Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 02, 1897, Image 10

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    Der Feuerwerker des RSnigs.
H,isnlchi Yi.aK,ng von Zelir Silt.
In früheren Zeiten warm einige der
alten Pariser Brücken mit Häuserreihen
bebt cft, in welchen, wegen dkS lebhaften
Bnlchr aus den Brücken, namentlich
. - Im v m.hMAk4wiKnH W r h Tl ,
jpUUUfl9- UHU Wtt,uv"llv"'' v
ten. So erhoben sich auf dem Pont au
hange, der Wechslerdrücke", und ans
der benachbarten Brücke Notre Lame
enge und düftere fünf, bis fiedenftockige
Häuser; auf letzterer standen sie noch diZ
zum Jahre 1787. Der Pont au hange
hat seinen Namen von den vielen Geld
Wechslern und Goldschmieden, welche
einst bort wohnten und ihre Geschüste
betrieben, besonders auch Pfandleihge
fchüfte. Ä
Auf der Notrk'Tame.Brücke hausten
Gewerbetreibende anderer Art. so auch
im Jahre 1698 Herr Stephan Rollin,
der ..Feuerwerker des KvnigS". Un
mittelbar über der Seine hatte er im
Erdgeschoß seines HauseS nach hinten
zu sein mit gefährlichen Brand, und
ErplostonS'Etoffen angefülltes Labora
torrnm eingerichtet. Vielleicht hatte die
Polizei auS dem Grunde nichts dagegen
einzuwenden, weil unter den Fenstern
des Laboratoriums sich die alte große
ftüotische Wassertunft befand, ein unge
heure Pumpwerk von schwerfälliger
Konstruktion, womit man Waffermas
sen aus der Seine zu heben vermochte,
wenn das Werk nümlich in Ordnung
war. Ader damit haperte es leider nur
gar zu hüusig.
Stephan Romn, ein unflier in in
nem Fache, bezog nur ein kleines festes
Gehalt aus der königlichen Kasse, echt
bedeutend aber waren seine Einnah
men, wenn bei Hofe, in Versailles, St.
Cloud und anderwärts, große prunk
volle Festlichkeiten stattfanden, wozu er
dann das ihm hochbezahlte Feuerwerk
lieferte. Ludwig der Vierzehnte war
freilich nachgerade alt und etwas mürri
scher Laune geworden, weswegen nicht
mehr so diel Feste wie in früheren,
luftigeren Zeiten veranstaltet wurden,
dennoch geschah eS hin und wieder noch.
Außerdem arbeitete Rollin auch ge
legentlich für die Festlichkeiten der guten
Stadt Paris wie auch für Privat
Personen, die nach Feuerwerk Verlangen
trugen. Durch seine Kunst war er im
Lause der Zeit ein ziemlich wohlhaben
der Mann geworden. Stolzer aber als
auf fein Geld war er auf seinen Titel:
Feuerwerker des Königs.
Er war schon ziemlich bkjahrt, etwa
fünfundfünfzig Jahre alt. Seine Frau
hieß Nanon, seine Tochter Madelon.
Letztere war eine dreiundzwnzigjührige
brünette Schönheit.
Im Hause nebenan auf der Brücke
Nolre-Dame wohnte ein junger Schlos
sermeifter und Mechaniker Namens
Batrand Duperrier, welcher der schönen
Tochter des Feuerwerker? schon längst
seine Neigung geschenkt hatte und von
ihr auch wiedergeliebt wurde. Eines
TagcS erschien er denn auch in Rollins
Wohnung und hielt in bester Form un,
die Hand der schönen Madelon an.
Sein Antrag fand bei dem Vater des
Eingen Mädchens leider die ungunstigste
ufnahme. Meine Tochter soll keinen
Schlosser heirathen!" rief schroff der
königliche Feuerwerker. Meister Du
perrier, schauen Sie sich gefälligst ander
weitig nach einer für Sie paffenden
Frau um."
Bin ich Ihnen vielleicht nicht gut ge
nug?" fragte der junge Mann. Wie
hoch wollen Sie denn eigentlich hinaus
mit Ihrer Tochter?"
Gar nicht so hoch. Aber meine
Tochter soll einen Feuerwerker heira
then. der einst mein Geschäft überneh
men und dasselbe fortführen kann."
Und wenn ich mich dazu bequemte,
nebenbei Feuerwerker zu werden?"
Nebenbei? Was denken Sie? Die
Pyrotechnik ist eine schwierige Kunst, die
man nicht so nebenbei" betreibt. Gehen
Sie, Herr!"
Ist das Ihr letztes Wort?"
Mein vorletztes."
Und Ihr letztes?"
Adieu!"
Traurig ging der junge Schloffer
meist von bannen. Er glaubte unter
solchen Umständen keine Hoffnungen
mehr hegen zu dürfen.
Bei den Rollins aber kam es zu einer
sehr erregten Familien - Scene. Vor
würfe und finstere Blicke auf der einen,
Vorwürfe und heiße Thränen auf der
anderen Seite.
Der junge Schloffermeifter hat sein
reichliches Auskommen", sagte Frau
Nanon. Wenn Madelon ihn heira
thet. so ist sie gut versorgt. Warum
haft du also diesem ehrenwerthen Be
Werber so schroff die Thür gewiesen?"
Weil ich königlicher Feuerwerker bin.
dessen Tochter unmöglich einen simplen
Schloffermeifter heirathen darf", der
setzte mit würdevollem etolz Rollin.
Du denkst wohl gar daran, sie mit
deinem Gehilfen Jcrome Coquerel, die
sem heuchlerischen Schleicher, zu der
mäblcn?" Ja, daran denke ich allerdings,
Ranon."
Mit einem Menschen, der schielt und
auch sonst"
Das sind Lappalien, an die man sich
bald gewöhnt. Er ist ein anständiger
Mensch und hat ein gutes Gemüth
darauf kommt's im Ehestände Haupt
sächlich an."
Nie und nimmer werde ich den
Jerome heirathen!" rief energisch
Madelon und brach in Thränen aus.
Nun, Madelon, du wirst schon mit
der Zeit aus andere und beffere Gedan
ken kommen. Sieh, ich bin bereits so
ziemlich bei Jahren und hab, leider kei
nen Sohn, der mein Nachfolger werden
konnte. Jerome oquerel ist dieser
Nachfolge würdig, denn er ist sehr ge
schickt im Fach und hat neuartige Flam
bogants und Leuchtkultlroketen erfun
den. die alles bisher Geleistete über-
Dein Nachsolger mag er meinetwe
gen werden. Vater, aber nicht dein
Schwiegersohn, denn ich werde ihn nie
malS zum Manne nehmen."
Kommt Zeit, kommt Rath und weis
lichere Uedeilegung. "iewiß ist'S, daß
Eoauerel dich liebt, daß er förmlich
schmachtet nach deinem Anblick."
Jawohl, daS habe ich längst de
merkt, und eS ist mir höchst unange-
nehm.
Wirft hoffentlich bald deffer von ihm !
denken. Ein andermal sprechen wir
weiter über die wache. Jetzt habe ich j
keine Zeit mehr. Ich muß schnell sechs
Tugend Kanonenschläge anfertigen für
den tollen Prinzen von Eonti. der zu-j
weilen ein sonderbares Vergnügen daran j
findet, solche plötzlich loszuknallen, um
seiner edlen Gemahlin und anderen vor-1
nehmen Damen einen Schrecken einzu-1
jagen. Er ist ein sehr merkwürdiger
Kauz, dieser erlauchte Prinz. Auch soll
nach etlichen Wochen bei Hofe eine Ver
mählungSfeier stattfinden, und dafür
ist bei mir eine große Menge Feuerwerk
bestellt.
Mit diesen Worten ging Rollin in
sein Laboratorium. Seine Frau und
Tochter aber blieben im höchsten Grad
mißmuthig im Wohnzimmer zurück.
Allerdings war's richtig, daß Jerome
Coquerel die reizende Madelon liebte.
ES hatte ihm aber kaum zweifelhaft
bleiben können, daß er ihr geradezu wi
derwärtig sei. Dennoch hegte er in sei
nem Innern die angenehmsten Hoffnun
gen. Besaß er doch die Hochachtung
und daS Wohlmollen deS Vaters der
Schönen.
Er befand sich im Laboratorium bei
der Arbeit.
Eden war wohl
perrier bei Ihnen ?"
Rollin.
..Jawohl, mein
tur genommen werden. o hörte ich
neulich."
Jktzt schleppen sie da? wunderliche
Ding weg," sagte der Gehilse.
In der That entiernten Duperrier
und seine Leute sich mit der neuen
Maschine, deren Schläuche fit forgsam
zusammengerollt hatten, von der Platt
form.
Rollin und cuerel wandten sich da
nach wieder eifrig ihren Arbeiten zu.
daß diese gewissermaßen zu einem
Brennglas wurde.
Plötzlich verbreitete sich in brcnzlicher
Dunst im Laboratorium.
Hoho. waS ist dass" nei Roll:n
bestürzt und hob den Kopf von der
Arbeit.
,E4 riecht so sengcrich." bemerkte
lZcquerel. Vielleicht dringt dieser
Dunst von der Schlofferwerkftatt her-
ein.
fter
Nein. nein. e ist bei unS!"
Alle Wetter! Ha da cm
Fen
der Nachbar Du
fragte er lauernd
lieber
oquerel.
Künnen wie ftch denken, was er ge
wollt? Er hielt um Madelons Hand
an."
Und Sie?"
Ich wies ihn seldftverftändlich ab.
Meine Tochter soll einen Feuerwerker
heirathen, da? sagte ich ihm."
Bravo!"
Da meinte der gute Mann, daß er
ja auch Feuerwerker so nebenbei" wer
den könne."
Hahaha! Der Einfaltspinsel!"
Ja, wirklich zum Lachen war'S. Ich
wies ihm die Thür."
Beide machten sich dann eifrig daran,
die Kanonenschläge für den Prinzen von
Conti anzufertigen.
Nach Verlauf einer Stunde etwa
blickte Jerome Coquerel zufällig einmal
aus dem Fenster auf die große hölzerne
Plattform der städtischen Wasserkunst
und den Seinefluß hinaus.
WaS Tausend hat denn unser Nach
bar Duperrier da unten vor?" rief er
verwundert.
Hm, er wird sich doch hoffentlich
nicht aus Liedesgram ersäufen wollen?"
Nein. Danach sieht's gerade nicht
aus."
Stephan Rollin schaute ebenfalls aus
dem Fenster. Auf der Plattfornt war
Bertrand Duperrier mit feinen vier Ge
fellen emsig beschäftigt, eine auZ Holz
werk und blanken Metalltheilen verfer
tigte Maschine auf ihre Brauchbarkeit
zu prüfen. Dieselbe war mit zwei Röh-
ren und daran festgeschraubten langen,
schlangenähnlichen, aus wafferdicht ge
machtem Segeltuch verfertigten Schläu
chen versehen. Den einen Schlauch, an
deffen Ende eine metallene siebartige
Vorrichtung angebracht war, ließen sie
in'S Waffer hinabhängen. Es war
nämlich ein Saugrohr. Als darauf die
Gesellen die Hebeldruckftangen deS Ap
parats in Bewegung setzten und Du per-
rier daS am Ende deS anderen Schlauchs
befestigte Metallrohr hochhob, da schoß
aus demselben ein kräftiger Wasserstrahl
hervor.
DieS wurde eine Weile probiert, an
scheinend sehr erfolgreich.
Es ist wahrhaftig sehr gut gelun
gen," sagte zufrieden der junge Schlos
sermeifter zu seinen Leuten. Die Ma
schine arbeitet gerade so, wie ich mir das
gedacht hatte."
Wie soll das Ding nun heißen?"
fragte ein Geselle.
0, eS möge nur ein ganz einfacher
und besch:idener Name sein, ein solcher
aber, der die Leichtigkeit betont, also
etwa "Pompe portative", eine trag
bare Spritzpumpe."
Ja, das ist meiner Treue ein guter,
paffender Name, Meister!"
Oben im Laboratorium des Feuer
werkerZ sagte Coquerel: DaS wunder
liche Ding scheint so eine Art von Pumpe
zu sein."
Dem ist wohl so." sprach Rollin
spöttisch. Haha, da er bei der Feuer
wcrkerei nicht gebraucht werden kann,
wie ich ihm vorhin klar machte, so ver
legt er sich jetzt auf Wafferkünfte."
Brotlose Künfte wahrscheinlich."
Das glaube ich auch."
ES lebe unsere Feuerwerkerei, die
nährt ihren Mann!"
Zum Henker mit den Waffer
fünften ! Dabei giebt'S immer nur
Aergerniß und Kosten. Das alte ftad
tische Pumpwerk da unten muß näch
stenS auch wieder in gründliche Repara-
Der finnreiche Apparat, den Bertrand
Duperrier erfunden, verfertlgt und
"Pompe portativ'" genannt hatte,
war eine neuartige Feuerspritze.
BiS dahin waren für geuerlösch
zwecke außer kleinen wenig Nutzen
schaffenden Handfpritzen. nur große,
sehr schwerfällige Feuerlöschmaschinen
im Gebrauch, von der Art. wie in
Nürnberg die Mechaniker Johann und
Georg Hautsch, Vater und Sohn, solche
lieferten; oder die fast noch schwerfälli
geren der Gebrüder Nikolaus und Jo
hanneS van der Heide in Amsterdam.
Diese großen, plumpen Feuerspritzen
waren schwer zu tranSportiren. noch
schwerer zu regieren, und sie erforderten
sehr viele kräftige Männer zur Be
dicnnng. Zu einer der Hautsch'schen
Nürnberger Spritzen waren achtund
zwanzig starke Männer nöthig, um sie
in Bewegung zu setzen.
Die Gebrüder van der Heide in Am
sterdam hatten im Jahre 1690 eine um
stündliche Beschreibung ihrer damals
neu erfundenen großen Feuerspritze,
geziert mit schönen Kupferstichen, im
Druck herausgegeben. Davon war
einige Jahre später in Paris eine fran
zöfische Ucderfetzung veranstaltet wor
den, von welcher ein Eremplar dem
strebsamen Schloffermeifter Duperrier
in die Hände gerieth. Er ftudirte mit
aufmerksamstem Jntereffe die Kupfer
tafeln und den Text, sowie beiläufig
auch die in Paris bei Feuersbrünften
gebräuchlichen, großen unpraktischen,
nach holländischer Art gebauten Spritzen
und kam auf den Gedanken, daß eS
vielleicht möglich fein würde, ganz an
dere, viel praktischere, besonders aber
leichter zu tranSportirendc und beque
mer zu handhabende Feuerspritzen zu
bauen.
Sein Streben gelang ihm. DaS
Resultat desselben war die Erfindung
der "Pompe portative''. Diese neue
Feuerspritze arbeitete mit Leichtigkeit
und gutem Nutzeffekt; fte ließ sich schnell
und leicht überall hinfahren und unter
Umständen auch tragen, treppauf oder
treppab, in die engsten Güßchcn und
Winkel, wohin man mit den großen,
schwerfälligen Spritzen gar nicht zu ge
langen vermochte. Und nur wenige
Männer waren zu ihrer Bedienung
nöthig.
Es genügt aber nicht, eine gute prak
tische Erfindung zu machen, man muß
es auch verstehen, sie zur Geltung zu
bringen. Bekanntlich ist letzteres zu
weilen schwieriger als erstere?.
Kurz zuvor im Jahre 1697 war
Markus RenatuS d'Argenfon Polizei
Lieutenant von Paris geworden. Das
war damals der Titel des höchsten Poli
zeibeamten, bedeutete also soviel wie
heutzutage Polizei - Präsident. Dieser
ausgezeichnete und sehr energische Be
amte führte viele bortreffliche Neue-
rungen ein, den öffentlichen Sicherheit?
dienst, den Marktvertehr, die Pflaste
rung der Straßen und Plätze, deren
Reinigung und beffere Beleuchtung be
treffend. Besonder? aber beschäftigte
er sich mit der Verbefferung und gründ
lichen Umgestaltung des Feuerlösch
Wesens. Also war e? füglich erklärlich, daß
Bertrand Duperrier sich mit einem Ge
such an ihn wandte, worin er ihn ehrer
bietigst bat, öffentlich eine Probe mit
der neuerfundenen Feuerspritze vor ihm
selbst und anderen maßgebenden Per
sönlichkeiten der hauptstädtischen 33er
waltung veranstalten zu dürfen. Län
gere Zeit verging darüber; der Erfinder
hatte noch keinen Bescheid erhalten:
solche Verzögerung brachte ja wohl der
herkömmliche langsame Kanzleischlen
drian mit sich, den auch d'Argenfon
nicht au?zurotten vermochte.
Da trat aber ganz unerwartet ein
Ereigniß ein, welche? mit einem Male
dem jungen Erfinder mächtig vorwärt?
half und ihm auch in anderer Hinsicht
sein Lebensglück schuf.
Ein sonnigerAugustnachmittag war'?.
In ihrem Laboratorium arbeiteten
eifrigst Stephan Rollin und Jerome
Coquerel an der Herstellung der vielen
Feuerwerkskörper, welche für die in
Versailles bei Hofe bevorstehende große
Vermählungsfeierlichkeit bestellt waren.
Sie beschäftigten sich gerade damit,
große Leuchtraketcn zu stopfen, wozu sie
hölzerne schlegclhämmer gebrauchten.
Zu dem Behufe war auf dem Werk
tische ein großer Haufen losen Pulvers
aufgeschüttet. Nahe beim Tische stan
den außerdem zwei volle Pulverfäßchen.
Selbstverständlich arbeiteten die bei
den Feuerwerker unter genauer Beob
achtung aller nothwendigen VorfichtS
maßregeln. Aber wenn ein Unglück
geschehen soll, so nützt keine Vorsicht.
Die liebe Sonne wurde zur Brand
stifterin. In einem Fenster des Labo
ratoriumS stand eine kugelförmige
Glasflasche. Nahe dabei lagen zwei
Häufchen Baumwollflocken und eine
Anzahl leerer Raletcnhülsen. Der
Strahl der Sonne traf nun so seltsam
die Wölbung der runden "ilasflasche,
Die Baumwolle brennt !"
Und die Hulen sangen auch noch
Feuer!
Beide liefen zum Fenfter hin. Es
war schon zu spät. Brennende Baum
wollflocken fielen nieder auf einen auf
dem Fußboden lagernden Stapel fer
tiger Feuerwerkskörper. Dieselben ge
riethen augenblicklich in Brand und
erplodirten unter deftigem Knallen.
Schwärmer und Frösche zischten feucr
sp. übend im Laboratorium umher.
Sprang davon einer in den Pulver
Haufen aus dem Werktische, so war eine
furchtbare Katastrophe unvermeidlich.
Waffer her!" schrie Rollin.
Nur eiligste Flucht kann uns ret
ten!" rief Coquerel voller Entsetzen.
Hier bleiben. Mensch!"
Nein!'
Welche Feigheit!"
ES geht umS Leben. Rette sich,
wer kann!"
Jerome Coquerel riß die Thür auf
und rannte davon.
Elende Memme!" donnerte Made
lonS Vater ihm nach.
Rollin bemühte sich mit Ldfchver
suchen, indem er einen Teppich über die
brennenden Sachen wars und einen
leeren Sack über den Pulverhaufen
aus dem Tische, um eine große, ver-
derbenbringende Explosion zu verhüten.
DaS nützte aber nichts, wenigstens
nicht in Bezug auf die schon brennenden
Feuerwerkskörper. Immer mehr davon
geriethen in Brand. Auch der Teppich
fing Feuer. Mit unheimlicher Schnel
ligkeit verbreitete sich das Feuer und er
grin knisternd und praffelnd schon die
Holztäfelung in der Ecke beim Fenster.
Explosionen und Detonationen er
folgten jeden Augenblick. Feurige Ra
keten und Schwärmer zifchten durch die
Fenfter, deren Scheiben zertrümmernd.
Rauchmaffen erfüllten da? Haus und
drangen ins Freie.
Draußen schrie Coquerel wie unsin
nig: Feuer! Feuer! ES giebt gleich
eine große Erplofion! Rette sich, wer
kann!"
Da erscholl das Schreckensgeschrei
vieler Leute, die in den alten bausülli-
gcn hohen Häusern auf der Brücke wohn-
ten.
Flieht! Flieht! Das Laboratorium
deS Feuerwerkers brennt! Gleich fliegt
das Haus in die Luft!"
grau Nanon und Madelon. obgleich
beide höchlichst erschrocken, waren mit
zwei Eimern Waffer dem Gatten und
Vater zu Hilfe geeilt. Die Waffereimer
wurden über das Feuer auSgegoffen.
Doch gelang es damit nicht, den Brand
zu löschen.
Immer größer wurde die Noth.
Mit dem Pumpwerk der städtischen
Wafferkunst unten schnell Wassermaffen
in das Ladoratonum zu leiten, um es
gänzlich zu überschwemmen und so das
Feuer radikal zu löschen, war leider
nicht möglich. Das Pumpwerk befand
sich nicht in Ordnung. Auch war keine
Mannschaft zur Bedienung da.
Auf das rasche Herbeikommen der
großen, schwerfälligen Spritzen war
auch nicht zu hoffen. Wahrscheinlich
hätten sie auch gar nicht zur Brandstätte
hingelangen können wegen der durch die
alten Häuser beengten Paffage auf der
Brücke. ES schien fast keine Rettung
mehr möglich.
Und doch kam fte plötzlich ganz un
verhofft. Durch daS Fenfter wurde von
außen herein ein Metallrohr geschoben
und dann ergoß sich ein kräftiger Was
serftrahl in das Ladoratorium, nach der
Ecke hin, wo hauptsächlich daS Feuer
wüthete.
ES war Bertrand Duperrier, der hier
Gelegenheit fand, feine neuerfnndene
Feuerspritze in einem Ernstfälle zu er
proben. Er stand auf einer kurzen,
äußerst angesetzten Leiter, den Ober
körper durchs Fenfter neigend, und
leitete geschickt und wirkungsvoll das
Spritzröhr. Seine Gehilfen setzten
unten auf der Plattform die Hebeldruck
stangen der neuen Spritze in Bewegung.
DaS Rettungswerk gelang. Nach
ungefähr zehn Minuten war das Feuer
völlig gelöscht und jede Gefahr beseitigt.
Meinen heezlichften Dank, Nach
bar!" rief der Feuerwerker. Wahr
lich, das war Hilfe in der Noth!"
Einer muß dem anderen beiftehen
in Gefahr und Noth, so ist's meine
Weise," versetzte der junge Schloffer
meifter, indem er gewandt durch das
Fenfter ins Laboratorium hineinsprang.
Nachbar, wahrhaftig, Sie beschä
men mich durch ihren Edelsinn! Wenn
ich bedenke, was neulich zwischen uns
vorgefallen ist",
O, daS kommt in solchen gefähr
lichen Augenblicken nicht in Betracht.
Außerdem hatte ich ja selbst das drin
gendste Jntereffe, mein eigene? HauS
und Geschäft zu beschützen. Und dann
da? verhehle ich gar nicht dachte
ich an die große Gefahr, in welcher
Fräulein Madelon sich befand."
Madelon und Frau Nanon sprachen
nun ebenfalls dem wackeren Retter ihren ;
heißesten Dank auS.
Wo ist denn eigentlich Jerome Ho'
aiunl?" fragte darauf Duperrier, sich
umschauend.
.Die elende Memme!" rief Rollin.
.Ausgkiifien vor der Gefahr ist der
, feige Wlcht ! ' '
DaS betrachte ich als e,n besonderes
Gluck für mich bei all dem Unglück!"
rief Madelon. Denn nun wirft du
doch gewiß nicht mehr verlangen, daß
ich einen ''olchen Menschen heirathen
sollk"
.Nein, das soll nicht geschehen",
sprach der Feuerwerker, Damit ift'S
ganz au?. Nimmermehr gcde ich meine
Tochter einem solchen Feigling, der in
der Stunde der Gefahr seinen Meifter
schnöde im Stich läßt."
Bertrand und Madelon wechselten
vielsagende. hoffnungSfrohe Blicke.
AlSdald kamen auch mehrere Herren
ins HauS und inS Ladoratorium, un
i ter ihnen der Polizeilieutenant d'Brgeii'
ion in Person. Er hatte beim AuS
bruch deS euerlärmS sich gerade in der
' Nähe der Notre Dame-Brücke desunden,
Haldlaut sagte er zu einem anderen
Herrn: ..An und ftk sich wurde ich es
gar nicht üir ein so großes Unglück hal
ten. wenn eine tüchtige FeuerSbrunst
unS von den alten Hausermaffen auf
den Brücken befreite. Man wird sich.
; wenn daS Feuer nicht hilft, mit der
Zeit doch einmal dazu entschließen müs
sen, all diesen mittelalterlichen Gebäude
kram wegzureißen. Ader wir werden
daS wohl leider nicht erleben."
Er hatte recht. Erst in späterer
Zeit verschwanden die alten Gebäude
' von der Brücke Notre Dame, dem Pont
! au Change und dem Petit Pont. In
den himmelhohen überhängenden dufte
j ren. auf den genannten und noch an
deren der ältesten Pariser Brücken erbau-
ten Hüufcrn wohnten und betrieben ihre
Geschäfte vormalS über
, Menschen
Der hohe Polizeibeamte erfuhr, daß
der Schloffermeifter Duperrier mit sei
ner neuerfunoenen spritze oas euer
gelöscht und dadurch eine gefährliche
Empfang der Montez nicht seine t.ilri.
chen gefunden habe
Allerdings der Beifall legte sich auch
bald wieder Lola hatte nicht auf die
unersättliche Neudegier deS kalifornischen
Publikums jerfAnei. Ihr 9ifi?rini?f
war nicht sehr umfangreich. Zwar
hatte ein geschickter Lidrettift ein reize:,
bei Ballet fnr sie iiefArieben Hf&ll
sich durch eine recht hübsche Allegorie.
Spinne und Schmetterling aus
zeichnete und ihre Erledniffe in Bayern
versinnbildlichen sollte. Doch das Pudli
kum verlangte stürmisch nach mehr. In
In Pantomime traten nur sechs Per
sonen aus. Man batte etwas Groß
artige. Feenhaftes erwartet und war
i enttäuscht, betreten. Lola Montez mußte
j einsehen, daß sie durch die ausschweifen
den Reklamen zu große Erwartungen
wachgerufen hatte, die sie nicht erfüllen
' tonnte. Nach fechs Vorstellungen, von
denen die letzten kaum die Kosten deck
ten. mußte da Gastspiel geschloffen
werden. Leicht erregt und ausdrauseud,
wie sie war. schäumte sie von Jnvektivcn
! gegen da Publikum in San FranziSco
: über, überhäufte ihre Gönner mit den
! ärgsten Schmähungen und verstieg sich
sogar zu persönlicher Züchtigung gegen
j die Veisaffer abfälliger Kritiken. Nur
j Wenige hielten treu zu ihr. Unter die
! sen war ein junger Journalist irischer
I Abkunft. Namens Patrick Hull. Ihn
: beehrte Lola mit der Sonne ihrer
Gunst, und eines schönen TageS wurde
! San Franzisco durch die Nachricht über
rascht, daß Lola Montez und Patrick
Hul! ehelich verbunden waren. Doch
dauerte daS Eheglück deS ungleichen
Paares nicht lange. Lola wurde
witzigen Jrlünders, an welchem sie d?iX
sonderS fein Talent, Anekdoten zu er
zählen, zu schätzen wußte, bald über
zehntausend ! drüsfig. Dazu kam, daß Lola in
Sacramento mit einem Agenten deS
Königs von Bayern zusammentraf,
welcher ihr die Bitte des KönigS vor
trug, nach München zurückzukehren.
Dies entflammte den eifersüchtigen
Pulverexploffon verhütet habe. Mit ' Jrländer zu heller Wuth ; er warf Al
großem Jntereffe besah er die neuartige les, was nicht nict- und nagelfest war,
Feuerspritze, ließ sich die Handhabung zum Fenfter hinaus, reiste spornstreichs
derselben erklären und zeigen, worauf
er sich sehr lobend darüber aussprach.
Die Folge davon war, daß schon
nach wenigen Tagen achtzehn solcher
Feuerspritzen sür die Stadt Paris be-
nach San Franzisco zurück und erwirkte
schleunigst ein Schndungsdekret.
Bald darauf verbrachte Lola Montez
eine geraume Zeit in der Goldgräber
Kolonie von Graß-Valley in der Sierra
stellt wurden, welche Anzahl einige Nevada. Hier lebte sie unter ihrem
i Jahre später bis auf dreißig vermehrt ' bayerischen Adclstitel al? Gräfin Lan?
! wurde. i feldt bei alten Freunden, dem Ingenieur
Aus d'Argenson Befehl wurde Bert : Knapp und seiner Frau. Da? Gerücht,
rand Duperrier auch zum Brandmeister daß sie völlig verarmt sei. war übrigen?
oder Feuerlöschdirektor von Paris mit ; uoerineoen, oenn ne qane immer nocy
ansehnlichem Gehalte ernannt. Die gegen $14,000 in der Bank. Sie Hatte
Spritzenleute, welche er fortan befeh- j Graß - Ball, al? Aufenthalt?ort ge
ligte und einübte, nannte er Pom-! wählt, weil die abenteuerliche, bunt zu
Piers", welche Benennung die Pariser ! sammengewürfcltediesellschaft von Aden
Feuerwehrleute bis auf den heutigen teurem und Glücksrittern auS allen
Tag beidebalten haben. Auf feine i Richtungen der Wmdrose inren stark
praktischen Feuerspnöen erhielt er ein ! ausgeprägten Sinn für das Pittoreske
königliches Privilegium, welches er einer
Fabrik zur Ausnutzung überließ, die
ihm dafür bedeutende Summen aüjähr
lich bezahlte.
So wurde er durch seine Erfindung
ein angesehener und mit der Zeit auch
ein sehr wohlhabender Mann.
Stephan Rollin zahlte dem erbürm
lichen Jerome Coquerel, als dieser sich
wieder bei ihm meldete, sofort seinen
Lohn aus und hieß ihn fein Bündel
! schnüren, zur Freude Madelons und
der Frau Nanon. Danach schaffte der
Feuerwerker sich einen andern Ge
Hilfen an.
Jetzt hatte Rollin gar nichts mehr
gegen die Liebe seiner Tochter zu Ber
trand. Beide wurden bald ein Paar
und lebten lange Jahre glücklich und
zusrieoen in einem chonen stau e am
Platze St. Euftache, im
von Paris.
und Bizarre anregte und feffelte. Hier
war es auch, wo sie zum letzten Mal sich
öffentlich als Tänzerin vor einem grüße
ren Publikum zeigte. Zwei Mal war
das Haus brechend voll, obwohl die
Preise der Plätze zwischen $5 und 810
variirten.
?q3
Cola im lvesten.
die dciuschr Äbrnicurciin auj
:kmk im Wcsikn dcr Ver.
laaik rrlcblk.
Eine bcmcrkenswerthe Periode in
dem Leben der Tänzerin Lola Montez
war ihr Aufenthalt im Westen der Ver.
Staaten, Im Juni 1853 kam sie nach
San Franzisco. Das Goldfteder war
in seiner Hitze. Die Stadt am Golde
nen Thor hatte damals 20.000 Ein
wohner und genoß durch den Hang
ihrer abenteuerlichen, aus aller Herren
Länder zusammen gelaufenen Bevölke
rung zu Ausschweifungen und Thor
heiten aller Art einen Weltruf, Dort
mußte ihr ein Goldregen in den Schooß
fallen !" so dachte Lola Montez und
ließ durch ihren Impresario eine Reihe
von Balletvorstellungen in San Fran
zisco veranstallten. Mittelst geschickter
Preßreklame wurde das Publikum be
arbeitet und die Neugier auf's Höchste
gespannt. Jeder war begierig, die Ge
liebte, die morganatifche Gemahlin des
Königs von Bayern zu sehen. Men
schenmaffen erfüllten die Straßen, wenn
fte ihr Hotel verließ, und warteten ge
duldig bis zu ihrer Rückkehr, um sie
dann mit jubelndem Applaus zu be-
grüßen. Die Plätze für ihr erstes Auf
treten wurden zu
ftür den .rotzhcr.og Penston und
Reitpferd.
Der kürzlich verstorbene frühere Reichs
tags - Abgeordnete Eduard Käinpffer
pflegte im Kreise von Freunden und
Gesinnungsgenossen eine reizende Ane!
dote au? seinem Leben vom Jahre 1846
zu erzählen. Sein Vater war groß
herzoglich mecklenburgischer Beamter,
der Sohn diente während des Sturm
jahres als EinjährigFreimilliger. In
voller Uniform nahm der junge Frei-
Mittelpunkt l heitökämpe an einer VolkS-Verfamm-
rung yeii, in ver uver Absetzung und
Pmfionirung de? GroßherzogS debattirt
wurde. Die Diskussion verlief ähnlich
wie in Fritz Reuter's unsterblicher Be
schreibung (Ut mine Stromtid) in der
Reform" zu Rahnftüdt. Kämpffer
ergriff da? Wort und schlug vor, dem
Großherzog eine Pension von 120
Thalern und ein Reitpferd zu gcwüh
rcn. Irgend welche Folge hatte diese
Rede nicht. Nur ließ sich der Großher
zog, al? er einige Zeit darauf den alten
Kämpffer besuchte, den Solin kommen
und dankte ihm, daß er ihm eine so
reichliche Pension gewähren wollte. Er.
der Großherzog, könne auch mit wem
gcr au?kommen.
ihrc
Fahrräder für Dienstmädchen.
In vielen englischen Familien ift e?
Sitte geworden, für die Dienstmädchen
Fahrräder anzuschaffen. Die Einrich
tung hat sich namentlich bei solchen Fa
milien bewährt, welche in einiger Ent
fernung von der Stadt oder dem Dorfe
wohnen. Da? Mädchen, dem ein
Bicycle zur Verfügung steht, sträubt
sich nicht gegen weite Wege und ist von
ihren Besorgungen rascher zurück. Es
giebt sogar englische Damen, welche ih
ren Dienstmädchen die Benutzung ihrer
eigenen Maschinen gestatten und sich
sehr wohl dabei befinden, denn das
Mädchen erledigt ihre Aufträge in ver
hältnißmäßig kurzer Frist und bat in
Preisen von $7 bi? j Zlge deffen mehr Zeit für ihre andere
. Wrhflit Wfcvtt
820 verkauft. Der Erlös des ersten
Abends belief sich auf 84500. Ihr
berühmter Spinnentanz machte die
Menge toll vor Entzücken. Da? ganze
Hau? sprang von den Sitzen empor
und klatschte, stampfte, heulte Beifall
wie wahnsinnig. Alte Theaterbesucher,
welche die berühmtesten Sängerinnen
und sonstige Bühnengrößen in allen
Theilen der Welt gesehen haben, be
Häupten, daß so etwas wie jener
Arbeit übrig.
Durchschaut.
Lieber Onkel ! Leider kann ich heute
zu Deiner kleinen Damengesellschaft
nicht kommen, da ich die fürchterlichsten
Zahnschmerzen habe. Dein Neffe.
Lieber Neffe ! Komme nur im ein
fachen Gesellschaftsanzuge, wie Deine
Vettern Richard und Carl, welche auch
ihre Frack? versetzt haben. Dein Onkel.