Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 01, 1897, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Bauernfänger.
sn !h, Zander,, olijeUieutcnoM a.
ehr
i. in,t hffiiAlt Mich IN meinet
aiw " " , .
ftauMiAteii ein früherer Regiment, anschlonen
Kamc:d, er kürzlich seinen Ädichied
genommen, um sich. alS MajoralZherr.
persönlich der Bewirthschaftung seines
großen (üterkomplcreS zu widmen, so
erzählte er nümlich meiner grau mit
dem Brustton der Ueberzeugung, daß
ich der ich ihn bisher nur als tüchtigen,
flotten Offizier und liebenswürdigen Ge
sellschaster geschützt i.atte. lachend er
sicherte, ihn nunmehr alS eine Art von
,inttaunen iu muffen. Tenn ein
flüsterte. Ter Herr trank fern:
' - . . , ni i
'it nna Tlllllf Dflll -CUU'll . im.
der Hand, nahm mich ganz unvermit
telt unier den Arm. ging mit mir.
während die anderen Herren sich uni
zur Zhur hinaus, sann eine
Treppe empor und rührte miß) enoiiaj
über einen ziemlich langen Korridor in
ein strahlend erleuchtetes Zimmer, in
welchem unter dem Kronleuchter
ein Roulette stand ' Genau dies hatte
ich bei dem Ersteigen der Treppe zu
sehen erwartet.
Zugleich mit uns erschien der Oder
lellner. welcher aus einen Ti'ch im Hin
tergrunde ein paar Spiele ganz neuer
Karten legte, dann wieder verdustete.
vor der Ä,hUi aniqemciio
d"s
itm . i Ci. . . , . m nn pr 1111 C 111CUI
mm mum izr-.rzTr. MmUuMn nn und
s immerh n nicht leichte wicyqti oer umi ..,.. ,,. Äs
-lHäSM
Uiutii uic luirnuivun ( - i
! Monopol verlockend hervorlugten, abzu.
nehmen, und in weniger als lo i'tinu
und , war so gut besorgte.
in keiner Beziehung den
notleidenden Landwirth anmerkte.
Unrnn sNNNte von TTUDeTeil IM
sorgen konnte
daß man ihm
ten war am Roulette, das der eine
"""" v. - ..,,- lln hie Unre
laudsre,sen her d,e Sehenswurmgiei en !
her KcnDfnj n wwiwuuqi "ii ' ..
nnh kranuaunam
und auswendig, und so ging denn der
Jeu im Gange. Der zweite, der mit
einen
großen Kupferstich von der Wand, auf
dessen Rückseite der Tempel" in großen
Carreaus aufgemalt war und begann
ohne Weitere?, nachdem er mehrere
Rollen 20 und 1Markftücken aufge
brochen, auch zwei Päckchen 100Mart
scheine, jedes zu hundert Stück, vor sich
niedergelegt, die Karten zu mischen.
iiund den mein Auge nun
BW 'w. ; iS'--
Falle an mir vorUver. Aver er um
sehr wißbegierig, und da er wünschte,
möglichst tief in die Geheimnisse Ber
lms" einzudringen und besonders auch
die Thätigkeit der hauptstädtischen tyolu
ze, kennen zu lernen, so ließ ich ihn
mehrere Tage hindurch in meinem Bü
reau sich aufhalten, damit er von dem
Getriebe daselbst, das er big in die
Wachtstube hinein verfolgte, wenigstens
eine Ahnung bekomme. Selbst prai
tisch wollte er thätig sein und so nahm
er denn an den verschiedenen Razzias.
ti- : -i. v- 4 ctvanlrtVii 211 neiene
J " : i 'Z StaS, Ä - beichten. Er gestand, daß er die Herren
.. mm.- . .....-,---- (rih,r : ftManlnnl
zeichneten Karten, aUo falsch, ipiele.
Ter Wissenschaft wegen ging ich dann
von meinem Prinzip ad und t$t, als
.. auf den Buden, der dreimal schon
schlecht geschlagen, einen zusammenge.
knifften IOW'Martschein mars, edensallS
dorthin ö Mark : mir verloren. TieS
Experiment machte ich wiederholt und
eS zeigte sich, daß ich. sobald ich allein
auf einer Karte stand, auch mit einem
höheren Betrage gewann! sobald ich
aber eine Karte besetzte, die schon eine
andere, hohe Summe trug, dann ver
lor die betreffende Karte! Ta tiaf mich,
als ich eben, allein. 20 Mark gewonnen
und gleich hinterher mit dem Juwelier,
der 300 Mari verlor, blitzartig das
Auge des Polen und eS überlief mich,
wie man so sagt, brühfiedend heiß, denn
nun war'S mir klar,
mich auS irgend einem
scheinlich hatte er mich erkannt ge
winnen lassen! Er spielte also wirtlich
falsch und dirigirte das Spiel nach sei
nein Gefallen!
Ta war eS mir denn sehr angenehm,
daß ein Herr, der am Roulette beöeii
tend in Verlust gerathen war, auf den
süßen Champagner schimpfte und nach
dem Reftaurationszimmer unten ging,
um sich am Erlanger zu erholen; ich
schloß mich ihm unter demselben Vor
! geben an. da ich unter allen Umständen
i Zeit zum Ueberlegen haben mußte.
ziemliche Aufregung hervorgerufen, da
eS aber ..noch früh am Tage " war
kaum 1 Ulir NacdtS lo wurde der
Oberkellner durch die Klingel herdeige
rufen, um neue Karten zu bringen.
Leider aber hatte derselbe kein Spiel
mehr (d. h.. ich hatte ihm die vorher
eingeschärft), und da durchaus noch ge
spielt werden sollte und mußte, so kam
eine neue Batterie Flaschen und da
Roulette 'ah seine Korona um das dop
pelte vermehrt.
WaS nun lliun?
Und da ereignete sich denn ein Zwi
schenfall. wie ihn der Polizeideamte nur
zu häufig absolut nicht entbehren lann.
Ein dumpses Geräusch drang von der
Straße auch an unser Ohr. ein paar
Betrunkene waren mit dem Rachtwäch-
der Kerl wollte ter m Honnilt gcraiyen uno im -oemin,
Grunde wahr. : den Mann dc? Gesetzes zu überwältigen.
als eine Schutzmannspatrouille yeroci
eilte. Bei dem entstandenen Hand
gemengc war die große Spiegelscheibe
der Eingangslhür an der Straße zer
trüminert worden und Oderkellner und
Portier eilten herbei, die Thater zur
Rechenschaft zu ziehen. Ter Stift"
des Hotels, der, von den herausgcschasi
ten und geschlürften Sekt.Neigen halb
blödsinnig geworden. auNeinem Stuhle
vor der Thür unseres alonS eilige
schlafen war. sprang schreckensbleich,
durch den Skandal und die Stimme
Po Doctoff Verlobung.
Humorke von K e i b i n a n h i w n e 1.
Der Anblick des Oberkellners brachte j des Oberkellners, seines Mentors. auS
mich auf einen vernünftigen Gedanken
Ich nahm drei 20-Markftücke
suchte schien mich nicht zu kennen uno , iroy meines nieorigen wagcs uwu j
war in augenscheinlicher Verlegenheit. ; Mark gewonnen zwischen die Singer. ,
wie ich meine Ueberrumpelung auffassen ; sagte dem fast Zusammenknickenden wer ,
, . . j j t ' m jm r . I -w w r . -X . fc so -v a ( . i . ., i -av
würde a'-er ich haschte ihn giuanq in a iei. uno uuü iu uis v,,,
einer Ecke und er mußte ivohi oder übel ; falscher Spieler vom gleck aus verhaften
wuroe, wenn er auw nur eine .ciene
ftscken Busch, owie in ein paar spe-
lunten anordnete, sehr eifrig Theil,
und eS machte ihm ein ungeheures,
mit grenzenlosem Erstaunen vermischtes
Vergnügen, bei dem darauf folgenden
Verhör der Sistirten zugegen zu fein,
llnkklireiflick war es ihm dabei, daß ich
gerade die Unschuldigsten" die natürlich
logen, daß die Balken krachten, einlie
fern ließ, während andere Schächer. die
sehr wenig vertrauenswürdig aussahen,
aber augenblicklich nichts auf dem Kerb
holze hatten, nach einer ernsten Ermah
nung oder auch einem Scherzwort von
mir die goldene Freiheit wieder auf
suchen durften.
Auch der Aufhebung einer Spiel
Hölle in einem übel berüchtigten Keller
lokale der Schützenstraße, bei welcher eö
uns ausnahmsweise gelang, nicht nur
die professionellen Ritter deS Kümmel
blättchen." sondern auch deren Hand
wertszeug die gezeichneten Karten und
die zum Zwecke der Täuschung benutzten
Blüthen" (falsches Papiergeld) in
unsere Gewalt zu bekommen, wohnte
Freund bei und konnte absolut nicht
begreifen, wie sich immer noch, trotz
allen Warnungen der Presse und gele
geglichen Feuilletons der illuftrirten
Zeitschriften, Dumme finden könnten,
die den Berliner Bauernfängern auf
den Leim gingen und nicht auf den
ersten Blick die Manipulationen beim
Spiel durchschauten.
Um sich für die in meinem Hause
ihm ab und zu gebotene bescheidene
Gastfreundschaft zu revanchiren. lud er
mich eines Sonnabends zum Frühstück
bei Dressel unter den Linden ein. Ich
konnte erst später, als angesetzt war. er
scheinen, und traf die Herren beim
Champagner, welchen sie durch das
geistreiche", mir wohlbekannte Spiel
luftige Sieben" unter sich ausspielten.
Die Gesellschaft bestand aus mehreren
Offizieren von der Garde Kavallerie,
mit denen Baron X. und ich zusammen
auf der Kriegsschule gewesen, sowie
einigen Herren in Civil, von denen mir
bekannt war. daß sie in der Wahl ilirer
Eltern sehr vorsichtig gewesen waren!
nalürlich betheiligte ich mich an den
Luftigen". Wir saßen ziemlich lange,
jedenfalls aber nach Ansicht der Tafel
runde noch nicht lange genug, denn es
wurde beim Aufbruch, gegen 6 Uhr be
schloffen, das unterbrochene Opferfeft
am Abend in der Restauration eines
im Westen gelegenen Hotels fortzusetzen.
Ich hatte gerade genug von dem per
lenden Schaumwein genoffen, daß auch
ich mein Erscheinen zusagte und es mir
nicht weiter aussiel, das . mir beim
Abschiede zuflüsterte, ich möge aber die
Uniform und den Poiizeibeamten zu
Hause laffen. Diesmal war ich pünkt
lich. traf aber schon einen Herrn, den ich
am Morgen erst kennen gelernt, den
Mitinhaber eines der ersten Juwelier
geschüfte Berlins, anwesend, und an
seinem Tische ein paar sehr elegante,
wie ich später bemerkte, nur mangelhaft
Deutsch sprechende Herren, die, was
mir sofort auffiel, von ihm, sowohl als
auch von der übrigen, anlangenden Ge
sellfchaft zwar kordial, aber etwa? von
oben herab behandelt wurden.
Erst wurde allgemein Erlanger ge
trunken, nur der Fremde, dessen polni
schen Namen ich schon wieder vergeffen
hatte, schlürfte mit Kennermiene Cham
pagncr, wobei er über das Glas hin.
jeaeSmal wenn mein Auge ihn zufällig
traf, mich mit einer gewiflen sinnenden
Aufmerksamkeit zu betrachten schien.
Die Unterhaltung wollte nicht so recht
in Fluß kommen: Freund .. stürzte !
sehr schnell einige Gläser des schweren
Bieres herunter imd unterhielt sich halb
laut mit dem Champagner trinkenden
Polen. ES war. als ob man auf ir
gend ein kommende? Ereigniß wartete
ich dachte wieder an eine neue Auf
läge der Luftigen" als der Ober
lellner plötzlich erschien und dem vorer
wähnten Juwelier ein paar Worte in's
Helgoland, als dieses noch
nicht dem deutschen Reiche einverleivl
war. kennen gelernt, daß er dort viel
Geld verloren, daß er sie eines TageS
verziehe. Andernfalls werde ihm nichts
geschehen. Dann gab ich ihm die 60
Mark und ließ mir dafür von ihm ein
neues Doppelspiel Whistkarten geben,
hier bei Dreffel, zufällig getroffen und dessen beide Trefsle-Aß ich vor den Au
auf 'ihre Veranlaflung die anregende ! gen meines mich sprachlos anstierenden
kleine Parthie hier" arrangirt habe, j Begleiters mit je einem kaum fichtbaren
Die Umsätze seien nicht übertrieben be-1 Bleistiftpunkt versah, um Gewißheit zu
deutend; er habe allerdings, da er. wie haben, mich in dem spiele nicht zu
ich wohl noch früher wiffe. stets schau-! irren. Dann schenkte ich dem Herrn
herUMeü Kech wickelte, eimae tausend ! reinen Wein ein. wie ich überzeugt sei.
Mark verloren, die Anderen uorigens
daß der Pole falsch spiele und daß
Geschichte auf alle Fülle em Ende
dem Schlummer aufgescheucht, empor,
ich hatte und donnerte an unicre Thür! 0 gtamrntifd)
piel siome ,osorl uno wir unimini
hinaus.
Das nun Folgende spielte sich sehr
schnell ab.
Der Pole bestrebte sich, unten ange
langt, unter den streitenden Theilen zu
vermitteln; Baron der Hüne an Ge
stalt. hatte zwei der Excedenten an der
Kehle gefaßt und schien nicht abgeneigt,
sie. wie der ricktiae Berliner sagt, in
steifen Arm verhungern zu laffen":
Oberkellner blickte rathlos auf mich,
und mein Verbündeter, der angebliche
Trunkenbold, versuchte dem Nachtwäch
ter das Schlüffelbund fort zu nehmen.
In Folge deffen erklärte der hinzuge
kommene Nachtwachtmeister, die ganze
Gesellschaft mit nach der nächsten Poli
Tolor KrauS war ein älterer Jung-
geselle, der auS seiner AdvokalenprariS
sich ein erkleckliches Sümmchen hinüber
gerettet hatte in 'ein Privatleben, in
das er sich an seinem fünfzigsten Ge
durtstage zurückgezogen hatte. Kein
Härchen aus dem Kopie war grau, seine
Stirne noch ohne das kleinste Faltchen.
Sein Herz konnte rascher pochen, wenn
ein hübsches Mädchen ilnn lächelnd in
die Augen sah. Freilich, eine? tieferen
Empfinden? hielt er sich nichl für fähig.
Ihm gefielen alle jungen Mädchen,
wenn sie ein rotheS Mündchen und
lachende große Augen halten.
Dotor KrauS iagte sich daher, daß
er eine Frau nur unglücklich machen
würde, denn er zweifelte nicht daran,
daß ihm nachher noch hübschere Mädchen
gefallen würden.
Trotzdem brachte er dem Weibe, wie
er eS wissenschaftlich nannte. regeS In
tereffe entgegen., Er war ein genauer
Kenner jener Literatur, welche die
Frauenseele zum Studium sich erkoren.
Mit Eifer hatte To.tor KrauS alle diese
Werke gelesen und analufirt. Diese
Analysen ergaben aber ein negatives
Resultat und so wurde er ein Pessimist,
der daS weibliche Geschlecht recht niedrig
btwerthete.
Diesen Anschauungen gab er einst am
im Schwan" beredten
Ausdruck. Mit lächelndem schweigen
hörten Alle zu: nur Schriftsteller Roder
hatte die Frage gestellt, woher denn ihm,
der die Weiber mied, diese kluge Er
ienntniß gekommen sei. Doctor Kraus
hatte das Gtstündniß abgelegt, daß er
diese geläuterte Erfahrung aus der Li
teratur geschöft habe. Mit gutmüthi
aem Spotte klopfte ihm der Schriftstel-
ler auf die Schulter: Ich bin just auch ; mir außerordentlich leid.
der j Einer von der Literatengilde und wenn
der
auch, aber da? fei nicht schlimm; heute
aber müffe und werde er die Bank des
Polen" sprengen, koste es was eS
wolle! Ihr müßt natürlich am Jeu
theilmhmen" wir nannten uns.
trotz unserer alten intimen Freund
schuft nicht Du", sondern Ihr"
so fuhr er dringend fort, und
wenn Ihr nicht darauf eingerichtet seid,
stehen Euch selbstredend ein paar tau
send Mark zur Verfügung." (Der
nothleidende Landwirth hatte, wie ich
nachher erfuhr, am Morgen, ertra zum
Sprengen der Bank", von seinem Ban
kier fünfzigtausend Mark abgehoben,
die er in Baar bei sich hatte.)
ifi prhiilvrtp ihm riihici. daß ich für
meinen Bedarf genug Geld bei mir fmfest überzeugt war. daß er
müffe.
Habe, daß er aber verrückt sein
wenn er glaube, bei beschränktem Saß
die Bank sprengen zu können; ob er
denn über die beiden Bankhalter auch
genau orientirt sei? Hierbei traf mich
fein Blick mit so überlegenem Lächeln,
daß ich einsah, wie jede Warnung voll
ständig überflüssig sein müffe.
Natürlich beschloß ich, dem Polen
meine ganze spezielle Aufmerksamkeit
zu widmen und ich kann mich rühmen,
ein sehr scharfes Auge zu besitzen und
kenne die Spieler-Kniffe ganz genau.
Der Pole schlug mit geübter, sicherer
Hand: er hatte die Karten mit der Lin
ken so gefaßt, daß der kleine Finger
allein unter dem Spiel, der Daumen
über demselben lag. die drei anderen
Finger dagegen die eine Längsseite des
Spieles lose umspannten. Er hielt die
Karten also völlig regelrecht, d. h, gleich
gut zum Volteschlagen wie zum Fühlen
nach bestimmten kleinen Einkerbungen
in den einzelnen Blättern. Die einzel
nen Karten zog er auch dieser Kniff
war mir speziell bekannt mit Daumen
und Zeigefinger der rechten Hand ab
und zwar nicht seitwärts? sondern nach
vorn. Auf diese Weise vermag der
Bankier leicht irgend eine Karte, welche
die feinfühligen Finger der linken Hand
an den Einkerbungen erkennen, sei'S
aus der Mitte, sei'S von unten, hervor
zuziehen, so daß diese links, also auf die
Gewinnseite des Bankiers, zu liegen
kommt; er wird selbstredend dies Kunst
stück nur machen, wenn auf der betref
senden Karte hohe Einsätze stehen und
eS gehört eine sehr große Fingerfertig-
keit dc zi.
Baron X , der Juwelier und noch drei
andere Herren hatten sich dem Tempel
zugewandt, sieben weitere Jünger des
verfloffenen Frühstückstisches waren um
daS Roulette versammelt. & und der
Juwelier, welche hoch setzten, spielten
daS gefährlichste Spiel einem falschen
Spieler gegenüber, sie ritten Karten";
d. h. sie besetzten diejenigen Karten mit
hohen Beträgen, welche mehrere Mal
hintereinander fehl, also zu Gunsten des
Bankiers, gefallen waren, in der Vor
auZsetzung, daß die Karte nun endlich
für sie schlagen müffe. Sie verloren
regelmüßig.
Ich spielte ein sogenanntes Läppen
spiel", setzte bald diese, bald jene Karte,
aber immer nur mit dem niedrigsten
Satz. 5 Mark, und gewann miistens.
Ich paßte gespannt auf und hatte mich,
um die? unauffällig thun zu können,
rechts vom Bankhalter, halb hinter ihm,
aufgestellt. Ich sah auf die Hände, die
Karten, den Mund, die Stirn, die Au
gen des Bankhalters eS war absolut
nichts zu merken und doch verließ mich
der Verdacht nicht, daß der Pole mit ge-
macht werden müffe. Ter noch ziemlich
junge Herr erschrack, da eS ihm aus
verschiedenen, sehr wichtigen Gründen
sehr peinlich war. in eine Spielaffaire
verwickelt zu werden. Ich beruhigte ihn
aber durch daS feste Versprechen, daß
die Angelegenheit ich glaubte dies
meinem Freunde & und den anderen
Herren, die mich gleichsam als Gast
aufgenommen hatten, schuldig zu sein
nicht aus unserem Kreise heraus
kommen solle, müffe aber ihn dagegen
um seine Mitwirkung bitten.
Es lag mir vor Allem daran, die
Karten, mit denen der Pole spielte, in
meine Hände zu bekommen, da ich sel-
nicht das
Spiel, welches der Oberkellner gebracht,
benutzte, sondern ein eigenes, gezeich
netes dafür in Gebrauch genommen
habe. Aber ich wollte dies ganz unauf
fällig bewirken; die Karten wollte ich
alsdann am andern Morgen mit der
Lupe ganz genau untersuchen. War
mein Argwohn unbegründet, nun. so
war die ganze Sache überhaupt nicht
geschehen und die Herren konnten thun
und laffen was sie wollten. Waren die
Karten aber gezeichnet, so wollte ich die
Angelegenheit mit dem Polen privatim
in Ordnung bringen, also ohne sie an
die große Glocke zu hängen; die Herren
waren dann einfach einem ollen ehr
lichen Seemann", wie es in dem großen
Spielerprozeß in Hannover hieß, in die
Hände gefallen und um eine Erfahrung
reicher geworden. '
AIS wir nach kaum einer halben
Stunde wieder im Salon erschienen,
war die Situation noch ebenso wie
früher, nur hatte sich der vor dem Polen
liegende kleine Koldberg noch vergrößert
und eine stattliche Anzahl größerer, zer
knitterter Scheine lag vor ihm aufge
häuft; Freund X. hatte ein hochrotheS
Gesicht bekommen und dem sonst so
ruhigen Juwelier standen Schweißperlen
auf der schneeweißen Stirn.
Meinem Begleiter war das Erlanger
augenscheinlich nicht bekommen, denn er
taumelte etwas, rannte in ausgelassener
Fröhlichkeit den moulettetiich fast um
und den Croupier beinahe vom Stuhle,
dann trat er dem Polen am Tempel auf
die Hühneraugen, daß er vor Schmerz
aufsprang und die Karten auS der Hand
legte: der Tisch kam in's Wanken, und
um seinem trunkenen Uebermuth die
Krone aufzusetzen, fegte der junge Herr
den Kupferstich, deffen Glas zersplitterte,
vom Tische und ein paar 6!oldrollen
dazu. Während die spielenden Herren
ganz verblüfft und ziemlich ärgerlich den
lachenden Trunkenbold ansahen, bückte
sich der Pole, um sein Eigenthum von
der Erde aufzunehmen während
welcher Zeit ich die auf dem Tische zum
Gebrauch bereit liegenden Karten mit
dem von mir soeben erstandenen Dop
pelspielc vertauschte, erstere in meine
Tasche steckend ungesehen! Als jetzt
der Bankhalter sich mit seinen Gold
rollen erhob, ergriff der Störenfried
auch noch die Karten und warf sie mit
lautem Gelächter in'S Kamin, in
welchem sie in der Gluth deS verbrann
ten Buchenholzes sofort verkrümmten
und verschweelten; der Pole mußte also
annehmen, daß die Karten, m't denen
er bisber gespielt, den Opsertod gestor
den feien. Dann fiel der junge Mann
auf einen Stuhl, daß er krachte und
wollte sich vor Lachen ausschütten.
Natürlich hatte daS kleine Intermezzo
ge- zeiwache nehmen zu müffen da blieb
ibm das Wort im Munde stecken, denn
er hatte mich plötzlich gesehen. Ich legte
nun harmlos meinen Arm in denjenigen
des Polen und erklärte dem Herrn
Wachtmeister, ihn einen Moment starr
ansehend, daß wir natürlich dem Befehle
der Obrigkeit Folge leisten würden.
DeS Polen Muskeln im reckten Arm
ftrammten sich, denn er war sich mit
mir jetzt völlig im Reinen, bewußt, daß
er verloren war. Keine Dummheit"
herrschte ich ihm halblaut auf franzö
fisch zu Sie wissen jetzt, wer ich bin,
also ruhig," dabei drückte ich den Arm,
den meine Linke mit festem Druck um
spannt hatte, so energisch an mich, daß
er wohl einsah, ich vermöge seiner Herr
zu werden.
Auf der Wache angekommen, ließ ich
mich von dem stramm stehenden Tele
graphiften in das Sprechzimmer deS
Revierlieutenants führen, nachdem die
elektrische, in deffen Schlafzimmer füh.
rende Klingel in Bewegung gefetzt wor
den war; natürlich nahm ich den Polen,
seinen Genoffen und Baron mit mir.
Die anderen Herren blieben mit den
Skandalmachern, die wohl merkten, daß
sich hier etwas ganz Besonderes abspielte,
in der Wachstube zurück.
Als der Herr Reviervorsteher im
Hausrocke erschien, war ich mit den bei
den Betrügern bereits im besten Einver
nehmen. Ich hatte nämlich dem Polen,
der sich plötzlich aus seiner Lethargie
aufgerafft hatte und mich sehr energisch
um' Aufklärung ersuchte, mit liebens
würdigem Lächeln das von mir eskamo
tirte ihm gehörende Spiel Karten
gezeigt, über dessen Ränder ich mit dem
Daumen leise hinüber strich; er verstand
mich sofort.
Eigentlich wollte ich die Bauernsän
ger den Raub des Abends wieder ber
ausgeben laffen: aber Freund .V. und
die anderen von dem Reviervorsteher
mittlerweile herbeicitirten Herren wider-
! sprachen meinem Ansinnen energisch und
ich in meiner Ehe jene Erfahrung ge-
macht hätte, die ich in meinen Romanen
j geschildert, hätte ich mir oder einem An-
dern ein Stückchen Blei durch die Schlü''e
j gejagt. Aber ich lebe trotz meiner un
! erquicklichen Schilderungen in glücklich
; ster Ehe, meine Alte behandelt mich mit
geradezu rührender sorge und da
! kommt der liebe Doctor und erzählt,
daß er seine Kenntniß deS Weibes aus
der Literatur geschöpft habe!"
Wie ein zündender Blitzstrahl war
dieses Bekenntniß in des Doktors fünf
zigjähriges Herz gefallen, und mit
lachenden Augen wie einst, da er als
flotter Corpsstudent im fidelen Jena
tolle Streiche vollführt, blickte er in die
Welt.
Gegenüber dem Schwan", in dem
Doctor Kraus die gute Hälfte seiner
freien Zeit und er hatte deren vier
undzwanzig Stunden täglich zu
brachte, lag ein hübsches einstöckiges
HauS. Mit dem hellen, soliden An
striche harmonirten die Blumen in den
Fenstern recht gut. Frau Kathi. seine
alte Hausgenosfin. verstand es leider so
wenig, ihm das eigene Heim mohnlich
zu gestalten.
Da war es im Schwan" gemüth
licher. Allmorgendlich saß Doctor KrauS
dorn auf der Veranda und trank seinen
Gespritzten", während er behaglich
eine Havana schmauchte.
Eines TageS blieb an dem Hause
mit dem hellen, soliden Anstriche fein
Blick haften. Ein rosig angehauchter
Frauenkopf erschien am geöffneten Fen
ster des ersten Stocks, dazu ein knollige
zartes Persönchen mit Grübchen in den
Wangen. Sie schüttelte die Gardinen
vorsichtig, dann ließ sie sie draußen im
Winde flattern, dabei wurde ihr Arm
fichtbar, ein weißer, runder Arm.
Mit seltsamem Gefühle fchaute Doc
tor Kraus dem häuslichen Wirken und
Weben der Frau Lilly Waller, der
Landesgerichtsraths - Wittwe, die vor
Kurzem nach dem Städtchen übergesie
belt war, zu.
Am nächsten Tage nahm er wieder
seinen gewohnten Platz auf der Ve
randa ein und wie gestern öffnete sich
daS Fenster; derselbe Frauenkopf er-
schien in demselben. Ein Blick flog
den Kopi, we-hald Roder gerade dieses
Thema sich erkoren.
Da wurde die KucheiilhUr aufgerif
fen und h,reiii stürmte mit rothem
Kopfe Frau Kathi. die soeben au?ge
gedene Wahrheit" des Schriftstellers
Roder in der Hand haltend. Daö ist
alfo der Lohn für meine dreißigjährige,
treue Tienftzeit, wahrend welcher ich
Leid und Freud mit dem Herrn Totor
getheilt bade?"
Der Toctor stammelte faffungSloS:
Ader Kathi. 5ie träumen wohl."
Ich träume gar nicht. Herr Toc
tor." sagte grau Kathi scharf und sah
den Zusammengeknickten verächtlich an.
da lesen ie!"
Lilli Waller,
D U- ffri !, I
Verlobte.
TaS rüttelte ihn auf, er mußte so
sort zu der Frau LandeSgerichtSrathS
Wittwe hin. i!r erklären, daß diese
Meldung nur ein verruchter Buben
streich sei.
Mit 'ledernder Hast legte er den ele
ganten SalonAnzug nn. In scheuer
Eile durchmaß Toctor KrauS mit ge
senilem Kopfe die Straßen. Bald hatte
er die Apotheke erreicht und stieg herz
klopfend zum ersten -tock empor. Kaum
hatte er die Glocke gezogen, als die
Thüre schon geöffnet wurde. TaS
Mädchen wies ihn in den Salon. Kaum
hatte er Zeit, sich den schweiß zu trock
nen, als auS dem Nebenzimmer die
Frau LandesgerichtSraths-ijtiwe her
einrauschte.
Toctor Kraus," stotterte er und
verbeugte sich tief.
Mein Herr." sagte Frau Waller
mit vor Aufregung zitternder Stimme,
Sie haben ein Spiel mit einer Frau
getrieben, die Ihnen nie ein Leid zuge
fügt."
Verzeihung, gnädige Frau. eS thut
ihren werthen
Namen in solcher Verbindung mit dem
meinen zu sehen."
Außerordentlich leid thut es Ihnen,
mein Herr?" Ein zürnender Blick setzte
des ToctorS Gesicht m glammengluth.
Verzeihung, Gnädige, ich meinte,
das heißt, ich würde mich ja außer
ordentlich glücklich schätzen, wenn jemals
mein Name in so inniger Verbindung
mit dem Ihren genannt würde. Mit
Recht nämlich, das heißt, wenn ich dazu
berechtigt mixt, wtt so..
zeilmng " Er faßte die kleine,
schmale Hand und wollte sie küssen.
Mein Herr Und wie gedenken
Sie meine Ehre, die durch diese Ver
lobungsanzeige verletzt ist. wieder her
zustellen?" frug Frau Lilly mit etwas
unsicherer Stimme.
Der Doctor begann erst stotternd,
dann immer warmer werdend:
Meine Gnädigste, mir wirbelt Alle?
bunt durch den Kops. Aber wenn eS
schon sein muß . . das heißt, wenn
Ihnen ein Fünsziger. der einsam in der
Welt fich langweilt, noch nicht zu alt
scheint. Das heißt, wenn Sie nur
einen Funken wärmeren Empfindens
für den alten Knasten verzeihen Sie
meine burschikose Ausdrucksweise hüt
ten, so könnte vielleicht die VerlobungS
anzeige zu Recht bestehen und wäre daS
Ungeheuerliche eines Widerrufs damit
aus der Welt geschafft."
Verlegen zupfte Frau Waller an den
Spitzen der eleganten Seidenschurze, die
sie über das rosa Hauskleid gebunden
hatte, dann hob sie langsam die Augen
lider, ein fröhliches Leuchten ging über
ihr Gesicht, und als Toctor raus in
diesem feierlichen Augenblick die Arme
öffnete, sank sie an seine Brust und flü
steile: Gern!"
Eine Stunde später schritt Toctor
KrauS am Arme seiner Braut, der
Frau Landesgerichtsraths-Wittwe Wal
ler, langsam über den Marktplatz. Mit
verbindlichem Lächeln nahmen Beide die
Glückwünsche der Bekannten entgegen.
So wurde Toctor Kraus in Hymens
Feffeln geschlagen.
Wer jene Verlobungsanzeige der
Wahrheit" übermittelt hatte, kam nie
an den Tag. Schriftsteller Roder leug
nete Alles und erwartete den Gegen
beweis.
o blieben die Gauner denn auch nach ? u.frtiber su dem einsamen Gaste, den
meiner heutigen Ansicht thörichter Weise j bieser mit einer tiefen Verbeugung er-
im Besitz des unrechtmäßig erworbe
nen Gutes, daß sich aus mehr als 10,
000 Mark bezifferte.
Natürlich wurde Sorge getragen, daß
sie, nach Begleichung ihrer Rechnung
im Hotel, mit dem nächsten Zuge ab
reiften: das Roulette ließen sie hier; es
wurde schließlich durch einen Gerichts
vollzieherversteigert und der Erlös der
Armenkaffe überwiesen.
Freund X. und die übrigen betheilig
ten Herren wundern sich aber seit jener
Zeit nicht mehr darüber, wenn in den
Zeitungen zu lesen ist. daß wieder ein
mal ein paar ganz gescheute" Leute
Berliner Bauernfängern in's Netz gera
then find.
Die Karten untersuchte ich noch an
demselben Tage mit der Lupe. Sie
waren nicht allein an den Seiten mit
Kerben gekennzeichnet (gezinkt), sondern
es fanden sich auch auf ihrer Rückseite
in den Ecken kleine, einem kundigen
Auge aber leicht erkennbare Zeichen
Punkte, Striche und Kreuze vor.
die dem Bankier gestatteten. daS Spiel
völlig zu beherrschen.
Bescheiden.
Schneider (der dem Herrn
einen Anzug geliefert): ...
darf ich Ew. Gnaden zum
mahnen?"
Baron
Und wann
ersten Mal
Dic Gcfanrcn der Eisenbahn.
Folgende Prophezeiung, die von dem
Kollegium der bayrischen Aerzte im Jahre
1335 ausging, befindet sich in den
Archiven der Nürnberg-Fürther-Eisen
bahn. Als vorgeschlagen wurde, diese
Linie (bekanntlich die erste deutsche
Eisenbahn, eröffnet am 7. Dez. 1835)
zu bauen, kamen die Aerzte des Landes
zusammen und erhoben einen förmlichen
Protest dagegen. Ortsveründerung,
vermittelst irgend einer Art von Dampf
Maschinen," erklärten sie, sollte im
ntareiie hpr stNpntllMi'I, (tfpllinhhpit
Vormittage schüttelte die ' vW" M rnf(f!fn ,,,
können nicht verfehlen, bei den Paffa
gieren die geistige Unruhe, Delirium
guriosum" genannt, hervorzurufen.
selbst zugegeben, hieß es in dem
! Protest, daß Reisende fich freiwillig
dieser Gefahr aussetzen, muß der Staat
wenigstens die Zuschauer beschützen:
denn der Anblick einer Lokomotive, die
j in voller Schnelligkeit dahinrast, ge
: nügt. diese schreckliche Krankheit zu er
zeugen. ES ist daher unumgänglich
' nöthig, daß eine Schranke, wenigstens
j 0 Fuß hoch, aus beiden Zeiten der Bahn
errichtet werde."
widerte.
So ging es Tag um Tag. Sie
sahen und grüßten sich. Einmal blieb !
Doctor KrauS in der Gaststube, wo er ;
von einem Winkel aus ungesehen das !
Fenster beobachten konnte.
Richtig! Es öffnete sich drüben das !
Fenster, die Frau Landesgerichtsraths-'
Wittwe erschien an demselben. Sie!
hatte den Doctor nicht an seinem Platze
gefunden und schaute änginicy aus
An icncm
Schwanenwirthin besorgt den Kopf
über ihren alten Stammgast, der seit
imaniia wahren zum Frühschoppen drei
.Gespriftte" trank, heute aber schon sechs "
hinter die Binde gegoffen hatte und
dabei, wiewohl er allein war. immer
still vor fich hiulachtc.
Am nächsten Tage erwachte Doktor
Kraus erst gegen Mittag mit einem
dicken Kopfe, in dem verworrene Ge
danken fich kreuzten. Nur dunkel erin
nerte er sich an die Ereignisse des vor
hergegangencn Abends. ES war ein
festliches Gelage gewesen. Schriftstel
ler Rodcr hatte am Stammtische eine
fulminante Rede vom Stapel gelaffen.
in welcher er den Wunsch auZsprach. es
möge noch ein Kranz liebreizender Kin
der des Doctors künftiges Heimwefcn
mit fröhlicher Jugendluft erfüllen.
Vergeblich zerbrach sich der Toctor
Bervbigend.
Arzt (eine Leiche untersuchend):
Trci Wunden ! Tie erste ist tödtlich :
aber dic beiden andcr'n sind glücklicher
weise nicht von Bedeutung !"