, um iz Uhr bei Klei und. wie
es in den Briefen gewöhnlich so schön
beißt: alle Uedrige mündlich
Damit ging er in gemessenem
Linfllchriit aus die Straße, that erst.
als wolle er den nächst gelegenen Posten
rev,duen. schlug aber plötzlich den
Weg zum Thore hinaus ein und betrat
sodann mit deh,iqttchcn Schritten die
Promenade deS GiaciS, nicht ohne sich
zu vergewi! strn, daß fich der Komman
dant in gemessener Entfernung hinter
ihn, befand. Letzterer nun war außer
sich ; denn eme derartige grobe Ver
nachlüssigung deS Königlichen Dienstes
war ihm in seinem Leben noch nicht
vorgekommen und noch dazu heute, wo
er unter ernstlicher Strafandrohung ge
rade diesen Offizier hatte verwarnen
lassen. Die Wachen und Posten der
Garnison waren nvch nicht zur Hälfte
revidirt, bis Mitternacht mußten sie.
einem Befehle gemäß, sämmtlich revi-
diert sein und eben hatte es vom Kirch-
thurm elf ein viertel Uhr geschlagen.
Dieser junge Mensch da aber that, als
sei ihm das alles furchtbar Wurst und
ha. was ist das I da fetzt er sich
sogar ganz gemüthlich auf eine Bank,
zündete fich eine Cigarre an und thut,
als sei eS die schönste Maiennacht und er
hä!te keinen Dienst und nichts weiter zu
diesem entsetzlichen Dienstvergehen da
durch ein Ende machen, daß er den
harmloZthuendcn Rondeoffizierzur Rede
tnllte? ES wäre die? wohl daS einfachste
gewesen, aber er mußte sich doch s igcn,
daß dabei seine nächtlichen Schleich.;ä:igi
bekannt werden würden, und daß er,
tirtz ieneS Diiftocraehcr.S. bei der
ganzen Geschichte doch eine eigenthüm
liege olle spiele. Er beschloß daher,
sich gehörig und vorsichtig zu dicken und
abzuwarten. waS denn eigentlich dcr
sonderbare Nachtschwärmer da vor fich
weiter beginnen werde ; so duckte er fich
denn hinter die Büsche und wartete da
eitere ad. selbst auf die Gefahr hin,
fich einen tüchtigen Schnupfen zu holen
Unser Lieutenant aber hatte Einficht
genug, seinen Beobachter nicht unnöthi
zu langweilen, sondern für sein Ver
gnügen zu sorgen ; er holte seine getreue
Pickelftöte aus der Paletot-Tasche und
begann in schmelzendem, wenn auch
etwa quietschendem Adagio die schöne
Arie zu spielen : Mich verlassen alle
Freuden."
Der Kommandant war starr vor
Staunen und Empörung. Nein,
etwas geht über die Hutschnur; fta
Ronde zu gehen und Wachen und Posten
zu revidiren, geht dieser Mensch inS
GlaciS und quietscht auf der Pickelflöte,
und noch dazu Mitte Oktober bei
Nacht und Nebel !"
.Dieser Mann muß verftSct sein.
murmelte er sich v?r sich hin. DaS ist
ja geradezu Wahnsinn, daS ist ohren
zerreißender, gepnffener Blödsinn!"
ES kam aber noch besser. Nachdem
der verliebte Lieutenant feinem zerrisse
nen Herzen auf dcr Pickelflöte Luft ge
macht hatte, steckte er dieselbe wieder
ein und begann Heine'S berühmtes Ge
dicht Erklärung" vor sich hin z l dekla,
miren. Mit jedem Verse aber kam er
mehr in Ekstase, bis er endlich von der
Bank aufsprang und laut gegen die
Stadt hin den SchlußverS deklamirle
thun, als auf die Lieder der Nachtigall
zu lauschen.
DaS ungefähr waren die Gedanken
deS Oberstlieutenants von Schleichwitz.
Was aber sollte nun werden? Sollte er
Jedwede Nacht lodert alsdann
Dort oben die ewige Flammenschrift,
Und alle nachwachsenden Enkelsge
schlechter
Lesen jauchzend die Himmelsworte
Agnes, ich liebe Dich !"
Er in verrückt oder verliebt, muv
melte der Kommandant, der staunend
zugehört hatte. Vielleicht ist er beides
Nun, morgen sprechen wir uns weiter,
Herr Lieutenant von Hoppe I"
es mittlerweile Mitternacht ge
schlagen hatte und die Rondezeit vor
über war, so hatte der Kommandant
seinen Zweck erreicht und durfte fich
nunmehr vorsichtig rückwärts konzen,
triren. was denn der freundlichen Kon,
Zeitgeber, dem der Witz zwar unendlich
Spaß gemacht hatte, der aber doch recht
froh war, feinen etwas kühlen Aufent
halt nun endlich verlassen zu können
sofort nachahmte. Er ging zu Kleist,
eme damals edr besuchte Wemnude.
wo er nicht nur feinen Bruder sondern
auch eine ganze Menge höchst fideler
Kameraden antraf. Ein stummer Blick
des Verständnisses belehrte letzteren, daß
das Complott ganz nach Wunsch ge
lungen set.
Zufrieden mit ihren Erfolgen schlie
fen darauf die Gebrüder Hoppe den
Schlaf des Gerechten, während der alte
Kommandant, trotz feiner Müdigkeit,
denselben vergeblich herbeisehnte. Als
er endlich ein wenig eingeschlummert
war, regten gräßliche Träume ihn fie
derdast auf.
Ader die Stunde der Abrechnung
und Bergeltung sollte nicht ausbleiben
Kaum graute der Tag. da entsprang
dcr alte Herr seinem Schmerzenslager,
kleidete fich sofort dienstmäßig an und
nahm zum Staunen seiner Frau und
Tochter. daS Frühstück wider feine
sonstige Gewohnheit hastig und schweig
sam ein. Er sandte nach Beginn der
Bureauftunde eine Ordonanz zum
Sekonde'Lieutenant von Hoppe I mit
dem Befehl, sofort bei ihm zu erfchei
nen.
Während HanS. der Hauptakteur in
dieser Komödie dcr Irrungen, bereits
eifrig Rekruten drillte, hatte Mar. da
er des Nachts Rondedienft gehabt. Vor
miiiaz :uye und war demnach zu
Hause, als die Ordonanz ih n den Befehl
deS Kommandanten überbrachte. Da
er denselben erwartet hatte, so war er
dere'tS angezogen und bereit, dcr Vor,
ladung umgehend zu folgen. Nach oe,
schehencr Anmeldung wurde er sofort
von dem ausgebrachten Kommandan
ten mit grollender Dicnstmiene empfan-
gen.
Herr Lieutenant von Hoppe." be
gann der Oberstlieutenant sein Exa-
men. 'sie hatten heute Nacht die
Ronde, haben Sie dieselbe vorschristS-
müßig gegangen?"
Zu Befehlen. Herr Oberstlieute
nant I" antworte Mar dienstlich kur,,,
kn, Herr Lieutenant, entgegnete
der Kommandant, indem er fich die
erdenklichste Mühe gab, seinen
Blicken etwas Durchbohrendes, Nieder
chmetterndeS zu geben. ..ich hätte
nicht geglaubt, daß meine noch
gestern erlassenen erneuten Befehle
und Mahnungen so gänzlich unbeachtet
bleiben würden. Sie haben die Ronde
nicht in vorschristSmäßigrr Weise ge
gangen, Herr Lieutenant! Sie haben
Ihren Dienst in ganz unverantwort
licher Weise vernachlässigt!"
Bitte um Verzeihung. Herr Oberst.
lieutenant. ich"
L?cheigen Sie. Herr Lieutenant!
ES giebt hier keine Entschuldigung ; ich
würde verzeihen, wenn Ihr Vergehen
nicht geradezu empörend wäre, wenn
Sie z, B. von Müdigkeit überwältigt.
vor dcr Zeit Ihre Wohnung aufgesucht
und den begonnenen Dienst nicht gaz
zu Ende geführt halten. So etwas kann
ja vorkommen. Ader im vollen Be
wußtsein Ihre? DienstdergehenS. glich
sam bohnlächsliid. jedenscUS bis zur
Undertändlichleit üdcrmütdig "
Aber. Herr Oberstlieutenant, ich
verstehe Sie absolut nicht." rief Max
von Hcppe. der sich MüZe gab. seine
Heiterkeit zu verbergen.
.Sie verstehen mich immer roch nicht,
Herr Lieutenant?" rief der entrüstete
Kommandant. Haben Sie sich nicht
statt Ihren Dienst zu verrichten, in daS
GlaciS gesetzt? Haben Sie nicht mit
äußerstem Befremden muß ich eS fagen
Mich verlassen alle Fremden' auf der
Flöte gespielt, auf d s Pickelflöte noch
dazu? Und dann, was sollte das Ge
dicht mit dem blödsinnigen Inhalt, was
sollte der Schlund des Aetna, was die
höchste Tanne und was der Name
.AgncS", Herr Lieutenant?"
.DaS muß ein Irrthum sein. Herr
Oberstlieutenant," entgegete Max von
Hoppe. .Ich habe meinen Dienst ge
wissenhaft verrichtet und verstehe von
alledem, waS Sie da sagen, kein Wort."
Ein Irrthum ist völlig ausge
schlössen," schrie der durch die ruhige
Adleugnung selbst gemachter Wahr.ieh
mungen völlig aus dcr Ruhe gebrachte
Kommandant. Und Ihr Leugnen
macht die Sache nur noch schlimmer!
Ich kann eine derartige Vernachläsft
gung und Verhöhnung dcS Königlichen
Dienstes im allgemeinen und meiner
soeben erst erlassenen Befehle im beson
deren nicht dulden: Sie haben vor
läufiz drei Tage Stubenarrest und ich
werde mir überzogen, ob ich noch
höheren OrtZ über Sie berichten muß."
Sie werden, m r gestatten, Herr
Oberstlieutenant, daß ich die soeben er
haltene Strafe meinem Bataillons
Kommandeur melde und auch meiner
feits die nothwendigen Schritte thue,
um meine völlige Unschuld zu be
weisen, sagte der Lieutenant von Hoppe.
indem er fich kurz verbeugte und als
keineswegs geknickter Uebelthäter hoch
aufgerichtet das Zimmer verließ.
Der Kommandant schaute ihm ver
blüfft nach und wußte in der That
nicht, waS er von einem derartigen
selbstbewußten Benehmen denken sollte.
Der Lieutenant nun ging graben WegS
zum Major von Dorpitzki. dem Ba
taillonS'Kommandeur, meldete diesen
seinen empfangenen Arrest und legte
gleichzeitig unter VorweiS sämmtlicher
beweiskräftigen Notizen Beschwerde da
gegen ein.
Haben Sie auch wirklich den Ronde
dienst richtig vzrsehen?" fragte der
Major. Und woher will der Herr
Commandant daS Gegentheil wissen?
Mein Ehrenwort, Herr Major, daß
ich alle Wachen und Posten revidirt
habe," antwortete Max Herr Major
brauchen nur die Wachtbücher nachsehen,
worin die Stunde meiner Revision ein
getragen ift, sowie die einzelnen Posten
befragen, welche bezeugen werden, daß
fie mich nicht allein gesehen, sondern
daß ich mich auch nach ihren Namen er
kündigt und diese aufgeschrieben habe.'
Aber wozu diese Vorsicht, lieber
Hoppe?" fragte der Major.
Weil unS längst bekannt ,ft, Herr
Mazor, daß uns der Herr Ko nman
dant in der Nacht heimlich beim Ron
dengang folgt und weil dabei sehr leicht
ein Irrthum pasftren kann, wie daS
denn auch heute Nacht der Fall gewesen
ist," erwiderte Max,
Und Sie haben keine Ahnung, wie
dieser Irrthum entstanden ist?" fragte
der Major.
El gewiß. Herr Maior, ich habe so
gar genaue Kenntniß davon. Ich bin
mit meinem Bruder verwechselt wor
den. aber der Herr Kommandant ließ
mich ja nicht zu Worte kommen."
Nun, so will ich den Irrthum auf-
klären." lachte der Major; doch steckt
da sicher irgend ein Streich dahinter,
weshalb wir die Geschichte vorläufig
mal diskret behandeln w,ollen. Gehen
Sie jetzt ruhig nach hause, ich werde die
&nAi? in ritbrnina dringen."
Während Max ruhig nach seiner
Wohnung wanderte, woselbst er seinen
Bruder bereits antraf und mit diesem
dann daS Abenteuer weidlich belachte."
begab fich der Major zu den Wachen,
reoidirte die Machtbücher, examinirte
die detreffenSen Posten und erlangte
dadurch die Gewitzelt, daß der Lieute
nant von Hoppe I in der That in vol
lem Maaße feine Schuldigkeit gethan
habe. Mit diesem Resultat ging er auf
dicKommandantur und machte den Kom
Mandanten damit bekannt. Dieser war
vollständig perplex und wußte anfangs
nicht, was er zu dieser Enthüllung sagen
ollte.
Aber ich bitte Sie, lieber Major.
ch soll mich geirrt haben ! DaS ift ja
gar nicht möglich, ich svlgle seiner
spur, sein Helm leuchtete weit hin, er
verließ die Stadt, ging in daS GlaciS.
fetzte fich dort auf eine Bank, rauchte
erst eine Cigarre und fing dann an auf
der Pickelflöte zu blasen, ich höre fie
jetzt noch quietschen "
DaS aueS dczweiste ich nicht, perr
Oberstlieutenant." jagte der Major
lächelnd, nur haben Sie fich in dcr
Person geirrt: sein Bruder b.äst die
Flöte und heißt dafür im ganzen Regi-
ment Flöten-August."
glöten-August," rcpetirte der Kom
Mandant und knickte förmlich zusam
men. O, dieses ungiuaimge tfioten
picl hat mich am meisten geärgert,
und dann fing er an zu deklamiren
Herr Maior, schicken Sie mir, bitte.
den jungen Mann her, er soll mir selbst
erklären, wie da alles gekommen ist,
der andere ist natürlich sosmt scincS
Arrestes entlassen und ich werde Ge
legknheit nehmen, ihm die nöthige Er
klärung abzugeben."
Der Major ging befriedigt von dan
nen und sorgte datür. daß der Lirute
r.ant von Hoppe 11 sofort Befehl er
hielt, bei dem Herrn Kommandanten
zu erscheinen. Dieser Befehl traf beide
OrUder. olS fie gemeinschaftlichen großen
KriegSrath hielten.
"Ihm!" rief HanS aus. Nun kann
die Bombe Platzen."
Damit stülpte er fich den Helm auf
und ging festen Schrittes über den
Marktplatz auf die Kommandantur zu.
Der Kommandant empfing den jun
gen Offiiier nicht unfreundlich und
konnte Yd) t ner gemissenNeugierde n cht
erwehren, den sonderbaren Nachtschwär
mer näher kennen zu lernen und den
Grund seines eigentlich unerklärlichen
Benehmens zu erfahren.
.Man hat Sie heute Nacht Flöte
spielend auf der GlaciSpromenade ge
sehen, Herr Lieutenant, gesehen
und gehört... mit dem Helm aus
dem Kopfe. Herr Lieutenant ja.
mit dem Helm auf dem Kopf und die
Flöte spielend, ja. sogar die Pickel
flöte höchst sclisam, in der That,
Herr Lieutenant, höchst seltsam ! Wir
wollen Sie mir das erklären, Herr
Lieutenant?"
.Ob ich dort gesehen und gehört wer
den bin, weiß ich nicht, Herr. Oberst
lieutenant aber dort war ich aller
dingS zu der angegebenen Zeit, und die
Flöte habe ich auch gespielt, daS kann
ich nicht leugnen," antwortete HanS in
bescheidenem Tone und sah den alten
Herrn dabei freundlich lächelnd an.
.Also es ist richtig.... hm! Sehr
seltsam, in der That .... und deklamirt
haben Sie auch.... sehr laut sehr
seltsames Zeug hm und dabei
den Helm auf dem Kopf äußerst
seltsam, auch einen Namen dabei ge
nannt, einen Namen "
.Der mir unendlich theuer ift, Herr
Oberstlieutenant. " unterbrach ihn HanS.
Ich gebe zu, daß. wer mich gesehen
und gehört hat, mich kaum verstanden
haben wird. Herr Oberstlieutenant, ich
bin nämlich ernstlich verliebt, mein
Herz jauchzt himmelhoch, weil ich glaube
wieder geliebt zu werden, und ift den
noch zum Tode betrübt, weil der Vater
meines geliebten Mädchens mir bis jetzt
bei jeder Gelegenheit unzweideutige Be
weise seiner Abneigung gegeben hat."
In der That hm. höchst seit-
sam!" brummte der alte Herr und
blickte den aufrichtigen Lieutenant er
staunt an. Und deshalb laufen Sie
um Mitternacht im GlaciS herum und
spielen die Pickelflöte?.... In der
That, hächft seltsam und weshalb
setzten Sie dazu den Helm aus?" fragte
der Oberstlieutenant, dem gerade dieses
Faktum am allcrseltsamften erschien,
und der durchaus den Grund dafür er
fahren wollte.
Aus Hochachtung für die Dame mei
Nks Herzens, Herr Oberstlieutenant!"
platzte HanS heraus, der doch unmöglich
den wahren Grund dafür angeben
konnte, welcher bekanntlich in der Ad
ficht bestand, den Kommandanten irre
zu führen.
Hm, seltsamer Grund! Sie
sind ein sonderbarer Schwärmer!"
Das sagte König Philipp zum Mar
quiS Posa auch; aber. Herr Oberst
lieutenant, der Marquis war Ordens
ritter und durfte nicht heirathen, ich
aber habe sehr stark die Absicht dieS zu
thun und werde die passende Gelegen
heit dazu benutzen, um mein Ziel zu er
reichen," sagte HanS sehr ernft,
Ei, ei! Sie sprechen ja sehr fiegeS
gewiß, junger Mann." antwortete der
Oberstlieutenant, einigermaßen in Ver
legenheit gebracht, da er recht wohl her
ausfühlte, daß HanS von Hoppe feft
auf sein Ziel losging und die ihm auf
gedrungene Situation für sich auSzu
nutzen bereit war.
Und diese Absicht hatte er in der
That, deshalb trat er einige Schritt
näher und sagte:
Herr Oberstlieutenant, darf ich Ihnen
auch den Namen oerjenigen nennen,
welche mein Herz derartig ausfüllt, daß
ich Tag und Nacht nur an sie denke?
ES ift Ihr Fräulein Tochter, und ich
halte hiermit feierlich um die Hand der
selben an."
Da war eZ heraus uud eine promptere
und kürzere Brautwerbung ist wohl sel
t n vorgekommen. WaS der Oderft
lieutenant dazu gesagt und wie Fräu
lein AgneS die Sache aufgefaßt hat?
Ja nun, daZ mag fich der freundliche
Leser ausmalen, für LiebeSgefchichten
bade ich kein rechtes Erzählertalent.
Thatsache ift, daß dcr Kommandant
kurze Zeit darauf eine große Gesellschaft
gab. zu der wir alle eingeladen waren,
und daß an dem Abend die Verlobung deS
jungen PaareS proklamirt wurde. Die
Geschichte von dem Doppelgänger blieb
lange Jahre das Gkbeimniß der wem
gen Mitwisser, und ich selbst habe sie
erst nach mehr als zwanzig Jahren er-fahren.
Gute Andeutung.
Junge Wittwe: Sagen Sie mir.
Herr Doktor, find Sie wirklich ein so
großer Kindersrcund?"
Herr: Tag könnte ich gerade nicht
behaupten."
Junge Wittwe: Aber warum küssen
Sie denn so oft meine kleine Wally?"
Herr: Ja. wissen Sie. meine Gnä
dige. wer daS Kleine nicht ehrt, ift deS
Größeren nicht werth."