) Des 2äthfcls t'öfun. (?nic JUnnuwl "'f iiLiite ton 'ßiibat. In Der gesamten Grafschaft TlanS seid, Provinz Sachsen, in dem Dreieck, welches die an Bedeutung und mwoz nerzahl so verschledenen. ali Eisenbahn knotenpunkte oder ftch deuhrenden Eiüdte Halle a. S.. Ouersurt und EiZleden bilden, liegt in finent von ziemlich hohen, mit Pflaumen und Nußbaumen bepflanzten stalkbergen umgebenen Schale da? kleine Etadtchen Schraplan. Ticht unterhalb der hoch gelegenen, alterthümlichen Kirche, unter deren Hochaltar die Gebeine deS auZze storbenen Geschlechte! Lerer v. ManZ seid", der Grasen Ernst und ficöer. ruhen, lehnt an steilem Bergnbhange da? von gut gepflegten Gärten um gedene PfarrhauZ. Gegenüber dem Pfarrhaus, durch einen dem Felsen ad gerungenen Fahrweg und einen ver sallenen Wallgang, von dessen Vorgang getrennt, erheben ftch die zerbröckelten Ueberrefte einer einst stolzen Burg. Am südlichen Ende der weitläufigen Burg, mitten in dem Städtchen, liegt ein freier Platz, die sogenannte Kam mer", so benamst nach dem heute noch yitm Zahn der Zeit widerstehenden, aus GranitdlSckcn aufgebauten Rentenkam mergebüude, und auf demselben die Lücke", der beschauliche Ort, in welchem die städtische gestrenge Obrigkeit Be trunkenen oder anderen Missethätern vorübergehend Gelegenheit giebt, über daS schöne Lied Freiheit, die ich meine u. s. w." in beschaulicher Ruhe nachzu denken. Unterhalb dieser Lücke", die ihre Entstehung dem Jahre 1843 zu danken hat, war eine Höhle in den Felsen eingesprengt, welche vordem als Burgverließ" der Neuzeit zum Auf. enthaltSorte der vorläufig Verhafteten gedient hatte. Die städtische Behörde fand damals heraus, daß der auch nur vorüber gehende Aufenthalt in dem dunklen Gewölbe, welche? Licht und Luft nur durch eine Eisenthür, wenn sie geöffnet war, erhielt, für die Gefangenen ge sundheitSgeführlich sei; sie baute daher die Lücke" und überwies den Keller, den sie nunmehr vermuthlich für eine recht hübsche Wohnung" gehalten, einem OrtSarmen zum dauernden Auf enthalt. Dieser unglückliche Mensch hatte einen sogenannten Wasserkopf, war halb blödsinnig und fristete sein Leben neben den zwanzig Pfennig, die ibn die Behörde täglich zahlte, durch Bettelgünge. Er verlebte seine Tage völlig stumpfsinnig, und verrieth nur dann einen kleinen Stimmer geistigen Empfindens, wenn er. im Wallgraden der dem Pfarrhause gegenüberliegenden x Burg sich sonnend, dem Gesang des fechtthnjührigen Burgfräuleins". der Tochter de! alten LandrentmeisterS R., welcher in einer auf dem Burgterrain erbauten Villa wohnte, zuhören konnte. Das kleine Fräulein lohnte diese stumme und doch so rührende Verehrung deS armen Kretins dadurch, daß sie dem fechSundzivanzigjährizen Menschen, wel cher gleichwohl da? Aussehen eines vier zehnjährigen Knaben hatte, allsonn abendlich anstatt deS ortsüblichen Pfen nigs oder Dreiers einen blanken Silber grofchen, oft auch warmes Essen stiftete und ihm dabei die graugelbe, schwam mige Backe streichelte. EineS TageS. im Juli, war die junge Dame, wie alltäglich im Sommer, nach dem eine Stunde von Echraplau ent fernten, jetzt im Interesse des ManSfel der Silberdergwerke ausgepumpten sal zigen See bei Oberröblingen zum Baden gegangen, gegen Abend frst, und nicht wieder heimgekehlt. Der ganzen Gegend bemächtigte sich eine ungeheure Aufregung. Da weit vom Damenbade mit Bergung der Netze be fchäftigte Fischer wiederholte Hilferufe gehört haben wollten, nahm man an. daß da? junge Mädchen, die sehr gut schwamm, ertrunken sei. umsomehr. als man in der Nähe des schon geschlossenen DamcnbadeS ihre Kleider fand. Aber der See gab. trotzdem er Tage, ja Wochen hindurch mit Grundnetzen durchsucht wurde, sein vermeintliches Opfer nicht heraus. Y Die Aufregung wuchs, als man drei ' w Tage nach dem Verschwinden deS jungen Mädchens auch den Wasserkopp" der mißte, und ein paar Jungen sich genau entsannen, daß dieser an dem fraglichen Tage sich am See, in der Mhe deS DamenbadcS, aufgehalten habe. Man brachte also das Verschwinden der jungen Dame mit dem deS Kretins in Zusammenhang und nahm an, daß dieselbe daS Opfer deS Blödsinnigen geworden sei. Aber sie konnten beide doch nicht vom Erdboden verschwunden sein l Auch in diesem Fall nahm die Pro vinzialbehörde, wie im Allgemeinen stets geschieht, wenn der eigene Zwirn nicht ausreicht, die Hilfe der Berliner Crimi nalvolizei in Anspruch. Man sandte von hier auS bereitmil ligft den jetzt verstorbenen Inspektor Pick, und mit ihm zu gleicher Zeit tauch, ten in der dortigen Gegend zoei EichS felder Klammerleute auf. eS waren dies der Kommissar Wollschina und sein AdlatuS, welche jcdeS Haus, jede Hütte mit ihren Waaren abklapperten und mit diesen ein ausgezeichnetes Ge schäft machten, sonst aber nichts erkun den konnten. Auch Pick mußte nach vierteljähriger Thätigkeit fein non poffumuS" einge liehen was ihm nicht oft passirte . und kehrte unverrichteter Sache zurück. AIS dann der salzige See in den Iah. Kr Slillntag5gast. )al,rgang 1. Beilage zum NebraökaiZtaatö-?ln;eiger. No. 3.. ren 1393 9i ausgepumpt worden war, es waren etwa acht Millionen Kubikmeter Wasser zu entfernen, er innerte sich die Berliner Behörde deS sensationellen, unaufgeklärten Falles, und man sandte, da angenommen wurde, daß daS Mädchen seinerzeit er trunken sei und demnach vielleicht vom Schilf festgehalten, in der Tiefe deS SeeS ruhe, abermals einen Beamten. ES war vergebens! Man fand alle! Mögliche, auch eine mächtige Silber oder, ober die Gerippe deZ Mädchen? und deZ KretiuS, wie man geglaubt, fand man nicht. Der alte Landrentmeifter war vor Kummer und Herzeleid in die Grube ge fahren, wie eZ in der Bibel heißt. Im Jahre 1395 wiesen die Spuren eineZ Hochstaplers, der nicht allein Ber lin. sondern auch Paris, Brüssel, Oft. ende, London und Warschau durch Ver auZgabunz großer Mengen auZgczeich net nachgeahmter Doppelkronen mit dem Bildnisse deZ unglücklichen BayernkönigZ Otto unsicher gemacht, nach dem idyllisch gelegenen Städtchen Schraplan. EZ war diese Spur der mit Glück vereinten KombinationZgabe eineZ Hallenser ftädti schcn CommissarZ, der dieserhald seitens feiner königlichen Berliner Kollegen zu erst belächelt wurde, zu danken. Aus der im Anfang dieser Skizze gegebenen Beschreibung der nächsten Umgebung Schraplan'S hat der Leser entnommen, daß daS Städtchen von Bergen eingeschlossen ist. ES befinden sich dort zahlreiche Sandste:nBrüche, welche in ungeheuren Ouadern die dort sogenannte Mehldetze" zum Bau der Häuser für die ganze Umgegend liefern; auch Basalt und Schiefer giebt eS dort, deren Gewinnung reichen Er trag gewährt. WaS aber im Laufe der langen Jahrhunderte unbeachtet, weil unentdcckt, geschlummert hatte un erschöpfliche Lager vorzüglichen, weit und breit jetzt begehrten KalkgefteinS brachte der Spürsinn eines Polen zu Tage. Zu diesen Kallfteinlagern, deren Ausnutzung die Anlage zahlreicher Kalkofen veranlaßt hat, führte, wie schon bemerkt, der Fingerzeig deS Hal lcnser Kommissar?. Der Verhältniß mäßig noch jugendliche Herr, dem als achtzehnjährigen Lieutenant die Fran zosen durch einen ChassepotGruß die eigentliche Carriere verdorben, hatte es verstanden, als tüchtiger Buchhalter bei dem Kalkbrenner eine schlecht bezahlte Unterkunft zu finden. AIS er eine? Tage?, weil er sich ledhaft für Geologie interesfirte. von dem Polen ziemlich brüsk auS den unterirdischen Kalk brächen, denen er einen Besuch nach Feierabend abstatten wollte, gewiesen worden war. ließ er erst recht seiner Liebhaberei, aber nunmehr im Gehci men, freien Lauf. Er stieß eine? NachtS, mit einem sogenannten Ochsen auge" (einer kleinen, aber sehr hell leuchtenden Blendlaterne) bewaffnet, auf eine von dem Kalkfteinbruche abge legenen verfallenen Stollen und der folgte denselben unter Lebensgefahr. Nachdem er nach seiner Uhr drei Stun den gekrochen war, nach seinem Schritt Messer aber kaum einen Kilometer zu rückgelegt hatte, befand er sich in einem unter der Burg" gelegenen Raum, dessen Höhe ihm erlaubte, sich aufzu richten und umzuschauen. Plötzlich sträubte sich ihm da? Haar zu Berge, denn er sah im Scheine deZ Ochsenauge? sich zwei Gerippen gegenüber. Doch nein, eS waren eigentlich gar keine Gerippe, wie er sich dann, nachdem er sein anfängliches Grauen üderwun den hatte, überzeugte. DaS eine Gerippe, von Pergament artiger, runzeliger Haut überzogen, war unzweifelhaft ein weibliches, wie daS lange, entfesselte Haar und ein halb vermoderter rother Badeanzug deutlich bekundete; eZ lehnte mit dem Rücken gegen den Felsen. Ihm zu Füßen, den mächtigen, fleischlosen, mit kurzem rothen Haar noch bedeckten, nach dem rechten Fuß der sitzenden Halden Mumie geneigt, lagerte ein zweiter, von Lumpen bedeckter, halb verwester, halb vertrcckneter Körper derjenige eines ZmergeS! Der Mann setzte seinen Weg weiter fort und entstieg der schauerlichen Gruft endlich durch ein in einem der Thurm refte der Burg befindliches, von wilden Rosen durchwucherteS und verdecktes Loch. Noch in derselben Nacht pochte er den Bürgermeister heraus, gab sich dem Verblüfften zu erkennen und verhaftete seinen seitherigen Arbeitgeber, den Polen. Er hatte nämlich auf seiner mühseli gen Reise so merkwürdige Dinge außer dem noch gesehen, daß diese Verhaftung gerechtfertigt war und die Werkstätten der Falschmünzerei endlich entdeckt waren. Wie aber stand eS mit den Gerippen? E? waren die Ueberbleidfel deS vor Jahren verschwundenen jungen Mäd chenS und deS OrtSarmen! Hatte der Idiot daS unglückliche Mädchen ermor d.'t? Auch in diese jammervolle Anze lczenheit kam Klarheit. Ein alter Schäfer, welcher neben seinem Tage? beruf in der Nacht Raudfischerei trieb. uno allgeroem nmicin eines neß.'s wilde Enten fing, gab nunmehr ein Zeugniß ab. Xu Badeanstalt war an ienem Abend, als die junge Dame zum Baden ging, wie vorher bereits kurz bemerkt. schon geschlossen. Da sie sich ganz allein wühnte. und die Luft so schön. und der See so spiegelblank gewesen war, entkleidete sie sich trotzdem und ging in s Wasser. Der im Schilf ver borgen Schäfer sah dies mit an und vernahm bald darauf auch einen Hilfe ruf. Aber ehe er noch zur Besinnung kam, sei der Wasserkopp" die in die See führende Laufdrücke deS Damen bade? entlang gerannt, fei untergetaucht und nach kurzer Zeit, den anscheinend leblosen Körper de? jungen Mädchen? auf dem Rücken tragend, wieder zum Vorschein gekommen, an da? User ge langt und nun mit seiner Bürde wie der leibhaftige Satan davongerannt Der Schäfer hatte, um seine verdor genen und verbotenen Wege nicht zu verrathen, da Beide so wie so verschwun den waren, nicht? gesagt. Kein Zweifel, der Idiot hatte den leblosen Körper de? Mädchens, das ihm EuteS gethan, und welchem daS ganze sinnen und Trachten semeS verkrüppel ten Gehirns sich zuneigte, für sich ge reitet, hatte denselben mit der, den fiel ftig Gestörten so oft anhaftenden Schlau heit in dem ihm allein bekannten, unter der Burg liegenden verfallenen Gewölbe verborgen, und war neben der todten Hülle seiner Göttin verhungert. Ein schauerlicher Gedanke, wenn man nicht annehmen will, daß ihn der Schlag gerührt. HcmFerctt. 2Uje von mi le Zola, AI? die Arbeiter de? Morgen? die Fabrik betraten, waren die ArbeitZsäle kalt, als lagerten über ihnen traurige Schatten des Todes. In einer Ecke de? großen Saale? starrte die große Ma schin! stumm und sinster gen Himmel mit ihren eisernen Rädern und ftähler nen Armen, und tiefe Melancholie stieg au? dem leblosen, unbeweglichen Riesen empor, dessen klirrende? Hämmern dem Hause bisher Leben eingeflößt hatte, wie der Pul?schlag eine? in schwerer Arbeit sich mühenden Titanen. Der Fabrikbesitzer öffnete die Thür seines Comptoirs. Kinder, heut' gibt's keine Arbeit. E? laufen keine neuen Bestellungen ein, die alten find zurückgezogen worden und der ganze Waarenvorrath bleibt mir auf dem HalZ. Der Monat Dezember, auf den ich als Hauptsaison gerechnet habe, richtet mich zu Grunde. Ich muß die Arbeit einstellen." Sein Blick fällt auf die Arbeiter, die von den Schreckbildern deS morgigen Elends geängstigt erbleichen und einan der entsetzt anblicken, und seine Stimme bebt vor tiefer Rührung. Ich bin kein Egoist, Kinder, aber meine Lage ist ebenso schrecklich wie die Eurige. Ich habe in acht Tagen 50, 000 Franken verloren und muß die Ar beit einstellen; denn ich habe keinen rothen Kreuzer, um meine am Fünf zehnten fälligen Zahlungen einzuhalten. Ihr seht, ich spreche mit Euch wie ein Freund mit dem andern! Uebermorgen wird der Gerichtsvollzieher hier fein. Und e? war nicht unsere Schuld, nicht wahr, Kinder? Wir haben bis zum letzten Athemzug gekämpft. Gern hätte ich Euch diesen Augenblick erspart. aber ich bin ruinirt. ich könnte Euch kein Brot mehr geben." Und er reicht den Arbeitern die Hand; wortlos drücken sie ihm der Reihe nach die ausgestreckte Rechte. Dann bleiben sie ein paar Minuten stehen und starren mit geballten Fäusten auf ihre über flüssig gewordenen Werkzeuge. Sonst pflegten um diese Stunde die Feilen zu knirschen und die Hämmer schlugen den Takt dazu. Bankerott! DaS bedeu tet. daß in der nächsten Woche 20-30 Familien hungern werden. Die Augen der Weiber füllen sich mit heißen Thränen. Die Männer wollen sich tapfer stellen und trösten sich einan der damit, daß in Paris keiner vor Hunger stirbt. Dann, nachdem der Fabrikbesitzer sich entfernt hat, verlassen sie einzeln mit gepreßtem Herzen und zugeschnürter Kehle die Fabrik, niedergeschlagen, als kämen sie auS einem TrauerhauS der Arbeit; die große, stumme Maschine, die dort im Schatten einer Ecke dunkelt, ist die Todte, um die sie trauern. Draußen auf der Straße irrt der Fabrikarbeiter umher. Acht lange Tage sind verstrichen und noch immer wan dert er arbeitsuchend bin Thür zu Thür, um seinen muskelkräftigen Körper zu den schwersten Verrichtungen anzubie ten. Uederall findet er verschlossene Thüren. Keine einzige thut sich ihm gastlich ans. Mit leeren Händen kehrt er zurück. Kalter Sprühregen rieselt nieder. Pa riS ist heut finster und trüb in feiner Kothhülle! Der Ardeiter schreitet vor wärtZ im strömenden Regen, er fühlt die Tropfen kaum, nur den Hunger, den nagenden Hunger, der in seinen Eingeweiden wühlt. Betäubt lehnt er sich an einen Brückenpfeiler, an dem die brausend fortrollenden Wogen der Seine, zu weißem Schaum zerstiebend, sich brechen. Er beugt sich vorwärts, tosend schäumt das Riesengewoze an ihm vorbei und lockt ibn mit wildem, verführerischem Rauschen. Doch dann ermannt er sich. Nein, da? wäre Feigheit, und lang sein geht er weiter. Der Regen hat aufgehört. Die elek irischen Lampen locken Funkengarben au? den Schaufenstern der Juweliere. Wenn er ein solch:? Fenster einbräche, könnte er mit dem bescheidensten Griff "den Seinen auf Jahre hinaus Brod verschaffen! In den Speisesülen der Hotels leuchten die Lampen auf, er schlendert an den Conditoreien und Schlächterläden vorbei und erinnert sich, daß er heute Früh seinem verzagten Weibe und seinem weinenden Kinde Brod versprochen hat. Er wagt es nicht, nach Hause zu geh'n und ihnen zu sagen, daß er gelogen hat. Berge benS zermartert er sich den Kopf dar über, was er ihnen sagen könnte, damit sie weiter dulden und warten. Nein, sie können nicht länger ohne Brod blei ben. Er, der starke Mann, kann's wohl noch aushalten, aber Weib und Kind sind schwach und mager. Eine Sekunde lang zuckt ihm der Ge danke durch'S Gehirn, zu betteln. Aber so oft ein Herr oder eine Dame an ihm vorübergehen und er die Hand almosen heischend ausstrecken will, erlahmt seine Rechte, die Kehle krampst sich zusammen und taumelnd bleibt er stehen, so daß die vornehmen Vorübergehenden sich umdrehen und den Betrunkenen" mit verächtlichen Blicken messen. Die Frau wartet indeß unter dem Hausthor der Heimkehr ihreS ManneS. Die Arme ist ganz bleich und schmächtig und ein dünneS, abgeschossenes Kattun kleid deckt nur dürftig ihre zarte Gestalt. Frierend trippelt sie auf und ab. Alle ihre ärmlichen Habseligkeiten sind schon in's Leihhaus gewandert. Eine acht tägige Arbeitslosigkeit leert die Schränke. Die letzte Roßhaarfüllung der Matratze hat sie dem Trödler verkauft, nur die leere Hülle ist noch da. Die hat sie vor'S Fenster gehängt, damit der Wind nicht hineindränge, denn die Kleine hustet. Auch sie hat Arbeit gesucht, aber ver gebenS. Ihr Kredit ist erschöpft, Bücker und Krämer wollen nicht länger borgen, und die Arme wagt gar nicht, an ihrer Thür vorbeizugehen. Am Nachmittag ist sie bei ihrer Schwester gewesen, aber auch dort war daS Elend fo groß, daß ihre Thränen zu fließen begannen. Beim Fortgehen versprach sie ihnen ein Stück Brod zu bringen, wenn ihr Mann etwas verdient haben würde. Er kommt nicht, der Regen fließt in Strömen. Die arme Frau flüchtet in'? Thor, schwere Tropfen fallen auf ihren Scheitel und der Sprühregen durchnäßt das dünne Kleid. Von Zeit zu Zeit übermannt sie die Ungeduld und der Unbill des Wetters trotzend geht sie bis an die Straßenecke, um nach dem Er sehnten zu spähen. Durchnäßt kehrt sie zurück und trocknet den nassen Scheitel mit beiden Händen. Die geschäftig Vorübereilenden stoßen sie hin und her, scheu drückte sie sich an die Wand, um Keinem im Wege zu sein. Ihr ist. als ob die ganze Stadt mit ihrem Glanz und Lärm und Schmutz über ihr zu sammenbrüche. Ihr gegenüber ist ein Bäckerladen, da füllt ihr da? schlafende Kind ein. Endlich erblickt sie ihren Mann, der sich langsam an den Häusern entlang schleicht. Sie stürzte auf ihn zu. Nun?" flüsterte sie erwartung?voll. Er senkte stumm den Kopf, und tod tenbleich wankte sie die Treppe hinauf. Die Kleine aber schläft nicht. Sie ist erwacht, und in der halberlöschenden Flamme des Lämpchens starrend sinnt sie nach. Qualvolle entsetzliche Gedan ken malen sieb in den frühreifen, welken Zügen des siebenjährigen Kindes. Sie setzt nch auf den Ran der HU, die idr als Lager dient. Die kleinen Füßchen zittern und die schmalen, dürren Kin. derhändchen halten die Decke krampfhaft über der Brust zusammen. Sie denkt nach. Spielzeug hatte sie nie gehabt. Auch die Schule konnte sie nicht besuchen. weil sie keine Schuhe hatte. Sie erin nert sich dessen, daß die Mutter sie zu weilen in die Sonne spazieren geführt. Ader da? war schon lange her. Seit her sind sie ausgezogen und hier ist's ihr. al? wehe ein eiftgkalter Odem durch das HauS. Seitdem ist sie immer hungrig. Und sie versinkt rn Grübe leien über ein Problem, da? sie nicht lösen kann. Ist also Jedermann hung rig? Sie meint, e? komme daher, weil sie noch klein ist: die Großen find daran schon gewöhnt. Die Mutter weiß at wiß, daß jeder immer hungrig ist. aber man verheimlicht'? den Kindern. Wenn sie e? wagte, ste würde die Mutter fra gen, wer eigentlich die Menschen auf die Welt bringt, damit ne hungern. Und dann ist bei ihnen AlleS so alt und häßlich. Wurmstichige Möbel. kahle Wände, das ganze abstoßende Elend der Keller und Dachwohnungen Und ihr scheint'S, als hätte sie im Traum warme Zimmer und schöne MSdel gesehen, und ste schließt die Au gen, um wieder zu träumen. Die Strahlen, die durch die gesenkten Lider dringen, verweben sich zu goldenem Ge wölk, und da sehnt sie sich hinein. Ader der Wind bläst durch's Fenster. und der kalte Luftzug durchfröftelte sie so. daß sie wieder einen neuen Husten anfall bekommt. Ihre Augen fühlten sich mit Thrä nen. Sonst hatte sie Angst, wenn sie allein blieb, aber jetzt, sie weiß selbst nicht warum, ist ihr das ganz gleichgutig Da sie seit gestern Abend nichts gegessen haben, glaubt ste, die Mutter sei hin untergegangen, um Brod zu holen Und dieser Gedanke zerstreute sie. Sie wird dann das Brod m ganz, ganz kleine Stückchen schneiden und bedächtig Krümchen um Krümchen verzehren. Sie wird mit dem Brode spielen. Ach, das wird schön sein ! Die Mutter kommt zurück, der Vater folgt ihr auf den Fersen. Ueberrascht blickte sie auf Beider Hände. Und da Beide schweigen, hebt sie nach kurzem Zögern singend an : Hungiig hungrig bin ich I " Der Vater sinkt in einen Sessel nie der und begräbt das Gesicht in beide Hände, indeß dumpfes Schluchzen von seinen Lippen dringt. Die Mutter würgt die Thränen hinunter und bettet die Kleine so gut als möglich, deckt sie mit allerlei alten Lumpen zu und redet ihr zu, sie möge ein braves Kind fein und .schön schlafen. Aber daS K'nd, dessen Zähnchen vor Kälte klappern, faßt Muth, und die dünnen Aermchen um den Hals der Mutter schlingend, fragte eS, leise flüsternd : Sag, Mama, warum find die Menschen hungrig?" Bom alten Marschall Radelzkn weiß Prinz zu HohenloheJngelfingen in feinen mehrfach angeführten Le benSerinnerungen" recht anschaulich zu erzählen. AIS er ihn im Jahre 1856 in Verona kennen lernte, war der be rühmte GreiS schon ganz zusammenge trocknet. Seine Sprache aber war lebendig und klar. Seine unteren Augenlider waren gelähmt und hingen herunter, daS innere Roth nach außen gekehrt und fortwährend thränend. Dadurch hatten feine Augen etwas Wi derlicheS. Aber feine Sprache war so herzlich gewinnend und wohlwollend, daß man sich bald daran gewöhnte, wenn man mit ihm sprach Er stand früh um 5 Uhr auf, und schon um 6 Uhr empfing er die Adjutanten zur Erledigung der täglichen Geschäfte. Dann beschäftigte er fich mit den Ange legenheiten der Armee, die er befehligte, den ganzen Tag und schrieb die nöthi gen Vorschriften für die Truppen eigenbändig Er hatte" so er zählt Prinz Hohenlohe täglich Gäste bei Tische, zehn bis zwölf Personen. Vor Tische unterhielt er fich stehend mit jedem Einzelnen. Dann führte er die Vornehmsten zu Tisch. Da ich ein Fremder war, behandelte er mich als den Vornehmsten. Dies Führen bestand aber darin, daß er fich auf den Gefahr ten stützte und zwar so mächtig, daß ich, besonders nach Tisch, ihn kaum halten konnte. Während der Tafel aß er im merzn, und die Unterhaltung ging leb haft ohne Rücksicht auf ihn am ganzen Tisch durcheinander. Dabei folgte er allen Gesprächen zugleich und warf bald hier, bald dorthin eine Bemerkung da zwischen, als : Da? war sehr komisch," Sie irren sich." DaS war anders." Der hat Recht" u. s. w. Er liebte uns Preußen, aber Einen in Preußen konnte er nicht leiden, und machte darau? kein Hehl. DaS war Wrangel. Dieser hatte einmal so gethan, als ob er der preußische Radetzkq sei und RadetzkJ fand da doch einen großen Un tersch:ed Er aß von jeder Speise zweimal und c? gab viel Speisen. Sie waren schlecht und unverdaulich gekocht. Am liebsten cß er tiroler Knödel. Ader der Dr. Wurzian hatte sie ihn, der boten, au! öescrzniß, er könnte ein mal plötzlich daran sterben. Also wur den diese Knödel nur TonnerstegZ auf den Tisch gebracht, denn am Donnerstag aß Dr. Wurzian nicht mit. Da freute sich der alte Herr schon seit Mon tag auf den Donnerstag und vertilgte von diesen harten Knödeln eine ganze gehäufte Schüssel voll. An Weinen wurde gewöhnlich nur der nach Tinte schmeckende tiroler Landwein gegeben. Mir zu Ehren brachte man zum Braten noch einen Bordeaux auf den Tich, der anch nicht ander? schmeckte. Unterdes sen gab der Kammerdiener Karl seinen Freunden auch ein Mittagessen, bei dem täglich Champagner getrunken ward. Kein Wunder, daß der Hau?halt trotz der Einfachheit de? Marschall? ungeheuer viel Geld kostete, und daß er immer Schulden hatte Früher soll er auch viel Hazard gespielt haben, wie Blücher. Die ungerathenen Söhne und die Frau, von der er fich hatte scheiden lassen, haben ihm auch diel Geld gekostet. Daher kam eS, daß die Kaiser Franz der Erste und Ferdinand ihm oft die Schulden bezahlen mußten. Im Jahre Ist? war Radetzky wieder einmal verschuldet, und man hatte dem Kaiser Ferdinand vorgeschlagen, ihm keine Schulden mehr zu bezahlen, son dern ihn zu verabschieden, weil das kein Ende nehme. Aber gegen alle Gewöhn heit hatte Kaiser Ferdinand einen selbst ständigen Willen gezeigt und befohlen, die Schulden zu zahlen. Als nun 1848 die Nachricht von Radetzky's Siegen eintraf, sagte der Kaiser : Schaut'S, jetzt war'S doch gut. daß mer ihm noch a Mal die Schulden 'zahlt ham" .... Nach Tische schleppte sich der Marschall auf einen großen alten Lehnftuhl in seinen Salon, den die Gäste umstanden. Nach einiger Zeit gab sein lautes Schnarchen da? Sig nal, daß man entlassen sei. Ein Jeder empfahl fich vor feinem Stuhl und jedes Kompliment wurde vom Hausherrn mit Kopfnicken und Schnarchen er widert. Wie ma vor 4300 Jahre an sei nen Bater schrieb. In der alten babylonischen Stadt Siparol gegenwärtig AbuAbba. füd lich von Bagdad gelegen, ist neuerdiug? ein höchst interessanter Fund gemacht worden. Ein spanischer Gelehrter, der nach Alterthümern forschend dort umher stöberte, hat eine vorzüglich erhaltene Tafel entdeckt, deren Inschrift einen voll ständigen Brief vorstellt. Diese einem so unvergänglichen Papier anvertraute Epistel datirt auS der Epoche der Herr schaft von SansaHung, welcher der Ge nefis zufolge ein Zeitgenosse Abraham'S war. Der Brief wurde also 2500 Jahre vor Christi Geburt geschrieben und hat allen Anschein nach eine junge Frauensperson zur Verfasserin gehabt, die sich fern vom Vaterhause befand. Die eigenthümlichen Schriftzeichen find jetzt vollständig entziffert worden, und eine spanische Zeitschrift gibt den In halt de? Schreiben? folgendermaßen wie der: An meinem Vater in Zimri Cramma! Mögen die Götter SamaS (Sonne) und Mardak Dir für immer da? Leben erhalten! O, daß e? Dir ftet? gut ergehen möchte ! Ich sende Dir diesen Brief, um Dir Nachricht von mir zu geben. Habe die Güte, mir zu schreiben, wie eS Dir geht. Ich bin jetzt vorübergehend in Dur Sin, an den Ufern der Meerenge von Bitini Sikirin. Hier zu Lande giebt es wenige Nahrung-mittel, die ich essen könnte. Anbei schicke ich Dir Geld ; zwei Drittel de? SilberlingS behalte für Dich, und für den Rest kaufe mir getrock nete Fische und andere eßbare Sachen." Wie man hieraus ersieht, haben sich die Zeiten seitdem geändert. Heute dürfte eS wohl selten einem Kinde einfallen. seinem Vater Geld zu übersenden, wenngleich eS auch die Bitte um etwas GuteS" zum Essen oft genug an ihn stellen mag. Humor in alten Skulpturen. Unsere Vorfahrern ließen ihrem meist sehr derben Humor auch auf den Bild werkender Kunst gern die Zügel schießen: den größten Spaß aber liebte man an öffentlichen Brunnen anzubringen. So stand beispielsweise in Leipzig am söge nannten EsclZmarkte, in der Nähe deS im Jahre 1321 abgebrochenen Ranpäd ter Thore?, der Eselsdrunnen". Er war auS rothem Sandstein gebaut und zeigte in einer Nische einen Esel, der einen Sack trug. Tarunter standen die Worte : Von Alters her Piclcn bekannt, Wird dies dcr selsmaikt genau,, Und daß derselben nicht abgehen, Kau,,, im Wasser auch ein n Esel sehen." Wenn nun Einer in's Waffer täaiüt Und sich darin abaesvienklt sab la&Urt die Anderen, weil er der Esel war. und gar oft soll eS zu Streit und Prüge leien gekommen sein. Zu Anfang deS 10. Jahrhunderts wurde der Eels. drunnen abgebrochen. Schlau. Vevvi: ..Vater, i bab' a 5fi?,tt g'fund'n ; dös bedeut' Glück, haft D' öl'...." Vater : Freili ; da gehst izt zum Dorfschmied, verkaufst es, und bringst mir um'S Geld Cigarr'n mit."