Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 13, 1898, Image 9

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    i II. Iml
Rentier Schnurrn.
Hün,0!lk ton ,p A,ka?e. 7lo.i i;S.
v
r
Der fiüjjcrr Bäckermeister, jetzige i
Rentier August Lkhmann befand sich
heute in einer Ausreguuz. wie man sie
an ihm selten zu beobachten pflegte.
EZ war Sonntag Vormittag. Echon
seit scchz Uhr srüh war Lehmann aus
den Beinen und machte Toilette, als od
eZ galt, sich einem Minister vorzustellen.
Er hatte die neuen tadellosen Hosen an
gezogen und schimpste soeben Über die
Plätterin, welche die weiße Wefte au?
aller Fazon geplüttet hatte.
.Eo'ne dusseligen Frauenzimmer."
meinte Lehmann zu seiner besseren Ehe
hülste, .nick) 'mal eene Weste können se
plattern. det se een vernünstiger Mensch
anziehn kann."
Seine Gattin, geborene Butterhünd
ler Müller versuchte ihn zu beruhigen
und meinte beschwichtigend: .Aber
Aujust, nu sei doch man blos ruhig, die
galten an die Weste find ja jar nich zu
sehen, da kommt ja der jute schwarze
Jehrock ruft.'
.Na ja. Du haft ooch recht. Karline.'
beruhigte fich jetzt Lehmann. .die Weste
kommt ja ooch fast jar nich zu sehen.
Hat mir denn überhaupt der Hutmacher
schon den neien Cylinder geschickt?"
.Natürlich Aujuft. et iS allenS da."
Der Grund der unbeschreiblichen Auf
regung war ein Brief, den Lehmann
am gestrigen Sonnabend erhalten, und
der ihn zu Sonntag'Vormittag zum
Besuch bei Herrn Ingenieur M. in der
PotSdamerftraßr in Berlin einlud.
Lehmann war sonst ein ruhiger
Mensch, den so leicht nichts in Auf
regung bringen konnte, Er war früher
Besitzer einer Bäckerei gewesen, und
hatte fich mit den Jahren ein kleines
Vermögen zusammen gebacken.
Obwohl eS unter seinen speziellen Be
kannten und seiner früheren Kundschaft
stadtbekannt war, daß er die Schrippen
und Brot so klein gebacken, wie kein
anderer seiner Kollegen, behauptete
Lehmann doch immer, daß eZ nur in
seiner früheren Bäckerei große Backmaare
gegeben höbe, während die früheren
Kollegen eS von den armen Leuten näh
men, um fich ein Vermögen zu schaffen,
indem fte die Backwaare so klein wie
möglich machten. Er schimpfte denn
auch weidlich auf diese Schwindler, wie
er fte nannte.
In Wahrheit hatte er eZ ärger ge
trieben und deshalb oft Vorwürfe hören
müssen. Er hatte eS fich'S aber immer
ruhig gefallen lassen und sich fein Theil
dabei gedacht. Er hatte eS ja nun
auch so weit gebracht, daß er von sei
nen .Zinsen" leben konnte, wie er bei
jeder Gelegenheit zu bemerken beliebte.
Lehmann lieble eS überhaupt, nach
außen hin den feinen Mann zu spielen.
Er kleidete fich möglichst modern und
prahlte, wo er nur konnte, mit seinem
erarbeiteten Vermögen. Thatsächlich
war aber Lehmann nur ein sogenannter
,SechSdreierRentier', da? heißt, er
gehörte zu derjenigen Klaffe der Rentiers,
die zum Verhungern zu viel, zum Satt
effen jedoch zu wenig haben. Dabei
befaß er jetzt einen wahren Abscheu
gegen daS Bezahlen von Rechnungen
und verlangte überall, daß man ihm.
als den reichen Mann, unbegrenzten
Kredit einräume.
Im letzten Sommer hatte sich Leh
mann nun mit feiner Gattin eine Bade
reise geleistet.
Sie waren in HeringSdorf gewesen
und hatten dort die Bekanntschaft deS
Ingenieurs M. mit Familie gemacht.
Dieser Familie hatten fich Leh.
manns eng angeschlossen oder beiier ge
sagt aufgedrängt. Letztere hatten sich
denn auch anstandshalber weiter mit
den LehmannS eingelassen, als ihr spä
ter lieb war. Die Folge davon war,
daß die M.'fche Familie ihren Aufent.
halt in HeringSdorf früher abbrach, als
sie vorher beabsichtigt hatte. Wenn sie
aber geglaubt hatte, die LehmannS
loS zu fein, so hatte fte fich geirrt, denn
diese ließen eS fich nicht nehmen, ihren
Aufenthalt ebenfalls abzubrechen und
zum Leidwesen der Ingenieur M'schen
Familie mit nach Berlin zu fahren.
Hier angekommen, verabschiedeten
fich LehmannS besonders herzlich mit
dem Versprechen, die Bekanntschaft durch
häufiges Zusammensein fortzusetzen,
waS von der Ingenieur M.'fchen Fa
milie mit süßsauerem Lächeln hinge
nommen wurde.
LehmannS hatten nun wiederholt
versucht, fich auch hier in Berlin den
M.'s aufzudrängen, bei ihren wieder
holten Besuchen seitens der Dienerschaft
jedoch den Bescheid erhalten, daß die
Herrschaft nicht zu Hause sei.
Nach mehreren derartigen nutzlosen
Versuchen hatten eS LehmannS aufge
geben, weiteren Verkehr mit den M.'S
zu suchen.
Um so erstaunter war Lehmann am
gestrigen Sonnabend gewesen, daß er
plötzlich von M. einen Brief erhielt,
worin ihn dieser zu einem'Besuch auf
Sonntag.Vormittag um 11 Uhr ein
lud.
Ter Brief war gerichtet an den Ren
tier Lohmann, Brunnenftraße 20.
LehmannS Hausnummer lautete nun
zwar 29, aber eS fiel dem freudetrunke
nen Lehmann, durchaus nicht auf. daß
da geschrieben stand Nr. 20. Ebenso
auch nicht, daß die Aufschrift lautete :
.Herrn Rentier Lohmann."
Lehmann meinte vielmehr zu seiner
besseren Hälfte : .Det iS doch doll. der
M. schreibt hier statt Lehmann. Loh.
mann ; ja, ja, son'ne Leite, die so ville
beschäftigt find, die nehmen et mit die
Der
Sem
tttagMst
Jahrgang 1.
Beilage ;um Ncliraöka taatö-?ln;eiger.
No. 34.
Adressen nich so jenau, da iZ unserem?
doch uffmerksamer, na et schad' ja ooch
nischt. sieh mal bloS an. er entschul
digt sich ooch. det wir ihm am dorigten
Sonntag nich angetroffen haben. Et
war ja zwar schon vor drei Wochen, det
wir det letzte Mal bei ihm waren, aber
det hat er wahrscheinlich übersehen."
LehmannS Aufregung am heutigen
Eonntag'Bormittag wurde noch mehr
gesteigert durch daS plötzliche Erscheinen
deS Schneidermeisters, welcher vor acht
Tagen den neuen, schwarzen Anzug Be
liefert hatte.
Juten Morjen, Herr Lehmann,"
führte fich der Besuch ein, .ick dringe
Ihnen die Rechnung und möchte um
Drahl" bitien."
Nanu, Meester, heite iS doch Sonn
tag. det müßten Sie doch wissen, det
man Sonntags nich gestört fein will,
wie Sie sehen, muß ick eben au-jehen,
um meinen Fremd, den ,Jngenjer M.
zu besuchen," entgegncte Lehmann
ärgerlich Über den Besuch deS Schnei
dermeifterS, welcher in der Absicht ge
kommen war. feine Kasse zu schmälern.
.Det verkneifen Se fich man. heite be
zahle ick nich, Sie wissen doch, mit wem
Se zu duhn haben, ick bin der Rentier
Lehman, un außerdem habe ick keenen
Oogenblick Zeit. Sie sehn doch det ick
auSjehen muß. Heite habe ick ooch keen
flüsstjet Jeld, ick kriege erst morgen
meine Zinsen die jriechischen Papiere."
Na, wenn Sie jriechische Papiere
haben, denn jeden Sie mir man mein
Jeld jleich." meinte der Schneidermei
stet, denn die find faul."
Da kam er aber bei Lehmann schö.z
an. .Machen Sie det Sie rauSkom
men, det jeht Ihnen jar nischt an, wat
ick for Papiere habe."
Damit komplimentirte er den Schnei
der zur Thür hinaus. Natürlich war
Lehmann durch diesen Zmischenfall die
Laune total verdorben. ES schien über
Haupt, als ob fich heute alles gegen ihn
verschworen habe, denn der Himmel
hatte seine Schleusen geöffnet, und eZ
regnete in Strömen.
Aber Aujuft. in det Wetter wirft
Du doch nich zu M.'S jehen, det jießt
ja wie auZ Mollen," wagte seine Ehe
hälfte zu bemerken.
Natürlich jehe ick nich, Karlineken,
ick fahre mit 'n OmnibuS. Adjeh
Schnutekcn, ick fahre jetzt."
Wo blos heite wieder der der
wünschte Omnibus bleibt," meinte
Lehmann ärgerlich zu fich selbst. Wenn
man so 'n Ding braucht, denn kommt
ct nich."
Endlich kam der OmnibuZ in Sicht,
und Lehmann beeilte sich mit aufge
spanntem Regenschirm auf denselben
loszustürzen.
Sie Männecken halten Sie 'mal 'n
Oogenblick," rief er dem Kuscher schon
von weitem zu. Dieser winkte nur
ablehnend mit der Hand. Ter Omni
bus fuhr an Lehmann vorüber, und
dieser trabte nach, dem Kondukteur
wüthend zurufend : Lassen Sie doch
'mal Ihre olle Aktienschaise halten, Sie
seh'n doch, det ick mit will." Er über
hörte vollständig, daß ihm der Konduk
teur zurief : Thut mir leid, alles be
fetzt!" und. rannte wüthend nach, daß
ihm der Straßenschmutz bis ins Gesicht
spritzte.
Jetzt hatte auch der Wind seinen
Schirm gepackt und denselben umge
knickt. Lehmann befand fich in Heller
Verzweiflung und war eifrig bemüht,
den Schirm wieder in die richtige Lage
zu bringen.
Hierbei entfiel ihm der Hut und
rollte vom Winde getrieben den Stra
ßendamm entlang.
Außer sich vor Wuth wollte Lehmann
dem Ausreißer nachsetzen, rutschte aber
auf dem durch den Regen schlüpfrig ge
wordenen Pflaster aus und fiel der
Länge nach auf den Straßendamm.
Ein über die Straße kommender
Schufterjunge rief ihm zu : Sie,
Männeken, wenn Se da wat gefunden
haben, denn müssen Se et adjeben. det
Fundbüro iS uff'n Alexanderplatz."
Miserabler Lümmel," schrie Leh.
mann wüthend, wirft Du woll det
Maul halten, hole mir lieber meinen
Hut, fiehfte nich. wie der feine Cylin
der in 'n Dreck 'rumtrudelt?"
Sie find woll von 'n Luftballon
überjefahren, Männeken. ick bin doch
nich Ihr Dienftmann, an't Rosenthaler
Dohr fteh'n welche, hol'n Se sich man
een'n."
Lehmann hatte fich jetzt aufgerafft
und eilte seiner entflohenen Kopfbe
deckung nach, um fte vor gänzlichem
Verderben zu retten, aber zu spät.
Eine soeben in gemüthlichem Trabe an
kommende Droschke fuhr über dieselbe
weg und machte auS dem feinen Chlin
der einen Chaupeou Claque. Jetzt
hatte bei Lehmann die Wuth den höch
sten Grad erreicht. Wie besessen rannte
er der Droschke nach, welche er denn
auch, da ja die Berliner Trotschken
kutscher gewöhnlich Vollblutaraber"
vor ihren Droschken haben, bald ein
holte. ..halten Cie doch'mal Mensch. Sie
fahren ja, als od eie 'ne Fuhr hät
ten," schrie er dem Kutscher u.
Na, ick halte ja schon, st.'igen Se
man in. wohin darf ick denn Eier
Hochwohlacdoren fahren, Sie haben
woll een Kleenen zu ville heute Vormit
tag gedrunken?" erwiderte der biedere
Roffelenker gemüthlich.
Hat fich wat mit det Fahren," rief
Lehmann nach Luft schnappend, mei
nen neien Eylinder haben Sie mir ka
putjefahren, der koft't zehn Mark, die
Sie mir bezahlen wer'n, Sie find eben
mit ecnS von die Hinterräder drüber
weg jefahren, warten Se 'mal 'n Ogen
blick, ich wer' Ihnen 'mal des Korpus
DiliktuS zeijen."
Ein mitleidiger Straßenpassant, wel
cher den Vorfall beobachtet hatte, brachte
ihm soeben den zerbeulten Cylinder, den
Lehmann mit einem steifen Bückling
und Worten: Ick danke Jhn'n scheen.
Sie find doch noch der eenzigfte berninf
tige Mensch, der een biZken Mitleid mit
een'n vom Unfall befallenen, ehrlichen
Bürger hat. Sie find mein Zcije, lie
ber Mann, det der Kutscher mir hier
soeben den Hut kaput jefahren hat."
.DaS thut mir leid, werther Herr,
aber ich habe nichts gesehen, zudem
aber auch nicht eine Minute Zeit, denn
meine Frau wartet zu Hause mit dem
Essen."
Damit verschwand der mitleidige
Herr" schleunigst, offenbar glaubend,
mit einem Betrunkenen zu thun zu ha
den. Na seh'n Se Männeken, nu jeht
Ihnen der Zeije ooch durch die Lappen,
nat wat denn nu ?"
.Denn fahr' Sie zum Henker, ick
bin ja jlücklicherweise 'n reicher Mann,
der sich ooch alleenc eenen neien Hut koo
fen kann."
Na seh'n Se, lieber Freind, nu
wer'n Se doch wieder jemiethlich, nu
bezahl' Se mir man, un wir sind wie
der die alten Freinde!"
Wat woll'n Se denn bezahlt haben,
ick bin doch mit Sie jar nicht jefahren?"
Nee, det stimmt." erwiderte der
Droschkenkutscher, jefahren sind Se
nich mit mir. aber uffgehalten haben
Se mir zehn Minuten, det macht sechzig
Pfennige, dafor fahre ick Ihnen ooch
noch finf Minuten."
Sie find woll nich janz gesund,"
erwiderte Lehmann, wieder grob wer
dend. det fehlte noch, mir meine Ja
derobe zu verrujiniren und denn noch
dafor bezahlt haoen woll'n, det wär' ja
so'n Ei."
Schutzmann," rief der Droschken
kutscher jetzt dem an der nächsten Stra
ßenecke stalionirten Wächter der öffent
lichen Unsicherheit zu. Bitte kommen
Se doch mal 'n Ogenblick uff unZ zu
zu, der Herr will mir nich bezahl'!"
Der Schutzmann, dem , das laute
Zwiegespräch längst aufgefallen war.
kam eiligst herbei, und nun begann ein
Wortgefecht, von dem der Schutzmann
ganz betäubt wurde. Schließlich gelang es
ihm aber doch. daS Wort zu erhalten,
und gemüthlich auf den erregten Leh
mann einsprechend, erwirkte er, daß die
ser sich bereit erklärte, die verlangten
sechzig Pfennig an den Droschkenkutscher
zu zahlen.
Na denn meinSwegen," meinte Leh
mann mit süßsaurer Miene, det also
ooch noch", und langte in die Tasche,
um den geforderten OboluS dem Kut
scher zu verabfolgen, im nächsten Augen
blick besann er sich jedoch und meinte,
daS Portomonnaie wieder einsteckend, zu
dem Droschkenkutscher: Wenn ich Jh
nen doch bezah'n muß. denn kennen Se
mir ooch fahren, also PotSdamerftraße
neinundfufzig, Jnschenjer M."
Jut." erwiderte der Droschkenkut
scher gemüthlich, een oder zwee Trep
pen?" Det wer ick Ihnen nachher sagen,
fahr'n Se man los."
Der Vollblutrenner setzte sich in Trab
und der Kutscher lächelte vergnügt.
Det war noch 'n jescheidter Je
danke." dachte Lehmann. Zu M. muß
ick doch, un wenn ick ihm mein Malheur
erzähle, denn wird er woll' meine Toi
leite entschuldigen."
Ohne weitere Unfälle erreichte Leh
mann sein Ziel, und nachdem er dem
Droschkenkutscher für die lange Fahrt
zwei Mark und fünfzig Pfennig bezahlt
hatte, zog er die Portierglocke deS sei
nen villenartigen HauseS Potsdamer
ftraße 59.
Zu wem wünschen Sie." fragte ihn
der Portier.
Zu wem soll ick denn wünschen?
Natürlich zu Herrn Jnschenjer M.I"
Sooo," meinte der HauZhllter ge
dehnt, ich glaube kaum, daß der Herr
M. für Sie zu sprechen sein wird,"
und musterte Lehmann .von oben bis
unten. Sie können eS ja 'mal versu
chen, parterre rechts."
Nachdem Lehmann in ungestümer
Weise an der Thürzlocke gedrückt, er
schien ein dienstbarer Geist, welcher Leh
mann erstaunt und fragend anblickte.
Na, wat kieken Se mir denn so an.
als od Se noch keen anständigen Men
schen nich jeseh n haben ? Ich bin der
Rentier Lehmann aus die Brunnen
ftraße. melden Sie mir!"
Entschuldigen Sie Herr Lohmann,
ich werde Sie gleich melden."
Passen Se doch uff. Lehmann heeße
ick, nich' Lohmann."
Mein Herr. daS iS doch wohl nicht
möglich." erwiderte der Diener zögernd
stehen bleibend.
Natürlich iZ et meglich. ick wer doch
woll noch wissen, wie ick heeßen dhue."
Ter Diener verschwand kopfschüttelnd
und erschien nach kurzer Zeit mit dem
Bemerken : Der Herr läßt bitten."
Lehmann wurde in den Salon geführt
und befand sich einige Minuten später
Herrn M. gegenüber.
Juten Dach, lieber M.", begrüßte
Lehmann den letzteren, ihm zum Gruß
die Hand entgegenstreckend, wie jeht et
Ihre Jattin. Entschuldigen Se man,
det ick so spät komme, ick bin nämlich
verunjlückt. aber mit die Fahrjelegen
Heiken hier in "
Ja, was verschafft mir denn daS
Vergnügen, Herr Lehmann?" unter
brach Herr M. ihn fragend, die darge
botene Rechte LehmannS nicht bemer
kend.
Na nu, Sie haben mir doch zu heite
Vormittag um elf Uhr injeladen, hier
iS ja ihr Brief."
Ah, das ist ein Irrthum. Herr Leh
mann, der Brief ist ja an Herrn Loh
mann, Brunnenstraße 20, gerichtet, da
hat unS die Post einen dummen Streich
gespielt. Fatales Versehen, habe mei
nen Freund Lohmann deshalb auch der
gebenö erwartet. Entschuldigen Sie
Herr Lehmann, aber ich bin sehr in
Anspruch genommen."
Damit war Herr M. verschwunden,
den verdutzten Lehmann stehen lassend.
Bald darauf erschien der Diener, um
Lehmann den AuZzang zu zeigen.
Vollständig geknickt, trollte Lehmann
nach Haufe, um feiner erstaunten Gattin
fein Erlebniß zu erzählen.
Laß mir eener mit die feinen Leite
zufrieden," meinte er schließlich, det
alte Sprüchwort Schuster bleib' bei
Deinen Leisten" iS doch wahr."
Ein Pferderennen in Neu-Aleriko.
Skizze aus den, anierikckiiischen eben.
Eines der sonderbarsten Nachspiele
zu einem Pferderennen, wie ich eS noch
ze, weder in Neu-Mexiko, noch über
Haupt irgendwo sah, trug fich vor eini
gen Jahren in der Nähe deS kleinen
Städtchens Ocate in Colfax.County
zu." so erzählte mir ein Mann auZ
Santa Fe. Dort hatten fich nach dem
Frühjahrs Round up" eine Anzahl
Viehdesitzer und .Cowboys" sKuhhir
ten) versammelt, und da das Vieh fich
gut durch den Winter gehalten hatte,
waren die Rancher sehr guter Laune
und zu allerlei Späßen aufgelegt,
die entweder aufregen oder beluftigen
sollten.
Natürlich hatte man, wie gewöhn
lich bei solcher Gelegenheit, eine ansehn
liche Quantität Whiskey vertilgt.
Man spielte Karten, würfelte und hielt
Pferderennen im Freien auf offener
Prärie ab.
Das schnellste Rennpferd besaß Bill
JoneS. ES war ein herrlicher, perl
grauer Kentucky-Wallach. der schon seit
zwei Jahren Alles geschlagen hatte. waS
mit ihm wettrannte. Natürlicher Weise
hielt Bill JoneS viel von seinem Thier,
und Sie können fich denken, wie er eZ
aufnahm, als eine? Morgens ein ganz
gewöhnlich aussehender Bursche, Na
mens Meechman, auf einem erbürm
lichen Klepper heranritt und JoneZ
ohne Weiteres zu einem Wettrennen
herausforderte.
Wir begrüßten das Ansinnen mit
brüllendem Gelächter.
Meechman aber spöttelte so lange
über Bill Joncs und seinen Wallach,
daß dieser, in seinem Rausche wüthend
geworden, schwor, mit ihm zu rennen
um jeden Einsatz, den er vorschlagen
würde.
Geld habe ich keinS bei mir!" rief
Meechman höhnisch auZ, indem er unS
der Reihe nach ansah. DaS habt Ihr
auch gewußt, sonst würdet Ihr nicht so
frischweg gewettet haben! Aber ich will
Euch fagen, wie wir eS machen wollen!
Wir rennen eine halbe Meile und ich
fetze mein Pferd gegen das Eurige!
Wir lausen dreimal. Wer zwei Mal
gewinnt, ist Sieger! Seid Ihr das
zufrieden? He?"
Mein Pferd gegen EureZ?" brüllte
JoneZ in rasender Wuth. Mein
Thier ist zwölf Mal so viel werth,
als jener Schindgaul! Ihr seid der
rückt!"
Nun!" lächelte Meechman sarkastisch.
Wenn Euer Pferd wirklich so gut ist.
dann wird eS ja das meinige auf jeden
Fall schlagen! Ueberhauvt." fetzte er
lauernd hinzu, ich denke, daS beste
Pferd ist immer dasjenige, welche? ge
winnt, od eS theurer oder billiger ist.
als das besiegte!"
Bill JoneS biß die Zähne zusammen..
Solch' kaltblütige Frechheit war ihm
noch nicht vorgekommen.
.Angenommen!" schrie er und ging
nach dem Corral, seinen Wallach zu
holen.
Ich eilte ihm nach.
Billy!" flüsterte ich ihm zu. .Sei
auf der Hut! Der Hallunle hat ein
Surprise Horse"!"
"kut uz,!" fuhr JoneS mich an
und war in einer Sekunde im Sattel.
.Mein Pferd ist das beste!" Dann
nahm er seinen Revolver und Patro
nengürtcl ab, um leichter zu reiten,
und gab sie mir zu halten.
ES ging loS. Wie der Wind flogen
Beide davon.
Meechman'S Thier lief wie ein Hirsch.
Bill JoneS fluchte, spornte aber auch
sein Pferd und gewann um eine
halbe HalZlünge.
Hurrah für Billy!" lärmte die Wer
sammlung. als beide Wettenden auf
schaumbedeckten Pferden im Schritt wie
der am Starter" erschienen.
Meechman kniff die Lippen zusammen
und wagte nicht, aufzuschauen.
Ohne ein Wort zu sagen, wandten
Beide um und jagten auf das Zeichen
des Kampfrichters loS. Bill JoneS
schien verlieren zu sollen, aber der Perl
graue gewann wieder, wenn auch dieses
Mal nur um eine Kopflänge.
JoneS hat gesiegt!" jubelte der
Haufe, al? beide Reiter zurückkehrten.
JoneS' Augen strahlten, Meechman'S
Züge verzerrten fich zu einem entsetzlichen
Grinsen.
Nun. mein Junge!" rief Bill spöt
tisch. Jetzt steige ab und gehe zu Fuß
heim und sage Deiner Mutter, daß
JoneS grüßen lasse!"
Oho!" entgegncte Meechman. ES
wurde ausgemacht, dreimal zu reiten!
Habt Ihr etwa Furcht, Herr Sieger?
Ich bestehe auf dem dritten Rennen, ob
ich gewinne oder nicht!"
Gut, Bestie, infame!" zischte JoneS
und wandte sein Pferd, um loSzureiten.
Auf, Du Hallunke! Wir reiten in die
Hölle!"
Damit jagte er davon.
Doch waS war daS? Meechman
hielt still, allerdings, ohne den Grauen
auS den Augen zu verlieren. JoneS
war ihm ungefähr fünf Pferdelängen
voraus, als auch er fich in Galopp
setzte. Dadurch aber stutzig gemacht,
zügelte Bill seinen Renner, um sich nach
Meechman umzusehen. Diesen Mo
ment benutzte der Schwindler, um nun
mehr an seinem Vorgänger in voller
Carriere dicht vorbei zu sausen. Da
durch wurde der Graue erschreckt und
bäumte fich, daß JoneS gezwungen war.
auS dem Sattel zu springen, um nicht
bei einem etwaigen Ueberschlag deS
Thieres unter diesem begraben und zer
quetscht zu werden.
Mit höhnischem Gejohle jagte Meech
man über den Zielpfosten hinaus und
verschwand in einer dichten Staub
Wolke hinter dem nächsten Hügelrande.
Im nächsten Moment galoppirte
JoneS zurück und auf mich zu.
Meine Pistole!" schrie er rothblau
vor Zorn.
Ohne ein Wort zu sagen, reichte ich
ihm die Waffe hin. Er drehte den
Cylinder, probirte den Hahn und
schnallte dann heftig den Patronengür
tel um.
Eine Sekunde später jagte er in
Windesftille in der Richtung, die Meech
man genommen halte, davon.
Volle acht Stunden vergingen, als
wir Pferdegetrappel auf der Straße
hörten.
Hallo! Das ift Bill JoneS!" riefen
Einige von uns. indem fie aufsprangen
und der Thür zueilten.
In demselben Augenblick aber wurde
dieselbe von außen geöffnet und Bill
JoneS trat, über und über mit Staub
und Schweiß bedeckt und hier und da
an den Kleidern mit Blut bespritzt, ein.
Draußen stand sein schaumbedeckter
Grauer mit fliegenden Flanken und
neben ihm der entsetzlich abgerittene
Klepper Meechman'S mit blutüderftröm
tem Sattel.
Jim! "A glass of ycrnr best
Bourbon! Quick!" daS war AlleS,
waS Bill JoneS sprach.
Nun, und waS thatet Ihr?"
Was sollten wir thun? Gar nichts!
Wir wußten, daß Bill JoneZ im Rechte
war und daS Pferd Meechman'S ge
hörte ihm!"
Achtzigjähriger (zu seinem abgelebten
Enkel): Wie, fünfundzwanzig Jahre
bist Du alt? Potz Blitz. Du bist ja
beinahe noch ebenso rüstig, wie ich?"
Heiler ilitSrgksckiichte au
Japan
dringt seit einiger Zeit fast taglich die
Jommri.Schimdun". Besonder, Hei
teike.t erweck!? in ganz Japan die Er
zählung von der Gefangennahme de?
verdienten Genera!? Kuroda. Dieser
Herr fuhr eine? Abend? nach einem
Festmahl in seliger Stimmung mit dem
letzten Zuge von Kode nach Osaka. Er
nickte während der Fahit ein, und si!3
er nach langer Zeit erwachte, war e?
um ihn herum stockdunkel und er wußte
nicht, wo er fich befand. Der Schaffner
de? ZugeS hatte ihn nämlich bei der
Ankunft in Osaka nicht bemerkt: die
Lichter deS WagenS wurden ausgelöscht
und der Wagen in einen Schuppen ge
bracht, der darauf verschloffen wurde.
Als General Kurado endlich begriff, wo
er sich befand, machte er im Schuppen
einen großen Lärm, bis zuletzt ein
Nachtwächter herbeikam und Seine Er.
cellenz auZ der unfreiwilligen Haft be
freite.
Auch vom Herrn Oberstlieutenant
Tamura, dem bisherigen Militürbevoll
mächtigten bei der kaiserlich japanischen
Gesandtschaft in der deutschen Reich?
hauptftndt. wird eine Anekdote berichtet.
Er hat viele Jahre in Europa verlebt
und liebte eZ. al? er vor einigen Jahren
in fein Vaterland zurückkehrte, bei jeder
Gelegenheit Vergleiche mit Europa an
zustellen, weshalb er bald von seinen
Kameraden den Spitznamen Europa"
erhielt. Eines Tages ging sein Diener
mit einem seiner Pferde durch die
Straßen von Tokio. Da trat ein Of
fizier an den Burschen heran und fragte
ihn. wem daZ schöne Thier gehöre, das
er schon irgendwo gesehen zu haben
glaubte. Der Diener antwortete nur:
Europa", worauf der Ossizier lachend
bemerkte: Ein europäisches Pferd hat
keinen so kurzen HalS." Da entgegnen
der Dienet: DaS Pferd stammt nicht
aus Europa, sondern gehört dem Herrn.
Europa in Jotfuja." Da lachte der
Osfizier noch mehr, denn er wußte, daß
mit dem Herrn Europa auS Jotfuja
(einem Stadttheil von Tokio) fein Ka
merad Oberstlieutenant Tamura ge
meint war.
englische StudenteN'Ulke.
Der Vorstand deS Downing College
an der Cambridge-Universität hat fich
wieder einmal veranlaßt gesehen, böse
Miene zum guten Spiel zu machen und
etliche seiner "Undergraduates" für
den Rest deS Termin? strafweise fortzu
schicken. Jüngst kam Lord Russell, der
Lord-Oberrichter, nach Cambridge, um
daselbst zum Ehrendoktor promovirt zu
werden. Te? Abend? gab der Vize
Kanzler der Universität einer Reihe her
vorragender Richter ein Bankett im
Feftsaale, nach welchem fich die Gäste zu
einem ganz intimen Plausch in eine?
der kleineren Gemächer de? Colleges be
gaben. Man war bester Laune und
brach erst spät auf. Aber der Erfte,
der zur Thür kam, bemühte sich der
gebenS, sie zu öffnen, der zweite und
Dritte desgleichen, bis man schließlich
die wahre Lage erkannte: die äußere
Klinke war mit Draht an den Pfosten
gebunden, und der Anstrengung aller
Herren Richter zum Trotze ließ sich die
Thür nur einige Zoll weit öffnen. Der
Vize-Kanzler war in der höchsten Ver
legenheit. er nahm beide Hände, ein
Tischmesser, und waS ihm sonft unter
kam, zu Hilfe, aber umsonst: der Draht
war der Stärkere und zahlte ihm seine
Eingriffe mit blutigen Schnitten heim.
Die Uebelthüter standen inzwischen un
bemerkt in einer Ecke des Korridors und
freuten fich wie Max und Moritz. Das
war jedoch nicht Alles. Ein Theil der
Verschworenen hatte fich inzwischen auf'
Dach begeben, wo fie just in den Kamin,
der zu dem fraglichen Zimmer hinunter
führt, einige Krüge Wasser gössen und
dann rasch die Oeffnung bedeckten, um
den Rauch nicht entwischen zu lassen.
Im Nu war daS Zimmer in Qualm
gehüllt, und Ihrer Majestät Richter
begann furchtbar zu schimpfen. Man
riß die Fenster auf, und ein Gast nach
dem anderen purzelte mit so viel oder
wenig Grazie, als er nach dem luftigen
Abend noch auftreiben konnte, auf den
sechs Fuß tieferen Rasen hinunter.
Biädchen.Freundschaft.
Wenn Du noch eine Freundin haft,
So danke Gott und sei zufrieden.
Doch reize nie mit Unverstand
Die Freundin, die Dir ward beschicken.
Schmück' nie Dich mit dem schön'ren
Hut.
Willst Du die Freundin Dir bewahren.
Auch an der Kleidung mußt Du stets
Der neu'ften Mode Tand Dir sparen!
Und wenn Du klug Dich nicht vermählst.
Bevor die Freundin ihn" gefunden,
Dann hält der Freundschaft festes Band
Euch bis zum ersten Zank verbunden!
ländlicher Familiensinn.
Der Mich,! kommt mit einem Recepte
für fein krankes Schwein in die Apo
theke. Der Apotheker verlangt für die
Arznei 90 Pfennig'. Ei", sagt Michel,
.i' bin ja in der Krankenkass' !"
Das glaub' ich gern, daß Sie
Mitglied der Krankenkasse find, aber
Ihr Schwein doch nicht!"
Ja warum denn das nit auch? I'
bin do' mit allen meinen Ange
hörigen versichert!"
Unter Dienstboten.
Ist die Anna denn noch nicht mit
ihrem Kutscher verheiraihet?"
Nee, der hat sie ja wieder fahren
lassen."