Hans der Knecht. YrzädlungVonPaulBliß. lS HanS Wolfram neun Iah alt war. verlor er die Eltern. Eine lflcfi sche Fieber'Epidemie überfiel daS kleine Dorf und raffte sqaarenwelse die armen Leute bin. Sein Bater trar der einzige Lehrer im Ort. Seine Mutter mar eines ar men Bauern Todter. Vermögen war nicht da. Und da auch keine Verwand ten des kleinen so jäh verwaisten Kna den mehr lebten, erbarmte sich der reiche Großbauer MertenS und nahm den " aufgeweckten kleinen Buben zu sich in'S vauS. Der Großbauer war ein praktischer Mann. Er wußte, weshalb er den Burschen in Kok und Psteae nahm. Er hielt ihn streng und erzog ihn zur Av beit. denn er berechnete: wenn der Bursch größer wurde, konnte man einen necht ersparen. So wurde HanS zur Landarbeit er, gen. Im Sommer hütete er das Vieh, trieb sich vom frühen Morgen diS zum späten Abend auf Feld und Wiesen herum: und im Winter, wenn daS bis. chen Schulunterricht vorbei war, wurde er in Haus und Hof und in den Stallen zu jedweder Arbeit herangezogen. Alle hatten etwas für ihn zu thun. Jedem mußte er gehorchen. Zum Nachdenken kam er nur im Sommer. Dann lag er wohl am Bach und sah den rinnenden Wassern nach, oder er lag lang ausgestreckt auf dem Rücken und starrte die ziehenden Wolken an, oder auch am Bahndamm stand er und schaute auf die vorüberbrausenden Züge und dann kam oft eine leise Weh muth über ihn dann gedachte er der stillen Winterabende, als der Vater am Kachelofen gesessen und von den Wun dern der großen Welt erzählt hatte ; draußen tobte der Schneefturm und rüt telte ungestüm an den klappernden Jen fterladen. drinnen aber war es sehr trau lich und warm und der Vater erzählte von so viel neuen und , herrlichen Din gen, daß die Stunden wie im Fluge vergingen und wenn er an die Zeit zurückdachte, dann kam eine weiche Stimmung über ihn. und dann konnte er oft leise vor sich hin weinen, und dann erst empfand er seine Einsamkeit, die ganze Schwere seines Daseins und die hoffnungsarme Zukunft: aber dann urplötzlich blitzte etwas auf in seiner Seele. die Kraft der Jugend brach siegreich durch, die trüben Bilder der schwanden, und eine heiße wilde Sehn sucht packte ihn, den brausenden Bahn zögen hätte er nacheilen mögen! Hinein in die Welt, von der er des Schönen so viel gehört hatte. So wurde HanS 15 Jahr. Ein kräftiger, prächtiger Bursch war er geworden. DaS Gestcht braun brannt,, der jugendliche Körper straff und muSlelseft. und em paar treue dun kelblaue Augen, die ihn Jedermann schnell gewinnen ließen. Nun behandelte man ihn schon besser. Er war äußerst geschickt, fleißig und treu, und da er gegen Jeden Bescheiden war, galt er fast jetzt schon so viel wie ein Knecht. Und AbendS. wenn die Knechte vor den Ställen faßen, durfte er auch mit ihnen zufammenfiden und konnte zuhö ren, wie die zahllosen Erlebnisse breit und umständlich erzählt wurden. Am liebsten hörte er den Soldatengeschichten zu und den Keiegsabenteuern, die der Pferdeknecht mitgemacht hatte; der hatte bei den Ulanen gedient, und war 1870 mit gewesen. Da pochte denn daS Herz des Jüng lingS höher und seine Augen glühten vor Begeisterung, ach. so etwas wollte auch er einmal mit erleben! Natürlich nur bei den Ulanen, denn das war feme LiebungStruppe. Von Zeit zu Zeit übte er sich noch eif - riger im Reiten. Kein Pferd war ihm zu wild; mit der ganzen wilden Kraft des Naturburschen zwang er eS, fo daß selbst der ehemalige Ulan vor ihm Re spekt bekam. AIS er 16 Jahre war, wurde er kon sirmirt. Nun galt er als vollkommen zuge hörig biim Gesinde. Er war jetzt der patttichfle Buriche tm ganzen Dorf, und die Mädchen wurden roth, wenn er sie mit seinen großen blauen Augen ansah. Jetzt wurde er dritter Pferdeknecht, bekam dreihundert Mark Lohn für'S Jahr und durste theunehmen an allen Beschädigungen der anderen Knechte. Um diese Zeit starb der Großbauer, Da seine Ehe kinderlos war, erbte die Frau Alles. Aber auch die Frau war klug und er fahren in der Landwirthschaft. Der Hof wurde nicht verkaust. Die Bäuerin übernahm daS Regiment, und der Groß knecht wurde Statthalter. So wirthschaftete man dreiviertel Jahr. Tann kam das Gerücht auf: Groß bäuerin wolle wieder heirathen. Und darüber wunderte sich denn auch kein Mensch, weil die Wittib noch eine gar stattliche und lebensluftige Frau gewe fen ist. Als JreierSmann trat der neue Nach bar auf. Er hieß Wilke. war Wittwer. hatte ein Mädel von 14 Jahren und war kehr reich, denn er hatte daSNachbarRitter gut gekauft und vaar bezahlt. Dieser Mann bewarb sich um die Wittwe MertenS, weil er sie als tüchtige. Wirthin und kluge Frau kennen gelernt hatte. ' Alles ging gut. Und nachdem daS Trauerjahr verstrichen war, führte Herr Rittergutsbesitzer Wilke die Großbäuerin MertenS heim und die beiden großen Höfe wurden nun vereint. Der GutZherr hatte sehr bald die Fähigkeiten dkS schmucken Burschen er konnt, seine Eleganz und Sicherheit im Reiten und Fahren, und darum machte er ihn zu seinem Jockky und Kutscher. Nun bekam HanS eine herrschaftliche und lehr elegante Livree, die er alS Kutscher trug, und außerdem die twH ständige Ausstattung eines vornehmen ReitknecktS. Jetzt begann für HauS eine noch des lere Acu. Jetzt war er wirklich der strammst und schmuckste Bursch im ganzen Dorf Die Mädchen waren rein toll nach ihm Und die andern Burschen sahen mit neidischen Augen zu ihm hin. HanS aber hielt sich fast ganz zurückgezogen er erzürnte sich mit Niemandem, aber er befreundete sich auch mit Keinem. Er ritt viel umher, durchstreifte die ganze Umgegend und dann saß er auch oft in seiner einsamen Kammer und las, Ganz plötzlich war ein heißer Trieb zum Lernen über ihn gekommen. Sem Dienst bei dem neuen Herrn war nicht allzu anstrengend. Herr Wilke hatte immer den Kopf voll von neuen Plänen, wie er feine Güter verbessern könnte, und feit er nun wieder geheira thet hatte, wurde die Sucht. Neuerun aen eirnu üoren. immer ärger, denn feine Frau drängte ihn Tag für Tag daß er mehr thun solle, sich zu Ansehen und Würden zu bringen. Die ehe malige Bäuerin war ehrgeizig worden. So hetzte sich der Gutsherr ab, seiner Frau zu Gefallen zu fein, so trug er sich mit großartigen Plänen, eine Ziegelei, eine Brennerei und gar eine Zuckev fabrik zu bauen, so ließ er sich endlich auch als Kandidat für den Reichstag aufstellen. Der neue jugendliche Kutscher hatte den Pferden Bewegung zu schaffen. aber in der ganzen Eleganz seiner neuen Livree konnte er sich nur zeigen, wenn eS galt, nach außen hin zu repräjen tiren. So war HanS mehr denn je allein mit feinen Pferden. Er liebte feine Thiere, er gab ihnen Kosenamen und streichelte sie liebkosend, so oft er nur konnte. Und die klugen Thiere kannten ihn sehr bald, wiehernd begrüßten sie ihn, sobald er sich blicken ließ. AIS der neue Lenz m s Land kam. kehrte die Tochter des HauseS aus der Pension zurück. Luce hieß Ine, wer schlank und zart gebaut und hatte braune Augen und lange blonde Zöpfe. Sie war jetzt ünszehn Jahr, und damit sie lerne. die neue Mutter lieb zu gewinnen, hatte der Vater sie letzt nach Hause zu rückgeiufen. Da der Gutsherr infolge seiner vielen Geschäfte fast nie daheim, war, mußte das Mädchen sich um so inniger an die neue Mutter anschließen. Luci kam deshalb auch mit großer Liede und Zärtlichkeit der Gutsherrin entgegen, aber schon nach den ersten Tagen merk ten Beide, daß eS zu wirklichem der traulichem Zusammenleben niemals kommen würde. DaS wahrhaft Innige, die herzerfrischenie Offenheit fehlte. Die ehemalige Bäuerin fand nicht recht den Ton, der Vertrauen erwecken konnte, und daS junge Mädchen verschloß somit keusch und zagend ihre wahren Gefühle. Man kam sich freundlich und gefüllig entgegen, innerlich aber kamen sie sich nicht näher. Lucie ertrug alleS .schweigend. Am liebsten war sie allein. Tann dachte sie an ihre verstorbene Mutter, und dann st empfand sie die ganze Schwere ihre? Daseins. 1 Der Vater merkte bald, daß nicht alles so war, wie eS hätte fein sollen, aber er hoffte viel von der Zeit und Ge wohnheit, und schließlich tröstete er sich damit, daß er daS Mädel ja in ein paar Jahren verheirathen würde, und dann war ja die Frage auf einmal gelöst; so ging er weiter seinen Geschäften nach und überließ die Führung des HauS wesenS seiner Frau. Eines TageS sprach Lucie den Wunsch aus, sie wolle reiten lernen. Sofort war der Vater einverstanden. Er gab seinem jungen Reitknecht die nöthigen Jnftruk tioncn. Und bereits am anderen Tage begann der Unterricht. HanS sattelte sein bestes Thier, einen Apfelschimmel, der fromm und gut ein geritten war. Als er daS Fräulein in den Sattel hob, und ihn ein dankender Blick aus dem braunen Mädchenauge traf, fühlte er, daß er roth wurde, und daß fein Herz lebhafter pochte, als sonst. Die ersten Stunden verliefen ohne Unfall. Tag Fräulein zeigte diel Talent und Geschick und begriff spielend die An Weisungen, die HanS ihr gab. Und als sie nach drei Stunden den Vater wieder sah, konnte sie bereits in vier Gangarten an ihm vorbeireiten. Der Gutsherr war froh, daß er nun etwas gefunden hatte, was ihr Freude und Zerstreuung schaffte, und deshalb gab er HanS die Weisung, so oft eS feine Zeit erlaube, mit dem gnädigen Fräu lein auSzurenen. So ritten sie denn jeden Vormittag. Anfangs hielt sich HanS ein paar Län gen hinter dem gnädigen Fräulein zu rück, da sie sich aber auf freiem Felde doch noch etwas unsicher fühlte, mußte er an ihrer Seite bleiben. Der Frühling war nun da. Mit jedem Tage schien die Sonne wärmer. ES war eine Wonne, so in die herrliche blühende Welt hineinreiten zu können. Die Obftdäume blühten ein Wald von schneeigem Duft. und aus den offenen Ackerfurchen quoll der wür zige frische Erdgeruch herauf. Die Kastanien platzten ihre braunen klebn gen Bluttlnospen und steckten daS erste junge Grün heraus, und der Flieder schimmerte wirklich schon ganz bläulich. Ein lauer Schmeichelwind wehte über die Lande und brachte ganze Wagen voll weißer Blüthendlätter mit. Und die l!öjtl sangen und sangen ohne Unterlaß. Jauchzend sprangen die Burschen und Mägde in'S Feld; über sie alle war die wilde Fröhlichkeit gekommen die so ein zunger Lenzivind den jungen Leuten in die Herzen hineinzaudert. Schweigend ritt HanS an der Seite seiner jungen Herrin. Manchmal sah er verstohlen zu dem Fräulein hin. und freute sich an dem heitern sorglosen Lächeln, daS auf ihrem Gesichte leuch' tete, doch wenn sie sich dann umwandte und ihn ansah, dann blickte er verlegen weg, alZ wäre er bei einem Unrecht er tappt worden. Eines TagcS fragte sie, ob er hier im Torfe zu Haufe fei, und wo feine Eltern lebten. Ruhig und mit leise zitternder Stimme antwortete er dann, daß er schon als Knabe verwaist war und jetzt muttersee len allein dastehe. Als er schwieg, sah sie mit leicht um- florten Blicken zu ihm hin, und dann kamen ihr ein paar Thränen in die Augen. Das sah HanS, und da kam plötzlich ein Gesühl in ihm hoch, als ob er nie derknieen möchte, dem Fräulein deS KleideS Saum zu küffen, als ob er ihr danken möchte für diese liebe Antheil, nähme, die ihm noch von keinem Mm schen in solcher Zartheit gewährt worden war. Alle? Gute m ibm. alle Dank barkeit, alle Aufopferung, alle Liebe. alles, alles hätte er ihr heute kund thun mögen. Doch er besann sich sofort. daß er ja nur ein Knecht und sie die Herrin war, und deshalb schwieg er und dankte nur mit einem Blick aus seinen treuen blauen Augen. Von dem Tage an war sie sein AlleS. für die er sein Leben gelassen hätte. Auch Lucie kam ihm jetzt anders ent gegen. Sie befragte ihn um alles mög liche. Bald mußte er ihr Auskunft ge den über die Behandlung deS Ackers. dann wollte sie wissen, w,e man die vev fchiedenen Getreidearten unterschied, b vor sie Aebren bekamen. Dann wieder ließ sie sich den Mechanismus einer landwirthfchaftlichen Maschine erklären. Und er war stolz, sie über all das so prompt belehren zu können. Oft redete er sich fo in Enthusiasmus, daß sie ihn teile erflaunend ansah. Sie verwun derte sich, so viel Wissen und Jntellv genz bei ihm zu finden. Sie hatte keine Freundin hier, und der Verkehr mit den Nachbarn war auch nur mäßig. So war sie fast immer allein, und doppelt froh war sie dann, wenn sie mit dem flotten, jungen Bur chen so wild in das weite Feld hinein galoppiren konnte. Manchmal erzählte auch sie dann von ihrer Pension in Lausanne, von der wilden Romantik der Schweiz, von der Schönheit des Genfer SeeS, und von all dem Herrlichen, daS sie kennen ge lernt hatte. Still und andächtig hörte er zu und ah sie voll Ehrfurcht an. bis sie plök' lich. belustigt über fein Staunen, dann dem Gaul die Sporen gab und in vol. lem Galopp querfeldein davonsauste. odaß er beinahe Mühe hatte, ihr nach zukommen. Und letzt war Han, wenn er mit dem anderen Gesinde zusammen weilte, noch mehr zurückhaltend und noch stiller, als er es ehedem gewesen war. Wenn irgend möglich, blieb er ganz allein, laS unermüdlich oder faß sinnend da und chaute in die blaue FrühlingSlust. EtwaS Neues war über ihn gekom mm, etwas ihm noch UnbeknitS, j Manchmal durchrüttelte eS ihn wie eine wilde Freude, daß er hätte aufjauchzen mögen vor lauter Glückseligkeit. Und dann wieder schlich er kopfhängerisch und ganz verzagt einher. Plötzlich warf er sich aufs Pferd und jagte davon in wildem Galopp, bis er allein war im stillen Wald, und dort warf er sich in'S GraS, umklammerte einen Baum und betete, wie er als kleiner Knabe mit der Mutter gebetet hatte, und mittendurch wieder kam ein Jauchzer, und Freuden thränen traten ihm in die Augen, und das Herz pochte ihm zum Zerspringen. An einem wunderherrllchen Juni morgen ritten die Beiden wieder in S Feld. Der Flieder blühte jetzt. Ganze Wo gen von süßen Düften wehte der laue Wind ihnen zu. Schweigend ritten sie nebeneinander. Plötzlich deutete sie aus eine Schaar von Kindern, die am Bache unter den Weiden lagen und eifrig hantirten. WaZ treiben die Kleinen dort ?" HanS sah hin. .Sie machen sich Pfeifen und Schalmeien aus den jun gen Weidenruthen. " Sie nickte. Und wieder ritten sie chweigend weiter. Nach einer Weile kamen sie an den Fluß; auch dort ftan den Weiden. Plötzlich hielt sie das Pferd an, sprang herab und rief voll Uebermuth : .Ich möchte auch solche Pfeifen und Schal meien machen können." Lächelnd sah HanS sie an. Tann fprang auch er vom Pferd, band beide Thiere an einen Baum, und dann schnitt er mit seinem Ta schenmesser einige junge Weidenzweige herunter. Mit diesen wnf er sich in'S GraS. fing an, die Ruthen zu befeuchten und sie so lange mit dem Messer zu be klopfen. diS er den Weißen Stock aus der grünen Schale ziehen konnte. Tann schnitt er ein Mundstück, eine Schall öffnung. schob dann einen kleinen weißen Stock unten in die grüne Schale wieder hinein, und dann hielt er dem Fräulein lächelnd die fertige Pfeife hin. Schweigend hatte sie neben ihm ge standen und genau auf Alle? geachtet, und als er ihr jetzt das kleine Justru ment gab, auf dem sie luftige Weifen pfeifen konnte, da lachte sie laut jubelnd loS und sprang tanzend und pfeifend umher wie ein ausgelassenes Kind. Mit hochrothem Gesicht und mit freu digem Stolz stand Hans dabei und sah ihr zu. Und wieder kam das Gesühl der Glückseligkeit über ihn, und wieder pochte fein Herz zum Zerspringen. Ta kam sie auf ihn zu. reichte ihm lächelnd die rechte Hand bin und rief .Ich danke Ihnen. Hans!" Und da ergriff er ihre Hand und preßte sie so fest in der seinen, daß sie fast aufschrie vor Schmerz. Und da traf fle sein leuchtender Blick, der ihr AlleS. AlleS verrieth. ueber und über erröthend stand sie vor ihm, zog ihre Hand aus der seinen und ging von ihm fort. ann wart ne die Wetdenpteife rn den Fluß, der sie auf den reißenden Wogen schnell davontrug. Und dann schwang sie sich aus'S Pferd. alleS fchwet gend, schnell hintereinander. HanS aber stand da wie versteinert Vor seinen Augen flirrte und flimmerte AlleS, und in seinen Ohren klang eS wie MeereSdrausen. Erst alS er sie auf dem Pferde sitzen sah, ermannte er sich und bestieg auch lein Thier. Niemand sprach ein Wort. In schnei lem Trabe ritten sie nebeneinander her, bis sie den Hof erreicht hatten. Tann sprang sie allein herab, warf ihm die Zügel zu. sagte kein Wort, hatte keinen Blick für ihn, und so ging sie in'S HauS. Und er führte die Gäule in den Stall und that seine Arbeit wie immer, aber that eS aus Gewohnheit, er wußte nicht, was er that. Wie im Traum, mit todtenbleichem Gesicht lief er umher, so daß alle ihn erstaunt ansahen. In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Qualvoll wälzte er sich auf dem Lager herum und stöhnte und ächzte und wühlte das Gesicht in'S Kissen, um feine Schluchzen nicht laut werden zu lassen. Endlich aber kam der Großknecht, der ein Stöhnen hörte, besorgt zu ihm und ragte, ob er denn krank sei. Und da biß er die Zähne zusammen und zwang sich zu einer gleichgültigen stimme: .Nem. ich bm aam wobl. aber ich habe nur einen bösen Traum gehabt." Und nun nahm er alle Kraft zusam men, seiner Erregung Herr zu werden. Er gab keinen Laut mehr von sich Innerlich aber wühlte der Schmerz und die cham und der Aerger, und mitten. durch brach die Wuth: er hatte nicht nur sich hinreißen lassen, daS Fräulein zu oeieivigen, das fühlte er nur zu deutlich, er hatte nun auch für immer sich die Achtung verscherzt, die sie bisher vor ihm gehabt hatte. TaS fraß und quälte ihn am meisten. Er hatte fein erstes Ideal verloren für immer. Das wußte er jetzt. Und er hatte sie lieben und anbeten wollen, so heimlich und verstcckt, daß sie auch nie daS Geringste davon hätte merken sollen : jeden Wun cd wollte er lbr von den Auoen ablefen, sUr sie hätte es ein Leben ge lassen, so betete er sie an. , Und nun, als sie ihm den elften Beweis ihrer Freund chaft gab, nun loderte fein wu deS, ungestümes Blut fo heiß auf, daß fein Händedruck und fein Blick zu einer Beschimpfung für sie wurden. DaS war es. waS ihn nicht zur Ruhe kom men ließ. Sie die Herrin und er der Knecht ! Eine wahnsinnige Wuth tx faßte ihn. Ein Knecht war er nur, ein Knecht I Er b,ß sich wüthend in den Kissen fest, um sein Schluchzen nicht wieder laut werden zu lassen. Als der Morgen kam. war fein Ent schluß gefaßt. EineS nur gab es. Er mußte fortgehen. DaS Fräulein sah er nicht wieder. Sie ritt nicht mehr. Sie sei nicht wohl, hieß eS. Und nach acht Tagen taste sie ad. Der Kammerdie ner sagte, sie wollte eine Freundin im Süden besuchen. Auf dem Hofe blieb alles, wie es war. Nur HanS allein war noch stiller und zuruayattenoer gemoroen, ier war er fast menschenscheu. Er arbeitete mit einer wahren Wuth. Nie konnte er sich genug thun. Und AbendS, dann schlich er allein umher, bis in die sinkende Nacht hinein. Erstaunt sahen die anderen Leute seinem Treiben zu. Aber keine wagte, ihn zu hänseln, sie hatten alle Respekt vor ihm. So ließ man ihn gehen. Nach einigen Wochen war er mit sich im Klaren. Fortgehen, in die Welt hin aus, und alles vergessen, das war die einzige Rettung. Zuerst wollte er seiner Militärpflicht genügen, natürlich bei den Ulanen, und wenn er ausgedient hatte, dann sollte eS hinausgehen in die Welt, um zu schaffen und zu streben, bis man endlich dann kein Knecht, sondern ein eigener Herr war. TaS war sein Plan. I Und er führte ihn aus. Zwar un gern entließ ihn sein Herr, denn er vatte ihn liei gewonnen. Ta HanS aber fest blieb, mußte er ihn ziehen laf fen. Eo nahm er denn Abschied von den Krädern seiner Eltern und von all' den Stätten, der ihm theuer geworden waren, und an einem klaren Spät sommermorg'n schnürte er sein Ränzc und verließ die Gefilde seiner Jugend tage und zog hinaus in die weite Welt, Die Thränen traten ihm in die Augen, als er vom Hügel aus noch einen letz'cn Blick auf das Fleckchen mot wart, das er ferne veimath nannte, Dann aber machte er sich stark und zog weiter, dem Neuen, dem Unbekannten entgegen, seine junge Kraft im Kamps um i Tafein zu stählen. Seitdem sind sechs Jahre vergangen. Für HanS sind es Jahre der ernsten angestrengten Arbeit gewesen. Aber nie ist er müde geworden, stets seinem Grundsatze getreu hat er weiter geschafft. tapser und redlich. Ader auch deS Glückes Sonne hat ihm geleuchtet. Sein Rittmeister bei den Ulanen hatte ihn bald lieb gewon nen, weil er erkannt hatte, daß der junge Rekrut nicht nur fleißig und zu verlässtg, sondern auch von großer In telligenz war ; so ließ er ihn nicht auö den Augen und zeichnete ihn bei jeder Gelegenheit aus. Und als dann die Militärzeit zu Ende ging, kam HanS auf daS große Rittergut feines Ritt meifterS, wo er sich durch unermüdlichen Fleiß und strenge Redlichkeit nach und nach den Posten deS ersten Statthalters eroberte. Das war die erste Staffel gewesen. oie er erreicyi yane. Wenn fegon er auch jetzt noch diente, war er doch kein Knecht mehr. Aber er ließ sich auch daran lange noch nicht genügen. Nun er den ersten Schritt vorwärts gethan, nun erst recht wuchs ihm die Kraft, vor wä,tS wollte er, fein eigener Herr wer den. Vom frühesten Morgen bis in die sinkende Nacht war er auf den Beinen. Nichts im ganzen Hos geschah ohne seine Anordnung. Alle waren ihm willenlos Unterthan. Seine kurze und bestimmte Art, Befehle zu ertheilen, duldete keinen Widerspruch. Doch nicht stolz und herrisch war er, fondern er griff auch tapfer mit an, wenn eS galt, zu arbeiten. Und nebenbei ftudirte er noch in landwirthfchaftlichen Büchern, um feine mangelnden Kenntnisse zu vervollkomm nen. Er hatte bald erkannt, da feine Fachbildung nur lückenhaft war, und darum war er bemüht, diese Mängel zu ergänzen. Um diese Zeit bekam er ein Anerbie ten von seinem früheren Herrn, dem Rittergutsbisitzer Wilke, er wurde in eine Heimath berufen, ebenfalls als Statthalter, denn der Gutsherr begann zu kränkeln und konnte die Arbeiten im vollen Umfange nicht mehr allein eo ledigen. Lange dachte HanS darüber nach, alleS zog er tn Betracht, auch die Ge danken an Lucie kamen wieder, alleS stand wieder sonnenklar vor seiner Seele. Endlich aber entschloß er sich doch, dieS Anerbieten anzunehmen. denn die Sehnsucht nach der Heimath hatte ihn plötzlich wieder erfaßt. So ging er zurück auf feine erste Stelle. Auch hier hatte sich inzwischen die! geändert. Der Gutsherr war über, arbeitet und kränkelte ernsthaft. Die Herrin war noch stolzer wie ehedem. Und aus der kleinen Lucie hatten die Jahre eine in blühenden Reizen pran gende Jungfrau gemacht. Sie alle begrüßten Hans mit Achtung und einer entaeaenkommenden Art. denn fte hatten von seinem ehemaligen Rittmeister gehört, ein wie prächtiger Mensch er geworden war nicht mehr den Knecht sah man in ihm, man be trachtete ihn schon halb und halb als seinesgleichen. Auch auf dem or wußte er ttch in Respekt zu setzen, sodaß auch diejenigen Knechte, dle zu feiner Zeit schon dage Wesen .waren, ihm wohl oder Übel ge horchen mußten. In wenigen Wochen hatte er alle Fa den deS großartigen Betriebes in der Hand und erhielt die Machtbefugnisse. zu fchalieu und zu walten, wie er es für richtig befand. Er aß am Tisch der Herrschaft und wurde auch vorgezogen, sobald eS irgend eine Festlichkeit gab. Er war letzt in der Blüthe feiner Kraft, stattlich und gesund.- Dabei hatte er sich auch die Umgangsformen der feineren Kreise angeeignet; niemand konnte ahnen, daß er sich auS dem Nichts heraufgearbeitet hatte. EineS Tages, alS er vom Felde heim ritt, traf er mit Lucie zusammen. Es war das erste Mal, daß er sie allein sah. seit jenem UnglückStage. Bisher hatten sie beide niemals zusammen mehr gesprochen, alS die Höflichkeit er orderte, und lebet von Beiden hatte durch größtmögliche Harmlosigkeit daS Andenken an die Vergangenheit der gessen machen wollen, was ihnen Be'den auch gelang. Jetzt zum ersten Mal waren sie wie der allein. Als HanS tief und ehrerbietig grüßte. dankte Lucie erröthend. Eine kleine Pause entZand. Aneinander vorüber, reiten konnten sie nicht, weil sie densel den Weg hatten. Endlich nahm sie alle Kraft zufam men und begann daS Gespräch: .Nun, l'uuiuiy ll (i ja rn." Blicke und da et lichenAuflelichlllif Herr Wolfram, wie gefällt e Jhnr? denn jetzt bei unS?" .Oh. ich danke, gnädiges Fräul.in.' sagte er freudestrahlend. .eS gefüllt mir sehr gut. Und in der Heimath ist ci ja DOtjj immer am sonnen. Da trafen sich ihre Blicke kannte er an dem glück! ihrer Augen, daß sie ihn noch nicht der geffen hatte. Er hätte aufjubeln lön nen vsr Glückseligkeit, aber er dachte an den UnglückZtag von e,hedem. und deS halb nahm er sich zusammen und sprach ruhig weiter. diS sie den Hof erreicht hatten. Ader der Zufall wollte eS. daß sie sich nun öster trafen, bald im Feld, bald im Wald, und immer dann plau derten und unterhielten sie sich in aller Harmlosigkeit, sodaß die Vergangenheit endlich ganz vergessen war. Einmal überraschte sie so der alte Herr Wilke, aber er freute sich nur dcS guten Einvernehmens der beiden jungen Leute. Er hatte seinen jungen Statt Halter jetzt so lieb gewonnen, daß er so gar ganz heimlich an eine Verbindung deS jungen Mannes mit feiner einzigen Tochter dachte. Als hiervon aber die Gutsberrin er fuhr, war sie voll Empörung und saate. daß sie eS nie und niemals zugeben werde, denn Lucie könne ganz andere Partien machen. Papa Wilke aber schwieg lächelnd, weil er wußte, daß seine Lucie doch nur den Mann nehmen würde, den sie sich erwählt hatte. Ader die Herrin ließ nicht nach, und endlich lud sie auch einen Besitzer auz der Nachbarschaft ein. von dem fleV wußte, daß er sich für Lucie interesstre. ES war ein Herr von Santen. ein junger Elegant, der sein Wappen neu vergolden mußte, um die Schulden seiner Väter zu tilgen. Lucie durch chaute sofort den Plan der Stiefmutter, aber, gleich dem Va ter, lächelte auch sie nur, sie wußte wohl, was sie wollte. So kam Herr von Santen wieder und wieder, ohne seinem Ziele auch nur einen Schritt näher zu kommen. Und wieder kam der Früblina in'S Land. Wieder grünte und blühte die aan Welt in all' ihrer Schönheit. Und die liebe Sonne schien vom Morgen bis zum Abend am wolkenlos blauen Him mel. Eines Tages, als LanS einmal tu Fuß durch die Felder aina. trat er Lucie unter den jungen Weiden, wo sie atz und aus den grünen Ruthen kleine Pfeifchen schnitt. Sie sah ihn nicht. Wie aebannt blieb er stehen. Kaum hielt er noch an sich. Aber dennoch bezwäng er sich auch jetzt wieder und ging langsam, fast ,öaernd zu ihr heran. Plötzlich drehte sie sich um. Und als sie ihn hinter sich stehen sah. sprang sie erröthend auf. ließ die Weidenruthen fallen und wollte fortlaufen. Jetzt aber hielt er sie und bat mit flehender Stimme, daß sie bleiben . - möge. Sie blieb. Und er hielt ihre Hände in den seinen, und mit leiser, glück durchzitterter Stimme nannte er sie beim Vornamen: Lucie, Sie fliehen vor mir?" Sie schwieg und sah zu Boden. .Lucie. sagen Sie mir kein Wort?" bat er weiter. Da sah sie auf. Und da las er in ihrem Blick, was er ja schon so lange wußte, und da zog er sie an seine Brust, wortlos und voll Glückseligkeit, und so ruhten sie lange. Brust an Brust. Eine Viertelstunde später schon wußte eS Papa Wilke. .Na, Kinder," sagte er, .daS habe ich schon lange kommen sehen," und dann legte er segnend seine Hand auf daS junge Paar. Die Gutsherrin hielt ftcb zuerst ,war sehr reservirt, da aber Herr von San ten plötzlich nach der Residen, reisen mußte," fügte schließlich auch sie sich in daS Unabänderliche. So bekam der junge Statthalter sei nes Herrn einzige Tochter zur Frau, und so wurde aus HanS dem Knecht nun Hans der Herr. V n Sine Probe. WaS ist schwerer zu ertragen. lörver licher oder geistiger Schmerz? Diese Frage beantwortet folgende Geschichte: Ein persischer Schah dachte auch über die Frage nach, war aber anderer An ficht als sein Großwesftr. Der Monarch hielt den leiblichen Schmerz, der Mini fter den geistigen für stärker. Um nun einem Herrscher ein praktisches Beispiel für die Richtigkeit seiner Ansicht ,u geben, sperrte der Großwesir ein Lamm, dem zuvor eine Verletzung beigebracht worden war, allein in einen Käfig und ein zweites, gesundes Lamm in einen anderen, größeren Käfig, in dem ein Tiger an einer kurzen Kette so angebun den war. daß er zwar nach dem Lamme Prinzen, aber es nicht berühren konnte. Beiden Lämmern wurde reichlich Nah rung vorgesetzt. AlS man nun am fol genden Morgen zu den Käfigen trat. and man den Futternapf deS verlebten LammeS völlig geleert, dagegen hatte daS Lamm, daS sich mit dem Tiger im Käfig befand, nicht nur fein Futter un berührt gelassen, sondern die Furcht hatte eS getödtet. Merkspruch. DaS nimmst Du bei dem Freien. Mein Lieber, stets in Kauf: Mit schönen Stunden fängt man an. Mit bösen Jahren hört man auf ! WWW