Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 02, 1897, Image 11

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    Per bekehrte Radlerfeind.
.Warum dift Lu kigkntlich ein so
wüthend Gegner des adelnS.
Bruno?" sagte ein ungkr Mann. i
deffen Geftcht von der Sonne gkbraunt
war. zu seinem Freunde, der neben ihm
einherschritt.
..Warum, ja. warum?!" Warum
Ift ,". iio.ii fin Orth rniniic '
Uitltllt tllU.tfcyl VIHH . tlV i'Up iiu4..
hören und manche wieder keine Spinne
sehen, ohne daß ihnen übel wird ' Ich
habe nun einmal die Antipathie. Wenn ,
Du mir auch eine Stunde lang davon
erzühlst. daß das abfahren, mit ÄaK
betrieben, der gesundeste und praktischste
Sport ist, wirft Du mich doch nicht da
von Überzeugen. Las ift gerade so.
N wenn ein Arzt sagten Tanzen ift!
eine der gesündesten Bewegungen, wenn
man eS nicht übertreibt!" Aber gerade
in der Uebertreibung, in dem Ausarten
deS Radeln liegt ein arger Mihftand.
Und dann diese Kilometer Treffer,
diese radelnden Damen und Herren
haben ja gar kein anderes Interesse
mehr als ihr Rad! Kommt man jetzt
in irgend eine Gesellschaft, so hört man
nur von ,,9tecorb", Pneumatik".
Maschine". Sattel". Roiver",
Belo" und Lenkftange"jsprechen. geri
nach dem Schüler im gauft" könnte
man ausrufen:
Mir wird von alledem fo dumm,
Als ging mir ein Ziveirad im ttopf
herum!"
Jetzt übertreibst Tu, lieber Bruno!
Tu sprichst vom Radeln wie ein Blin
der von der Farbe. Wenn Du ahntest,
welch' ein Wonnegefühl es ist. so auf
der Maschine dahinzuschichen, frei wie
der Vogel in der Lust, vorbeizusausen
an den vierrädrigen Schnecken, die man
bisher Droschke" oder Equipage"
nannte, hinein in die weite herrliche
Kottesnatur! Ich sage Dir. daS stärkt
nicht nur die Muskeln und verleiht dem
ganzen Körper eine wunderbare Ge
schmeidigkeit, nein, daS giebt Dir auch
ein moralisches Selbstgefühl und erhöht
Deine Energie!"
Na, jedenfalls erhöht das nicht die
öffentliche Sicherheit! Wenn man, wie
ich, kurzsichtig ist, traut man sich jetzt
kaum noch über den Damm. Bon allen
Seiten ertönt daS Pingping" ift
man links eben noch mit knapper Noth
einem Tandem entgangen, so läuft
man rechts sicher einem Bicycle in die
Arme!"
Ein wunderbares Bild! Na, Du
dift eben unverbesserlich. Trotzdem
möchte ich jede Wette machen, daß ich
Dich eineS Tages noch auf dem Rade
sehe, alter Junge!"
Ich?! Nicht um Venedig! Adieu,
grüß zu Hause!"
Der radfahrende, sonnengebrüuntc
Freund ging in den Zoologischen Gar
ten hinein: der wüthende Gegner des
RadelnS schritt weiter deS Weges, den
Kursürstendamm entlang. Vor der
Kaiser WilhelmGedüchtnib-Kirche an
gelangt, wollte er links in die Tauenzien
Straße abbiegen und ging über den
Damm.
Pingping" eine junge Radfah
rerin kam in diesem Augenblick in
scharfem Tempo gerade um die Ecke
der Tauenzien-Straßc. Der wüthende
Gegner des Radelns war nicht nur
leider sehr kurzsichtig, sondern auch
außerordentlich zerstreut. So über
hörte er denn vollkommen da? warnende
Pingping".
Ein kurzer Aufschrei aus weiblicher
Kehle, ein Zusammenprallen, ein Dop
pelfturz die Katastrophe war ge
schehen!
Der wüthende Gegner des Radelns
lag in seiner ganzen Länge auf dem
Damm, theils daneben, theils darüber
daS Zweirad und die junge Rodlerin,
alle Drei zu scheußlichem Klumpen ge
ballt". Die junge Dame, eine bildhübsche,
kleine graziöse Brünette, war zuerst
wieder auf den Beinen. Zunächst rückte
sie sich den feschen Matrosen-Hut mit
dem breiten, rothen sammetbande. der
beim Sturz in den Nacken gerutscht war.
zurecht: dann hob sie ihr Zweirad auf
und dann sagte sie. sich zu dem wüthen
den Gegner deS RadelnS hinabbeugend,
der noch immer ruhig aus dem Damme
lag:
Um GotteSwillen. eS ist Ihnen doch
nichts geschehen!?"
Ja. ich weiß wirklich nicht "
Er erhob sich, unterstützt von der
jungen Dame, welche. daS Gesichtchen
vor Erregung in flammender Nöthe,
mit zitternder Stimme sagte:
Ich bitte vielmals um Verzeihung,
mein Herr! Ich hatte zweimal geklin
gelt und mit aller Kraft gebremst, aber
es war zu spät übrigens ift mir fo
etwas heute zum ersten Mal passirt."
Mir auch!!"
Er klopfte sich den Staub von Rock
und Beinkleid ab und spähte nach sei
nem Hute aus, der bis auf da? Trot
toir gerollt war. Die junge Dame sah
den Hut liegen, beeilte sich, ihn aufzu
heben und reichte ihn dem Ueber
radelten: Bitte, mein Herr!"
Oh, sehr liebenswiirdig aua!"
Er wollte ihr einen Schritt entgegen
gehen und empfand erft in diesem
Augenblick einen heftigen Schmerz am
linken Fußknöchel: er blieb stehen:
Donnerwetter ich glaube, ich habe
mir etwas verknaxt!" .
Die junge Rodlerin erbleichte:
..Wirklich? Ach. Sie können sich gar
nicht vorstellen, wie peinlich mir daS
ift!"
Und mir erst!!"
Dm kleinen, reizenden Persönchen
ftanden die Thränen in den Augen. 1
15 der wüthende Gegner des RadelnS
die? iah. erwachte der Kavalier in ihm.
Er lüftete den Hut!
Ader, gnädiges Fräulein, ich bitte
Sie, wegen einer solchen Lappalie
brauchen Sie sich wirklich nicht zu er
regen, Übrigens gestatten Sie mir. daß
ich die Gelegenheit benutze, mich Ihnen
vorzustellen Bruno fcoden, Baumei
ster. !auenzienftraße Nv. 10, drei Trep
pen links!"
Sie neigte crröthend da? Köpschen
und sagte mechanisch:
Melanie Guldheim. Kurfürsten
dämm No. 2i0, Parterre!"
Sehr angenehm! Hm, hoffentlich ift
doch Ihre Maschine bei dem kleinen
Rencontre nicht zu Schaden getom-'
nun!?'
Nein, Gott sei Dank nur die
linke Kurbel ift ein klein wenig ver
bogen!" ES entstand eineBerlegenheits-Pause.
; Soden suchte krampfhaft nach einem
! Gesprächsstoff. Plötzlich sagte er:
Welch' ein Wonnegefühl muß eö
doch sein, so auf der Maschine dahin zu
schießen, frei wie der Vogel in der Luft,
hinein in die weite, herrliche GotteS
i natur! DaS stärkt nicht nur die Mus
i keln und verleiht dem ganzen Körp?r
j eine wunderbare Geschmeidigkeit, nein,
j das giebt auch ein moralisches deldftge-
sühl und erhöbt die Energie!"
DaS junge Madchen sah ihn starr an
wahrscheinlich glaubte sie, daß der
Herr Baumeifter durch den Zusammen-
stoß auch geistig auS dem Gleichgewichte
gekommen war.
Der Ueberradelte winkte einen Tara
meter herbei, verabschiedete sich sehr
höflich und sagte:
ES hat mich außerordentlich ge
freut !"
Ebenfalls mein Herr bitte, geben
Sie mir doch Nachricht über Ihr Befin
den!" Ich werde nicht ermangeln!"
Am nächsten Morgen bereits erhielt
die junge Rodlerin das folgende Schrei
den:
Werthes, gnädiges Fräulein!
Gestatten Sie mir. Ihnen mitzuthei
len, daß es mir ziemlich gut geht. Ich
muß da? linke Bein zwar beständig
ausgestreckt halten, werde aber nach
Ansicht meines ArzteS in zwei Tagen
vollständig wieder auf dem Posten fein.
Glauben Sie mir, daß Sie auf mich
einen tiefen Eindruck gemacht haben!
Ich schütze mich glücklich, Ihre Be
tanntschast gemacht zu haben, und werde
mir erlauben, mich Ihnen persönlich
als geheilt vorzuftellen. Mit der Bitte,
mich inzwischen Ihrer werthen Familie
zu empfehlen, bin ich mit besten Grüßen
Ihr ergebenster
Bruno Salden."
Zwei Tage darauf machte der junge
Baumeifter in der Familie Güldheim
einen ReconvaleScenten Besuch und
wurde in der liebenswürdigsten Weise
aufgenommen. Drei Wochen später
Verlobte sich der Ueberradelte mit der
jungen, reizenden Radlerin. DaS Erste.
waS er als Bräutigam that, war, daß
er eine Karte löste, um auf der Bahn
am Kurfürftendamm das Radeln zu
lernen.
Als der sehnige, sonnengebraunte
Freund dem ehemaligen wüthenden
Gegner des RadelnS ein spöttisches
Auch Du, Brutus!?" zurief, antwor
tete Soden mit philosophischer Gelaffen
heit: ES macht mir schließlich doch mehr
Vergnügen, andere Leute zu überfahren,
als mich von wildfremden Personen
überfahren zu laffen!"
Wk Ov zu ihrem Bräutigam
kam.
Alles ist schon dagewesen: aber wie
Elly zu ihrem Bräutigam kam, das
steht in den Annalen sämmtlicher Hei
rothS und LiebeSgefchichten einzig da!
Lieutenant Heinz von Lenbach kam
eines Morgens zu seinem Obersten und
bat gehorsamst um vierzehntägigen Ur
laub. da seine Cousine sich verheirathe.
Hoffentlich find nun Ihre sämmtlichen
Cousinen und Tanten glücklich unter der
Haube, " antwortete der Oberst ironisch,
gewährte aber den Urlaub doch.
ServuS. altes HauS! Bist Du'S
wirklich?" Und in den Armen liegen fich
Beide und weinen vor Schmerzen und
Freude! Diese warme Begrüßung fand
an einem schönen Sommerabend vor
dem Goldenen Hirschen" deS Städtchens
H. zwischen unserem Lieutenant und
dem Studenten Fritz F. statt. Auch
das unerfahrenste Menschenkind, das
von den Sitten und Gebräuchen dieser
beiden Species keine blaffe Ahnung hat,
wird nicht einen Augenblick im Zweifel
sein, was dieser Begrüßung, die noch
dazu vor einem Wirthshaus vor fich
ging, folgte, kurz, sie verschwanden und
die untergehende Sonne mußte hinter
die, zu einem ordentlichen Sonnen
Untergang seit Dichtern gleich Seraphin
Meiderle nothwendig gewordenen Berge
versinken, ohne die glückstrahlenden Ge
sichter der beiden Freunde wiederzu
sehen. Dafür gingS in der Wirthsstude hoch
her! Getrunken wurde, getrunken, nun,
wie eben nur ein Lieutenant und ein
Student, die ein Wiedersehen feiern,
trinken können.
Doch kurz ist die Freude und nichts
währt ewig in jenem traurigen Jam
mcrthale, das da unsere Erde" be
namset ist. Der Student mußte mor
gen weiter, Lieutenant Lenbach wollte
noch eine Ruine denchNgen und sich;
dann dem väterlichen Hause zuwenden.
Und so geschah eS auch! Früh Morgens
gondelte Heinz von Lenbach. vom Him
mel mit einem soliden Katzenjammer
bedacht, den Berg hinan. Hoch oben,
wie ti fich sür eine anständige "Ruine,
die das Lk.orum wahrt, geziemt, lag1
die alte Burg, so hoch und imposant,
daß eS selbst einem Fähnrich schwer ge
fallen wäre, besagter Ruine zu inipo
niren. Heinz versenkte fich in Bekrach
tungen über daS unnütze Bergsteigen
und man weiß, wie rasch Lieutenants
in Entschlüffen find bald lag er auch
schon im Grase und träumte und schlief.
Und nun kam sie"! Wer? Elly! Ello.
die schwärmerische Tochter des penfionir
ten Obersten HohenemS. Ellv. die in
einer Villa bei H. wohnte, wo ihr Vater
über die neuen HeereSeinrichtungen
fluchte, die gute alte Zeit lobte und
medicinische Studien trieb. Allo. Ellv
kam, erblickte den schlafenden Heinz,
schrak zurück und erdleichte.
Sie sah sein blaffeS Geficht und daß
er knapp an einem steilen Abhang lag.
Abgestürzt ! Wie der Blitz war sie an
seiner Seite. Um ihn au? seiner ver
meintlichen Ohnmacht zu wecken, rüt
telte sie ihn verzweifelt an den Schul
tern. Die Wirkung war unbeschreib
lich! Statt, wie eS in jedem defferen
Roman der Fall ift, zu stöhnen, lang
sam die Augen aufzuschlagen, meine
Retterin" und Waffer" zu hauchen,
fuhr Heinz mit jäher Plötzlichkeit und
mit einem unverkennbaren Tonnerwet
ter empor und dumpf dröhnten die
Köpfe aneinander.
Wie befinden Sie fich? Haben Sie
fich schon von dem Absturz erliolt?"
stammelte Elly verwirrt und hielt fich
die schmerzende Stirn. Heinz öffnete
zuerst vor Erstaunen weit seine Augen,
dann, nach kurzem Besinnen auch den
i Mund. Er betrachtete Elly, den Ab-
hang. Abgestürzt! Sollte er wirklich ?
Dann die Situation erfaffend, ging er
darauf ein. Klägliche Jammermiene!
Können Sie aufstehen? Nun also!
Stützen Sie fich nur auf mich!" Und
das Folgende entwickelte fich vollständig
nach berühmten Mustern" der moder
nen Romanliteratur. Die Beiden,
Heinz noch immer matt und leidend,
wandelten den Feldweg hinab. So eine
gute Weile! Gleich find wir daheim!"
tröstete Elly.
Schon wollte Heinz Elly AlleS erklären,
da machte der Weg eine jähe Wendung
und sie ftanden vor der Thüre eines
kleinen Landhauses. Ein großer, alter
Herr starrte ihnen befremdet entgegen.
Papa!" stammelte Elly verwirrt, die
fer Herr abgestürzt Hilfe verzeih!"
Heinz sagte ihr getrost Alles nach, dann
aber faßte er fich und stellte sich als
Lieutenant von Lenbach ganz gehör
samst vor. Kommen Sie, ich werde
Sie untersuchen," erwiderte der Oberst,
ich habe mich viel mit Medizin be
schüftigt." Auch das noch! Ob! und
mit einem verzweifelten Blick auf Elly
folgte Heinz dem alten Herrn, der Oberst
klopfte ihn zuerst mit seiner gewichtigen
Soldatenfauft energisch ab, ein genaues
Verhör über den Absturz begann. Sehr
ausführlich und anschaulich schilderte
Heinz den Fall und fügte bei. daß ihm
beim Erwachen genau so zu Muthe war,
als Hütte er TagS zuvor zu viel getrun
ken, was doch gewiß eine befremdliche
Erscheinung war. Aber jetzt sei der
Kopf schon wieder frei und er bitte um
die Erlaubniß Nein", unterbrach
ihn HohenemS, ich bin halber Arzt und
befehle. Sofort ins Bett!" Und damit
ging er hinaus.
Oh Du mein Gott! Wehmüthig
trank Heinz den heißen Thee, der ihm
in ungeheuren Mengen gereicht wurde,
und dachte dabei an das kühle Bier beim
Goldenen Hirschen". Und diese Diag
nvse! Innere Erschütterung vom Ad
stürz. , Behandlung: Ruhe und Diät
elf b vierzehn Tage bis zu völliger
Herstellung. Heinz erbleichte. Der
Oberst versicherte mit voller Aufrichtig
keit, daß er einem jungen Kameraden
gern Freundschaft erweise. Heinzen'S
Schicksal war entschieden.
Nach zwei furchtbaren Tagen war
das Fieber" vorbei. Lieutenant Len
dach durfte auf dem Sopha ruhen und
sah Elly wieder. Was jetzt folgte, ist
natürlich! Nur schien Heinz entschieden
leidender, er seufzte oft ganz erschrecklich
und zerrte dabei gewaltig an feinem
Schnurrbart. Auch machte er Augen,
hinreißend, schmachtend, fterbenStrau
rig, so daß einmal Ricke ganz entsetzt
in ihre Küche zurückkam und sagte:
Der geht uns mal noch drauf, der
Arme !"
Eines schönen TageS schloß denn auch
wirklich Heinz eine lange, feurige Rede
mit den Worten: denn ich liebte Dich
vom ersten Augenblick an!" Dannplötz
lich von diesem zarten Thema absprin
gend, fügte er hinzu: Zehn Tage
Bouillon! Elly. hab Erbarmen!"
AIS fich Lieutenant Heinz von Len
bach dem Obersten als zukünftiger
Schwiegersohn vorstellte, donnerte er
nicht wenig, er erinnerte sogar daran,
waS aus dem Undankbaren ohne seine
ärztliche Hilfe geworden würe. Heinz
ergriff darauf mit fichtlicher Rührung
des Obersten Hand und rief pathetisch
aus: Mit dieser Ihrer Hand haben Sie
mich dem Leben wiedergegeben, mit der
anderen stoßen Sie mich in Tod und
Verzweiflung!"
Zwei Jahre nachher konnte der Oberst
schon öffentlich von der glänzenden Kur
an seinem jetzigen Schwiegersohn erzüh
len, und war dieser zugegen, so schil
derte er in den lebhaftesten Farben
seinen in der That im höchsten Grade
Besorgniß erregenden Zuuand nach dem
Absturz."
Die sckiöntt, ,r.
Die schönste grau, die in solcher Voll
kommenhei! noch niemals dagewesen
und auch niemals wiederkommen werde,
fei. so behaupteten namhafte src:nzkfi
sche und italienische Schriftsteller. Paula
de Vignier, eine Zeitgenossin Petrar
ca', gewesen. Sie schildern das auch
in geistiger Beziehung ausgezeichnete
Weid in glühender, dithyrambischer
Weise als ein Meisterwerk der Natur,
von deffen Anblick der beglückte Be
schauer sich nur mit großer Mühe wie
der loszureißen vermochte. Wenn Paula
de Bignier durch die Straßen ihrer Ba
terftadt Toulouse wandelte, folgten ihr
ganze 2 (haaren von bewundernden
Männern und grauen. Jünglingen
und Jungfrauen. Die öffentliche Be
wunderung der hoheitumfloffenen lind
zugleich so hinreißend liedlichen Frauen
erscheinung wurde allmählich h enthu
siastisch, daß daS Parlament Unruhen
befürchtete. In großer Verlegenheit
um ein geeignete? Mittel, der fast zum
Unfug ausartenden Erregung zu steuern,
ersuchten die Beschützer der önentlichen
Ordnung Fräulein Vignier, sich nie
' mehr anders als tief verschleiert in den
Straßen von Toulouse blicken zu las
1 sen.
Bei dieser Maßregel hatten sie aber
nicht mit den Leuten gerechnet, denen
' dieselbe einen Genuß, den Anblick des
schönsten Weibes auf Erden" entzog.
; Empörte Volkshaufen zogen vor das
Parlamentsgebüude und drohten mit
Gewalt, wenn ihnen nicht freiwillig
das grausam entzogene Vergnügen wie
der gewährt werde. Nun erfolgte eine
! neue Ordre, nach welcher Paula sich
zweimal in der Woche unverschleiert an
deinem Fenster ihrer Wohnung zeigen
! sollte. Das geplagte Mädchen vergoß
schmerzliche Thränen über diesen Zwang
l und verfaßte ein energisches Schrift
j stück, in welchem eS sich bitter über den
i selben beklagte und um Aufhebung der
tyrannischen Bestimmung bat, die sie
;jum öffentlichen Schaustück herabwür
jbigte. Das Parlament beantwortete
! ihre Klage in freundlicher, fast galanter
! Weise, ohne jedoch auf ihre Wünsche
! einzugehen. Paula de Vignier. die,
ähnlich wie Ninon de L'EncloS, bis zum
88. Jahre die Anmuth ihrer berücken
den GefichtSzüge und ihrer wundervol
len Gestalt bewahrte, hat ihr Leben
lang viel Plage, aber wenig Segen von
ihrer vollkommenen Schönheit gehabt.
Und damit mögen sich diejenigen trö-
sten, die bis zum Mißmuth darüber
grollen, daß nicht auffallende Weibes
schönheit ihnen zu Theil geworden ist.
Zeitungen.
Wer Geld für eine gute Zeitung
auSgiebt. erhält stets den vollen Werth.
Mit Recht schreibt daher auch das Fr.
Volksblatt": Das Geld für Zettun-
gen ist ein Kapital, das dem Anleger
reichlich Zinsen trägt. Diejenigen, die
Zeitungen lesen, werden nicht nur in
Folge der Uebung beffer lesen, richtiger
schreiben, ihre Muttersprache besser ken-
nen und würdigen lernen, sich mit den
verschiedenen Stylarten vertraut machen,
die Bedeutung jedes Wortes, jeder
Redensart richtig erfassen lernen, fich
an eine logische Ausdrucksweise und
einen klaren Gedankengang gewöhnen,
sondern sich auch an realem Wissen be
reichern. Geographische, geschichtliche,
naturkundliche Kenntniffe werden durch
Zeitungen vermittelt; der Leser lernt
durch Journale Regierungen, Sitten,
Gebräuche, volkswirthschaftliche Einrich
tungen und Erfindungen fremder Böl
ker kennen, die landwirtschaftlichen
und gewerblichen Fortschritte. Durch
die Zeitungen werden die Erfolge unse
rer heimathlichen Kunst und Industrie
in die breitesten Schichten des Volkes
getragen. In die entferntesten Ge
birgSthäler trügt die Zeitung Aufklä
rung und Fortschritt und ift daS geistige
Band, das Arm und Reich. Vornehm
und Gering umschließt.
Eine heitere Einbrnchsgeschichte
hat fich kürzlich am Werder'schen Markt
in Berlin ereignet. Ein dort wohnen
der Herr hörte in der unter ihm belege
nen Wohnung ein verdächtiges Geräusch
und war der Meinung, daß dort Ein
brecher" an der Arbeit" seien. Er
theilte daher von seinem Fenster aus ei
nem auf der Straße stehenden Nacht
Wächter seine Wahrnehmungen mit und
bat ihn, polizeiliche Hilfe zu holen. Der
Nachtwächter rwuirirte auch eine An
zahl Schutzleute. Beim Scheine einer
Handlaterne stiegen diese, theilweis mit
gezogenem Säbel, die Treppe hinauf.
Bei der verdächtigen Wohnung wurde
Halt gemacht und ein Schutzmann klin
gelte. Gleich darauf öffnete fich die
Wohnungsthür und der dort wohnende
Rechtsanwalt erschien in Hemdsärmeln
und eine Cigarrette rauchend in derfel
selben, um höchst verwundert den Grund
der nächtlichen Störung durch die be
waffnte Macht zu erbitten, da ihm doch
Niemand verbieten könne, auch während
der Ferien in der Nacht zu arbeiten!
Tableau! Die Schutzleute steckten ihre
Säbel wieder in die Scheide und ge
räuschloS, wie fte gekommen, zogen fie
wieder von bannen. Der freundliche
Alarmschläger" hatte fich inzwischen
schleunigst in seine Gemächer verzogen.
Leute, welche ernst und finster vor
fich Hinblicken, find oft die hellsten Köpfe.
5tnr,u,sck,'m,rikanisch,sPicnic.
ES läßt sich n,t deneie :
Picnic des iS Fonn ;
D'rum dhut e Jeder trete,
Auch mitzumache wonn.
De Fonn beginnt am Morge.
Wann die Alarmglock ringt ;
Der Hoßbend muß dann sorge
For S Brühkfeft unbedingt.
Er muß die BüSketS dragk.
DaS Behdi und de Doll.
Sei Alte sozusage
Trügt nur das Pürajol.
Es kreiht der kleine Freddi.
Weil John ihn durchgekeilt ;
Tie Ließi hat alreddi
Ihr weiße Treß gespeilt.
Und endlich kommt man teired
Im Grohv an un marod.
Ter Hoßbend grimmig feiert
Von fich dort seine Lohd.
Helloh, old Boy !" so ruft man.
Als ihn die Menge schaut.
Und zu dem Bierftand muhvt man,
Of kohrS. er folgt der Kraud.
Bald geht es dann zum Dinner,
TaS fetzt man uff de Graund ;
Die Große, KidS und Kinner
Sie hocke drum üraund.
De Kids, of kohrs, de lecke
An jedem Kehk un Pei
Und woll'n die Finger stecke
Noch in'S Preferv dabei.
Abfcheilich iS de Hitze.
Kei Luft weht in de Grohv,
Die Leute müsse schwitze.
Wie bei 'ne hotte Stohv.
Die Wimmen dhut daS battte,
De BüngS de werde ftreht ;
Doch weiter dhun se schnattre,
TaS Mundwert ift sdrscht Reht.
Die kleine Buwe hall're
Un there ihre PünS ;
Un Bier die große schwölle,
So lang se noch e schänS.
Das Bier wird immer flütter,
Zuletzt läuft's gar nit mehr ;
Nun Heißt'S : Wat iS de Mätter?"
IS denn dos Keg schon leer?
Un bald dhut heimwärts kehre,
Disgdstet eweri wonn.
Tann duht c Jeder schwöre :
Wir hatte Lots of Fonn !"
iiiucr (Sedanke.
Dichterling (militärischen Exercitien
zuschauend) Ach. wenn man doch auch
so einer ganzen Eompagnie st i l l g e
standen" kommandiren und ihr
dann stink Gedichte vorlesen
könnte !'
Natürlich künstlich.
Ein Herr tritt in ein Geschüft, in
welchem künstliche Blumen verkauft
werden und wendet sich an den Verkäu
fer mit der Bitte, ihm einige Blumen
zur Ansicht vorzulegen.
Herr: Diese Blumen find künst
lich?" Verkäufer : Natürlich !"
Herr : Also natürliche find eS !"
Verkäufer: Nein, daS nicht, ich
meinte die Blumen find natürlich künst
lich !"
Herr (zögernd): Natürlich künstlich.
Sie meinen also !"
Verkäufer (unterbrechend) : Natür
lich ! Natürlich !"
Herr : Also doch natürlich?"
Verkäufer : Nein doch, fie find eben
künstlich, ganz natürlich !"
Herr: Also künstliche sind es?"
Verkäufer : Gewiß, mein Herr, und
doch werden Sie auf jeden Fall selbst
zugestehen müssen, ganz natürlich !"
Herr : Ja, aber eben haben Sie
mir i gesagt, daß diese Blumen künft
lich find !"
Verkäufer : Natürlich !"
Herr: Nein, künstlich!"
Verkäufer: Ganz natürlich !" ,
Herr : Zum Donnerwetter, jetzt in
diesem Augenblicke haben Sie es ja erst
gesagt!" m
Verkäufer : Ja doch !"
Herr : Ja, wie find denn diese Blu
men nun eigentlich?"
Verkäufer : Nun künstlich !"
Herr : Na ja, ich hab' mir doch
gleich von allem Anfange an gesagt,
daß die Blumen natürlich künstlich
find !"
Sin Ztüd Alt Berliner Volks,
leben
soll jetzt für immer aus dem Herzen der
Stadt verschwinden. Die Generalaus-
Hebung der Rekruten fand diesmal zum
letzten Male am Molkenmarkt statt und
wird fernerhin am Hamburger Bahn
Hof vor fich gehen. Dieses historische
Ereigniß hat den Vater Koch", den be
kannten Dichter vom Molkenmarkt",
zu folgendem elegischen Sänge be-
geistert:
In jedem Sommer, alle Jahr,
Gestellte fich der Burschen Schaar.
Die Unbrauchbaren man entließ.
Die Andern kamen zum Kommiß.
Auch mancher unsichere Kantonist
Herbeigeschaffet worden ist:
Im grünen Wagen kam er an,
Doch nimmer los, der gute Mann,
Die Väter, Brüder, Freund' am Ort.
Sie harrten auf das Losungswort.
DaS Liedchen fand sich auch wohl ein
Und harrte auf den Lofungsfchein.
Am Molkenmarkt war Leben dann.
Wie man fich eS nur wünschen kann.
Wir Alten wurden wieder jung.
Wenn auch nur in Erinnerung.
In allen Kneipen Gläserklang.
Musik und luftiger Gesang.
Man feierte mit frohem Muth
Den neugeworbenen Rekrut.
Bald wird' nun ftill und öde hier,
O Molkenmarkt, du jammerst mir !
Ob AlleS geht treu bleibt Dir doch
In seinem Loch der Vater Koch !
Per RctMUMlMcun'
Fremder (zum Hieselbauer, der vor
einiger Zeit durch einen fallenden Baum
schwer am Kopfe verletzt wurde! : Nun,
wie gebt'S Euch?"
Hieselbauer ; Dank' der 'achfrag'
eS geht schon wieder! Ader vor de
geistreich' Gedank'n muß ich
mich halt noch in Acht nehma bat der
Herr Doktor g'sagt !"
r wkij er beffer
Was schinden und plagen Sie fich
nur so in Ihren alten Tagen? Wollen
Sie denn gar nicht in den Ruhestand
treten?"
Ruhestand sollgdas heißen, wenn ich
meine zehn Burcauftunden noch bei mei
ner Alten zubringen muß.
Scharfsinnig.
En großer Mann ischt er geweft, en
gewaltiger Geist, der alt' Napoleon l
Aber ob er's auch vom L'eut'nant zum
Kaiser gebracht hätt', wann er g'heiße
hätt' wie Ich heiß Maier Au g lischt
Maier?!"
Schlechte Ausrede,
Ich liebe Sie wahnsinnig,
mein Fräulein !"
DaS haben feie auch schon meiner
Freundin gesagt !"
Ja. aber inzwischen bist ich viel
vernünftiger geworden!"
Vor einem lodern en Bilde.
Besuch : Die Landschaft kommt mir
außerordentlich bekannt vsr !"
Maler: DaS ift ja daS Portrait
meines OnkelS !"
Besuch: Aha, deßhalb,,. Den
kenn' ich ja auch !"
Angenehme perspectioe.
Fremder (der zwei Tage in einem
GebirgShotel war): Sorgen Sie also,
daß morgen früh meine Rechnung fer
tig ist !"
Wirth: Selbstverständlich! Die wird
fertig und wenn ich die ganze Nacht
d'ran arbeiten müßte !"
Er macht keine Umstände,
Förster (vor Beginn der Jagd unter
einer Rotte Schießer tretend):' Meine
Herren, ich mache ie darauf aufmerk
sam, daß die Hasen vier Beine haben,
die Treiber aber nur zwei ; wenn Sie
fich gegenseitig anschießen wollen, so
habe ich nichts dagegen, aber meine
Treiber laffen Sie gefälligst aus dem
Spiel."
Auch eine Erklärung.
Unteroffizier (in der Jnftruktions
stunde): Wozu hat der Soldat an sei
ner Uniform die Mesfingknöpfe? Nun.
Krähne?"
Soldat: Damit, wenn einer nicht
geputzt ist, der Herr Unteroffizier fchim
psen kann !"
Individuell.
Als ich mich jüugst zum Ball rafirte.
Trat meine Frau zu mir herein.
Mein Gott im Himmel." schrie fie
zeternd,
Du könntest endlich fertig sein !"
Jawohl," entgegnete ich lächelnd.
Du hättest recht, mein Kind, auf Ehr'.
Wenn nur mein Meffer zum Rafiren
So scharf wie Deine Zunge wär' !"
diese Iagdfrühstücke.
Frau Kaudel (zu ihrem heimkehren
den Gatten) : Hör' 'mal, Adolf, sag.
test Du mir nicht heute Morgen beim
Abschied, Du ging'ft auf die Enten
jagd?" Herr Kaudel (dem die Zunge bedenk'
lich schwer): So fa a agte ich
in der That, meine Liebe."
ftnni Kaudel : ..a. aber die beiden
Enten, die Du hier mitgebracht haft,
sino i zayme Enien :
Herr Kaudel: Soooo! Hm weißt
Du was, Schatz, erst hab'
ich fie halt geschaffen, und
dann hab' ich fie zahm
gemacht."
Abgeführt.
Geck: Sagen Sie mal, Herr Dok
tor, wenn ich auf dem Kopfe stehe, dann
geht mir das Blut zu Kopf. Wenn ich
nun aber auf den Füßen stehe, warum
geht mir dann das Blut nicht in die
Füße?"
Das ift ganz einfach : weil Ihre
Füne nicht leer find."
Edle Rache.
Brösel erzählt seinem Freunde
Schmidt, daß Blumenberg fich sehr
schlecht über ihn ausgesprochen habe.
Na wart', dem will ich's geben !"
ruft Schmidt.
Nach einigen Zeit treffen Brösel und
Schmidt wieder zusammen.
Brösel: Na. wie stehst Tu mit
Blumberg. haft Du ihn gefordert?"
Schmidt: Nein."
Brösel: Dann hrft Du ihn also nur
gezüchtigt?"
Schmidt: Fehlgeschoffcn ! Auch daS
daS nicht !"
Brösel: Na, was haft Du ihm
denn gethan?"
Schmidt : Ich habe ihn um häindert
Mark angepumpt."