Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 18, 1897, Image 10

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    Der Sdjultruftcc.
I. dem ommkamjchin ieUn onIoiexh
! i , u m a n n
Die SchulirusteeZ beS kleinen, nicht
ao.nl tausend Einwohner zählenden
K,nnslkanilcken CrteS Nemftngen tt
ren in Sitzung. Freilich, wer fte zur
a,;t ,s,den und Land und Leute nicht
gekannt hätte, Würbe dieS kaum geglaubt
haben ; fie sahen zwar im Allgemeinen
ziemlich intelligent aus. jedoch über Le
sen, notdürftiges Schreiben und die
Rundimente der Rechenkunst gingen die
Kenntnisse nicht hinaus. Sie genossen
das Vertrauen ihrer Mitbürger in
An Makk. dak sie ohne jeglichen Wl
derstand irgend einer Faktion schon
zu wiederholten Malen in den Schul,
nnrftand akwäblt worden waren.
Ja diesem Augenblicke lehnte der Vor
fiiuni de . Board os Trust!" von
',naen. mit bis weit über die Ell
bogen entblößten Armen und einer Axt
in der rechten Hand, an den sein Grund
stück gegen die Straße abschließenden
Zaun und blukie. ein tnunoncoes a
cheln um den Mund, auf seine beiden
ander Außenseite deS ZauneS stehenden
Genoffen im Amte, von denen der Eine
Spaten und Rechen über der Schulter
hielt, während sich der Andere auf eine
Sense stützte.
Trotzdem war eö eine unleugbare
Thatsache, daß sich diese drei Männer in
ernstlicher amtlicher Berathung befan
den, deren Zweck kein geringerer war,
als die Wahl einer Lehrkraft für das
Anfangs September beginnende neue
Schuljahr.
Stewart Bush bewarb sich bei mir
um die Stelle," sagte der Vorsitzende in
einem Tone deS Zweifels.
.Stewart Bush!" rief Josiah Walter,
der jüngste der Drei, sehr erstaunt.
.Wem Himmel. Stewart Bush ist
nicht fähig ein Baby zu unterrichten!
Er verließ die Schule längst bevor mir
und hat, so viel mir bekannt ist, seit
dein nichts weiter gelernt, alSKartoffeln
pflanzen und Weizen zu säen; er thut
besser daran, bei in Farmen zu vieioen,
Sind Sie nicht derselben Anficht, Ro,
bertS?"
.Ich denke, Sie huben Recht," ant,
wartete der zuletzt Angeredete, ein kleines
Männchen mit freundlichem Gesichte und
schwachem Kinnbart, der ebenso grau
war. wie sein Kopfhaar,
Auch John Sanders, der Vorsitzende
des Boards, nickte beistimmend mit dem
Kopfe.
.Bei mir hat sich ebenfalls ein Be
Werder um die zu besetzende Stelle ge
meldet." fuhr William Roberts in wich
tigem Tone fort, und ich denke, daß
derselbe Ihnen Beiden genehm sein
wird. ES ist eine Verwandte meiner
Frau, und fie ist so hübsch, wie ein
Mädchen überhaupt sein kann; dazu ist
fte klug und gebildet. Im Frühjahr
hat fie ihr Ezamen bestanden, und ich
bm überzeugt, daß fte eine vorzügliche
Lehrerin abgeben wird. Ihr Name ist
loten Sbimer."
Shimer!" stieß Walter erregt aus.
Steht fie in irgend einer Verbindung
mit den Shimn'S jenseits deS Flusses?"
Dort ist fie zu Hause," erwiderte
der Grauhaarige; sie ist Richard Shi
mer'S Tochter, der im letzten Winter ge
starben ist."
Josiah runzelte die Stirn und sagte
in sehr bestimmtem Tone: Unter die
sen Umständen wird fie die Lehrerstelle
mit meiner Einwilligung nicht erhal
ten."
Warum?" fragte Roberts mit ver
haltenem Athem, den unerwarteten Geg
ner mit seinen grauen Augen scharf an
blickend.
Auch John Sanders starrte verwun
dert auf das jüngste Mitglied deS Schul
Direktoriums, ohne jedoch ein Wort zu
äußern.
Eine Minute lang sah Walter mit
finsterem Gesichte vor sich nieder, dann
entgegnete er: Wai würden Sie davon
denken, wenn Ihnen Jemand 50 Schafe
für einen anständigen Preis verkaufen
würde und die Hälfte davon in der fol
genden Woche an einer Krankheit zu
Grunde geht, von deren Vorhandensein
er schon vorher Kenntniß gehabt haben
muß? Tiefen Streich hat mir Richard
Shimer gespielt, und als ich mein Geld
zurückverlangte, lachte er mir höhnisch
in'! Geficht. Nein, ich kann mit gutem
Gewissen nicht darein willigen, daß ir
end ein Angehöriger dieses Mensche
Lehret an unserer Schule wird!"
Die Augen deS alten ManneS blitz
ten. Daß der alte Shimer nicht zu
den Rechtlichsten gehörte, das weiß ein
Jeder." stieß er hervor; .aber was damit
Floren zu thun hat, ist mehr, als ich
verstehen kann."
.Tn Apfel füllt nicht weit vom
Stamm."
.TaS Sprüchmort ist in diesem Falle
n-cht anwendbar," versetzte Roberts.
Das Mädchen gleicht ihrem Vater in
lein! Peziehung: fie ist eine prächtige
Person, die ein Jeder lieb haben muß."
John Sanders zog bedächtig sein
Pickchen Kautabak aus der Tasche, steckte
einen nicht zu kleinen Happen dieser
Delikatesse in den Mund und sagte gut
müthig: Well, machen Sie das unter
sich aus: ich int 6tm vei, was sie
Beide beschließen." Tann wandte er
sich wieder dem seitwärts liegenden
Hs.zhaufen zu und fuhr mit seiner vor
hin unterbrochenen Arbeit drt Hacken!
fort.
Tu dtiden noeni jonnen Bit
Rtro4 fiitiirntft und selten dabei den !
begonnenen TÜput fort; William Ro!
bert! war zornig erregt, Jofiah Walter
kühl ablehnend.
Milde und Barmherzigkeit scheinen
Ihnen fremd zu sein," sagte endlich der
Alte, beinahe mit Thränen in den Au
aen. als sich der Andere anschickte, die
Thüre deS vor seinem Hause liegenden
Gärtchens, zu öffnen. Wenn Richard
Sbimer seine Frau und Tochter in au,
ten Umständen zurückgelassen hätte,
würde ich kein Wort verloren haben; so
aber find Beide bettelarm, und Florence
braucht eine Lehrerfielle, um sich uns
ibre Mutter vor vunger zu schützen.
Davon haben Sie bisher noch Nichts
erwübnt." verseilte Walter, na, umwen
dend. Wenn das der Fall ist. will ich'
der Anstellung des jungen Mädchens
nicht länger widerstreben. Ich ermäch,
tige Sie, Sanders davon in Kenntniß
zu setzen."
Fünf Minuten später wanderte 3tt,
bertS, ein triumphirendes Lächeln um
seinen Mund, seinem Gebötte zu. ttä,
rend Jofiah mit finsterer Miene sein
Hau betrat.
Ich konnte mich der Anstellung die,
ses Mädchens nicht länger widersetzen.
nachdem ich von ihrer Armuth Kennt
Nl erkalten." erklärte er teiner Viai
in, die einen Theil der letzten Unter
Handlungen vom Fenster aus mit ange
hört hatte. .Aber meinen Beifall hat
dieselbe nicht, denn viel GuteS steckt in
den SbimerS keineswllS."
Drei Wochen später trat Florence
SbimerS die Stellung an.
Josiah Walter verharrte bei seinem
einmal gefaßten Vorurtheil gegenüber
der neuen Lehrerin und handelte dem,
gemäß. Zu seinen Amtspflichten ge,
hörte es, bei der Eröffnung des neuen
Kursus im Schulhause zu er?cheinen,
das Register der Schüler dorthin zu
dringen und nach etwaigem Bedarf so,
wohl von Unterrichtsmaterial, wie Ion,
ftigen Dingen zu fragen; statt dessen
sandte er Florence das Verzeichniß durch
einen größeren Knaben zu und kum,
merte sich durchaus nicht darum, ob
Etwas gebraucht wurde.
Wenn im Laufe der nächsten Wochen
das Gespräch auf das junge Mädchen
kam, erhielt er sich ablehnend gleich-
gültig und gab sich sogar die Mühe.
die Unterhandlung auf ein anderes
Thema zu lenken. Roberts' HauS, in
dem er früher ein häutiger Gan ge,
Wesen, in welchem aber jetzt die Lehrerin
ihre schulfreie Zeit verbrachte, vermied
er ausfällig.
Etwa einen Monat nach Beginn deS
UnteriiaitS de ucbte eines Tages fflin.
Roberts feinen jüngeren Genossen im
Amte. Ich denke, Jofiah," begann er,
Sie werden mir nunmehr zugestehen,
daß Sie in Bezug auf Florence Shi
mer früher in einem Irrthum befangen
waren. Wir haben feit vielen Jahren
keine Lehrerin gehabt, die sich fa allge,
meine Zufriedenheit erworben hätte,
wie fie; die Kinder hängen an ihr mit
einer geradezu erstaunlichen Zunn,
gung."
Der Angeredete schüttelte da! Haupt,
und kühl kam eS aus seinem Munde:
BiS jetzt habe ich meine Anficht noch
nicht geändert.
Der alte Mann blickte entmuthigt
drein. Floren theilte mir mit, im
Schulhause würden in euer Besen und
Wassereimer gebraucht," sagte er, sich
erhebend; ich erklärte ihr daraus, daß
die? in Ihren Amtsbereich gehöre und
fie am Besten thäte. Sie deshalb selbst
aufzusuchen."
Eni Be en ist er im Mai Ur die
Schule angeschafft worden, und der
Eimer ist nicht viel älter als ein Jahr,"
entgegnete der junge Schultrustee in
iqais avweiiendem Tone.
Niedergeschlagen über den Starrnnn
semeS College erließ William Ro
berts das Haus.
Am nächsten Sonntag Abend saß
Jofiah mit seiner Mutter in der kleinen
hölzernen Kirche. Er ließ seine Augen
umherschweifen und entdeckte plötzlich
unter den Anwesenden ein fremdes Ge
ficht, das einen großen Eindruck auf ihn
machte.
Tiefes Gesicht gehörte einem lungen
Mädchen an; es war zwar nicht von
auffallender Schönheit, aber frisch und
unschuldig, sie hatte für eine Land,
bewohnerin einen merkwürdig hellen
Teint: auS ihren dünnen Augen sprach
Klugheit; ihr leicht geschlossener Mund
mit den vollen rothen Lippen verrieth
anstmuth und Milde.
Wer ist dieses Mädchen?" fragte
Josiah nach Schluß de? Gottesdienstes
den zufällig neben ihm stehenden Ro,
bertS. indem n aus die gerade auS der
Kirche tretende Fremde wies.
.Diese! Mädchen?" wiederholte der
alte Mann mit größtem Erstaunen,
Da! ist doch unsere Lehrerin Sit
ten Shimer! Sehen Sie denn nicht.
daß sie sich in Gesellschaft meiner Frau
befindet? Ich wartete hier, um fie nach
ause zu dringen."
Bon diesem Tage an ertappte sich
Walter gar häunz bei dem Wunsche.
die neue Lehrerin möchte wegen de!
Eimer! und Besen! zu ihm kommen,
Zwar dachte er durchau! nicht daran,
in die Anschaffung dieser beiden Gegen,
stände zu willigen, fall! keine Roth
wendigkeit dafür vorläge; aber er Hütte
jetzt gar zu gerne das junge Madchen
persönlich kennen gelernt. Und da sie
trotz seine! stillen Wunsches ihn, nicht
aufsuchte, ließ er. al! er Robert! eine!
Tage! in den Feldern begegnet ine
darauf bezügliche Bemerkung sollen.
.Well, sehen Sie." lautete die Ant.
wort. foren kann sich nickt ent
schließen. Sie auszusuchen, ftir Ur
theil übn ihre Familie und Ihn nur
mit größtem Widerstreben gegebene Ein
willigung, fie an unserer Schule als
Lehrerin ailzuftellen. find im Orte
natürlich bekannt geworden, und man
hat sie wahrscheinlich davon unterrichtet.
Sie ist sehr empfindlich, zumal fie doch
keine Schuld an den nicht immer ge
raden Wegen trifft, die ihr verstorbener
Vater gegangen."
An diesem Nachmittag kehrte der
junge Schultrustee früher al! sonst von
seinen Aeckern heim; er wusch sich schnell,
zog seinen SonntagSrock an und machte
fich auf den Weg nach der Schule. Da
sie nicht zu mir kommen mag, ist es
wohl meine Amtspflicht, selbst zu ihr zu
gehen und mich zu überzeugen, wie eS
um den Eimer und den Besen steht,"
sagte er zu sich, wie als Entschuldigung.
Als er das Schulzimmer betrat, war
die Lehrerin so erstaunt und verwirrt,
daß ihr die Fiedel aus der Hand fiel
und fie kaum im Stande war. ihren
Vorgesetzten zu begrüßen; fte wußte, wer
er war. Endlich bat fte ihn, Platz zu
nehmen. '
Jofiah ließ fich auf einem Stuhle
neben dem Katheder nieder und sagte:
Ich kam hierher, um mich zu erkun
digen, ob Sie irgend etwas brauchten,
Daß er fich mehr als sechs Wochen zur
Erfüllung seiner Amtspflicht Zeit ge,
nommen, ließ er unerwähnt.
Ich glaube nicht, daß eine Anschaf,
fung nöthig ist," antwortete Florence
zaghaft.
Wie das Mädchen so vor ihm stand
in dem dunkelbraunen Calicolleide und
der vorgebundenen weißen Latzschürze,
erschien fte ihm noch reizender, als am
Sonntag Abend in der Kirche, und ihre
Stimme klang ihm wie Musik. In
diesem Momente kam er fich wie ein
Barbar vor, daß er ihr zarteS Empfin
den durch fein vorschnelles Urtheil über
fie verletzt hatte. Er erhob sich von
seinem Sitze, ging nach der Ecke deS
Zimmers und sprach, mit einem schuld
bewußten Blick auf die ihm folgende
Lehrerin: Ist dieser Besen nicht schon
sehr abgebraucht?"
Statt aller Antwort nickte fie nur
mit dem Kopfe.
Auch der Waffereimer scheint leck zu
sein," fuhr der junge Schultrustee fort,
indem er auf das leere Gefäß und den
ringsum nassen Fußboden wies.
Ja," gab das Mädchen zu.
Ich werde dafür sorgen, daß Sie
bald einen neuen Eimer und Beftn be,
kommen," sagte Walter.
Die Zeit deS Unterrichts war gerade
zu Ende und die Schüler wurden ent,
lassen. Auch Florence nahm nun ihren
Hut vom Haken und setzte ihn auf ihr
reiches Haar. Al fie aber nach ihrem
Körbchen greifen wollte,' hatte Jofiah
dasselbe bereits in der Hand, und ohne
zu fragen, ob fie es ihm erlaube, be,
gleitete er fte nach ihrer Wohnung,
Als fie vor William Roberts' Hause
anlangten, that eS ihm fast leid, das
junge Mädchen schon verlassen zu
müssen; die ursprüngliche Abneigung
war vollständig von ihm gewichen.
Auf dem Nachhausewege war er tief
in Gedanken versunken; er wiederholte
fich AlleS, was fie gesagt, und er lächelte
bei der Erinnerung an die bestrickende
Weise, wie fte eS vorgebracht hatte. Er
hielt fich nicht damit auf, daran zu
denken, daß fie die Tochter Richard
Shimer'S war, der ihn einst übervor
theilt hatte; er war sich nur deS Einen
bewußt, daß die neue Lehrerin ein hüb
sche! und klugeS junges Mädchen war,
die man gern andlickle und der zuzu
hören man nicht müde wurde.
Noch an demselben Abend wurde er
jedoch au! seinen angenehmen Träumen
rauh aufgeschreckt.
William Roberts machte ihm einen
Besuch und sagte im Laufe der Unter
Haltung, mit einem pfiffigen Lächeln
um feinen Mund: Bteman Bush
konnte nicht die Lehrerstelle haben; doch
eS steht beinahe aus, als ob er die Leh
rerin für fich erringen würde."
WaS was sagen Sie da?" stieß
Walter, der ganz unvorhergesehen einen
Stich in der Gegend deS Herzens ver
spürte, stockend hervor.
ES ist eine Thatsache, daß er sich
fortwährend in Florence'S Nähe drängt;
er spricht fast jeden Abend bei unS vor.
und im Lause der letzten Woche besuchte
er fte sogar einmal in der Schule.
Heute fragte er mich, ob Miß Shimer
am nächsten Freitag wieder ihre Mutter
besuchen würde, und als ich ihm darauf
antwortete, daß dies wahrscheinlich der
Fall wäre, sagte er, e! würde ihm ein
Vergnügen bereiten, fie in seinem Wa
gen hinüber zu dringen. DeS Mädchen
macht den Weg zwar gewöhnlich zu
Fuß, aber ich zweifle nicht, daß fie
Stewart'S Anerbieten gern annehmen
wird."
Sie wollen damit doch nicht etwa
sagen, daß fie seine Bewerbung freund
lich ausnimmt ?" kam eS erregt über die
Lippen des jungen Schultruft.
Der kleine alte Mann steckte fich die
unschuldigste Miene von der Welt auf
und blickte sein Gegenüber so erstaunt
an. al! ob er fragen wollte, wa! e!
seinen Eollegen im Amte anginge, mit
wem fich Richard Shimer'S Tochter in
ein Liebesderböltniß einlasse. Endlich
erwiderte er in scheinbar gleichgültigem
Tone: .Bestimmt wei ich die! nicht.
aber wenn dem so wäre, könnte ich kein
Unglück darin finden, denn Stewart
Bush ist ein gutmüthizer, ordentlicher
Bursche."
.Unsinn!" war die zornig hervorge
stoßen Antwort auf dies Erklärung.
Räch der Entfernung de! Besuche!
vernel der junge Schulttuft in lange!
und tiefe! Cinnkn: al! r fich aber zu
Bett begab, war der Druck von ihm ge
wichen, denn er war zu einem Entschluß
gekommen.
Al! die Lehrerin am Freitag Nach
mittag den Uuterricht für die Woche
schloß, fühlte fie fich recht abgespannt,
und die Aussicht auf den vier Meilen
weiten Marsch zu ihrer Mutter war
auch nicht geeignet, fie zu erfrischen.
Sie verschloß die Thür de SchulhauseS
und betrat die Straße mit einem Seuf
zer. Sie hatte noch keine zwanzig
Schritte gethan, da sah fie ein leichtes
Wägelchen auf fich zukommen; im höch
ften Grade überrascht aber war fie, als
der Rosselenker das Gefährt in ihrer
,Rähe anhielt und zu Boden sprang.
Sie erkannte in ihm ihren Vorgesetzten.
Ich mag keinen Vorwand gebrau
chen, Miß Shimer, um Ihnen mein
Hiersein in diesem Augenblicke zu er
klären," begann Walter mit einem
Lächeln auf fie zutretend; ich bead
fichtige nicht, Ihnen zu erzählen, daß ich
aus geschäftlichen Rücksichten eine Fahrt
nach jenseits des Flusses zu machen habe
und zufällig daran dachte, Sie möchten
diese Gelegenheit, schneller zu Ihrer
Mutter zu gelangen, gern benutzen.
Die Wahrheit ist, daß ich einzig und
allein hier bin, um mich und mein
Gefährt zu Ihrer Verfügung zu stellen.
Ich bitte Sie, mein Anerbieten anzu
nehmen."
Auf dem Antlitze des Mädchens lag
freudige Verwirrung, als er ihr in den
Wagen half. Aber ich muß noch ein
mal bei Roberts' eintreten, um meine
Handtasche abzuholen," sagte fie dann,
den fich neben fie Setzenden zaghaft an
blickend.
Gut," erwiderte Jofiah, ruhig mit
dem Kopfe nickend, unser Weg führt
ja ohnehin dort vorbei."
William Roberte stand ganz zufällig
in der Hausthüre, als das Gefährt her
anrollte, und er blickte einigermaßen
verwundert, aber doch verschlagen vor
fich hinlächelnd, auf seinen College im
Amte.
Miß Shimer sprang heraus und eilte
in's Gebäude, um ihre Tasche zu holen;
dabei nickte sie dem alten Manne freund
lich zu.
Der Letztere aber trat, während das
Mädchen im Hause weilte, an Walter
heran, der ebenfalls abgestiegen war,
und erzählte: Soeben war Stewart
Bush hier, um Florence abzuholen; ich
sandte ihn nach dem Schulhause."
Wir begegneten ihn," antwortete
Jofiah. Sehen Sie," fügte r dann
mit dem Versuche, gleichgiltig zu schei
nen, hinzu, was ihm indessen nicht ze
lang, denn fein Antlitz glühte, und er
vermied es, den vor ihm Stehenden an
zusehen, sehen Sie, ich habe das Ge
fühl, als ob es meine Pflicht wäre,
Stewart Bush von unserer Lehrerin
fern zu halten. Es ist doch anmaßend
von ihm, fich ihr immerfort aufzudrän
gen."
Miß Shimer kam in diesem Moment
zurück, und eine Minute später der
schwand das Wägelchen des jungen
SchultrusteeS in einer Staubwolke um
die Straßenecke.
William Roberts schüttelte, über das
soeben Vorgefallene verwundert, sein
graue? Haupt und suchte seine grau in
der Küche auf. Josiah Walter bringt
Florence in seinen Wagen nach Hause,"
sprach er. sich auf einen Stuhl fallen
lassend und feine arbeitsharten Hände
aneinander reibend, meine Voraussicht
scheint also in Erfüllung zu gehen. Er
staunt bin ich nur über die Schnellig
seit, mit der sein Vorurtheil überwun
den, und die Energie, mit der er aus
sein Ziel lossteuert."
Ach was!" entgegnete die Angeredete
in etwas wegwerfendem Toue. Jofiah
Walter ist kein Narr! Ich wußte im
Voraus, daß er feine lächerliche Vor
eingenommenheit sofort aufgeben würde,
nachdem er das Mädchen erst einmal
gesehen, und die Haft seiner Bewerbung
ist doch ganz natürlich; er will sich eben
keinen Anderen zuvorkommen lassen."
Er erklärte mir, er thäte eS nur
aus Pflichtgefühl," berichtete Roberts
kichernd, indem er nach einem Holzspahn
griff, um seine Pfeife anzuzünden.
Jetzt bin ich nur neugierig zu sehen,
wie weit er sein Pflichtgefühl ausdehnen
wird. In den Rcgulationen steht nichts
davon, daß wir SchultrusteeS den Leh
rennnen Schutz gegen eifrige Anbeter
gewähren und dieselben nöthigensallS
durch Einsetzung der eigenen Person auS
dem Felde Ichlagen müßten.
Schade!" meinte die Gattin fpöt,
tisch. Solche alten Männer, wie Tu,
hätten dann keine Aussicht mehr auf
Erwöhlung und könnten nicht ganze
Abende unter dem Vorwande. einer
Sitzung des Board f Trust! beiwoh,
nen zu müssen, om Hause fortbleiben.'
Josia Walter nutzte diese Fahrt nach
jenseits deS fflune! und noch viele an,
der folgende energisch auS, daß
Stewart Bush, da! Vergebliche seiner
Werbung einlebend. Dieselbe bald aus,
, und daß auch lerne Menichemeeie
in NewftngkN in rflaunen rieft
wurde, al! am Ende de! Schuljahres
di neue Lehrerin ihr Amt niederlegte
und den jungen Schultrustee heiralhete.
Ter Letzte aber preist sich glücklich,
daß er seiner Zeit, trotz seine! Bor
urtbeilS. sich hat Überreden lasien. in
die Anstellung der Tochter Richard Zhi
ner'! I! Lehrerin an der Newsinger
Schul zu willigen.
ITMi$creIi.
Er: Mein Fräulein, ich dknk an
Sie Tag und Nacht!"
Sie: .Zarinn sehen Sie wehrschein
lich auch immer so verschlafen au!."
Der bestrafte Don Juan.
Erzäl,lig von C. Wefüier.
Ottilie Fernbach, die Nichte de!
Wirthe! zum Schwarzen Adler" in
dem kleinen Städtchen Hohenfelde, war
ein sehr hübsche!, junges Mädchen von
schöner, schlanker Figur und graziösen
Bewegungen. !I!ur eine schwäche de,
saß fie: fie war ein wenig kokett.
Unter den Stammgästen hatte Frl,
Tilli, wie fie genannt wurde, viele Ver,
ehrer, und unter diesen wiederum zeich,
neten fich zwei durch ihren Eiser in der
Bewunderung aus.
Der Eine, Richard Felsberg, war ein
junger, stämmiger Tischlermeister mit
ungelenken Manieren, aber mit einem
ehrlichen, guten Herzen und offenen,
treuherzig blickenden Augen; der An,
dere, Robert König, war Kaufmann
und erst kürzlich auS der Hauptstadt ge,
kommen, um in Hohenfelde einen Her,
renkleiderLaden zu eröffnen. Dieser
unge, stets auf S Eleganteste und Mo
fernste gekleidete Herr besaß ein äußerst
gewandtes Wesen und verstand et,
durch seine liebenswürdigen Redens
arten sich in Tilli'S Herz einzuschleichen.
Sie wollte dann höher hinaus und
wurde in diesem Hochmuth von Robert
König noch bestärkt, der ihr immer vor,
redete, sie mit ihrer Schönheit passe
eigentlich gar nicht in das abgelegene
Nest, sie würde in einer großen Stadt
viel mehr am Platze sein.
Ottilie nahm in ihrer Eitelkeit diese
Zuflllfterungen natürlich für baare
Münze.
Aber so klug war fie doch, daß fie
fich sagte, zwischen Schmeicheleien und
einem Heirathsantrag sei noch ein
großer Unterschied. Und ungeduldig
wartete fte daraus, daß Robert sich end,
lich ausspreche.
Freudig pochte deßhalb ihr Herz, als
er ihr eines Tages heimlich zuflüsterte
Wollen wir uns morgen Abend tref,
fen, Tilli? Ich habe Ihnen etwa
Wichtiges zu fages?"
Etwas Wichtiges? O, sagen Sie eS
doch jetzt !" versetzte sie.
Nein, jetzt habe ich nicht viel Zeit,
Ich muß noch mehrere Briefe schreiben.
Wir treffen unS hinter der Brücke, in
der großen All, nicht wahr?"
Dort? Ach, da ist es so dunkel und
einsam. Ich fürchte mich."
Doch nicht, wenn ich da bin,
tschatzf"
Nun gut, ich werde kommen."
Halb acht bin ich da I" flüsterte Ro,
bert. Tann ging er eilends fort, denn
er hatte Schritte auf dem Corridor ver,
nommen.
Ging nicht eben Herr König fort?'
fragte Ottilien's Onkel, der gleich dar,
auf das Zimmer betrat.
Das junge Mädchen bejahte.
Netter junger Mann!" murmelte
der alte Mann mit seltsamer Betonung,
Seine wehte nickte zustimmend.
Ich hörte soeben, daß er nicht be!
Frau raemer wohnt !"
So? Wo wohnt er denn? Ich
wußte gar nicht, daß er ausgezo,
gen ist."
ym, i! Er hak stch eine eigene
Wohnung gemiethet. Seine Frau und
seine Rinder kommen in einigen Ta
gen an."
Seine was?"
Es war ein schriller Ausschrei, den
Ottilie in ihrem namenlosen Schreck
ausftieß.
Seine Frau, sagte ich, und seine
Kinder. Drei hat er."
Wie zu Stein erstarrt, stand das
junge Mädchen da. Aber fie besaß ge
Nlig Macht über fich, um nicht in Ohn
macht zu fallen, ja, fie weinte nicht ein
mal. Nur todtenblaß sah fie aus.
Lautlos erließ sie den kleinen Raum.
In der Nacht vermochte fie kein Auge
zu schließen. Ruhelos warf fie fich hin
und her und zerbrach sich den Kopf, wie
fie fich an dem Elenden rächen könne,
der so erbärmlich mit ihr und ihrem
guten Ruf gespielt !
ES war am anderen Abend. Kein
einziger Stern glänzt am Firmament,
und nur das weiße Schneetuch, das die
Erde einhüllte, verbreitete Helle um fich
her.
In der Nähe der gronen, an der
Wald grenzenden Brücke, da, wo die
Dunkelheit am tiefsten, lehnte Robert
König. Mit Ungeduld harrte er der
Ankunjt feiner geliebten Ottilie.
Plötzlich erhellte fich fein Geficht.
Von dem Dunkel löste sich eine schlanke
Gepalt und kam näher. Sie war es.
..Endlich. Mein süßeS Lieb !" mur
melte er leidenschaftlich. Wie lange
Tu bleibst! Komm, gieb mir einer
Kuß."
Nein, einen Augenblick !'
Tabei entwand fie sich seinen Armen,
nahm das Taschentuch auS der Tasche
und ließ eS in der Luft flattern. Tann
lachte sie laut auf und lief von ihm
weg.
Bestürzt blickte er ihr nach.
In diesem Augenblick traten auS
dem dunklen Wald mehren Gestalten
in Mänteln gehüllt und so vermummt,
daß man ihn Gesichter nicht sehen
konnte.
Robert fühlte sich von kräftigen
Fäusten gepackt und von allen Seiten
umringt.
.Wa! zum Kukuk "
Ta! nächst Wort blieb ihm in der
Kehle stecken, sein Athem steckte und,
auraelnd Tön auSftoßend. schnappt
er nach Luft. Einer der Verschwörer
hatt ihm in Gesäß voll eiskalten Was!
sei! mit seiner Wucht In'S Gesicht ge
gössen, daß Robert taumelte. Doch
nicht genug damit, trat schnell ein an
derer Mann vor, der ihn mit einer be
ttächtlichen Menge Ruß überschüttete,
dem gleich darauf eine Quantität Mehl
folgte.
Schwarz, weiß und naß wie ein
Pudel stand der gewissenlose Don Juan
da und bot inen unbeschreiblich komi
schen Anblick. Tann durchbrach er den
Krei! seiner Angreifer und eilte fluchend
davon, so schnell ihn seine Füße tragen
konnten.
Wenige Stunden später konnte man
den bestraften Don Jnan in der Küche
seiner neuen Wohnung sehen, eifrig
versuchend, mit einem Messer den seinen
Kleidern anhaftenden Schmutz abzu
kratzen. Ader eS gelang ihm nicht.
Armer Don Juan! Die von ihm
so schmählich betrogene Ottilie war ge
rächt und nahm fich die ihr gewordene
Lehre zu Herzen. Bald darauf stand
sie mit dem schlichten, braven Tischler
meifter vor dem Altar.
schichte einer Leibrente.
Vor einiger Zeit starb in Paris ein
Mann, der den meisten seiner Nachbarn
nur unter dem Namen FrancoiS" be
kannt war. Seinen Lebensunterhalt
bestritt er mit einer Leibrente.
Francois war in seinen früheren
Jahren KavallerieLieutenant gewesen,
doch hatte er Schulden halber seine
Abschied nehmen müssen. Er kam in
Noth und wurde schließlich Haushof
meist bei einem hervorragenden fran
zöftschen Staatsmanne, in dessen Hause
er FrancoiS" genannt wurde. Eines
Tages besuchte diesen Staatsmann
Lord Roseberry, damals englischer Ge
sandter in Paris. FrancoiS erklärte,
er könne seinem Herrn deS Lords Karte
nicht Übergeben, da derselbe beschäftigt
sei, und er ersuchte den Lord in nach
lässigem Tone, wieder zu kommen. DaS
war zu viel für den stolzen britischen
Diplomaten. Er übergab FrancoiS
noch einmal seine Karte und befahl ihm
in scharfen Worten, dieselbe sofort zu
übergeben. FrancoiS weigerte sich; eS
entspann sich ein heftiger Wortwechsel,
welchem erst daS Erscheinen deS HauS
Herrn ein Ende machte.
FrancoiS ward entlassen und am
Tage darauf erhielt Lord Rofeberry
folgendes Schreiben :
Mylord! Gestern war ich in die
nender Stellung, heute bin ich ein freier
Mann und habe keine Lust, ihre Be
leidigung schweigend hinzunehmen. Da
ich als ehemaliger französischer Offizier
satisfaktionsfähig bin, werde ich mir
gestatten, Ihnen meinen Zeugen zu
schicken."
Lord Rofeberry nahm die Heraus
forderung an. schlug sich mit FrancoiS;
eS wurden zwei Schüsse gewechselt, doch
keiner der Duellanten verwundet.
FrancoiS war befriedigt, nicht so der
Lord, der den Gedanken nicht ertragen
konnte, sich mit einem gesellschaftlich so
tief unter ihm Stehenden geschlagen zu
haben. Damit FrancoiS nun nicht
wieder in den dienenden Stand zurück
kehren mußte, setzteer ihm eine jährliche
Leibrente von fünftausend Francs aus,
die von dem früheren Haushofmeister
mit Tank angenommen wurde.
in alter rauch.
Die altbremische Schaffermabl,eit
ging am 12. Februar im Hause See
fahrt vor fich. Die althergebrachte
äußere Form der Mahlzeit ist geblieben.
Wenn gerufen wird wie auf den Schis
fen zum Schaffen unnen und boben".
dann setzt man fich an eine Tafel, auf
der Stockfisch, brauner Kohl. Sauer
kraut und geräucherte Fisch und
Fleischwaaren aufgetragen wirden.
Salz und Pfeffer liegt in Tütchen aus
Silber und Goldpapier neben jedem
Gedeck. In mächtigen Flaschen winlt
daS braune, fast schwarze und syrup
artige SeesahrtSbier. heutzutage ein
beliebter Trank für Blutarme, da e!
stark malzbaltig ist. In dem prüchti
gen, von Arthur FitgerS Meisterhand
mit schönen allegorischen Wandgemäl
den geschmückten Saal war auch die!
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schaffer F. Susemihl. G. Albrecht iun.
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und F. Reck jun. Herrichten lassen.
Zahlreiche Gäste waren der Einladung
gefolgt, u. A. der Erbgroßherzog von
Oldenburg, der Oberschenk des Groß
Herzogs von Oldenburg, Graf v. Wedel,
der preußische Gesandte in Oldenburg
. Bülow. der hanseatische Gesandte in
Berlin Tr. Klügmann. VizeAdmiral
Karcher u. f. w.
Blitzschlag und aminrauch.
Schon gar mancher wird fich darüber
gewundert haben, daß oft hohe, ganz
vereinsamt in die Lüfte ragende Fabrik?
schornfteine verhältnißmäßig so selten
vom Blitze getroffen werden: kommen
doch nach der Statistik aus 10,000 fol
cher hohen Essen bloß drei Blitzschläge,
dagegen auf 10,000 Kirchtbürme über
0, auf 10,000 Windmühlen sogar
mehr als 8 Blitzschläge. Tief Er
scheinung wird so erklärt, daß der au!
dem Kamin entweichend Rauch die im
Gebäude angesammelte Elektrizität! mit
fich nimmt und in die Luft vertheilt,
wodurch die Anziehungskraft für den
elektrischen Funken verschwindet. Ader
hieran! erklärt fich euch die auf dem
Land nicht selten anzutreffend E.
rflognihkit, beim Heraufziehen ine!
Gewitter! in mächtiges Serdfeuer an
zumachen.
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