Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 24, 1897, Image 9
i W t W & i Zins d.'in sehen eines Reichen. 4'on i'orontn Ä. Kapri. ,VeneideNwerthe Menschen ! aufirrte ich filtern Freunde gegenüber, in dessen Wffellscbaft ich soeben einen recht sieben Abend in dcm liebenswürdigen Forni lienlreiff titi Bankiers G. zugebracht hatte. Noch jung, von blühender (S)e sundheit. kunftsinnig, heitern SmneS. im glücklichen Besitz schöner begabter Kinder,,.. Man hat un Verkehr mit ihnen da? ganz bestimmte Gefühl, als gehörten sie zu jenen privilegirten Lieb lingen Fortuna';, die ftetS im Sonnen schein gewandelt, denen da Unglück niemals genaht." Und doch tauscht Sie dieses ganz bestimmte Gefühl," er widerte mein freund. ES ist kaum drei Jahre her. daß der Mann mit der heitern Stirne und dem glücklichen Lächeln, der liebenswürdige Alfred E., im Begriffe stand, einen Selbstmord zu begehen." Kaum glaublich!" rief ich, aber erzählen Sie!" Ich will es thun, denn EL der mir in einer jener vertrauten Stunden entre chien et loup, in welcher es sich gut plaudern laßt, alS Antwort aus eine der Ihren ahnlichen Bemerkung diese Episode seine? LebenS erzählte, hat mich nicht zur Ge Heimhaltung verpflichtet. Als G. eines Morgens sein Journal durchflog, fand er darin folgende Nach richt: Der Großhändler N. ist seit gestern abgängig. Nach einem hinter laffenen Briefe dürfte er sich verfehlter Geld'Spekulationen wegen daS Leben genommen haben." Diese in deutschen Blattern erschienene Noti, wirkte erschütternd aus 8. Der Bermißte war sein Geschäftsfreund, war gleich ihm aus den Höhen des Glückes gestanden ja. G. hatte deffen Vermögen noch höher geschaßt als daS eigene. ES war möglich, daß ihm die nächste Biertelstunde die Nachricht brachte, er sei mit einer erheblichen Summe an diesem Falliment betheiligt. Es ging dem reichen Manne ein Schauer durch die Seele bei dieser eindringlichen Mahnung, jedes irdische Glück, scheine eS noch so fest begründet, stehe nur auf schwankendem Boden. Er, der stolze Mann, ein Selbstmörder?! Schien doch jeder seiner Blicke zu sagen: Der Sonntagsgast. iiniui 18. Oeilg zum Xe5rsk stanto Attzcigcr. ft. 5. Fest, wie der Erde Grund, Gegen des Unglücks Macht Steht mir des Hauses Pracht !" In begreiflicher Aufregung erwartete G. die Antwort auf seine telegraphische Anfrage. Vielleicht war seine Besorg niß, in den Sturz deS Geschäftsfreundes mitgerissen zu werden, unbegründet, . . Vielleicht waren noch Fonds vorhanden Möglicherweise hatte den Mann nur falsches Ehrgefühl, plötzliche Ent muthigung, ein bedauerlicher Mangel an Energie des Charakters, die das Un glück ertragen lehrt, in den Tod getrie den. Er suchte sich im BorauS gegen jede Hiobspost zu stahlen und muthetc sich Starkfinn genug zu, um das Un glück besser ertragen zu können als sein unglücklicher Freund. Er sollte bald Aufklärung erhalten. Die Antwort kam und brachte ihm die Gewißheit, daß der Fall des Geschäfts freundes für ihn einen Verlust von Hunderttausenden bedeute. Gegen die schrcckensvolle Nachricht hielt keine Energie des Charakters Stand. Das Bild, das sich momentan vor seinen Augen entrollte, beraubte ihn aller Kaltblütigkeit. ES ergriff ihn wie mit der Gewalt einer psychischen Epidemie. Wie rasend stürzte er. das offene Telegramm in der Hand, in das Zimmer feiner Frau. Ein Blick ge nügte ihr, um den Seelenzustand ihres Gatten zu erkennen. Das plötzlich über ihr Haus hereingebrochene Unglück traf sie hart. ES legte ihr die Nothwendig keit auf, im sehr luxuriösen Haushalt und an einen solchen war sie von Jugend an gewöhnt Einschränkungen in einem Umsange einzuführen, der dem Auge der Welt nicht verborgen bleiben und den Spott ihrer Neider herausfor dern mußte. Auch wurde die Mitgift ihrer geliebten Elfe dadurch empfindlich geschädigt. Aus einer reichen Erbin war sie heute ein Mädchen von müßigem Vermögen geworden. Aber die gute und kluge Frau sah. wie tief ergriffen ihr Gatte war, wie e ihm fast wie Irr sinn aus den Augen leuchtete, und sie besaß die Kraft, die eigene schmerzliche Erregung zu unterdrücken und Alles zu versuchen, was Milde und Liede ihr zu seiner Beruhigung eingeben konnten. Vergiß nicht, Alfred, daß wir ja nicht unseres ganzen Vermögens beraubt wurden, daß wir " Mit den paar Hunderttausend Gul den, die uns etwa bleiben mögen, läßt sich gar nichts anfangen.. ." Aber. Alfred, es ist ja doch ein Vec mögen, daS. ... " MWg ,;Es ist ein Bettel, sage ich dir, das versteht ihr Weider nicht! Ihr habt keinen Begriff von kaufmännischer Ehre, von dem berechtigten Ehrgeiz des Mannes, den eiumal errungenen Platz zu behaupten unter allen Umstünden. In den Augen der Welt ist von der Höhe sinken und fallen ziemlich einerlei. Haft du dir gesagt, daß wir unser Pa lais verkaufen muffen, um Fonds zu gewinnen?" Das war mir sogleich klar. Alfred, aber ich bedauere eS nicht." So?! "Sprachst Du nicht schon vor Mona ten" davon, daß es dir bei den vielen Lasten nicht den erwarteten Gewinn bringe, daß dir Baargeld oder gute Pa piere lieber wären, daß. . .. Abermals weibliche Kurzsichtigkeit ! Du hast keinen Blick für den Unterschied der Situation. Damals konnte ich aus freiem Willen verkaufen, ohne daß eS Jemandem Wunder genommen hatte: heute zwingt mich daS Unglück dazu und man weiß ei." Alfred, du .... " Sprich kein Wort weiter, Helene! Du scheinst keine Ahnung davon zu huben, welche Bitterkeit mir daS Herz zusammenschnürt, welche Verzweiflung . . . . O Gott, eS ist ja die Schande . , die Schmach ist es, die heute ihren Ein zug in unser rhrenmerthes Haus gehalten hat und wer Edre im Leide hat, kann das nicht überleben. Gott schütze euch!" Er stürzte fort und ließ sie in groß ter Seelenangft zurück. Zu welchem Gewaltfchritt konnte der heißblütige Mann, dem das Entsetzen jede Befin nung geraubt zu haben schien, sich hin reißen laffen.. .. Mittlerweile irrte er mit wirrem Haar und wirrem Blick in den Straßen Wiens umher, verfolgt von dem qual vollen Gedanken: über Nacht bist du vom reichen zum armen Manne gewor den Was wird die Welt dazu sa gen? Was Diejenigen, die du einst von der Höhe deines stolzen Glückes herab geringgeschätzt, vielleicht verletzt und gedemüthigt hast? Wie werden sie lacken, wie stck darüber freuen! ! Wie werden sie flüstern und höhnen, j und dich sinrend, einander zuwispern. wenn du nun deinen Diencrftand ver riiioerst, unter einem böcksl durckstckti- gen Vorwand einen Theil deiner Pferde verkaufst; wenn deine Salons, in wel chcn deine liebenswürdige, anmuthige Frau so geistvoll präsidirte. deine Elfe durch Jugend und Schönheit glänzte, nun aufhören, ein Anziehungspunkt für die Elite der Gesellschaft zu sein? Es war unerträglich. Er knirschte mit den Zähnen. Es erschien ihm wie eine Befreiung. N.'s Beispiel zu folgen. . . . Dann würde er von nichts mehr wissen, weder Spott noch Schadenfreude wür den ihn verfolgen, alle Oual hätte ein Ende.... Und die Seinen ' Helenen- reiche Verwandte würden sich wob! ihrer und der Kinder annehmen, wenn er nicht mehr war, während im Gegentheil, wenn er lebte. ... Ja, es war die letzte Liede, die er ihnen erweisen konnte er mußte sterben, er, welcher ihr Ver mögen Preisgegeden und ihnen nichts mehr zu bieten hatte als Verarmung mit ihren demüthigenden Folgen. Wo, wie, das würde sich finden ... Er rührte mit der Hand an oen Revolver, den er in die Tasche gesteckt hatte.. .. Vielleicht in irgend einem grünen Win sei seine? Lieblings-Aufenthaltes, des Dorndacher Parkes Er hatte den Schottenring betreten. Wie blind rannte er dahin. Er be merkte es nicht, wie die Paffanten ihn verwundert ansahen, vk die ihm Entgegenkommenden dem todtbleichen Manne, der geradeauseilend an Jeden anzurennen drohte, auswichen. Er sah und hörte nicht, er hatte nur Eile, hin überzukommen, denn auf dem Schotten ring, oben in dem Hause dort, dem er entgegenschritt, wohnte ja der Oheim seiner Frau, der reiche, der beneiden? werth reiche Großhändler D. Ihm wollte er nicht unter die Augen kom men. Doch .... da fuhr eben dessen Wagen au? dem Thorweg .... Er hatte ihn gesehen er grüßte Doch, wie bleich, wie verfallen der Mann aussah! G. war dies nie so aufgefallen, wie, eben heute. So reich, und so krank und elend! Was hatte nun der Mann von seinen Mil lioncn. wenn ihm die Grundbedingung alles Wohlseins, die Gesundheit, fehlte? Und er selbst, der nicht wußte, was es heiße, krank zu sein, er mußte von hin nen gehen, noch jung, thatkräftig, ge fund. Doch, jung oder alt. gesund oder krank da mußte jede Reflexion schweigen, wo ein unglückseliges, wahr haft unverdientes Schicksal das Weiter leben in Ehren unmöglich machte. Er ging weiter. Es fiel ihm nicht ein. einen Wagen zu nehmen, um rascher an's Ziel zu kommen und die Cual abzukürzen. In seiner mahn sinnig erregten GemüthSstimmung be durfte er der Bewegung. Im Wagen fitzend hätte es ihm geschienen, als hafte er an einer und derselben Stelle. Dort, vor der Votivkirche. hielt ein pompöser Leichenzug. Er bemerkte manche Wagen der Haute finance. Wer es nun immer war, um deffen Scheiden diese ergreifenden Trauer gesänge erschollen, der Mann oder das Weib in jenem blumengeschmückten Sarge war glücklich zu preisen. Das Leben mit seinen Schmerzen und Ent täuschungen konnten ihm nichts mehr anhaben. Unwillkürlich näherte er sich. Er war lange in keiner Kirche gewesen. Kühle Dämmerung umsing ihn. An diesem trüben lag, an welchem kein Sonnenstrahl durch die hohen, bunt bemalten Bogenfenster fiel, erschien ihm dieses schwarzdrapirt!' Gotteshaus wie die Vorballe des Grades. Die Träger luden den Sarg auf; ihm nach wankte als erster Leidtragender ein weißhaari ger, gramgedeugter Mann, mit bleichen Wangen und erloschenem Auge. Jetzt wußte G. wer es war, den man hier zu Grade trug ... Er kannte den alten Mann so obenhin. Auch er war reich, unermeßlich reich, und all' die Schatze, die er erworben, sollten daS Leben sei nes einzigen Kindes, des jugendlichen, hoffnungsvollen Sohnes verschönern, den er heute tiefgebeugt in die Gruft senkte, in welcher sein Weid bereits ruhte. Gott! Und ihn selbst, der nun um Geld und Gut verzweifelnd Hand an fein Leben legen wollte, ihm lebte da heim ein holdes, treues Weib, liebende Kinderherzen schlugen ihm entgegen. War das nicht ein Glück, dem kein an dere? vergleichbar war? Wie ein Son nenftrahl drang ihm dies Bewußtsein in'S Herz Doch, schon senkten sich wieder düstere Schatten in seine angst beklommene Brust. Dieses entsetzliche Niedersinken von stolz erklommener Höhe. Mangel an Geld und Ein schränkung hier und dort, die Sisv phusarbeit des Wiederbeginnen?, der er sich, entmuthigt und gedemüthigt wie er war, nicht mehr gewachsen fühlte, all' den blutigen Spctt und Hohn, dem er entgegensah Im besten Falle würden sie mitleidig auf seine und der Seinen Erniedrigung herabsehen. Kci ner von ihnen würde einen Finger re gen, um ihm aufzuhelfen, er wußte es. Man würde ihn des Mangels an Um sicht zeihen: ihn verurtheilen, so schuld los er auch war; ihm Credit und Ver trauen entziehen .... Und er. der sich stets rühmte, Niemandens Hülfe zu be dürfen, er sollte wohl flebm, wo er bis jetzt mehr als einmal großmüthig ge währte; bitten, wo er bisher rieth und entschied? Nimmermehr. Da, am Eingang zur Alferstraße, ragte da- düstere Gebäude empor, das so viel Elend und so viel Schuld um faßt. Vor dem Schwurgerichtssaal drängten sich die Menschen .... Bereits war an die Stelle seines düsteren Brütens die Reflenon getreten. Es ergriff ihn eine gewiffe Neugierde, zu wissen, wer der Unglückliche war, der heute an dieser Stelle vor feinen Rich tern stand. Da durchfuhr es ihn, wie ein Blitzschlag. War nicht heute der 10 und sMe an diesem Tage nicht die Verhandlung wegen betrügen scher Erida gegen den ihm wohlbekann ten Kaufmann I. stattfinden, welcher durch falsche Vorspiegelungen nament lich den Ruin so vieler kleiner Leute verursacht hatte? Er riß das Journal aus der Brusttasche ... So war es. Es drängte ihn in den Saal. Bereits war die Verhandlung bis zur staatsan waltlichen Anklage gediehen. Unter den wuchtigen Streichen dieser gerechten Anklage beugte sich das Haupt des Schuldigen tiefer und immer tiefer. Die Beweise waren erdrückend, und Reue. Angst und Verzweiflung standen in dem Angesicht des Unseligen geschrie ben, der keinen Ausweg mehr sah. Und auch er, der hier vor seinen Richtern stand, hatte Weid und Kinder, die schuld los, wenn auch nicht feine Strafe, doch seine Schande theilen mußten. Angesichts dieses Manne?, dessen wirk liche, nicht mehr gut zu machende Schuld ihn der Gerechtigkeit überliefert hatte, erhob G. langsam da? Haupt. Er. den sein Bewußtsein rein sprach von aller Schuld durch welche Verwir rung der Sinne hatte er sich der Schande verfallen geglaubt? Wie hatte er nur den Entschluß faffen können, nun, da nach einer Reibe von glücklichen Tagen die Stunde der Drangsal erschienen war, sein Weib und seine Kinder zu verlassen und seine verletzte Eitelkeit vor dem Lächeln einiger Neider und Tboren in das Grab zu flüchten, statt den Sei nen treu zur Seite zu stehen und mann haft jede Krankung von ihnen abzu webten? Und hatte sein Weib nicht am Ende nicht die rechte Ansicht der Sache? War denn Alles verloren? An feiner Ehre war nicht der geringste Makel; das schuldenfreie Vermögen, das ihm geblieben, war kein undedeu tendes zu nennen. War ihm und den Seinen von nun an übertriebener Luxus verwehrt, so war ihnen doch Wohlstand und ein gesichertes Einkommen geblic ben. Und noch war er gesund, noch jung und kräftig es war nicht un möglich, daß er sich aufbals. ohne fremde Mithilfe. Noch konnte er vor Allen das Haupt erheben, und e? gab Keinen, vor dem sich fein Blick hätte senken müssen. Es litt ihn nicht länger. Seine ganze Seele, jeder Herzschlag, drängte den Seinen entgegen. Er stürzte auf die Straße, bestieg einen Wagen Auf seine Weisung raste das Gesahrt seinem Hause zu. In welcher Todes angft mußte seine geliebte Helene seiner warten! Schon wollte er die Stiege hinaufeilen da fielen ihm ganz im Hintergründe des dunklen Hofes drei minzige, ebenerdige ensterchen in die Augen. Dort, in dem finsteren Lokal, das sich nur schwer vermuthen ließ. wo!mte ein armer Schuhmacher mit feiner Frau und seinen vier Kindern. G. selbst hatte die Wohnung nie be treten. Er erinnerte sich nur dunkel daran, daß die Leute den ZinZ schon seit einem Jabr nicht gezahlt hatten und er dem Hausbesorger die Weisung er theilt hatte, ihnen zli kündigen. Die Leute waren ruhig. E? gab nie Lernn und Skandal bei ihnen. Er hatte ihre Anwesenheit überhaupt nie bemerkt. In dieser Stunde fiel es ihm auf s Herz, daß es vielleicht echt arme, aber brave Leute seien, für welche eine Kün digung gleichbedeutend sei mit völligem Ruin. Schnell entschlossen durchschritt er den Hof und betrat die Wohnung. In dem einzigen, an die finstere Werk statte grenzenden Wohnzimmer empfing ihn der Verzweiflungsruf: Der Haus Herr selbst Nun sind wir der loren!" Er sah sich um Alles arm selig, aber nett. Der Mann und die beiden älteren Töchter an der Arbeit, daS Weid mit abwehrend emporgehobe nem Arm. tödtliche Angft in dem bleichen Gesichte, mit der Linken den Säugling an die Brust drückend; im Bette ein krankes Bübchen mit großen, hungrigen, erschreckten Augen. So also sah die wirkliche Armuth aus. So grundverschieden war sie von der eingebildeten, die ihn beinahe in den Tod getrieben hätte. Er beruhigte die Leute, kündigte ihnen an, er beabsichtige, in Anbetracht des schlechten Geschäftsganges, unter welchem sie litten, ihnen den schuldigen Zins nachzusehen, legte eine Fünfzig-Gulden-Note in die kleine Hand des kranken Bübchens und verließ die Woh nung unter dem Jubel und den Dan kesworten glückerfüllter Herzen. Dann eilte er hinauf und der Mann, der sich vor einer Stunde so arm gefühlt, dünkte sich jetzt überreich, als er die Sei nen blühend und gesund an das Herz schloß. So nahe berühren sich im Menschenleben Schmerz und Freude, Verzweiflung und Hoffnung." Die Rezension eines Kaisers. Historische Skizze von A. BririuS. Als im Jahre 1307 Napoleon I. mit den kriegführenden Monarchen Europas sich in Tilsit befand, wo am 7. 9. Juli der bekannte Friede zu Stande kam. da ließ er die Schauspieler der Eomödie franc?aise aus Paris nach die ser zu seinem Hauptquartier erwählten kleinen Kreisstadt kommen, damit die selben, wie er ausdrücklich sagte, einmal vor einem Parquet von Königen spielen sollten. Die Eomödie franoslife, welche die ausgezeichnetsten Künstler Frankreichs, darunter den großen Tragöden Talma, zu ihren Mitgliedern zahlte, stand da malg im Zenith ihres Rubmes, und mit nicht geringer Befriedigung ge wahrte Napoleon den gewaltigen Ein druck, welchen die vollendeten Schau ftellungen dieses in seiner Art einzigen Theaters auf die anwesenden Fürstlich leiten ausübte. Vor allem aber war es Talma, welcher durch die lebendige Wahrheit ''eines Spiels die höchste Be wunderung erregte und sich seitens der Souveräne zahlreicher Beweise der vor züglichften Hochachtung zu erfreuen hatte. Talma. damals in seinem 44. Lebensjahre .stehend, war der größte französische Tragöde seiner Zeit und für die französische Bühne der bedeu tendste Reformator, was Stellung der Figuren, Faltenwurf der Gewänder, Ausdruck der Leidenschaften und hifto rifche Treue der Kostüme anlangt. Eine nicht ausgezeichnete, aber regel müßig gebildete Gestalt, eine volle, wohl tönende Stimme, und wie bei Napo leon, den antiken Formen sich hin neigende, bildsame Geftchtszüge. standen bei ihm mit einem klaren Geiste, tiefer, seelenvoller Empfindung und warmer Phantasie in harmonischer Verbindung. Dabei besaß er die wundervolle Gabe, die Cbaraktere, die Leidenschaften, die Affekte, die innersten Regungen des Ge müths der darzustellenden Personen in allen Graden und Abstufungen so voll kommen wiederzugeben, daß in dieser vollendeten Täuschung die Natur selbst sich auszusprechen schien. WaS den großen Tragöden jedoch am meisten schatzenSwerth machte, war, daß er im Vollgefühl schöpferischer Kraft Selbst überHebung nicht kannte, liebenswürdig und bescheiden im Umgange war. und Lehren, sofern sie gut waren, auch von denen annahm, die bezüglich seines allumsaffenden Wissens von dem Wesen der Schauspielkunst tief unter ihm stan den. So empfing der große Meister der Schauspielkunst gelegentlich seines Auf . entbaltes in Tilsit, wo er vor dem Par iiuet von Königen eine seiner besten Rollen, oie des Nikomeöe i:: dem gleich namigen Stücke von Corneille, gespielt hakte, von Napoleon eine Lehre, die er : Zeit seines Lebens nicht vergessen hat und bei seinem ferneren Auftreten sich j stets zur Richtschnur dienen ließ. Es war am Morgen nach der Auf- j führung des Nikomede. als Napoleon, 1 auf dessen ausdrücklichen Wunsch das Stück gegeben worden war. Talma zu sich rufen ließ. Der große Tragöde, der beim Kaiser, welcher ihn oft und gern bei sich sah. im größten Ansehen stand, hatte nie vorzüglicher gespielt, als an diesem Abend. Wie gewöhnlich fand er den Kaiser beim Frühstück, da derselbe nur um diese Zeit seinen ffünft lern Audienz zu geben pflegte. Sie haben zu meiner ganzen Zu frieöenheit gespielt, lieber Talma," sagte der Kaiser, und indem er noch einige Schmeicheleien über die Art und Weise, wie Talma seine Rolle durchge führt hatte, hinzufügte, kam er auf da außerordentliche Talent Eorneille's zu sprechen, aus dem er, wie er ernsthaft versicherte, einen Minister gemacht haben würde, wenn der große Dichter fein Zeitgenosse gewesen wäre. Aber, lieber Talma." sagte er plötzlich wieder auf die Darstellung des Nikomede zurück kommend, warum machen Sie so viel Bewegungen mit den Armen?" Talma, der gerade in dieser Be Ziehung das nöthige Maß zu halten suchte und sonst nie darin übertrieb, suchte dem Kaiser einleuchtend zu machen, daß sowohl der Charakter der Rolle, als die Sprache dies bedinge. Der Kaiser hörte den Ausführungen des Künstlers schweigend zu und gab sich den Anschein, als pflichte er ihm bei. Sie waren sublim," sagte er, als Talma seine Vertheidigung beendet, und dem Gespräche eine andere Richtung gebend, die Arme auf der Brust kreuzend, begann er von dcm Ruhme Frankreichs und den Wunderthaten der italienischen Campagne zu crzühlen. Napoleon sprach mit jener unnachahm lichen Beredsamkeit, die Viktor Hugo am besten bezeichnete, indem er sagte: Sein Wort war farbig wie die Poesie und genau wie die .Algebra." Der Etiquette zuwider ließ Talma während des Kaisers Erzählung oft einen Ausdruck der Bewunderung ent schlüpfen, und als der Kaiser geendet hatte, rief er aus: Sire. ich habe nie mals so große Thaten in einer so er hadenen Sprache schildern hören!" Der Kaiser, sichtbar geschmeichelt, hob das Frühstück auf. Glücklich wie ein Künstler, der eben einen Triumph da vongetragen, näherte er sich Talma. Sehen Sie wohl, lieber Talma." sagte er mit ironischem Lächeln, und ich habe doch keine einzige Armbewegung ge macht !" Wie bereits erwähnt, vergaß Talma diese Rezension seines Spiels niemals, und wenn die Rede darauf kam, gestand er offen, daß er sich aus dieser Dekla mationsstunde des Kaisers eine große Lehre gezogen habe. Der geniale Künstler überlebte seinen kaiserlichen Freund noch um fünf Jahre; er starb als einer der größten Tragöden, welche die Schauspielkunst aufzuweisen hat. am 19. Oktober 1326, im 63. Jahre seines Lebens. Humor in der Schule. Zu der Hundertjahrfeier des könig lichen Friedrich Wilhelm-Gymnafiums in Berlin ist auch eine Festschrift er schienen. Alten Schülern der Anstalt wird durch eine Fülle biographischen Material! die Erinnerung an die Schulzeit wieder aufgefrischt. Auch der Humor fehlt nicht. Aus einem Buche Dr. Karl Vormena's Wie Friß Mcdi- ziner ward" werden allerliebste Remi niscenzen wiedergegeben. So wird vom alten Brefemer, dem Gewaltigen der; Obersekunda, erzählt: In die Ober sekunda trat jeder Gymnasiast mit einer Art heiligen Schauders ein. Bresemcr I war wohl der einzige Lehrer der An statt, dem der Ruf starker Strenge vor ; anging, und den man fürchtete, trotz der vielen geflügelten Worte und Witze, die von ihm erzählt wurden. Die Oder sekunda galt allgemein als die große Klippe, an der so mancher hoffnungs volle, angesehene Student scheiterte. Sofort am ersten Tage des Unterrichts, bei der Aufnahme des Nationale, konn ten wir uns überzeugen, daß die Mär von den ergötzlichen, unbewußten Witzen, den sogenannten Brekiaden", keine Redensart fei. Brefemer fragte zwei Brüder: Sie sind Zwillinge?" Ja." war die Antwort. Und wo sind Sie geboren?" In Berlin." Und Sie?" wendete er sich an den Bruder, der dann unter allgemeinem Gekicher antwortete: Auch in Berlin. Herr Professor." Einen Anderen fragte er: .Was iß Ihr Vater?" Der ist todt, er war Besitzer einer Mineralwasjer'Anftalt. " -JlBo schreiben Sie, " wendete sich Bre femer an den PrimuS. der die Lifte führte, unter die Rubrik Stand des Vaters: Wittwe einer Mineralwasser Anftalt." Eine ganzlich andere Natur war Schelldach, der Mathematiker. Klein von Gestalt, rasch in der Rede, blickte er mit seinen hellen Augen wohlwollend und forschend zugleich den Neuling an. als wolle er ihn ermuthigen und zu sich heranziehen. Vorkenntniffe verlangte er fo gut wie gar nicht, und der Schwa chen nahm er sich mehr an, als der Be fähigten. Tann pflegte er zu sagen: Die können sich schon selbst helfen, den Anderen aber muß ich beispringen." Schellbach entwickelte Engelsgeduld, wenn es galt, einem Schwachen einen Beweis klar zu mochcn oder ihn eint Schlußfolgerung finden zu laffen. Man sah ihm die Freude an, wenn das er sehnte Ziel, oft nach unsäglicher Mühe, glücklich erreicht war. Aber ein fürchter licheS Unwetter brach los in den feite nen Fällen, wo alle Mühe vergeblich blieb. Dann legte sich die sonst so glatte Stirn in galten, der Mund zuckte, die Augen sprühten Flammen und die Worte donnerten nur so heraus: Sie sind ja ein wahres Roß von Dummheit. Sie wollen ftudiren? WaS in aller Welt wollen Sie ftudi ren, frage ich, wenn Sie so einfache Dinge nicht begreifen können? Hebn genS kommen wir auf die Formeln, lagen Sie mir doch mal cos a gleich?" Damit schloß nämlich eine solche Szene regelmäßig, daß Schellbach dem Unglücklichen die Formeln abfragte, wo bei derselbe selten genügend bestand, und dann hieß es: Kommen Sie am Mittwoch Nachmittag auf zwei Stun den." Die Formeln waren reine Ge dächtnißsache, und von guten Schülern erfragte sie Schelldach nie, der Schwache dagegen sollte sie genau auswendig wissen. Da das selten zutraf, so war der Grund zur Strafe gefunden.... Kleinere Strafen bestanden in beson deren Aufgaben, die wir zu Hause lösen und des Morgen früh bei Schellbach, deffen Wohnung ebenfalls :m Schul gebüude lag, abgeben mußten. Da kam es denn vor, daß Schellbach nicht anwesend war, und eine der Töchter die Arbeit annahm und die Abblieferung vergaß. Bei Beginn der Lehrftunde fragte chellbach den Betreffenden, warum er Morgens nicht erschienen sei. Ich war ja da, Herr Professor." lautete die Antwort, und habe die Ar deitab gegeben; man sagte mir, Sie seien nicht zu sprechen." Wem haben Sie die Arbeit ge geben?" Einer Ihrer Töchter, Herr Pro feffor." Welcher denn?" Wie sie hieß, weiß ich nicht, Herr Profeffor." War sie hübsch?" Ja, Herr Profeffor." Na. dann war'S Florchen. Es ift gut!" ?in ehrwürdiges HauS. Kürzlich ift eine? der ältesten Häuser Deutschlands außer Dienft gesetzt wor den: das Rcntamtsgebäude der zwi schen Bamberg und Nürnberg gelegenen oberfränkischen Stadt Forchheim. Es ift im Laufe der Jahrhunderte äußerst altersschwach und hinfällig geworden, so daß man den historisch hoch in tereffanten Bau kaum wird erhalten können. Das Forchheimer RentamtSgebäude steht seit den Zeiten Pipins des Kleinen. Im Jahre 855, nach dem Tode deS Kaisers Lothar des Ersten, fand die erste Reichsversammlung darin statt und unter Ludwig dem Zweiten und deffen Nachfolgern wiederholten sich diese Ver sammlungen deutscher Fürsten und Ad geordneten. In diesem Hause erklärte Otto der Erste 964 den Feldzug gegen den aufrührerischen König Berengar den Zweiten von Italien für beendet: hier war 64 Jahre früher der letzte deutsche Karolinger. Ludwig das Kind, in seinem siebenten Lebensjahre zum König gewählt worden, in diesem Hause wurde auch Kaiser Heinrich der Vierte nach seiner Buße in Kanossa durch die Fürsten für abgesetzt erklärt und Ru dolf von Schwaben als Gegenkönig aus gerufen. In dem alten Gebäude be findet sich noch eine aus der Zeit Karls des Großen gammende Kapelle, welche im Jahre 1835 durch den König Lud wig den Ersten von Bauern einer Re ftauration unterzogen wurde. Nadfalirer-Tprichwörtcr. Die Ocsterreichifch-ungarifche Rad-sahrer-Zeitung" theilt nachstehende neue Sprichwörter mit: Mit der Lenkstange in der Hand. Kommt man durch's ganze Land. Nägel und Glas. Wie schnell schad't das! Kinder- und Narren Hände. Betappen da? Rad ohne Ende. Bergan sachte, bergan achte, in die Ebene trachte, Unterwegs schmachte, und fahr' z Haus um achte. Man soll die Ma schine nicht vor der Partie loben. Früh radelt waS ein Rekordbrecher werden will. Wenn dem Radler zu wohl wird. Fährt er hinter'm Aufspritzwagen.