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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Jan. 27, 1898)
Der Somtfagsguff. Jahrgang 1. Beilage zum Nebraska 5taats-?ln;eiger. No. 31. Die beiden ricbcnbublvr. Hn'io, 'che 'KjtfiUf p;in , e r ii K v ll g h Z rr , t!j. ES war am Abend dkr Schlacht von Eedgkmoor, die Nacht war hrreinzk Krochen und die alle Kirche von Wefton Zayland. in der 500 befangene eilige schlössen waren, bot einen düsteren An blick dar. Hier und da beleuchteten vereinzelte, an den Pfeilern befestigte Flammen mit ihrem düsteren Lichte die Rebellen die auf den Banken, an der Erde, be wegungZloS. in wirrem Durcheinander, verzweifelt faßen oder lagen. TiefeS Schweigen herrschte. daS nur von den Schritten der Echildwachen oder von dem Geschrei unterbrochen wurde. daS der Schmerz den Berwun beten entriß. Einige beteten, Andere ließen Wahn finnig vor Schrecken, ein dumpfes Stöh nen hören. Keiner schien sich einer Illusion Über sein Schicksal hinzugeben. Alle wußten, daß ein mit den Was fen in der Hand von dem berühmten General der Royaliften, deS schrecklichen Lord JeverZham. ergriffener Rebell un fehlbar gehängt oder erschaffen wurde. Der furchtbare Sieger wartete nur den Tag ad, um das Blutbad zu be ginnen. Trotz dieser Aussicht hatten einige Gefangene ihre Kaltblütigkeit nicht ver loren; darunter zwei, die im Dunkel auf den zur Kanzel führenden Stufe faßen. Der ältere der Beiden war ein Mann von etwa 35 Jahren, mit schroffen Zügen und kräftigem Körper, der im Kampfe schrecklich sein mußte. Von Beruf Bereiter, hatte er in der Zäh mung wilder Füllen nicht seineSglei chen. Sein Geführte war ungefähr 6 8 Jahre jünger als er. Er hieß David Dare. während der Andere John Quixaroyn hieß. Ouixaroyn, der deS Schwatzen? müde war, hatte au? seiner Tasche eine kleine, schwarze Pfeife herausgezogen und ruhig zu rauchen angefangen. Als David Dare das sah. suchte er In seinem WammS, und zog.... nicht eine Pfeife, sondern ein Bild her vor, daS Bild eines wunderbar schönen jungen Mädchens. Lange betrachtete er eS und ftieß einen schmerzlichen Seufzer aus. Dieser ttaurige Blick war sein letztes Lebe wohl. . Quixaroyn konnte die Züge deS jun gen Mädchen nicht unterscheiden ; doch alS er das Bild sah. dachte er, eS wäre das der Braut oder der Gattin seines Gefährten und murmelte leise : Armer, unglücklicher Mann !" In dieser Bemerkung lag ein weit innigeres Mitleid, als man von seiner rohen Natur hätte vermuthen sollen. Dann fuhr er mit lauter Siimme , fort : Ach. ich bin noch mehr zu bekla gen als Ihr. Auch ich liebte ! WaS sage ich! ich liebe noch, ich werde lieben!...." Dare betrachtete seinen Kameraden erstaunt und sagte : .Wie. auch Ihr habt denselben Kummer! Auch Ihr wißt, daß ein Weib bei der Nachricht deS Unglücks, das uns trifft, den Verstand verlieren und vielleicht vor Schmerz sterben wird?" .Ach nein, so ist eS nicht,' fuhr John mit bitterem Lächeln fort. ,,mei netwegen wird kein Weib den Verstand verlieren DaS Weib, daS ich liebe, liebt mich nicht mehr Ach! und ich werde sterben,, ohne mich zu rächen, ohne mich an den Schurken zu rächen, der mir ihre Liebe gestohlen hat. ... - Seine Augen sprühten Flammen und der Zorn verzerrte ihm das Ge ficht. .Wer hat denn diese Schurkerei be gangen?" fragte David. .Wer? wer?.... Glaubt Ihr, ich hätte den Banditen nicht getödtet, wenn ich seinen Namen wüßte?. .. . Nein, leider kenne ich ihn nicht. .Ich weiß nur. daß daS junge Mäd. chen. welches mich liebte, mich nicht mehr liebt. Als ich sie um eine Erklä rung ersuchte, gestand sie mir, sie hätte ihr Herz einem Anderen geschenkt, und setzte hinzu, sie rechne auf meine Groß ' muth. daß ich freiwillig auf sie der? zichte.... Ich war wahnsinnig vor Wuth ... Trotzdem willigte ich ein. unter ki Bedingung, daß sie mir den Namen meines Rivalen nennen sollte. Sie weigerte sich, denn sie fürchtete mit Recht ich würde ihn erdroffeln . . . . Trotzdem hätte ich den Schurken doch entdeckt, da brach dieser verwünschte Krieg aus ; das Blut kochte mir in den Adern und doch schloß ich mich den Kämpfenden an. DaS Schicksal war gegen mich. Um so schlimmer l Mor gen werde ich wie ein Hund erschos sen! Nun denn, ich schwöre eS bei Gott, ich würde gern und zufrieden sterben, wenn ich mich vorher rächen könnte." .Ich würde ebenso denken, wie Ihr. murmelte David. Quixaroyn dachte einen Augenblick nach, dann nahm er ein Bild auS der Tasche, reichte eS dem jungen Mann und sagte : .Da ! betrachtet dieS engelhafte Ge ficht. Konnte man glauben, sie würde mich täuschen, wie fie.eS gethan hat? Mit diesen schönen, sanften, reinen Augen! " Während Dare daS Bild, daS man ' .ihm reichte, nahm, gab er Ouixaroyn daS seine, und Beide betrachteten zu gleicher Zeit die Porträts. Entsetzen l Die beiden Bilder stellten dieselbe Frau dar. ES trat ein entsetzliches Schweigen ein. wie eS stets den Stürmen vorherzu gehen pflegt. Endlich sprach Ouixaroyn: .Wie! Jhr seid'ö?- heulte er mit wutherstickttk Stimme. .Nun, jeden falls," fuhr er mit boshaftem Lachen fort, .ist mein innigster Wunsch erfüllt ; ich habe Euch gefunden. Mein guter Stern sei gesegnet !" David betrachtete eine Minute seinen Nebenbuhler und sagte ruhiz : .Wir Ihr seht, bin ich Euer Neben buhler ! Ich gestehe, ich hatte nicht die geringste Idee, Euch einen so bösen Streich gespielt zu haben; doch die Sache richtig betrachtet, ist Niemand zu tadeln...." Glaubt Ihr?" Niemand! Ich wiederhole eS. Mary Seldon hatte ftch eben in ihren Gefüh len getäuscht.... Als sie später mich kennen lernte, kam sie zu der Ueberzeu gung. daß sie Euch nie geliebt hat. Sie hat eS mir gesagt, sie hat mirAlleS gesagt; Allerdings ohne mir Euren Namen zu nennen Ihr flößtet ihr Furcht ein .... und hättet sie niemals glücklich machen können. Sie liebte mich. Was macht Ihr ihr zum Vormurs?" .Nichts !" rief Ouixaroyn und steckte das Bild wieder in die Tasche, .ihr zürne ich nicht ; doch ich hasse den Mann, der sie mir geraubt hat!... Ich habe geschworen, mich zu rächen Ver theidigt Euch ! Ein Trommelwirbel schnitt ihm daS Wort ab. Die beiden Männer betrachteten fich. ohne fich zu rühren ; sie schienen plötz lich festgenagelt zu sein. Der Trommelwirbel verkündete den Tagesanbruch, für alle diese armen Menschen schlug die letzte Stunde. Die Wachen wählten bereits die Ge fangenen aus, die zuerst den Tod erlei den sollten. Darunter befanden fich Dare, Quixaroyn und ein Dutzend an dere. Man führte sie zu zwei und zwei auS der Kirche heraus und fie zogen durch daS Gitter des Kirchhofes. Am Hinrichtungsplatze war ein gan zcS Regiment poftirt, daS ein höherer Offizier kommandirte, vor dem die Wachen ehrfurchtsvoll folutirten. Es war ein Mann von etwa 40 Iah ren, der auf seine Persönlichkeit sehr eingebildet zu sein schien, und dessen Korrektheit und gesuchte Vornehmtheit zu der, mit Blut und Schmutz bespritz ten Kleidung der ihr umstehenden Sol dateSka einen seltsamen Gegensatz bil beten. Lord FeverSham denn er war eS stand im Begriff, ein neues Beispiel der kalten, selbstsüchtigen Grausamkeit zu liefern, der er seinen traurigen Ruf verdankte. Mit lächelnden Lippen, einen höhni schen Blick auf die Rebellen werfend trat er vor und rief : .Gut! Ihr habt die Führer der Bande gewühlt? Sie werden zuerst füftlirt. Sergeant John, empfehlt Euren Leuten, gut zu zielen." Die Gefangenen wurden in einer Linie in einiger Entfernung von ein ander aufgestellt. David Dare und John Ouixaroyn standen wieder nebeneinander. Ein Offizier auS der Umgebung FeverSham'S bemerkte sie und sagte, sich zu dem General wendend : Wie schade, daß diese beiden Män ner in daS bessere Jenseits befördert werden sollen ! Ich kenne fie ; der Eine ist der erste Reiter deS Landes ; der Andere der beste Läufer der Grafschaft." FeverSham dachte einen Augenblick nach, dann sagte er plötzlich : Holt! mir fällt etwa ein.... Wartet noch. Sergeant John ! Tann fügte er, zu dem Offizier sich wendend, leise hinzu : .Wie wär'S, wenn wir fie laufen ließen, den Einen zu Fuß. den Anderen zu Pferde. Wir könnten Wetten arran girrn. Ter Major war menschlicher: er überlegte einen Augenblick und erwi derte : DaS ist eine gute Idee; doch um ihr Interesse anzuspornen, wollen wir Demjenigen daS Leben schenken, der zuerst an'S Ziel kommt." FeverSham zog die Stirn zusammen ; eS widerstrebte ihm. einen Rebellen zu begnadigen. Trotzdem trug daS Ver gnügen. die beiden Männer gegen ein ander kämpfen zu sehen, den Siez über seine Mordluft davon. Jedenfalls." dachte er. habe ich den Trost, daß ich den Verlierenden doch erschießen lassen kann." Gesagt, gethan. Man führte die beiden Gefangenen zu einem Baum den einzigen, der fich auf der Haide be fand bildete zwei Reihen Soldaten, die einige Meter von einander aufge. stellt waren, und Lord Feversham und der Major begaben fich nach dem zum Ziel gewählten Orte. Tann theilte man den beiden Rebel len die Bedingungen deS Wettlauf?S mit, der Elfte, der bei Lord FeverSham angelangt wäre, sollte in Freiheit gesetzt werden. AlS David Dare diese Worte ver nahm, durchflog ihn ein HoffnungS schimmer, auf den bald eine tiefe Ver zweiflung folgte. Allerdings war er der erste Läufer in seiner Heimath ; doch sein Nebenbuhler war ja zu Pferde Nun, er wollte daS Aeußeifte ver suchen, denn Gewinnen hieß leben, leben mit Mary Seldon als Frau. Ouixaroyn war bereits auf ein Pferd gestiegen. Der Glanz, der eben in fei nen Augen aufgeleuchtet hatte, war er loschen, und sein rauheS Geficht hatte wieder seinen düsteren Ausdruck ange nommen. Die letzten Worte, die Dare in der Kirche gesprochen, klangen ihm wie ein Todtenglöckchen in die Ohren. Sie liebte Euch nicht, und Ihr hättet sie nie glücklich machen können." DaS war ein entsetzlicher Gedanke, der ihn verfolgte, ihn quälte und in schmerzliches Sinnen versenkte. Erst als er in die Nähe deS BaumeS kam. schien er zu erwachen, und der An blick Dare'S, der mit nackten Füßen fich zum Laufe anschickte, entlockte ihm ein trauriges Lächeln. Die beiden Soldaten ließen nun die Zügel des Pferdes log, der Sergeant erhob fein Piftol. ein Schutz ertönte, und der Mann und das Pferd schössen davon. Sogleich hatte der Läufer Vor sprung, doch bald holte der Reiter ihn ein und Seite an Seite legten fie den Weg zurück. Die Hälfte deS WegeS war er reicht; noch blieben hundert JardS Der Kampf wurde furchtbar; der Läufer verdoppelte feine Schnelligkeit; während der Reiter fich in den Steig bügeln aufgerichtet hatte. Niemand wagte mehr zu athmen. Noch fünfzig BardS. das Pferd mußte gewinnen; .... keine Hoffnung mehr .... eS war zu Ende Doch nein, plötzlich lief daS Pferd langsamer. Der Läufer, der schon außer Athem war. machte eine letzte übermenschliche Anstrengung. Mit einem Satz überholte er das Pferd und fiel erschöpft zu den Füßen der Richter nieder. Trotz der Achtung, die die Soldaten für die Offiziere hegten, brach Geschrei und BravoS auf allen Seiten los. Selbst Lord FeverSham geruhte zu lächeln, und sagte nachlässig: Ich habe meine Wette verloren, doch es thut mir nicht leid, eS war ein hüb scheS Wettrennen." Zwei Soldaten waren auf Dare zu getreten und hatten ihm etwas zu trinken -gegeben. Nach kurzer Zeit konnte er sich erheben, obwohl er fich noch sehr schwach fühlte. Einige Schritte entfernt stand Ou'xa royn mit lächelnden Lippen bei seinem Pferde. Dare wurde todtenblaß und mur melte, fich seinemRivalen etwa? nähernd, in ganz leisem Tone: Quixaroyn. Ihr habt Eure Pferde zurückgehalten? Ihr habt mich gewin nen lassen um Mary'S willen!" Quixaroyn reichte ihm die Hand. .Du wirft fie glücklich machen," mur melte er mit gebrochener Stimme. Dann wandte er fich um, und ging mit hocherhobenem Haupte dem Platze zu, der ihm unter den Verurtheilten angewiesen war Ein kurze Kommando zerriß die Stille: Feuer!" AIS David die Augen wieder öffnete, senkten die Soldaten ihre Waffen und ein weißlicher Dampf schwebte über den leblosen Körpern, die im Grase ausge streckt lagen. Dare lief auf Quixaroyn zu. Er lag. die Arme in'S Kreuz gefaltet, mit dem Geficht zur Erde. In seiner linken Hand hielt er ein Bild. daS eine Kugel durchbohrt, bevor sie sein Herz erreichte. Das Glück von Edenhall. Von Eduard Ii'gesen. Wenn Einer Einem einen Tritt der fetzt, so pflegt dieS weh zu thun; noch mehr weh thut eS freilich bisweilen, wenn Einer Einem einen faulen Ka lauer versetzt und man aus fogenann ten gesellschaftlichen Rücksichten gezwun gen ift. fich dabei ganz still zu halten und möglicher Weise noch ein freund licheS Lächeln zu entwickeln; am aller wehften thut eS aber doch, wenn Einer Einem die letzte Hose versetzt! und daS ift meinem Freunde Kriftoffer pafftrt. Wir wohnten damals zu Dreien auf einer Bude, so erzählte er mir kürzlich, und hatten alle Treie kein Geld, gar kein Geld, absolut kein Geld! Versatzgegenftände besaßen wir aber auch nicht mehr, denn eS war bereits längst Sommer geworden und alle ent behrlichen Kleidungsstücke waren schon in's Leihhaus gewandert, wie dies bei richtigen Studenten zur schönen Som merSzeit ja auch in der Ordnung ift! Nun mußte freilich in der allernächsten Zeit Geld kommen, denn Hingeschrieden war bereits, nur mit dem Herschreiden haperte eS noch immer! Da man fich aber für Geld, welches blos erwartet wird, in Berlin nun doch 'mal weder Bier, noch Cigarren, weder Wurst, noch Schinken kaufen kann, so war guter Rath theuer, und wir verfielen zuletzt darauf. auSzukno beln. wer seinen einzigen Anzug her geben und sich so lange in'S Bett legen sollte, biS die pekuniären Schwierig leiten gehoben feien. Wie immer, wenn ich mit meinen beiden Freunden Fritz und Ludwig den Würfelbecher schwang, so hatte ich denn auch diese? Mal da! Pech, der 'Reingefallene zu fein, so erzählte Kriftoffer weiter, und so mußte ich mich denn entkleiden und am hellen Tage mein Lager aufsuchen, während die anderen Beiden mei nem schon überaus mitgenommenen An zug säuberlich einpackten und damit ihr Heil versuchten. Daß nicht viel bei der Geschichte her auöbraten würde, konnte ich mir bereits selbst klar machen, denn wie gesagt der Anzug war schon sehr ftrapezirt, und da ich außerdem nur sehr klein ge rathen bin und vor allen Dingen unge wöhnlich kurze Beine habe, so war eS leicht vorauszusehen, daß wir von dem ErlöS kaum würden in Sekt schwelgen können. ES kam aber noch viel schlimmer, alS ich gedacht hatte. Natürlicherweise kann ich jetzt die folgenden Vorgänge nur nach den Erzählungen von Fritz und Ludwig wiedergeben, denn ich selbst mußte ja leider zu HauS und im Bette bleiben, ein persönliches Mitmachen der Geschichte würe sonst gut und gern drei Mark werth gewesen. Also auf dem ersten Leihamte wur den die Beiden überhaupt von vornher ein sozusagen herausgeschmissen, da der kgl. Leihbeamte kurz und rauh erklärte, für abgetragene und ausgewachsene" Kinderanzüge .prinzipell" keinerlei Ver Wendung zu haben; fie möchten die alten Loden nur einer armen Familie schen ken. daS sei schon daS Beste. Bei dem zweiten Verfatzonkel hatten sie allerdings schon eine Art von Ach tungSerfolg insofern, alS Herr Abra ham wenigstens die Sachen auspacken ließ, die Beinkleider in die Hand nahm und sie einer genauen Besichtigung un terwarf, dann aber, nachdem er sie zwischen seinen Armen ausgespannt hatte, mit listigem Lächeln meinte, Badehosen könne man doch nicht be leihen!" Ziemlich deprimirt und mit stark knurrenden Mägen wanderten der gute Fritz und der brave Ludwig also zu der dritten Stelle und hatten hier das Glück, eine würdige Matrone mit äußerst wohlwollenden Zügen anzutreffen, bei deren Anblick sich der Muth in ihren treuen Freundesherzen wieder etwas hob. ES handelt sich hier um einen Fall deS äußersten. deS unbeschreiblichsten Elends, gnädige Frau," begann der redegewandte und mit großem schauspie krischen Talent ausgestattete Fritz feine Auseinandersetzung, um die grausige unverschuldete Nothlage einer armen Familie, der wir mit unsern letzten Mitteln (hier wieS er auf meinen fchä bigen Anzug) zu helfen feft entschlossen sind !" Jotte doch, is et wirklich so schlimm? Wat Sie for'n Paar edle, jute Men schen sein müssen! Na. zeigen Se man mal den Bowel her. ville scheint ja zwar an den ollen Kledagen nich mehr dran zu find I" DaS allerdings nicht! Aber eS ist für einen guten Zweck. eS geschieht auS rein fter Menschenliede!" meinte Fritz, indem er eine helle Thräne in seinem Auge zerdrückte. Ja, ja, det gloobe ick ja allen? recht jerne." entgegnete die gnädige Frau, aber sehn Se mal. wat soll ick denn man blos mit so 'ne Radfahrerhosen anfangen?" Vielleicht haben Sie einen Sohn, einen Neffen in der Familie, der fich auf dem Rade zu tummeln pflegt, höchstver ehrte Frau, wir würden gern gestatten, daß dieser sich deS Kleidungsstückes so lange bedient, bis wir eS wieder abzu holen in der Lage sind!" Ach nee doch, in unsere Familie iS die Strampelei noch nich injeriffcn un ick selbst radele ooch noch nich, un wenn ick et wirklich dhüte, so könnte ick doch de Hosen unmeeglich anziehen wissen Se wat? ick wer Ihnen for den janzen Klimbim eene Mark jeden, weil mir de traurige Jeschichte jar zu sehre an't Herz jeht !" Ift das wirklich Ihr letztes Wort ?" Ja, meine lieben Herren! un dabei lade ich noch 'ne schwere Verantwortung uf mir. denn wenn mein Mann zu Hause kommt, denn wird er scheene schimpfen, det ick mir wieder habe an mogeln lassen, uf alte Lumpen soll ick ieberhaupt nischt jeden ; ja wenn Se irgend wat Anderes jebracht Hütten, Jold, Silber oder ooch meinShalben man blos Porzellan " In Fritzen'S braunen Augen leuchtete eS bei diesen letzten Worten merkwürdig auf, ihm mußte eine erhabene Idee ge kommen sein. So? Also Porzellan beleihen Sie auch? Familienerbftücke ? Kunstwerke ersten RangeS?" Na, jewiß doch, erst recht! Uf fowat iS mein Oller reene doll, da jeht er düchtig in't Jefchirr " Schon gut," schloß Fritz mit finster entschlossener Miene die Unterredung, dann werde ich also etwas thun, was ich meiner eigenen Person wegen nie malS gethan haben würde, selbst wenn eS fich um mein Leben handelte ! indeß um das Elend und den grenzenlosen Jammer dieser unglücklichen Familie zu lindern, ift mir nichts auf der Welt un möglich!" Jotte doch, Se machen Einen ja janz ängstlich! Wat wollen Se denn nu man blos anjeben?" Das werden Sie in einer halben Stunde sehen. Bitte, geben Sie mir jetzt nur daS Geld für den Anzug l" Sehr jerne, mein lieber Herr! Hier find die zehn Jrofchen!" Besten Dank. Also auf Wieder sehen !" Und so verabschiedeten die Beiden fich also von der braven Matrone, Fritz mit hoch erhobenem Haupte, Ludwig still kopfschüttelnd, denn es war ihm durchaus nicht klar, was unser genialer Freund vorhatte. AlS fie draußen auf der Straße wa rcn, konnte es Ludwig denn doch nicht unterlassen, unfern Fritz nach der Ur fache seiner plötzlich so zuversichtlich ge wordenen Stimmung zu fragen. .Das wirft Du bald zu sehen gekom men!" war die kurze Antwort. Jetzt komm nur mit!" Hiermit bogen sie um die nächste Straßenecke. Kaum hatten fie einige Hundert Schritt zurückgelegt, als Fritz, ohne ein Wort weiter zu ver lieren, in einen sogenannten Mark Bazar trat, in dessen Schaufenster unter anderen billigen JndustrieErzeugnissen auch eine Menge sogenannter antiker Steinkrüge prangte, mächtige Humpen, mit finnigen altdeutschen Trinkfprüchen versehen Stück für Stück eine baare deutsche Reichsmark in reellem Werthe. Nur wenige Minuten dauerte es, bis Fritz wieder auS dem Laden trat, ein koftdareS Exemplar dieser Gattung sorg fältig unter'm Arme tragend. Bist Du denn verrückt geworden, Kerl? unsere einzige Mark, von der wir noch alle Drei drei Tage leben wollten, vernaschst Du hier in leeren Steinkrü gen?" fuhr Ludwig ihn an. Subalterner Geist! Ohne Verständ niß für jeden höheren Gedankenflug !" gab Fritz einfach zur Antwort. Komm, folge mir!" Und zurück ging eS in das Geschäft der alten würdigen Dame, die glücklicher Weise immer noch allein dort ihreS (Leih-) AmteS waltete. Die Rede, welche Fritz dort nunmehr gehalten hat, soll nach Ludwig's Berichten einfach ciceronianisch" gewesen sein, meinte mein Freund Kriftoffer zum Schluß, als er mir diese Geschichte vortrug, sie triefte förmlich von Kunstgeschichte so wohl, als von historischen Erinnerun gen. Er erzählte der Alten, daß sein Urahn diesen Krug um das Ende des dreizehnten Jahrhunderts von Karl dem Großen selbst nach der Schlacht auf dem Lechfelde geschenkt bekommen habe, weil er den Engländern gegenüber mit un endlicher Bravour vorgegangen fei u. f. w. Seit fünf Jahrhunderten erbe sich nun dieses kostbare Gut stets auf den ältesten Sohn seiner berühmten Familie fort und eS knüpfte fich daran eine alte Sage, nach welcher ein plötz licheS Aussterben aller Familienmitglie der fich zutragen würde, falls der Krug auch nur die geringste Beschädigung erlitte! Die gnädige Frau müsse fich daher auf ihr heiligstes Ehrenwort ver Pflichten. daS theure Erbstück im eiser nen Geldschrank sorgfältig verpackt auf zudewahren. weil eben so und so diele Menschenleben davon abhingen! Kurz um. genau die Geschichte vom Glück von Edenhall" gab unser redegewalti ger Freund zum Besten, rührte die alte Dame damit zu blutigen Thränen und waS die Hauptsache war erreichte eine Baarsumme von zwanzig (sage und schreibe 20) baaren Mark, die wir als jammergedeugte. vom Schick sal so entsetzlich hartdedrünzte Familie" natürlich am selben Abend roch in gutem Stoff draufgehen ließen ! Für mich selbst war diese Sauferei allerdings ein bischem umständlich, da ich sie im Bette liegend vornehmen mußte, aber eS ging trotzdem ganz vor trefflich ! Ich will aber doch nicht unter lassen, hinzufügen, daß mir, a'.S nach zwei Tagen der Geldbriefträger kam, daS .Glück von Edenhall' richtig wieder einlösten. Meine Badehosen sind zwar bei der alten Leihmama geblieben, denn ich war in der Lage, mir neue zu kaufen. Vielleicht radelt fie doch heute schon darin ! Beethoven und Mit. Franz LiSzt, der berühmte Klavier virtuos und Komponist, hatte als Knabe, während er in Wien von dem trefflichen Muftklehrer Karl lszerny Unterricht empfing, keinen sehnlicheren Wunsch. alS den großen Beethoven, welcher in der Donauftadt lebte, kennen zu lernen. Allein ein große? Hinder niß stand im Wege, denn Beethoven allem Wunderkindthum schon deshalb entschieden abhold, weil er an fich selbst die Bitternisse der damit verbundenen Drillwirthschaft erfahren hatte, lehnte anfänglich alle auf eine Vorstellung deS Knaben zielenden Versuche ab. Endlich aber ließ er fich auf CzernyS beftändi geS Drängen doch den Wunderknaben vorstellen, und eS entwickelte fich nun folgende denkwürdige Scene. Beethoven : Junge, was kannst du denn spielen?" LiSzt : Ich spiele am liebst.' Bach und Sie !" Beethoven : Bach und mich nun, laß 'mal hören !" LiSzt (ohne Noten fich an den Flügel setzend): Welche Bachsche Fuge und in welcher Tonart soll ich spielen?" Beethoven: Junge, du bist wohl toll?" LiSzt aber war seiner Sache völlig sicher und spielte I. S. Bachs FiSmoll Fuge in größter Genauigkeit bis zur letzten Note. Der Knabe bemerkte, als er mit der Fuge geendet hatte, auf Beethovens Gesicht den Ausdruck freu, digen Staunens. Ermuthigt rief er : Herr v. Beethoven, jetzt will ich Ihnen mein Leibftück vorspielen: Ihr neues Trio." Davon wollte nun zuerst der Meister nichts wissen. .Blitzjunge, wo haft du denn die Noten, und wo find die Be gleiter, der Violinist und der Cellist?" O, Herr v. Beethoven, lassen Sie mich's nur 'mal versuchen. Da, wo die Begleitung fehlt, will ich solche schon hinzufügen." Beethoven starr vor Staunen, hörte so weit er überhaupt damals 1821. noch hören konnte bis zum letzten Tone mit größter Spannung zu, stand beim Schlußakkord auf, umarmte den Knaben heftig, küßte ihn auf die Stirn und sprach : Genug, du haft mich verstanden ; nun gehe hin und mache mich anderen verständlich." Beethovens Weihekuß! LiSzt hatte ihn empfangen und fühlte fich seitdem hoch erhoben in seinem Künftlerthum, zugleich aber heilig verpflichtet, der Mahnung eingedenk zu bleiben. Die ersten von LiSzt gegebenen Konzerte in der österreichischen Kaiserftadt brachten ihm glänzende Erfolge ; den höchsten Lohn für feine Leistungen über erblickte der junge Künstler darin, daß sich unter seinen Zuhörern auch immer Beethoveu befand und ihm stets lebhaften Beifall zollte. Wie viel Worte spricht ein Mensch an einem Tag? Mit dieser Frage beschäftigte fich jüngft eine französische wissenschaftliche Revue und kam zu folgenden Ergebnis . fen : Ein Mensch spricht durchschnittlich drei Stunden am Tage, wobei er 100 Worte in der Minute auZspricht. Diese Behauptung giebt aber vielleicht noch keinen genauen Begriff von der menschlichen Gesprächligkeit. Wir wol len daher noch anführen, daß ein Mensch, nach der Berechnung eines an deren Gelehrten, in einer Stunde mit lauter Stimme 15 Seiten in Oktav lesen kann oder 52 Bände von 600 Seiten in einem Jahre. Diese Berechnung gilt natürlich weder für Taubstumme, noch für Advokaten oder gar für Frauen. Eingebildete Gröhe. So lange die Sonne am Himmel steht. Gar Mancher bescheiden und demüthig geht; Doch wenn die Sonne zum Scheiden fich schickt, Und er seinen langen Schatten erblickt. Da spricht er und wirft fich ftolz in die Bruft: Wie groß ich bin, hab' ich gar nicht gewußt !" Nur dank der finkenden Sonne Schein Dünkt Mancher fich. etivaS Großes zu sein! Uebertrumpft. Kunde: Sie sehen ja so betrübt au, ist Ihnen 'was Unangenehmes dcgeg net?" Barbier: Ja wohl, haben Sie den Mann gesehen, der eben hinausging, als Sie hereinkamen?" Kunde: Jawohl!" Barbier: Er ließ fich die Haare schneiden und erzählte die ganze Zeit über Geschichten von seinem klugen Jun gen. so daß ich gar nicht zum Worte kommen konnte!" 1 i