Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 25, 1897, Image 9

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vas alte Reiter-Pistol.
rÄme seltsame Geschichte. Bon Martin Beck.
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sonnige, kräftigende Tage wann
f vrt, die ich vor zehn Jahren in den
HerbftFerien auf dem Landgute M
am einer meiner Freunde vtklebte
Wir verbrachten die Zeit, wie ti solche
junge, sorglose Jahre mit sich bringen.
Dann und Kann unternahmen ir
einen rüstigen uSflug in' Gebirge.
Bon freien, gewaltigen Höhen erfreuten
ir un, gern de bunten, prächtigen
anviazasUbilvel lies unter un.
Dal zeigte so eigenartige Färbungen,
wie sie nur der deutsche Herbst hervor
zuzaubern vermag. Von den rbthlichen
Porphyrfelsen unsere fturmumttehten
Berge zogen sich die bunten Wälder in
die Thäler nieder, in schillernd rother
und rothbrauner Laubsärbung. Nur
die Tannen blickten mit ihrem treuen
Grun au dem fterbenSmüden Wipfel,
meer empor.
Da wogte und zitterte und entblößte
dabei vereimelt schwane Aeste wie ge,
rungene starre Arme. Und die Sonne
übergoldete es mit kühlem Glänze. Und
der Wind sang seine alten Lieder in die
Tiefe. Da klang so seltsam, so weh
müthig und sehnsüchtig, al weine der
Wald heimlich in tiefster Seele, al
klage er sich selbst sein Leid in einer
Sprache, die nur er verficht.
' E war so schön auf den Bergen,
Aber doch stiegen wir nur selten zu
ihnen hinauf. Die meiste Zeit brach
ten wir mit der Jagd zu.
Die betrieben wir leidenschaftlich,
E aab ko viel Hochwild in den Wal
dem und Birkhühner, und weiter oben
bei den Bergen in versteckten Fichten,
aldunaen auch einige Auerwild,
Manchem stattlichen Hirsch und Rehbock
zuliebe gingen wir unvenronen am
dämmernden, kalten Morgen und am
nebeliaen Abend nach irgend einem
laukcktiaen Stand.
Der weibbärtige GuttfKrster betrach
tete die Kavitalstücke seine wohlgeheg,
ten WildstandeS. die wir unermüdlichen
jungen Nimrode wegge,qos,en anen,
mit saurer Freude und lobte die Weid
mannkünfte der beiden Heißsporne recht
ironisch, wenn wir ihn stolz vor unsere
kurze und bunte, aber meisten werthe
volle Strecke führten.
Heute, wo ein verständigere Jäger
Blut in meinen Adern rinnt, bewun
der ick die Nachsicht de guten Man
ne. Lange schon ist er in die ewigen
Jagdgründe eingegangen. Und ich
denke mit Webmuth an den treuherzv
gen Forstmann zurück, wenn mir unter
den Geweihen in meiner Stube eine
der prächtigen Exemplare au jenen
Tagen in die Augen fällt,
Seine aufrichtige Freude hatte bet
. , ... . : ml :w x
ne aoer an uns junge vuvu
bei den Sübneriaaden auf den weitge
dehnten Feldern. Dabei hielt er un
immer straff an der Leine. Und wn
Heften' un aern gefallen. Denn
-X. -f imaITImi feit MrtA rtrt 11t AM
4, uiuiiujmu ivuuuu it a-
M.fl U.II.UI..
immun um. idocuo cm uu .ncuuuu,
er aukschwirrte.
, drickelte un gewaltig in den
Zkinaern. Aber ein Blick oder ein wav
nend erhobener Arm genügten, um un
folgsam zu machen. Wir rou?n
dann schon: .Ruhig auftre,chen las,
tot. nickt blind in' Voll hineinschie,
tun !". wenn er' auch nicht iedeZmal
sagte. Und wenn dann gegen Abend
mindesten ein Hundert von Hühnern
voll war, schrieb er gorner ,azmuw
lnd seiner weisen Anleitung zu gute,
Und da mit Reckt.
den Hühner und Hasen.Jagden
nahm auch der sonst vieldeschäsngte
Bater meine Freunde theil. Im
Uebrigm kümmerte er sich aber wenig
um unser Thun und Treiben. Freund
II lieft er un in Allem freien aus.
Sein reichhaltiger Gewehrschrank
and un vollständig zur Verfügung,
An manchem Tag, da wir un zu müde
zu neuen Zagdstrapazen oder zum Berg
tteiaen füblten. veranstalteten wir in
dem langgestreckten Obstgarten ein klei
nel Scheibenschießen. Natürlich Frei,
handschießen. Wir schaffe für unser
Leben gern. Uebung macht ja oen
Meister. Sie allein freilich macht nicht
zum tüchtigen Schützen. Dazu gehört
vor Allem ruhige Hand und scharfe
uae. Und ein guter Schütze giebt
nocb lanae mcht einen outen Jäger,
Dabei drobirten ir die Gewehre
aller Systeme durch, vom alten, derben
ugelftutzm an bi zur feinsten Hahn
lofmSeldftfpanner.DoPpelflinte. Selbst
Revolver und Pistolen aller Art mußten
sich über ihre Leistungsfähigkeit vor un
ausweisen. ,
Eine Tage erfaßte auch der Vater
meine Freunde Jntereffe an unseren
Echießüdungm. und er that selbst
einige Schüge mit ach der kleinen
Scheide, die an einem Pfahl befestigt
war. In Kurzem war auch er wie wir
ganz Feuer unv giamme, je meor
ugeln in die Nähe de Yentrum ein
schlug und je weiter die Abstünde ge
wühlt wurden.
Unsere Vefichter glühten vor usw
aunfl und der frischen Herbstluft. Wel.
chn Mann bliebe ohl auch kühl und
theikahm! an so fröhlichem
Echützenftande - .
.Ich muß doch einmal da alte Rn
terpiftol versuchen, da in meinem
Mufeumschrank sein Leben verträumt',
meinte der alte Herr, al, er die txt
schieden Waffen musterte, die wir aus
dem Echießtisch liegen hatten. .Ge.
lad ist e, noch. ' Zeit, dass der
lte Schuft herauskommt, ehe da Ding
verroste,!'
Jahrgang 17.
seinen via eums fflranl nannte er
einen alterthümlichen, schön geschnitzten
ichenlchrank von machtigem umfange,
Der and in dem baumartigen, mit
zahllosen Geweihen verzierten Hausflur
und barg eine reiche Sammlung von
aueryanv Seltenheiten.
E i ein franzöft cheS Relterpiftol
von .Anno Zwölf", erklärte mir mein
Freund, al fein Bater bald darauf mit
der alten Waffe zurückkam.
3 war wohl lange nicht in den
Sonnenschein gekommen. Dicker Staub
hatte sich überall angesetzt, und am
Hahn und beim Feuerstein zeigte sich
wirklich schon etwa Rost. Schnell war
eS gesäubert, und nun es im Lichte
glänzte, konnten wir eS genauer be
trachten. .
Hier ist an verschiedenen Stellen die
kleine Krone mit dem T" eingeprägt,
zum Zeichen, daß e in der Waffenfabrik
zu Toulon hergestellt ist," und der alte
Herr zeigte un die winzigen Fabrik
marken auf dem starken Messingne
schlage. .Und hier" er wie auf
den armdicken Eichenschaft ist der
Stempel mit dem . F., Empire
France," Kaiserreich Frankreich, . und
d?r Jahreszahl 1312 deutlich einge
brannt." Wie ist das Piftol in Ihrem Besitz
gekommen?" fragte ich, indem ich die
gewichtige Waffe' von so massigem Ge
füge, wie man heutzutage keine Hand
feuerwaffe mehr baut, aufmerksam be
sah und schon auf ein abenteuerliches
Geschichtchen gespannt war.
.Ich habe eS von meinem Vater.
Und der erzählte mir, daß eS ihm in
den Kriegsjahren damals von herum
ziehenden Gesinde! verkauft worden ist.
Wenn das alte Ding reden könnte! Es
hat gewiß viel erlebt. Hier unter dem
fflinnftein ist ein Name eingeritzt:
Monsieur de Ehe.. .., aber eS ist sehr
durch den Gebrauch verwischt. Man
kann eS nicht mehr entziffern. Nun
will ich'S aber 'mal losfeuern,
knallt wie eine kleine Kanone."
Der Schuß aus der weiten Höhlung
deS kurzen, stämmigen Rohres löste
einen tüchtigen Donner in der ruhigen
Herbstluft. ES klang wie ein dumpfer
Ausschre, aus tief und lange erschlos,
fener Brust, bebend don einem Baum
stamm zum andern irrend. Fast trau
rig grollte eS dann noch ein Weilchen
nach an den Gebäuden hinter uns und
im öden Park. Wir versuchten Jeder
die alte Waffe, und sie that getreu ihre
Schuldigkeit.
.ES verträgt schon eine kernige La
dung bemerkte der alte Herr, indem
er eS prüfend untersuchte. .Ich will
doch einmal seine Kraft auf die , Probe
kellen."
Kaum aber hatte er eS auf das
Aeußerfte geladen, so rief ihn sein In,
spektor hinweg, da der Thierarzt wegen
eine verwundeten Pferdes soeben ein
getroffen war. Wir ließen unS m un,
serem Scheibenschießen jedoch nicht eher
stören, als dis die sonne yimer ven
Tannenwipfeln mit rithlichem Glänze
,ur ülte ging.
In er folgen Racvt wachte ,co
nach kurzem Schlafe auf. Gewöhnlich
pflegte ich sofort beim Niederlegen in
'eften Schlaf zu versauen. Busmal
mochte ich aber wohl noch gar nicht
lanae schlafen habe, trotzdem ei hier
Eine war, daß um zeyn uyr Alle; aus
dem Gute zur Ruhe ging.
Der Morgen schien noch sehr fern zu
ein. ES war eine peconnnere ero
nacht. Jetzt hörte ich durch da Heulen
de Windes hindurch den yalvveiwegten
Schlag der Thurmuhr draußen vom
Hofe. Zwölsmal. E war Mitter,
nacht.
Der Sturm ließ sonderbare Tone in
der Ferne erwachen. Sein Klagen
klang verhalten, gepreßt und stöhnend
an die schwanen Fenster. Al ob Hun
derte trauriger Stimmen erschütternd
ihr Herzeleid erzählen, voll, tiefsten
Wehe, durch Mark und Bein schnei
dend, tönte e draußen durch die Aeste.
Schluchzende Wesen schienen um das
Hau zu schweben. Sie rüttelten an
den Fenstern, um Einlaß bittend in er
greifenden Tönen. Dann entfernten
sie sich langsam und kummervoll, um
gleich wieder zurückzukehren und sich auf
dem Dache niederzulaffen, daß es zit
terte. Und nun nesen sie mit unsagbar
wehmüthigen Lauten in die dunkle Nacht
hinauk. Und au weiter gerne, vom
Walde her, schienen ankere, kiderfüllte
Wesen -is antworten, von gleichem
Schmerz bewegt, gleich trostlos, ver
lasten, gramvoll, entsetzt. Die ganze
Luft bebte davon.
Eimelm nagende Wesen hatten sich
in den großen Saal geschlichen, der an
meine Eqiasstuoe pictz. mi vier
Stirme irrte sie a den hohen Wön
den umher, al suchte sie einen Aus
gang. Und dann kamen sie wie tastend
an meine Thür und legten sich flehend
und wimmernd davor, al bäten sie.
Beilage zum Nebraka EtaatS'Anzeiger.
ihnen zu öffnen. Sie wollten herein zu
mir. Sie suchten Erbarmen,
So war mir zumuthe, al ich auf die
seit amen Töne lauschte, die draußen,
ring um mich, in der Herbftnacht
lebendig geworden waren. Eine eigen,
thümliche Traurigkeit ergriff meine
Seele., Und in dem ernsten Sinnen
besann ich mich mit einem Male, daß ich
vor dem Erwachen einen ganz merkwür
digen Traum gehabt hatte. Wie war
e nur gewesen? Ganz deutlich stand er
plötzlich wieder vor meinem inneren
Auge.
Ich befand mich auf einem Schlacht
felde mitten in einsamer Nacht. Ueberall
war geisterhaste Stille. Schwarze,
formlose Haufen bedeckten hier und da
den Erdboden. Leichen waren eS. todte
Rosse, todte Männergestalten. Wie ein
Heer von Gespenstern zogen die nücht
lichen Wolken darüber hin. Selten nur
brach ein schwacher Mond' und Ster
nenschein an dünnen Stellen durch.
Tann flog fahles Dämmerlicht grausig
über die reglos hingestreckten Gestalten.
Dann flimmerte e hier und da seltsam
metallisch auf zerbrochene Waffen und
umhergeschleuderten Helmen. Dann
lad man weiße Todtengenchter narr
zum Himmel emporblicken.
Als der Mond wieder einmal einen
grauen Wolkenschleier zerriß und bläu
lichen Schimmer über das gräßlich
stumme Schlachtfeld fließen ließ, sah ich
in der Feme, am finsteren Waldrande,
eine Gestalt sich inmitten der Todten
bewegen.
Ich wollte bin. Ader wie schrecklich
langsam ging das! Meine Füße waren
wie von Blei. Sie schienen wie von
Gewalten festgehalten zu sein
Die fremde Gestalt kauerte bei leder
Leiche eine Zeitlang nieder. Ich verstand
sofort ihr lichtscheues, teuflisches Trei,
den. Sie beraubte die Todten. ES
war eine Schlachtfeldhyäne. Ich wollte
schreien. ES erdrückte mir bald die
Brust. Aber kein Laut drang auS
meinem geöffneten Munde.
Und immer näher zu mir her huschte
das entmenschte Wesen. ES schien mich
nicht zu sehen. Und ich mußte seinem
fanatischen Thun wie gelähmt zu
schauen, trotzdem jeder Blutstropfen in
mir aufschrie. Jetzt beugte sich der
Leichenräuber zu einem todten Reiter
nieder, der, den Kopf tief vornüberge
beugt, mit dem Rücken an dem erschos
senen Pferde lehnte.
Das gespenstisch vorübergleitende
Mondlicht beschien männliche, energi
sche Züge, über die ein edler Frieden
gebreitet war. Gierig bückte sich der
Dieb zu der großen, schlaff nieoerhän
genden Hand deS Gefallenen, die noch
im Tode ein Piftol umspannt hielt.
Er machte sich eine Weile daran zu
schaffen. Gewiß hatte er einen Fin
gerring an ihr entdeckt. Es machte
ihm Mühe, ihn vom Finger zu lösen.
Ich konnte dabei die thierischen Züge
des Elenden erblicken. Und da mit
solcher Deutlichkeit, daß ich sein Bild
sofort klar zu zeichnen vermochte,
war ein welle, schwammiges Gesicht
mit rotbgesormten Linien, spitz vor,
stehendem Kinn, das graue Bartstoppeln
überzogen, und einem breitgezogenen,
boSbaft grinsenden Mund, der in dicke,
faltige Wangen verschwamm. Mit
wahren erdrecheraugen blickte der Kerl
immerfort lauernd um sich. ES war so
ein niederer Ausdruck in seinem ganzen
Gesicht ausgeprägt, daß man sich bei
seinem ersten Anblick unwillkürlich
sagte: der scheut vor Inner Echlechtig
keit zurück.
Und al ich daS noch dachte, da, S
war entsetzlich regte sich der
Todte. Er bewegte matt den Kops.
Er öffnete die Augen, müde, große,
dunkle Augen. Mit schmerzvollem Blick
starrte er den gräßlichen Menschen an.
dessen Raubgier ihn vom Scheintod er
weckt hatte.
Er murmelte ein paar unvekftänd
liche, abgebrochene, französische Worte
und hob einen Arm und versuchte sich
aufzurichten. Ader nur einen Moment
hatte ihn die menschliche Bestie, die vor
ihm kauerte, angeglotzt.
Je griff ne mit höhni cvem Lachen
behend nach dem Piftol, daß sie vorhin
aus seiner Hand herausgebrochen hatte,
packte es am Rohr und versetzt dem vom
Tod Erwachten mit dem schweren, mes
fingbeschlagenen Kolben einige wuchtige
Hiebe auf den bleichen Kopf.
Ein dumpfer, erstickter Schrei erscholl.
Ich rang und rang mit mir und er
wachte und hörte daS traurige Heulen
de Herbftfturme draußen. Und erst
jetzt war mir der fürchterliche Traum !
wieder zum Bewußtsein gekommen.
Da alte eiterpiftol von gestern ist j
an dem Traum schuld.' sagte ich zu !
mit. stets suche ich mir bei jedem
Traum den natürlichen äußeren Zu
sammenhang heraus. Da Piftol.
das ich im Traum erblickte, sah genau
s au.'
Aber ich hatte weder vor dem Ein
schlafen, noch überhaupt nach unserem
Scheibenschießen mehr an jenes Piftol
gedacht.
.E war doch ein recht eigener
Traum," mußte ich mir gestehen,
vatte ich von Scheiben cvieken oder
Jagd geträumt, da? wäre begreiflich.
ES ist merkwürdig, wie nebensächliche
Dinge, mit denen die Seele tagsüber
in oberflächliche Berührung kam, dann
in der Nacht im Traumleben der Seele
bedeutende Vorgänge sich abspielen lassen
können "
Da dröhnte ein donnernder Schuß
unten im Hause durch den Frieden der
Nacht. Mit einem Ruck fuhr ich auf
und stürzte hinunter. Ueberall war
plötzlich Leben aufgeschreckt worden.
Die Hunde bellten wüthend auf dem
Hofe. Verschiedene Stimmen riefen
und schrieen durcheinander auf den
Treppen und Gängen.
Als ich die Treppe haftig hinabtaftete,
trat unten mein Freund mit einem
Licht in der Hand auf de Flur. Hier
stand fein Vater, und vor ihm, gegen
die Hausthür zu, lag ein fremder Mann
in seinem Blute.
.Dort sind sie hereingestiegen, die
Einbrecher," sagte der alte Herr zu uns
in höchster Erregung und wies auf ein
gewaltsam geöffnetes Fenfter in der
dunklen Hinterwand. '
Ich ' hörte ein verdächtiges Ge
räusch, glaubte aber, eS sei im Hofe,
und schlich vorsichtig hierher. Die Kerle
waren aber hier. Der Eine entsprang
durch das Fenfter, der Andere konnte
nicht an mir vorbei und wollte nach der
Hausthür. Auf mein Haltrufen hörte
natürlich Kemer. Ich war ohne Waffe,
weil ich mich erst hatte überzeugen wollen,
was loS ist. Im rechten Augenblick be,
.sann ich mich aber, daß ich gestern das
alte Reiterpistol einstweilen nur schnell
aus den Schrank hinausgelegt, hatte,
um eS später einzuschließen. Mit einem
Griff hatte ich'S. Und eS war
Zeit. Denn die Thür war gut ver,
schloffen, und jener Kerl sprang nun
gegen mich loS. Ich schoß. Erbrach
vor mir im Feuer lautlos zusammen,
Aber baS Piftol ist dabei zersprungen
Ich konnte mir nicht anders helfen. ES
war äußerste Nothwehr."
Er hielt noch ein geborstenes Stück
vom Kolben deS alten Piftols in der
and. Wir beugten uns über den Er,
fchossenen nieder. Dessen eine Hand
umklammerte ein gewichtiges Brech
eisen. Die andere war krampfhaft au!
der Brust geballt, au der noch immer
Blut quoll.
Mein Freund leuchtete ihm scharf
vor das schrecklich verzerrte Gesicht. Un
willkürlich fuhr ich zusammen, sobald
ich e betrachtete. ES war genau da
selbe Gesicht, wie es mir in meinem
Traum erschienen war, da häßlich rohe
Geflcht jener Schlachtseldhyäne.
Hier war kein Zweisel: vor mir lag
der Sohn jene Leichenräuber und
Mörders. DaS alte Reiterpistol hatte
zum letzten Mal seinen Dienst gethan,
indem eS seinen ermordeten Herrn
rächte.
Unverbesserlich.
Sie war ein ganz allerliebstes junge
Frauchen, nur den Fehler hatte sie, daß
fte eigenfinnig und eifersüchtig war.
Hierdurch kam e zu manchem kleinen
3!tt, der bet ihr regelmäßig ein hn,
girteS Kranksein zur Folge hatte. Er
hieß Heinrich und war ein seelensguter
Kerl, der Alle eber ertragen konnte,
019 sqmouen uns Eigensinn. Sie
hatte heute wieder geschmollt auS
Eigensinn,
.Und ich reise doch in' Bad!" hatte
sie heftig erklärt.
Du reift nicht!" kam eS energisch
zurua.
.Doch!"
.Nein!"
.Nun gerade!"
Er war darob ohne den üblichen Ab
schiedskuß in' Büreau gegangen und
jetzt war es bereits halb zehn Uhr Abends
geworden, und er war noch nicht nach
Hause zurückgekehrt.
DaS war stark. Wo bleibt er nur ?
Er will Dich ärgern. Dir zeigen, daß
Du nichts zu sagen haft. So denkt sie.
und als eZ später sogar zehn Uhr gewor
den war, da wurde sie noch unruhiger.
Sollte ihm dielleicht etwas passirt sein ?
Dieser Gedanke ließ ihr keine Ruhe.
Oder sollte er gar untreu geworden
sem'l Pfui, wie kannst
Tu so schleckt
don ihm denken! Und dock glaubte sie.
in den letzten Tagen eine nie gewohnte
Kälte entdeck! zu haben. Sollte er viel
leicht doch untreu sein? Die Verführung
ist ,u ob. Sckließlick sänat kie m
einen an. Heinrich kam nicht. Sie
iitterte vor Aufregung. Sie schalt sich
etzt. daß sie geschmollt habe, dann aber
brach wieder ihr unverbesserlicher Eigen
sinn hervor. Sie. will ihn ftcasen, wenn
,.44.
er wieder kommt. Ihr Heinrich hatte
sich indessen ordentlich feftgekneipt und
dachte erst nach Mitternacht daran, feine
häuslichen Penaten amzu uchen. Am
Biertische hatte er einen Plan ersonnen,
der den Eigensinn seiner befferen Hälfte
mit einem Schlage luriren sollte.
Er fand sie noch wach. Ohne vi,n ihr
Notiz zu nehmen, begab er ftch zur Ruhe,
Sie schläft nicht vor Aufregung, sie
kann nicht einschlafen.
Hedwig, bist Du mir gut?" spricht
sei ihr emrich im Traume, .ed,
w,g, sei mir gus, bitte, bitte, einen
Sie horcht auf und sichert vor Auf,
regung. Also ist er ihr doch untreu ge,
worden, dieser Elende? Pfui, wie ge,
mein! Sie wirft sich in die Kiffen und
weint, und Heinrich? Er hatte sie be,
obachtet, er hatte gar nicht geträumt,
sondern sich schlafend und träumend ge,
stellt. Sie schwieg am anderen Morgen
wider Erwarten Heinrich'S. Sie wollte
weitere, stärkere Beweise seiner vermeint,
lichen Untreue haben. Sie war selbst,
verständlich wieder krank. Ihn rührte es
nicht, er fragte sie nicht nach ihrem Be
finden, und nun and eZ bei ihr fest,
daß er sie nicht mehr liebe. Erst am
Mittag fragte er, wie eS ihr ginge.
.Schlecht." antwortete sie.
.Ich glaube doch. Du mußt auf ei.
nige Wochen in's Bad reisen; ich habe
schon mit unserem Hausarzt gespro,
cden."
Sie trrute ihren Ohren nicht. Er
wünschte es nun selbst, daß sie reifen
solle, er, ver so energisch dagegen ge,
prochen hatte's Was sollte das bedeu
ten? ES mußte offenbar mit ihm etwas
vorgefallen sein: er will sich ihrer au'
längere Zeit entledigen, um ungestörter
seinem Vergnügen und seiner Liebelei
nachgehen zu können. So dachte sie
am Abend war sie wieder gesund.
Nun, wann Wirft Du reisen?
fragte sie Heinrich.
Ich weiß noch nicht," kam es zu
ruck.
Ich dächte doch, bald," sagte er an,
scheinend gleichgültig.
Wird es Dir denn auch allein gefal,
len?" fragte sie gespannt.
.Warum nicht?" entgegnete er kühl,
Sage einmal, Heinrich, liebst Du
mich denn noch?" fragte sie weiter.
.Sonderbare Frage!"
Ich bitte Dich, sag's mir."
.Ich verstehe Dich nicht."
Du thust so kühl, als ob Dich meine
Abreise freut.
.Gewiß freue ich mich darüber.
macht Dir ja Vergnügen, in'S Bad zu
reisen. Soll ich Dich denn darin ftö
renik"
Wenn ich nun aber doch hier bleibe."
bist doch krank."
.Aber eS ist mir doch wieder besser."
.so anell r
Ach, Heinrich, sage mir, bist Du mir
neu r
Aber warum diese Frage? Ich der,
stehe Dich nicht.'
Heinrich, laß mich hier bleiben!"
Nein. Du reisest." antwortete er ka
tegorisch.
.Und ich will nicht!"
Du mußt!"
Hahahal Nun gerade nicht!"
Ist daS Dein letzt Wort?"
.Mein letztes!"
Er ging. Sein Plan dar aealückt.
Er wußte, daß die Eiferfuchi seiner
Frau noch gröger ist. als ihr Eigensinn,
Er wollte sie aber auch ob, ihrer Eifer
sucht strafen. Er schrieb einen Brief
mn folgenden wenigen Worten: .Eifer.
sucht vertreibt den Eigensinn." Diesen
nes ecne er m ein r asarbene Cou
vert und schrieb mit verstellter Hand
eine eigene drene varaut. Er wukte.
daß sein Frauchen, das er trotz ibreS
Eigensinns liebte, den Brief bestimmt
offnen und dann beschämt sein würde,
Und fo kam es. ,
.Heinrich, ja verzeihe mir. ich war
eifersüchtig," sagte sie ,u ihm, al er
Abend nach Hause kam. .aber Du
so kalt. ja. Du svrachg im
Traume von einer Hedwig, und da
dachte ich "
Sei ruhig. ,nd. ich wrack absiebt
lich von dieser unbekannten Hedwig: ich
qilks ia gar nicht. :ch wollte Tick,
eifersüchtig machen, um DeinenEigenfinn
zu kuriren.'
.Nun," sagte sie daraus triumphi
rend. .da ich jetzt weiß, daß Du mir
treu bist, so werbe ich doch reifen." Sie
war eben unverbefferlich.
ttt KritschiU,u, in
In der ersten Hülste deS 16. Jabr
Hunderts lebte zu Luzern an der Halden
der luftige Fridli oder Fritschi. In
seiner Jugendzeit machte er die Bur
gunderkriege mit, später war er als
Mitglied der Saftanzunft ein fideler
Gesellschafter. Die luftigsten Schaünke
wußte er anzuzetteln, und wo e hoch
herging, that er mit. So wurde die
Zunft schließlich nach ihrer Seele
Fritschi. Zunft benannt. Seine letzt,
willige Verfügung bestimmte, daß all
jährlich am schmutzigen oder fetten
Donnerstag (letzter Donnerstag In der
Fastnacht) die Zunft einen Umzug durch
die Stadt halten solle, die Musik voran
und ein Mann von seiner Art und Ge
stall hinterdrein, der an Bruder
Fritschi' Statt au einem großen Po
kal, s ein Erbstück Fritschi' sei. man
niglich zu trinken geben solle, der ine
guten Trunk begeh. Der Zug. au
lauter geharnischten und bewaffnete
Männern bestehend, solle an die Halden,
wo Fritschi gelebt, hinausziehen zum
Gedächtniß und von da zurück in die
Zunftftude zu Spiel und Tanz.
Und so würbe e gehalten di aus
den heutigen Tag. Beim Hof (heutige
Hofkirche) sammelte sich der Zug. Krie
gerisch geschmückte Knaben vorau, ihm
folgte die bewaffnete Jungmannschast,
geführt vom Hauptmann mit dem
Zunftbanner. Hoch zu Roß schlofft
sich die Zünftigen an, alle in glänzender
Rüstung. Dann kamen Pagen mit
einem Weinfäßchen und dem Zunft
Pokal, Fritschi'Kopf" genannt, der au
Buchsholz kunstvoll gedrechselt und mit
Silber beschlagen war. Au diesem
Pokal erhielten alle Zuschauer ohne
Unterschied deS Standes einen kräftigen
Trunk, so fte solchen begehrten. Den
Schluß bildete und bildet noch heute
Bruder Fritschi mit seiner edlen Ge
mahlin. beide zu Pferd und in den Far
ben LuzernS (weiß und blau) gekleidet,
umschwärmt von luftigen Spielleuten
und jubelnden VolkSschaaren.
Dieser verkörperte Prtn, Earnedak
erlangte bald einen eidgenössischen Ruf.
Der Luzerner Chronist Schilling er
zählt, wie ein Mal Bruder Fritschi nach
seinem Triumphzuge von Landleuten
der Urkantone heimlich entführt worden
sei, damit ihn die Luzerner bei ihnen
wieder festlich auslösen müßten. Da
geschah denn auch; in fröhlichen Festlich
leiten wurde der Geraubte den Räu
betn" wieder entrissen. Ein Gleiches '
thaten die Basler 158. welche die Mit
eidgenoffen aus den Ländern gern zno
einen gan Basel uff eine vaSnacht gehegt
hätten", um ihnen ihre freundeidgenös
fische Gesinnung recht glänzend zu zei
gen. Daher ließen auch sie den Bruder
Fritschi in Form eines mit Fritschi
Maske vermummten Strohmanne
heimlich bg nacht und Näbel" nach .
Basel entführen und luden hernach die
Luzerner mit den Urkantonen ein, den
geraubten Zunftbruder wieder abzu
holen. ES gab einen regen Notenwechsel
zwischen den Räthen von Basel und
Luzern. Gegen 150 Gäfte mit 13
Rathshenn aus Luzern und den innnn
Ländern zogen dann wirklich gm Basel.
AuS einem schönen Hause begrüßte der
geraubte Bruder Fritschi seine Lands
leute. Dann übergab der BaSln Bür
germeifter den Gästen ihren LandSmann
und Genossen. Mehrer Tage lang wech
selten, bei freier Gastfreundschaft, fest
liche Mahlzeiten mit Bällen und Spie
len. Zum Abschied erhielt der befreite
Fritschi einen Rock und ein Paar Hosen
au.lündisch"Tuchmit.
In der Zeit der französischen Re
Volution kam durch die Stürme, die
auch über die Jnnerschweiz hinfegten,
der Fritschizug in Vergessenheit, bil er
in den dreißiger Jahren wieder aufge
nommen wurde. Jetzt hat er sein krie
gerische Gepräge und Gepränge ver
loren und ist mehr ein Maskenzug ge
worden, der aber immer noch große
Anziehungskraft auf Stadt und Land
ausübt. Dieses Jahr sollte beson
der großartig gehalten werde als Ein
weihung de neuen Bahnhofe, der acht
Millionen gekostet und schon seit dem
letzten November eröffnet ist. Neben
der Nordpolfahrt Nansen' sollte Kul
wriilder aus Lappland und Skan
dinavien entrollt werden, auf der an
dem Seite Italien und Menelik und die
Boeren in SüdAfrika u. f. w. In der
Mitte der Kulturdilder steht Luzern.
da internationale Stelldichein, in dessen
neuem völkerverbindendem Bahnhof
Nord und Süd sich treffen. Sammt
liche Vereine der Stadt hatten ihre
Mitwirkung zugesagt, im Ganzen 36
Vereine, 12 Mann zu Fuß, 20
Reiter. 3 Wagen und 8 Mufikcorp.
lter Zf.
Womit man sich früher in Vereinen
beschäftigte, ergibt sich u. a. au den
Protokollen der ArenZberqer .Bürger
muße", die unlängst da 85. StiftungS
en feierte.
Am 18. Oktober 1313 beißt rt:
Klagte Herr Nitzmann gegen Herrn
Walcker, daß er während einer Balloti
rung feine Nachtmütze aufgehabt
habe, Letzterer aber erklärte, daß er
wegen seiner ' Kränklichkeit nicht ohne
Mütze erscheinen könne, weshalb von
dem Vorsteher Kollegia beschlossen
wurde, ,u ballotiren, nämlich ob Herr
Walcker mit einer Schlafmütze erscheinen
könne oder nicht. Sechszehn Wählende
und 15 Nichtwählende entschieden die
Wahl. -
Am 5. Oktober 1821 heißt es: Auch
wurde bei der Gesellschaft angefragt, ob
fernerhin die Zeitungen sollen gehalten
werden, so wurde geantwortet: da sie
etzt nicht enthalten, könne
für dieses Jahr ausbleiben!!
venchnaxxt.
Herr lärgerlich): .Sie müssen doch
wissen, wo der Kellerschlüssel ist. Jean!'
Diener: E ist beute noch kem
Tropse Über meine Lippen gekommen,
gnädiger Herr!"