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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (March 18, 1897)
Im fSofpital. Novelle von Frieda Tchanz, In einer nur müßig belebten Bor fiadt einer Mittelstadt war ein kleines Mädchen überfahren worden, als e mit einem Primelftöckchen im Arm , spornstreichs zwischen zwei raschfahren den Droschken hindurch Über den Fahr dämm rennen wollte. Ein Vorübergehender hob das Kind auf, sein linker Arm hing schlaff herab, aus einer kleinen Kopswunde strömte das lichte Blut der da feine leblose Gesicht, das weiße Wollkleid und da seidenweiche, offene, blonde Haar. Ein Haufe Neugieriger war im Nu versammelt. Gott, ach Gott", tönte erbarmend, so ein hübsche kleines Model !" .Wer ist sie nur? Niemand wußte es. Die Kleine trug nicht an oder bei sich, was einen Namen führte. DaZ zerbrochene, zer knickte Blumentöpschen konnte nicht sagen, wo es gekaust worden war und wer es gekaust hatte. Ein Schutzmann hob das todtblasse, ohnmächtige Kind endlich in eine Droschke und brachte es ach dem Ho spital. Dort lag es nun, von Eisumschliigen und herzhaften Tropfen wieder ins Leben erweckt, mit bangen, entsetzten Augen, in den rothcarrierten Kiffen deS halblangen Kinderbettes, in ein roth und weißes Hospitaljäckchen gekleidet. , Ein junger Arzt und eine ebenfalls jugendllche Schwester mit weißer Schürze und schwarzem Kleid standen zu seiner Rechten und ,men. unter suchung und Operation waren beendet. Der Arm war gebrochen und hatte ge aivst werden müffen. Lange Kranken und Geduldstage standen der Kleinen bevor. Sie mochte dies auZ den Reden der Aerzte und der Schmester herausgehört haben, eine verzweifelte Angst sprach aus ihren JUgen. Schon beim Erwachen, als man ihr auf ihre Frage nach dem Primelftöckchen keine Auskunft geben konnte, hatte sie bitterlich geweint. Sie war eigenfinnig gewesen, und wollte durchaus nicht sagen, wer ihre Eltern seien, mo sie wohne, wie sie heiße. ,Jch kann nicht. Nein, ich kann icdt !" hatte sie immer wiederholt, Während der Untersuchung war sie dann wieder alles Erwarten heldenhaft, vernünftig und ruhig gewesen. Nun aber wollte sie nach Haus. Bis Abend mllffe sie zu Hause sein, erklärte sie energisch. Dabei fuhr sie mit der feinen rechten Hand über den Bettbezug. Große schwere Thränen rannen aus den reizendsten klarbraunen Kinderaugen unaufhaltsam über die mit leisem Fie, berroth bedeckten Wangen. Der Arzt wollte mit der kleinen schwierigen Patientin nun zu Ende kommen. Das schwarze Täfelchen am Kopfende des BetteS war noch leer; zum drittenmal frug er die Kranke sehr ernst und energisch, wer sie sei. Er Müsse' ihre Angehörigen benachrichtigen, DaZ geht auf keinen Fall !" sagte da Kind bestimmt. Ich sage es eben nicht, und ich kann eS nicht sagen." Der menschenfreundliche junge Wltbl ziner faßte väterlich zart ihre gesunde Hand. Hast du noch beide Eltern?" liebes Kind?" Ein dunkler Blick war die Antwort, Nein bloS noch meine liebe, liebe Wamal" Nun also ! Deine liebe Mama wol len wir eben benachrichtigen. Sie soll kommen und dich besuchen." Das Kind fuhr zuckend auf und bat entsetzt: Nein, nein! Bitte nicht! Meine Mama darf nicht wissen, daß ich hier bin. Ich will nach HauS l Ach bitte, lassen Sie mich doch nach Haus." Arzt und Schwester sahen einander rathlos an. Ist deine Mama denn so streng?" frug die junge Schwester unbedacht. Das Kind legte sich mit beleidigter Miene in die Kissen zurück. Meine Mama ist lieb und gut", sagte sie mit unbeschreiblichem Nach druck. Der Arzt winkte dem jungen Mäd chen, beiseite zu gehen und nahm seine kleine Patientin noch einmal liebreich und streng ins Gebet. Ihre Mutter werd sich sorgen und ängstigen, nicht wissen, wo sie bliebe. Das hatte da Kind aber alles schon überlegt. ' Bi, Abend ängstigt sie sich nicht", sagte es mit ernster Ruhe. Ich war zu Irma eingeladen und durste di nach acht Uhr bleiben. Blos weil ich da Primelftöckchen im Blumenladen dorm Fenster sah, bin ich umgekehrt. Ziosa Primeln hat meine Mama so gern. Nun ist es zerbrochen und fort. Aber wenn ich nur bis ach Haufe komme, dann ist e gleich." Der Arzt sagte nun im festesten Ton, den er diesem liedlichen Geschöpf gegen über aufdringen konnte, an Adendheim kehren sei nicht zu denken. Er habe übrigens mehr zu thun. Viele andere kranke warteten fein. Sie solle ein Ende machen und ihren Ramm ange den. wie es zur Ordnung gehöre. Ihre Mutter müsse nun einmal erfahren, was geschehen sei, das helse nichts. Oder ob sie in der Zeitung lesen solle? Ob da besser sei? Ueber da Der ÄmtaMst Jahrgang 17. Kind kam eine förmliche Ekstase der Erregung. C Gott, lieber Gott I Was oll ich nur thun?" rief sie rastlos. Meine Herzensmama härmt sich über alles so ! Sie können sich gar nicht denken, wie die ist! Sie hat so wie so seit drei Tagen so viel geweint, ich sehe eS ihr immer an. Wenn nun noch etwas Trauriges kommt, das kann sie gar nicht aushalten I" Der Arzt sagte, immer ausmerlsamer in daS seine yeitzerregte Geftchtchen blickend: LiebeZ Kind übrigens, Deinen Vornamen kannst Du mir doch nennen." Sie überlegte und nickte. ..Char lotte," sagte sie leise. Liebe Charlotte, willst Du mir denn nicht eine Freundin oder einen Freund von euch bezeichnen oder einen Ver wandten oder irgend Jemand, der euch nahe steht, den wir bitten könnten, daß er Deiner Mutter recht behutsam und zart daS Geschehene beidringt?" Die Kleine sann nach. Nein!" sagte sie endlich, seufzend und langgedehnt. Dann stieg plötzlich eine helle Nöthe in ihre Wangen, ihre Augen begannen zu schimmern, ein liedlicher, verlegener AuSvruck legte sich um ihr Mündchen. Jemand wüßte ich wohl " Nun also!" ' Aber nein, es geht doch nicht!" Warum nun wieder nicht. Wer, liebeS Kind, wer?" drängte der Arzt. Sie besann sich noch eine halbe Sekunde und sagte dann mit eigen thümlich zartem, verschämten Ausdruck: Onkel Kurt!" Ein guter Onkel!" rief der Arzt er freut. Das ist ja prächtig. An den wollen wir gleich einmal schreiben. Der wird eS Deiner Mutter schon so sagen, daß sie nicht erschrickt." DaS Kind meinte mit grübelndem, tief sorgenvollem Ausdruck: Ach nein, eS wird nicht gehen!" Ja, zum Kuckuck! Warum nicht in aller Welt?", frug der Herr Doktor nun völlig zornig. Onkel Kurt wird'S nicht thun!" . Hat wohl nicht Zeit? Was?" Charlotte sah sich um, ob etwa eine der Schwestern oder eine der blassen Kameradinnen aus den NebenBetten herüberspähe. Dann winkte sie den Doktor dicht zu sich heran und flüsterte vertraulich: Ich 'will's Ihnen sagen. Sagen Sie'S nur ja Niemand weiter! Mama und Onkel Kurt find böse aufeinander. Onkel Kurt kommt nie mehr zu unZ, nie. Deshalb grämt sich ja eben Mama so ich weiß eS doch " Ah, deshalb " Ja, deshalb!" Die Kleine nickte sehr ernst. Denken Sie nur, Onkel Kurt ist so gut, er hat unZ alles zu Liebe und zu Gefallen gethan. Und Mama ift auch so süß Und sie können sich ja auch leiden; und doch haben sie sich am Sonntag so gestritten! Mama hat gezittert und geweint; und Onkel Kurt ift gleich so sehr, sehr heftig. Der kann zornig werden ach Gott, ach Gott!" Eewalfam ein Lächeln unterdrückend, sagte der junge Herr: Das ist schlimm: ,TaS muß man nicht!" DaS war ihr aber wohl schon zu viel des TadelS. O, er meint es nicht böse, wahr haftig nicht!" versicherte ne mit Wärme, Ich weiß ja, was von Allem der Grund ift, wenn ich mir'S auch vor Mama nicht merken lassen darf. Sie sprachen ja aber manchmal so laut wenn ich mir die Ohren noch so fest zuhielt, ich mußte eS hören." Leise, ganz leise, wie ein Hauch, lispelte sie: Onkel will nämlich mein Papa werden, und Mama denkt, mein Papa im Grade könnte böse darüber sein. Tas ist es." .h, das?" Ja. und Mama meint auch, Onkel lade sich eine zu große Last auf mit uns. Darüber wurde Onkel so furcht bar zornig, ganz wild. Er hat die arme Mama gescholten, und sie hat gesagt, sie könne so etwas nicht aus halten, das sei ihr Tod. Er solle nie wiederkommen, wenn er sie s quälen olle. Und da ift er gegangen, für immer. Deshalb ift es ja doch unmöz lich, daß wir ihn zu Mama schicken, nicht wahr?" , Der Gefragte entschied sofort mit der ganzen Energie der höheren und besseren Einficht: Nein, da ift durchaus nicht unmöglich." Er wird gehen? Meinen Sie?" Er wird gehen! Ganz bestimmt!" Ader wie wird Mam erschrecken, wenn sie ihn sieht!" Na, laß das einmal gut sein!" .Ader wenn sie hört, was mir ge scheben ist?" .Das wird n ihr so schonend sagen, wie irgend möglich! Verlaß Dich drauf! Komm Kind, wir wollen gleich einmal an ihn schreiben!" I Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger. Also ja, wenn Sie meinen! Er soll rasch zu mir kommen, eh' er zu Mama geht. Ich muß mit ihm reden." Im nächsten Augenblick hatte der gute Doktor ein Briesblatt und den Tintenstift bei der Hand und schrieb, was sie ihm leise und deutlich vordit tirte: Lieber guter Onkel! Ich bin überfahren worden und liege im Hospital; mein Arm ift gebrochen. Und Mama weiß gar nichts. Ach, lieber, lieber Onkel, komme doch gleich einmal zu mir! Mit Gruß und Kuß Deine Lotte." Und die Adresse?" Charlotte zögerte noch, als gäbe sie ein Geheimniß preis. Dann sagte sie, jede Silbe betonend: Herrn Rittmeister Kurt von Cro flitz, Kaiser Friedrichftraße 3, hochpar terre." Der Brief wurde durch Eilboten be stellt und traf den Adressaten zum Glück zu Hause. Es dauerte keine halbe Stunde, so war er zur Stelle. Der junge Mediziner war noch im Saale beschäftigt und empfing ihn an der Thür. Der Rittmeister, eine echte hagere, hohe Rittergestalt mit kühnen, Wetter braunen schönen Zügen und eigenthüm lich tiefem und blitzendem Blick war in fichtlicher Bewegung. Das war noch ein Handdruck, mü dem er dein Doktor seine beruhigenden Worte lohnte! Er sagte mit einem hör bar tiefen Athemzug: Gott sei Dank!" und wollte dann fröhlich, mit einem tröstlichen Scherz, auf Lottchens Bett zugehen. Aber der Anblick der blassen Kleinen im groben bunten Armen Nachtzeug, mit der Armbinde, dem nassen Tuch um's Köpfchen, dem Liebesblick in den fieberheißen Augen, der Tysol und ChloroformGeruch 'um sie her über mannten ihn. ' Er faß eine ganze Weile stumm neben dem Bett, umfaßte nur zärtlich die kleine freie Hand, liedkoste die schmalen Wangen und das unter Kompresse vor quellende feinfädige Haar. Man sah, mit dem zartesten Empfinden seiner Seele hing er an diesem Kind. Erft nach einer langen Weile begann er, fie herzhaft zu schelten. Was machst du für Streiche, du leichtsinniges, schreckliches Kind!" Sie erzählte klar und verständig, wie alles gekommen war, bat ihn, zu Mama zu gehen, und schalt ihn dabei herzhaft wieder: Wie konntest du neulich eigent lich so böS sein? Wie haft du uns so lange vergessen können?" Er sagte bitter: Ich wollte nie wie verkommen. Deine Mama mag mich ja nicht!" Ach du!" verwies fie ihn, ganz auf gebracht. Und dann fand leise .und flüsternd, in wenigen Sekunden, eine lange, inhaltreiche Unterredung statt. Sie hatte ihm unter krampfhaftem Schlucken und Schluchzen viel zu sagen. Ihr Herz war so schwer. Alle Thrä nen, die ihre vergötterte Mutter in den letzten Tagen geweint hatte, lasteten darin. FUr ihn aber klang aus diesem lieben altklugen Kindergeflüster daS höchste Erdenglück. Heller und heiterer wurde sein dunkle? Antlitz mit jedem Won. Und nicht wahr liebster bester On kel, nun gehst du rasch zu Mama und tagn es ihr, weißt du, so recht gut, recht ftill. was mir geschehen ift, und tröfteft sie und redeft ihr's recht fröhlich aus, wenn sie sich härmen will, und bnngft fie mir?" bat die Kleine schließ, lich recht innig. Er versprach es ihr mit festem Hand druck. Als er gegangen war, verfiel die kleine Kranke in einen tiefen, fieberhaften und doch süßen, eigenthümlich genußvollen Schlaf. Fest, fest lag fie in glücklicher Betäu bung. Sie hörte ferne Glockenspiele tönen und sah ganze Felder voll rosa Primeln unter lichtblauem Himmel. Die Sonne schien, alles war so hell, s glücklich, ihr sorgendes Kinderleid lag ihr so fern. Sie tonnte sich nicht einmal ausras fen. als eine weiche leise thränenverhüllte Stimme sie nach Stunden beim Namen rief. Ader sie lächelte im Traum. Sie wußte durch den Fieberschleier hindurch genau, daßeS die Mutter war, die neben ihr saß und daß die Mutter öder den Schmerz, den sie jetzt um sie fühlte, bald und gut wegkommen würde. Onkels Stimme sprach s mild m ibr. von baldigem Gesunden, von Gottes Schutz und kurzem Leid. Und sie antwortete ihm s freundlich, so dankbar. Di bkiden waren einander nickit mebr bös. Der ochzeitsfrack. Himmel! Dieser elende Schneider kann einen Menschen verrückt machen!" rief Henri Winkler verzweifelt aus. wußte aber noch nicht recht, ob er sich ärgern oder lachen sollte. Er durch schritt daS Zimmer beim Sprechen wie ein gefangener Löwe. Armer Kerl! Sein Aerger war freilich berechtigt genug. Mit frisirtem und parfümirtem Kopf, mit den elegantesten Lackftiefeln, tadelloser Wäsche und gesticktem Ober Hemd durchschritt er unruhig daS Zim mer. Aber weiter geht die Schilderung seine? äußeren Menschen nicht; denn der Schneider, der langweilige, unzuverläs fige Kerl, hatte ihn heute im Stiche ge lassen. Henri Winkler derheirathete fich heute Punkt 12 Uhr mit seiner geliebten Au relia in einer der schönsten Kirchen. Der Schneider hatte ihn um 10 Uhr den Anzug versprochen und nun war'S 12 Uhr und Herr Winkler stand von oben bis unten tadellos weiß, aber nicht die Ahnung von einem Schwalbenschwanz war auch nur in der Ferne zu sehen. Weißt Du, was ich thun ürde," wagte der Bräutigamsführer und Freund vorzuschlagen, ich würde den HauSrock anziehen und nicht mehr länger warten." Bring mir 'nen Hut voll vorjähri gem Hagel, aber sprich nicht von mei nem HauSrock, noch etwa von den Hosen dazu," rief Winkler laut auflachend. Durch meinen Rock schimmert die helle Sonne und abgesehen von Mode und Schnitt, so waren die Hosen vor zehn Jahren mal schwarz, haben aber jetzt eine unbeschreibliche Farbe angenom men. Der Mann ift immer eine etwas lächerliche Figur, wenn er heirathet, selbst wenn im besten Staat, aber wenn ich in dem Aufzug erscheine, den Du mir vorschlägst, muß ich sürchten, Aurelie sagt Nein statt Ja" wenn wir am Altar stehen." Was willst Du aber thun? Es wird immer später. Sagtest Du nicht, der Schneider habe Dir den Anzug um 10 Uhr versprochen und jetzt ifls schon halb 12 Uhr vorbei!" rief Karl Held ausgeregt. Er versprach ganz sicher um 10 Uhr, antwortete Henri. Wie wär's wenn Du hinschicktest?" meinte Karl. Wo denkst Du denn hin!" erwiderte der Andere. Es würde über eine Stunde dauern, ehe der Bote hinkommt, und zurück ebenso lange. ' Du haft recht !" seufzte Karl. Aber wie haft Du Dir auch den Hochzeits anzug so spät bestellen können. Er hätte schon seit acht Tagen im Hause sein müssen. Warum warst Du nur so thöricht?" Ja, ja, es war sehr dumm, mich aus dielen Esel von Schneider zu vev lassen. Ich bestelle sonst Alles im letz. ten Augenblick, aber diesmal, fürchte q, vin it) ditter bestrast." Damit wars nq Henri ächzend in seinen Lehnstuhl. Sieh Dir mal meinen neuen Anzug an," sprach Karl, indem er zärtlich über den funkelnagelneuen Rock strich und fich in dem hohen Wandspiegel bewun derte. Steht er mir nicht wundervoll? Siehst Du, ich war schlauer als Du; den Anzug habe ich mir lange zuvor be, stellt und vor acht Tagen schon hatte ich ihn im Hause. Man mag fich auf Apotheker, Schuhmacher und sonst wen erlassen, aber niemals traue eines Schneiders Wort I" Deine guten Lehren mögen ja sehr unterhaltend sein, lieber Karl," brummte Winkler, aber fie helfen mir jetzt nicht aus der scheußlichen Verlegen heit." Plötzlich sprang der unglückliche Bräutigam vom Stuhl auf, griff den erstaunten Karl bei beiden Schultern, sah ihm aufgeregt inZ Gesicht und rief: Aber Du kannst mir helfen, wenn Du willst, alter Junge. Du kannst mir den größten Freundschaftsdienst in diesem verzweifelten Moment leisten." Ich?" antwortete nun der über raschle Freund. Wie in aller Welt kann ich Dir helfen? Ich sehe keinen Ausweg." .Ich will ihn Dir zeigen. Sieh mal in den Spiegel, mein guter Junae.! Sieh uns Beide an. Gleichen wir uns denn nicht in der Figur wie zwei Erb sen?" Nun. was soll das?" fragte Karl, indem er des Liebhabers Figur mit seinen großen braunen Augen förmlich verschlang. .Siehst Du denn nicht, mein theuer fter Freund, wie Du mir helfen kannst? Du leihst mir einfach Deinen Anzug, damit ich mich verheirathen kann!" Was sollte Karl Held thun? Er warf einen traurigen scheidenden Blick auf seine große elegante Figur im Spiegel j und dachte an seine Bertba. die er auch ; bald zum Altar zu führen hoffte. c, No. 43. hatte fich seit Wochen auf diesen Tag gefreut, und nun mußte er sich wie ein ungezogener Jungt ausziehen lassen. Er schalt auf fich und seine Eitelkeit, die Henri'S Aufmerksamkeit auf den schönen Anzug und die gleichen Figuren gelenkt hatte. Was half's nun? Einer mußte zurückstehen, und da r seinem Freunde unmöglich in diesem Momente die Bitte abschlagen konnte, zog er dann resignirt den voazzeitS laat aus. Es dauerte keine fünf Minuten, da war Henri in vollem Glänze und hatte auch sehr schnell die Kirche, erreicht, führt von seinem treuen Karl mit dem fadenscheinigen HauSrock und den Hosen von unbeschreiblicher Farbe. Winkler war einer der glücklichsten Menschen und Held einer der traurigsten, als er den Kirchengang mit seiner schönen Bertha, einer der Brautiungsern, am Arm tm lang ging. Er wagte kaum, die Augen aufzuschlagen, auS Furcht, fie könne ihm vor Scham den Laufpaß geben, Eine Stunde später dampfte das neu vermählte Paar der Insel Wright zu, wo es die Flitterwochen zubringen wollte. Henri hatte den Ueberzieher abgelegt, ven Arm um leine lunge Frau ge-, iqiungen uiiv orlme ne innig an Held s neuen Leibrock. Lieber Henri, sagtest Du nicht, Du rauchst niemals?" fragte die junge grau. Du haft ganz recht, mein Schatz erwiderte er, ich rauche niemals." Was ist denn aber in Deiner Rock, tasche?" fragte die Kleine lächelnd. Es ift nur mein Notizbuch." Wirklich, ein Notizbuch?" rief das Frauchen. Ich mache die höchste Wette, da es eine Eigarrentasche ift." Eine Minute später schlüpfte die kleine Frau mit ihren schlanken Finaev chen in des Mannes Tasche und holte eine richtige Cigarrentasche heraus, und zwar beide Seiten herrlich gestickt und parfllmirt und mit den Worten auf der Rucr,ene: em iseiiedten. Mit einem bösen und erstaunten Blick aus ihren Mann fragte Frau Winkler: Warum ya Du Dem Rauchen a, leugnet? Glaubtest Du mir damit zu mißfallen? Aber sage mir vor Allem, wer arveilere Dir diese Tasche?" Eine schöne Geschichte!" dacbte Wink, ler und lachte verlegen auf, wobei ihn seine Gattin mit wachsendem Aerger oeooacyiere. Diese lgarrenlascye gehört einem Freunde von mir," stotterte er. DaS ist eine nette Erfindung!" rief uielia. Auf der nächsten Station stieg Henri aus. um für feine kleine Frau etwas uen und Na,!yerei zu lausen. Aurelia benutzte seine Abwesenheit. um einen Brief, den sie heimlich aus oer igarrenraslye gezogen hatte, zu lesen, und dieser schloß: Deine ewig liebende Bertha!" DaS setzte Allem die Krone auf. Hier auf der Hochzeitsreise mußte fie erken nen, daß sie mit einem Manne leben sollte, der fie letzt chon so schändlich be, trogen hatte. Sie war außer fich vor sqmerz uno Jorn. A,s Winkler zu ruckkam, sprach fie kein Wort mit ihm. hatte fich einen anderen Platz genom men und wollte ihn nicht einmal an sehen. Als der Zng sich der nächsten Slanon naher, sprach Henn zu ihr: Aurelia, Du mußt mich hören und mir antworten! Sprich doch und sage mir, inwiefern ich Dich, mein Liebling, beleidigen konnte!" Aurelia setzte sich ihm gegenüber, sah ihm gerade in'Z Geficht und sagte be stimmt: Ich werde Dich an der nächsten Station verlassen." Um Gotteswillen, Du weißt nicht, was Du sprichst. Ich beschwöre Dich. sage mir, was hat Dich so beleidigt?" schrie Winkler fassungslos. Jq roeroe Dia, ria, en und zu mnnen Eltern zurückkehren." scblucbite die junge Frau. Warum denn? Was habe ich denn getonnf- .Du bist ein Heuchler, ein Verräther. ein ganz schlechter Mensch! Du hast Deiner armen grau das verz aebroaen und ein elendes Weib aus einer glück selig vertrauenden Braut gemacht," und Aurelia brach in ein krampfhaftes Weinen aus. .Mein geliebtes Kind, beruhige Dich doch und sage mir, was ift denn los. Um Gotteswillen, so sprich doch, rief Winkler. indem er versuchte, Aurelia'S furchtbare Aufregung zu beruhigen. Mein geliebtes Weid," fing er an Ich bin nicht Dein geliebtes Weib," rief Aurelia. .Deine ewig liebende Bertba ift Dein geliebte Weid, Tu schlechter Mensch. Tu Betrüger!" $ber ich habe keine ewig liebende Bkr!jr. gab Winkler zurück, .Tu mußt wabÄmnig sein, Aurelia!" Ezllte der Himmel, ich wäre irr sinn: so würd ich doch nicht mehr von Miner Schlecbtiakeit wiiien. fsin- nimm Deinen Liebesbrief und verlaß mich!" Henri sah den Brief einen Moment an. Dann lachte er grell auf. schlug fich mit der Faust vor die Stirn und rief : Jetzt ist mir Alle? klar! Dieser Brief war in der Cigarrentafche und die Tasche in Karl'S Rock. Mein liebe Frauchen, ich habe unser Eheleben mit einem großen Fehler angefangen, in dem ich Dir etwas verheimlichte, was ich Dir von vornherein hätte sagen müssen : Der Schneider hat mir meinen Hoch zeitSanzug nicht zur Zeit geliefert. Mein gepackter Koffer war schon nach dem Bahnhof geschickt und in meiner Woh nung hatte ich nichts weiter als meinen allerschlechteften HauSanzug. Die, mein Kind, ift Karl'S Rock, Karl'S Cigarren tasche und die ewig liebende Bertha ge hört auch Karl." Dann, mein guter Henri, bin ich doch noch Dein liebeS Weid?" fragt Aurelia durch Thränen lächelnd. Natürlich bist Du'S," versicherte der glückliche Ehemann. Aurelia küßte zärtlich die verhängniß volle Cigarrentasche, aber natürlich noch zärtlicher ihren Henri. Du wirst nun immer daran denken, daß ein Ehemann niemals etwas vor seiner Frau verheimlichen soll." Und Du, mein thörichte? Kind, wirft Dir stets merken, daß eine Frau niemals ihres Gatten Taschen durch suchen darf." Die junge Frau gab daS Unrecht zu und versprach, eS nie wieder zu thun. Ob fie wohl Wort gehalten hat? Wir möchten eS fast bezweifeln. Ter Fadklgarten 6 große Peter. Einen eigenthümlichen Garten hielt sich Peter der Große bei seinem Som merschloß in Petersburg. Der dama lige Oberdireitor der kaiserlichen Ge bäude und Gärten Alexander Lwowitsch Narischkin berichtete darüber: Zar Peter besprach fich oft mit dem Gärtner Schröder, der auS Schweden berufen und dessen Plan zur Anlage des Som merhofgartens in Petersburg genehmigt worden war. Dem vollendeten forde ren Theil sollte fich ein Park mit hüb schen Ruheplätzen anschließen. Dem Zaren fiel eS aber nicht ein, mit dem Luftplatz einen Unterrichtsplatz zu ver binden. So ließ er eines Tage Schröder rufen und sagte : Ich bin mit Eurer Arbeit zufrieden, nur nehmt Jhr'S nicht übel, wenn ich zwei Seiten quartiere umarbeiten lasse. Ich möchte gern, daß die, welche meinen Garten besuchen, zugleich einen lehrreichen Un terricht darin antreffen, ich will daher die Aesopischen Fabeln aufstellen lassen. Macht mir einen Plan, wie diese vor trefflichen Fabeln, die ein Volk wohl witzigen können, in diesen Gartenquar tieren geschickt angebracht und vertheilt werden können. Schröder ging an die Arbeit, und sein Plan wurde aus geführt. ES wurden Heckengänge wie in einem Irrgarten angelegt, in jeder Biegung standen kleine Springbrunnen, über denen fich in Blei gegossene Scenen der Aesopischen Fabeln erhoben, be mooste Ruinen und versteinerte Mu schelwerk aus dem Nowgorodersee dien ten zum Schmuck des Brunnenbeckens. Die Thiere waren in natürlicher Größe gehalten und vergoldet. Bei jeder Dar stellung wurde ein Täfelchen angebracht, auf dem die Fabel in russischer Sprache zu lesen war. Im Ganzen belief fich die Zahl der Fabel'Gruppen auf zwei undsiebzig, am Eingang deS Gartens aber stand der Dichter selbst, der bucke lige Aefop. Peter erkor den Fabelgar ten bald zu seinem Lieblingsaufenthalt und wandelte oft stundenlang einsam darin umher. 1777 wurde die eigen artige Anlage von Sturm und Wasser fluth zerstört und konnte leider nicht wieder hergerichtet werden. Schweizerisch. Von sprachlichen Gemüthlichkeiten au dem schweizerischen Militärleden berich tet die Neue Züricher Zeitung" : Der Name NiklauS wird mundartig meist NiklauS" ausgesprochen; in dielen Ge genden wird aber ein t eingeschmuggelt und NitllauS gesprochen, so im Frick thal. während man anderwärts, wie im Kanton Bern, nur den Namen Klaus" kennt. Diese mundartliche Aussprache gab Anlaß zu einem köstlichen Auftritt im Kasernmhof von Aarau. Ein bie derer Füsilier wurde bei der Aufnahm de kompagnieEtats einer Kompagnie aus em griilyai gefragt, toi sem Taufname heiße. Nitklaus" ift seine Antwort. Der Offizier, ein Berner. dem offenbar der Name NiklauS weder mit noch ohne t bekannt war, sondern nur sein Klaus", fragt noch einmal und erhält wiederum die gleiche Ant wort: .NitklauS". Nun wird der Fra get wild und bricht los : .So, dir weit mi foppe, i han ech nit gfroget, wie dir nit heißet, sondern wie dir heißet. 24 Stunden Arrest, daß der Ma sich besinne cha. aiener heißt, wenn er nit Klaus heißt." Der Mann wird abgeführt und in der Stammkontrolle nachgesehen, wie der Mann, der nit Klaus heißt, eigent lich getauft sei, und da fand fich einge tragen: .Amsler NiklauS von Kaiften." Kleiner Zrrchnm. RechtSanwalt: Ja. lieber Freund, wenn ich Ihnen wirklich helfen soll, dann dürfen Sie nichts für sich behalten." Hivmx: .Das thue ich auch nicht. Herr Doktor. Sie haben ja jeden Pfen nig. den ich im Vermögen hab, als Honorar bekommen."