Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 11, 1897, Image 12

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    Trauben.
Novellistische gfiijt von Norbert Zalck,
EZ ttovfte. und der jungt Architekt
hob unwillig den braunhaarigen Kops,
der tief über einen Bauplan gebeugt
war, hoch und blickte mit gerunzelter
Stirn auf die Thür.
Wer kam da, ihn wieder zu stören ?
Nicht ein Viertelstundchen hat man
Ruhe! w, 4
Herein!" rief er unwillig und laut.
Seine alte Wirthfchafterin steckte den
grauen Kovf zwischen Thürpfosten und
Thür. Die Post. Herr Engelhardt!"
Legen Sie hin!"
ES ist auch eine Packetadresse zum
Unterschreiben!" Und sie legte eine gelbe
Packetadresse hin, die der junge, nervöse
Architekt unwirsch nahm und auf deren
RUaseite er mit raschen Bleiftiftstrichen
etwas hinwarf, das sein Name sein
sollte. Kein Sterblicher hätte jemals
diese Buchstaben entziffert. Die Briefe
sah er gar nicht an, nur den Coupon
der Packetadresse wandte er hin und her.
Inhalt: Trauben. Absender: Klara
Römer. "-?!
Er sann und starrte den Abschnitt an,
und plötzlich erheiterte stch das mürrische
Geflcht: Ach. die schöne Winzerin!"
rief er und lächelte. Daß die noch an
mich denkt?"
Und die Thür aufreißend, rief er:
Bringen Sie sofort das Packet herein!
Sofort!"
Die Störung schien ihn jetzt sehr zu
freuen. Er lächelte, und seine Augen
hatten den Glanz der unerwarteten
Ueberraschungen.
.... Ein Jahr war eS wohl her.
Mit seinem jüngeren Bruder und zwei
Freunden hatte er in schönen Herbstta
gen einen Ausflug an die Rebengestade
deS Rhein? unternommen. Eine luftige
Künftlergesellschast waren sie kurz vor
her an einem fidelen Abend zusammen
gestoßen und hatten all die köstlichen
Blumen deS Vater Rhein aus funkeln
den Gläsern genossen, und wie sich in
munterer Weinlaune abenteuerliche Ge
danken entzünden, so war ihnen die Idee
gekommen, die guten Weine einmal
vom Stamme" zu kosten, an die Quel
len zu wandern. In rascher AuZfüh
rung deS Planes hatten sie die herbst
liche Wanderung zu den goldenen Trau
ben unternommen. Die Sonne, die
den Spätsommer über ein stets mürri
fcheS Geficht gezeigt hatte, schien nun der
verschnupften Erde einen neuen Frühling
spenden zu wollen. ES war, als ginge
ein neues Grünen durch die Welt, und
eS war doch nichts als ein Spiel der
Sonne und der milden Luft. In
lustigen der melancholischen Bildern
hatten fte ihre kleinen Erlebnisse fest
gehalten und führten in ihren weinbe
tropften Skizzenbüchern schwere Beute
nach Hause.
Eines schönen sonnigen Morgens, als
die Andern noch im Schlafe lagen,
machte er fich zu einer letzten Fußpartie
auf. Daß er fte allein unternahm, war
ihm sehr lieb, denn vor allerlei Scherz
und Ulk der Andern war er ''zu keinem
Naturgennffe gekommen, der Einem nur
auf einsamen Wanderungen so reich zu
Theil wird. Am späten Nachmittag
führte ihn der Weg an einer großen
Villa vorüber, die ein reizendes Werk
des zierlichen Rococo war. Daß es
keine Nachbildung, sondern ein prächti
geS Exemplar jener lustigen Baukunst
war, die so trefflich zu Puderperrücken
und Gluckschen Arien paßte, hielt ihn
fest. Die Neuqier des Architekten ließ
ihn sogar in daS fremde HauS eintre
ten, und durch eilten hellen Flur, der
mit allerlei Statuetten und Amoretten
geschmückt war, kam er in einen großen,
parkartigen Garten, aus dem Gesang,
Gelächter und Musik erklang. Als er
ein Weilchen lauschend stehen blieb, er
Mienen plötzlich zwei junge, offenbar
einheitere Männer, faßten ihn an den
Armen und liefen: Grüß Gott! Das
ist schön, daß Tu auch gekommen bist!"
Und ohne daß er sichZ erwehren konnte,
schleppten sie ibn in den Garten, in eine
luftige, ungewöhnliche Scene. Aus be
mooften Steinbänken spielte ein Dutzend
Musikanten, und etwa zwanzig junge
Mädchen, die Epheukränze auf dem
Haare trugen, tanzten mit jungen,
gleichfalls mit Epheu bekränzten Mün
nern. An hohen und breiten Wänden,
die voll Weinranken und Trauben hin
gen, lehnten blumengeschmückte Leitern,
auf denen junge Mädchen und Männer
standen und in gelbe Körbe die Trau
benfträuße pflückten. Auf weißgedeckten
Tischen standen Flaschen voll Wein und
Gläser. Der junge Architekt wußte
nun, daß hier eine Art Winzerfest ge
feiert werde. Er mutzte trinken und
tanzen, dann wurde er der Trauben
königin" vorgestellt. Tiefe, die Tochter
deS Hauses, hatte sich gerade mit ihrem
Vetter müde getanzt und auf einen
Rußbaumftumps niedergesetzt. Eine
schlanke Schönheit, deren rosigeZ Gesicht
wie eine Blüthe von schweren, dunllen
Locken eingerahmt war ; eine kleine
Krone aus Weinlaub und Trauben
trug sie auf dem Scheitel, die hohe,
schlanke Figur war in ein weingelbes
Seidenkleid geschmiegt. Tie großen
braunen Augen hatten einen luftigen
und gütigen Ausdruck. Als sich ihr
der junge Architekt vorstellte, sagte sie
mit einer gewissen Schalkhaftigkeit, die
ihn gefangen nahm :
.Sie haben so einen pompösen ?la
men; ich heiße wie ein Günfeprinzeßchen:
Clara 6rnti."
.Aber Sie find wie eine zauberhafte
Königin!" rief er entzückt.
Sie lach!k. ,
Morgen ist meine Krone welk."
Aber meine schöne Traubenlönigin
darf ich Sie doch nennen ?"
Rein wenn Sie mir schon einen be
sonderen Titel geben wollen.' dann nen
nen Sie mich die kleine Winzerin."
Die schöne Winzerin! Darf ich um
ein Tänzchen bitten, schöne Winzerin ?"
Papa hat niir zwar da? viele Tan
zen erboten sehen Sie ihn dort
drüben, den stattlichen Herrn mit dem
grauen Schnurrbart , doch drei Mi
nuten will ich mit Ihnen tanzen."
Aber eZ wurden mehr als drei Minu
ten. Der Abend war gekommen, und der
junge Architekt wich nicht von der Seite
der schönen Winzerin, deren Vater, ein
jovialer alter Herr, so viel Neues aus
Berlin erfahren wollte. Als es dann
anS Abschiednehmen ging, küßte der gar
mächtig verliebte junge Mann der rei
zenden Traubenkönigin die kleine Hand.
Darf ich auf die Erfüllung einer
Bitte hoffen, Fräulein?" fragte er.
Wenn Sie keinen Stern vom Him
mel verlangen, dann dürfen Sie Hof
fen."
Ich reife bereits morgen nach Ber
lin. Ich möchte gar zu gern ein kleines
Andenken an diesen reizenden Tag mit
nehmen. Darf ich um die Trauben
aus Ihren Locken bitten?"
Sie war roth geworden und lächelte
verlegen.
Wenn es nichts weiter ist hier
haben Sie, was Sie wünschen." Und
das Weinlaub und Traubendiadem
aus den Haaren lösend, reichte fie eZ
ihm. Er drückte einen Kuß darauf.
Vielleicht führt mich im Nächsten
Jahre wieder der Weg hierher. Wenn
ich aber nicht kommen sollte "
Dann schicke ich Ihnen meine nächste
Traubenkrone nach Berlin. "
Fräulein, ich nehme Sie beim
Wort!"
Noch ein Handkuß, ein warmer Blick
und er ging. Wie einen kostbaren
Schatz verwahrte er das Redenkrönlein,
und in Berlin schmückte er damit das
Haupt der marmornen Juno, die in
seinem Arbeitszimmer stand. Die Trau
ben und die Blätter vertrockneten all
mählich, und die Fluth von Arbeit, die
bald auf ihn einstürmte, ließ ihn bald
das kleine Erledniß vergessen. Nur an
manchen Abenden sah er da? schöne
Bild deS jungen Mädchens aus der Er
innerung austauchen.
Nun hatte ihm der Packetbrieftrüger
daS hübsche Geschichten wieder ins Ge
dächtniß gerufen. Aber daß fie noch
daran dachte? Dieses reizende umwor
bene Wesen! DaS war mehr als eine
Aufmerksamkeit ! Zweifelsohne!
Seine Wirthschaften hatte ein
kleines Kistchen hereingebracht, das er,
brennend vor Neugier, aufriß. Vor
sichtig in Seidenpapier gebettet lag ein
Krönlein aus goldgelben Trauben und
Weinlaub, daneben ein Kärichen: Mit
fröhlichem Winzergruß Ihre Trauben
königin." Er küßte das KSrtchen, er
küßte die Trauben, und eine kleine
Traube, die sich abgelöst hatte, zer
drückte er im Munde. Sie schien ihm
süß und köstlich, wie noch niemals eine.
Das ganze Erlebniß ftand plötzlich in
seiner Erinnerung, als wäre es von
gestern. Sofort wollte er seinen herz
lichsten, verliebtesten Dank abstatten,
und an den Schreibtisch eilend, legte er
Papier und Couvert zurecht. Aber wie
er auch sann, es wollten sich nicht die
richtigen Worte einsinken. Plötzlich
sprang er auf. Wie wäre eS, wenn er
den Dank persönlich abstattete! Ja, daS
war daS Einzige, was sich schickte! Und
eine nervöse Freude überkam ihn, das
schöne Mädchen wiederzusehen. Er rief
seine Wirthschaften und rüstete zur
Abreise.
Ich fahre auf zwei bis drei Tage
fort. Wenn nach mir gefragt wird,
berichten Sie das."
Nach zwei Stunden faß er im Coupe
und fuhr davon. Ganz planlos. Er
dachte nicht einmal darüber nach, was
er an Ort und Stelle eigentlich sagen
wollte. Im Hinausblicken auf die Ok
toderlandschaft, die im wundervollen
Herbftsommertage dalag, erflog rasch
die Zeit. Als der Abend dämmerte,
war er am Ziele. Tie Straße rasch
hinunter schreitend, war er bald vor der
Villa, deren Bauart ihm im Gedächtniß
geblieben.
Nun ftand er aber da. Wozu war
er hergekommen? Nur um den Dank
abzustatten?
Er lächelte und wurde heiß im Ge
sichte. War das nicht der tolle Streich
eines namenlos Verliebten? Wie, wenn
fie ihn auslachen würde! Aber nein,
nein! Wem man Trauben schickt, den
lacht man nicht aus! Und mit dieser Be
herzigung schob er sich durch daS offen
stehende Gartengitter und verharrte
lauschend. AuS dem offenstehenden
Salon klangen Klavier Töne ein
Slrauß'schei Walzer. Spielte fie dai?
Und leise stieg er die zwei Stufen zu der
großen, offenstehenden Glasthüre em
por. den Kopf spähend vorgebeugt. Sie
war es. In einem reizenden, lilafar
benem HauSIleide saß fie und spielte,
ohne in die Noten zu blicken. Etwa
eine Minute lang spielte fie noch, dann
abbrechend, wandte sie sich um. Wie
ein Blitz trafen sich die Augen Klaras
und des lauschenden Eindringlings.
Sie wich erschrocken einen Schritt zu
rück, denn sie erkannte ihn nicht äugen
dUcklich.
Kennen Sie mich nicht mehr. Fräu
lein?" fragte er. auf der Schwelle
ftchend.
Jext erkenne ich Sie! Ach. mir
klopft das Herz, so sehr haben Sie mich
erschreckt. Aber wo kommen Sie denn
plötzlich hierher?"
Ich komme aus Berlin."
Und so plötzlich, so überraschend
durch den Garten "
Verzeihen Sie eS, mein gnädiges
Fräulein, wenn ich Sie so aus dem
Hinterhalt überfalle Ich ich
komme, Ihnen meinen Tank abzuftat
ten, meinen herzlichsten Dank für Ihr
schönes Geschenk...."
Sie sah ihn groß an, wurde roth und
lachte herzlich aus.
Und dazu machen Sie eigens eine so
lange Reise?"
Ich konnte den plötzliches Gedanken
nicht wiederftehen und dann
dann wollte ich meine schöne
Traubenlönigin wieder einmal sehen."
Ader Herr Engelhardt ! Ich habe
schon viel von Künstlerstreichen gehört,
Ihr heutiger ist einer der tollsten!"
Vielleicht auch einer der ersprießlich
sten, . . .Darf ich näher treten Ihnen
die Hand zu küssen?"
Sie sah sich um. Sie find beim
Papa nicht gemeldet er ist im Neben
zimmer ich will lieber in den Garten
kommen." Rasch sprang fie die beiden
Stufen hinab. Engelhardt küßte ihr
beide Hände und sah ihr in die Augen.
Wenn Sie wüßten, welch schönen
Tag Sie mir mit Ihrer entzückenden
Ueberraschung bereitet haben!"
Sie haben wohl nicht mehr an den
Tag im vorigen Jahre gedacht?" Dabei
machte sie ihre Hände los.
O, nur zu ost ! Aber man hat so
viel zu thun und zu schaffen. Wenn
der Kopf voll Sorgen ist, schläft das
Herz!"
Hätte ich das gewußt, ich hätte eS
nicht aufgeweckt !"
O, wie danke ich Ihnen, aß Sie es
gethan haben! Sie haben plötzlich Früh
ling in den Herbst gebracht! Mailuft,
Sonne, Schönheit "
Spricht Ihr Herz noch aus dem
Schlafe-?"
Er ergriff ihre Hand.
Nein, es wacht, es ist aufgestanden!
Und es steht freudig eine neue Zeit.
Glauben Sie mir ?"
Sie zuckte die Schultern und sah zu
Boden.
Bin ich zu spät gekommen?"
Wozu?" Sie sah ihn an. Er wurde
verlegen.
Zum zum Winzerfeste!" sprach er
leise.
Ja, das war vor drei Tagen."
Und Nichts ist mehr für mich ge
blieben? Keine Traube mehr am Stocke
für mich?"
Sehen Sie nach.". Sein rascher
Blick ftreiste die Rebenwand und ent
deckte einen großen üppigen Trauben
ftrauß. Noch nicht ganz verspätet! Darf ich
ihn pflücken ?"
Sie nickte lächelnd, und er brach die
duftende Frucht von der Ranke. Dann
sah er Clara tief in die Augen.
Darf ich das als ein Symbol an
sehen ? Wenn wir die Traube bewahrt
blieb, ist es mir auch deren schöne Kö
nigin geblieben?"
Clara wurde guthroth. Mit schnellen
Fingern zerpflückte er den Strauß und
flocht die einzelnen Stengelchen durch
einander. Was thun Sie da ?"
Ich flechte eine Krone, ich will Sie
mit der Traubenkrone sehen" und das
fertige Geflecht auf die Locken des
lächelnden Mädchens setzend, fragte er,
ihre Hände ergreifend und nicht loslas
send: Darf ich dem Rebenkranze bald
einen aus Myrthe gewundenen folgen
lassen?"
Sie wollte ihre Hände von den seinen
befreien, aber er er hielt fie fest.
Sie treiben den Scherz zu weit, Hen
Engelhardt."
Kommt man aus Berlin, nur um ei
nen Scherz zu machen? Nein, mir ist
eS süßer Ernst! Ich liebe Sie, Clara,
und will Sie zu meiner Frau! Ich will
meine kleine Traubenlönigin aus ihren
Redenranken nach Berlin nehmen, in
die große Stadt, in mein schönes Heim.
Will sie mir folgen?"
Gluthroth, verlegen, verwirrt, er
schreckt und erfreut zugleich ftand fie da.
Nun, antwortet mir meine kleine
Königin nicht ?"
Sie kommen mit Allem so plötzlich,
so überraschend"
Schnell geworden, doppelt geworden!
Darf ich?" und ohne die Antwort
abzuwarten, küßte er fie auf die Stirn.
Meine kleine, süße Braut!"
Sie stand ein wenig verwirrt da.
Zu schnell, zu schnell kommt das
Alles ! Was wird nur der Vater dazu
sagen?"
Staunen wird er und uns dann den
Segen geben. Bleibt ihm etwas Ande
reS übrig ?"
Da schmiegte fie sich an ihn und sagte
leise: Ich glaube, nein."
Das Geheiinniß des Regiments.
Ln Peron.
Ein heißer, schwüler Augufttag nahte
sich seinem Ende. Die rothe Sonne
war eben im Begriff, am Horizont ihr
Bett aufzusuchen, und die Bürger des
kleinen StädtchcnZ. in das wir den
Leser führen wollen, begannen wieder
aufzuathmen von dem Staube und der
schweren drückenden Luft. Tie Linden
der kleinen, mit meist einstöckigen, alt
modischen Häuschen besetzten Haupt
ftraße strömten einen wohligen Tust
auS. Ein Fenster nach dem anderen j
ö!nete sich und eZ er'chien darin zuerst!
der Hausherr mit der langen Pseise,
dann seine dessen Hälste, um aus zwei
Sophakissen gelehnt den schönsten Reft
deS Tages zu genießen und mehr oder
minder wohlmeinende Bemerkungen
über die lieben Nachbarn auszutauschen.
Auch der gestrenge Herr Oberst deS
theils im Städtchen in Bürgerquar
tieren theils in der kleinen Kaserne
untergebrachten Reiterregiments, vcr
sagte sich heute die altgechohnte Er
holung nicht. Er war ein alter Soldat
von echtem Schrot und Korn. Tüchtig
keit im Dienst, Schneid und Entschlossen
heit entschuldigten fast Alles bei ihm.
Selten sah man ihn in Trab reiten.
Gewöhnlich kam er wie daS Donner
Wetter durch die Straßen gesegt und bei
seinem Herannahen flüchtete jeder
Schuldbewußte in'3 sichere Versteck.
Sein Steckenpferd war das pünktliche
Aufstehen und das Alarmiren. Jeden
Morgen um sechs klapperte er über den
Marktplatz der Kaserne zu und im
Alarmiren hatte die Garnison schon
eine Uebung erlangt, die anS Wunder
bare grcuzte.
Einmal indessen war eS sogar dem
Herrn Oberst zu schnell gegangen und
von diesem Ereigniß soll heute meine
Erzählung handeln.
Also der König seines kleinen Reiches
hatte fich in das Fenster gelegt und
schaute mit wohligem Behagen auf sein
beherrschtes Samos hin. Unter ihm
ertönte der gleichmäßige, gelangweilte
Tritt deS Postens, der mit Gewehr auf
hin und herwandelte und den schönen
Abend vielleicht nicht mit so vollen Zügen
genoß, fich aber doch freute, daß es nicht
regnete. Außer dem Klirren der Sporen
auf dem Pflaster und dem Klappen der
Säbelscheide des Postens störte kein Laut
die trauliche Stille, nur ganz vereinzelt
kam ein Luftwandelnder der ein Liebes
Pärchen daher. Ruhig, von keinem
Windhauch verweht, standen die dichten
Canasterwolken der oberftlichen Pfeife
in der Luft und verloren sich im Blät
terwerk der vor dem Hause stehenden
Linde. Und dieser Baum war auch die
Veranlassung zu einer unterlassenen
Ehrenbezugung, zu einer Bemerkung
des Obersten und deren Konsequenzen,
zu unserer ganzen Geschichte.
Während dem Herrn Obersten beim
allmüligen Dunkeln ab und zu die
Augenlider zuklappten und die bessere
Hälste hocherfrcut darüber sie liebte
ihr Bett leidenschaftlich nach dem
Bettzipfel schnappte, tönte plötzlich ein
zweites Sporenklirren an das Ohr des
halbeingeschlasenen Herrschers und mit
einem Ruck stieß er eine dichte Wolke vor
fich hin und riß die Augen auf. Unter
ihm auf der anderen Seite der Straße
schlenderten in enger Verschlingung.
Stirn an Stirn gepreßt, ein Unterosfi
zier von der Zweiten, die in der ent
fernteren Kaserne lag, mit dem dicken
Dienstmädchen von nebenan. Traum
versunken merkte der tapfere Krieger
nicht, daß er fich vor dem Hause seines
Vorgesetzten befand, der Baum entzog
diesen feinen Blicken, und ebenso wenig
hörte er die halb belustigte, halb brum
mige Bemerkung seines Obersten, wel
cher, seine drusselnde Gattin anstoßend,
knurrte:
Du, Alte, der wird morgen früh
och schneller loosen, wenn ich um dreie
blasen lasse."
Ahnungslos schlenderte der Krieger,
das Liebchen im Arme, weiter, oben
klappte das Fenster und bald daraus
erlosch auch in dem Schlafzimmer die
Lampe. Der Herr Oberst stärkte fich
für seine morgige Ueberraschung.
An Einen aber hatte er nicht gedacht,
DaS war der Posten, der ja nach der
Instruktion unier Anderem stets seine
eifrigste Aufmerksamkeit auf die Fenster
deS Hauses zu richten hat, vor dem er
Wache steht. Kaum abgelöst, verkündet
er dem Wachunieroffizier das Erledniß
mit pfiffiger Miene und ruft damit all
gemeine Aufregung hervor. Doch wie
ein Kieselstein eine Lawine in'S Rollen
bringen kann, so breitet diese Nachricht
fich laufseuerglkich auS. Der Unter
osfizier der Wache bat nichts Eiligeres
zu thun als dem Offizier du jour, wie
eS ja seine Pflicht ist, den Vorfall zu
melden, und dieser eilt mit langen
Schritten über daS holprige Pflaster
dem Kasino zu.
Hier saßen in zahlreicher Versamm
lung die Kameraden, einige in mög
liehst bequemer Stellung auf der
Veranda in den Triumphftuhl, die
neueste Errungenschaft des Städtchens,
hingegossen, andere mit aufgeknöpftem
Uniformrock im Schweiße ihres Ange
flchts Skat spielend, wieder andere um
den großen Tisch gepflanzt, fachfim
pelnd". als die Nachricht wie eine
Bombe in die traulichen Kreise ein
schlug.
Na." meinte in älterer Rittmeister,
da können wir nur gleich in die Klappe
gehen, ich stehe nicht gern um zwei aus,
wenn ich wenig geschlafen habe."
Halt, wartet einen Moment !" rief
da der Spaßmacher des ganzen Regi
ments, ein vor Kurzem in dS lädt
chen versetzter Lieutenant; ich habe eine
ganz andere Idee. Ich stehe auch nicht :
gern auf, wenn ich wenig geschlafen
habe, aber wenn ich gar nicht geschlafen
habe. stört'S mich nicht, und so geht's
wohl den meisten von uns. Ich mache
den Vorschlag, ein Jeder von Euch be
giebt fich jetzt ,u seinen Leuten nnd be
reitet AlleS aus'! Beste vor. damit unser
Brummbär morgen früh seine Freude
hat. während ich hier eine Bowle an ,
setze und wir dann Alle in gemüthlichem j
Zusammensein deS große Ereigniß ab
arten. I
Wohl selten hatte ein Vorschlag so
einstimmigen Beifall gefunden und selbst
der schläfrige Rittmeister drehte fich
schmunzelnd seinen großen Schnurrbart
und verzichtete für diese Nacht auf fein
geliebtes Lager.
Als fich nach ungefähr einer halben
Stunde die Offiziere wieder im Kaftno
fanden, war die Verschwörung vorbe
reitet und der kluge Rathgeber empfing
die Herren hinter einer mächtigen Bowle
stehend, die er zur Feier des TageS oder
vielmehr Abends gerade noch eine Extra
flasche Kloß und Förster hineingoß.
Jetzt begann ein fröhliches Poculiren,
bis gegen 2 Uhr der Herr Masor zum
Aufbruch ahnte und Jeder sich eiligst
auf seinen Posten begab.
AIS die Uhr des kleinen RathhauseS
die erste Hälfte der dritten Stunde an
zeigt, öffnete fich die Hausthür der
Wohnung des Obersten und mit ener
gischen Schritten eilte der Gebieter der
Garnison der Behausung des Stabs
trompeters zu.
Wo ift Ihr Mann?" knurrte er die
verschlafen öffnende Frau an, obgleich
er sich eigentlich denken konnte, wo der
Mann NachtS um halb drei Uhr war.
Er schläft noch, Herr Oberst."
So wecken Sie ihn, er soll schnell
machen!" Mit geradezu erstaunlicher
Geschwindigkeit stand nach einigen
Augenblicken der Stabstrompeter vor
feinem Obersten, so daß dieser fich eines
beifälligen Kopfnickens nicht erwehren
konnte.
Nehmen Sie Ihre Trompete und
kommen Sie mit auf den Markt."
Zu Besehl, Herr Oberft."
Auf dem Markte angekommen, machte
der Oberft Halt.
So, jetzt blasen Sie das Alarmsig
nal!"
Zehn Minuten lang ungefähr schmet
terten die Töne durch die stillen Stra
ßen, gerade so lange, wie ein Reiter im
Trabe von der Kaserne zum Marktplatz
braucht, und kaum war der letzte Ton
verklungen, als sich rings um den
Obersten herum die Hausthore der Bür
gerquartiere öffneten und felddienst
mäßig gerüstet ein Reiter nach dem an
deren, sein gesatteltes Rößlein am
Zügel, auftauchte, mährend auf der
Hauptstraße von der Kaserne her trapp,
trapp, trapp die beiden dort einquar
tierten Schwadronen anrückten.
Melde gehorsamst, erste Eskadron
zur Stelle !"
Danke sehr."
Der Oberft berührt den Helm mit
dem weißen Handschuh und ift dann
wieder sprachlos. DaS war das reine
Hezenwerk. Ein Rittmeister nach dem
anderen meldete in tadelloser Reihen
folge seine Schwadron zur Stelle.
Woher hat das Regiment gewußt?
Sollte sein Frau ? Aber das war
unmöglich, denn fie hatte ihn feit gestern
Abend nicht verlassen, und als er eben
fortging schnarchte fie noch. Doch
was soll er thun? Seine übliche Kritik
hält er heute nicht. Was soll er sagen?
Er kommandirt daher :
Zu Zweien abbrechen."
Die EskadronSchesS wiederholen den
Befehl und fort geht eS in den däm
mernden Morgen hinein, dem Ererzier
platz zu.
Kopfschüttelnd reitet der Herr Oberst
einher, aber wie er auch sinnt und finnt,
er kann nicht hinter daS Geheimniß des
Regiments kommen und hat eS auch
wirklich erst erfahren, nachdem er feinen
Abschied genommen.
Gint drollige Ordensgeschichte
erzählt die Zeitung für die vornehme
Welt". Nach der Verlobung der Prin
zeß Roval von England, der jetzigen
Kaiserin Friedrich, mit dem Kronprin
zen von Preußen, verlieh die Königin
Victoria ihrem zukünftigen Schwieg,
söhn den Hosenband-Orden und beauf
tragte ihren Feldmarschall Lord Clyde,
bekannter unter seinem früheren Namen
Sir Colin Campbell, den Orden nach
Berlin zu bringen. Als sich der Lord
im Windsor-Schloß meldete, um die
Ordensinfignien in Empfang zu neh
men, erhielt er den Bescheid, daß ewige
dazu gehörige Verzierungen noch nicht
fertig seien ; man werde ihm jedoch den
Orden an seine Adresse in London sen
den. Am nächsten Tage erhielt der
tapfere Krieger auch von Windsor eine
wohlverpackte Schachtel mit dem könig
lichen Siegel und noch in derselben
Stunde trat der Feldmaischall mit mili
törischer Pünktlichkeit feine Reife nach
Preußen an. Nach der Ankunft in
Berlin suchte er sofort um eine Audienz
beim Kronprinzen nach, die ihm auch
' unverzüglich gewährt wurde. Nachdem
nun Lord Clyde eine feierliche Ansprache
an den Kronprinzen gehalten, erbrach
er vor dessen Augen die königlichen Sie
gel und öffnete die Schachtel, um die
Ordenszeichen herauszunehmen. Ader
wie gewaltig war die Bestürzung des in
mehr als fünfzig Schlachten unerschüt
tert gebliebenen Helden, als er in der
Schachtel anstatt deZ Hojenband. Ordens
ein wohlbekanntes englische! Fami
lienbcckwerk. reichlich mit Rosinen ge
spickt, erblickte. Prinzessin Victoria
hatte es eigenhändig für den Verlobten
gebacken und wollte die gute Gelegenheit
benutzen, um dem Kronprinzen neben
der idealen Gabe auch eine materielle
zukommen zu lassen, die ihm als ein
Werk ihrer Hände besonders angenehm
sein mußte. Die Schachtel mit dem
HosendandOrden aber war durch Ver
siumniß eines Dieners einige Stunden
kräter in London abgegeben werden,
und ss hatte der LdFeldmarlchall mit
dem Rcsinenftollen allein die w.ite Reise !
gemacht. Der später nachgeschickte
Hosenband'Orden wurde dann in einer
zweiten Audienz ohne große Ceremonie
überreicht, denn der tapfere Campbc!
konnte es nicht verwinden, daß seine
erste feierliche Anrede einen so lächerlichen
Ausgang genommen hatte.
Lcscheidene Anfrage.
Vater der Braut: .. .. und eine
sparsame Frau kriegen Sie, die eS zu
fammenzuhalten weiß. daS versichere ich
Ihnen!"
Bewerber: Darf man fragen, wie
viel sie denn etwa zusammenzuhalten
hätte?"
indlich.
Mutter: Du mußt nicht soviel
Zucker essen, Elfe, sonst fallen Dir spi
ter die Zähne aus!"
Else (treuherzig): Mama, find mir
denn so arm, daß mir Papa kein neue?
Gebiß kaufen kann!"
Erfaßte Selcgenkcit.
Erster Herr: Kann ich' Ihnen in
irgend etwa von Nutzen sein, dann
bitte, befehlen Sie über meine
Dienste "
Zweite: Herr (ihm um den Hals
fallend): Heirathen Sie eine von mei
nen acht Töchtern!"
ÜT.odeni.
Frau A.: Sie sagen, Schmidt'S
hätten hunderttausend Mark geerbt?
DaS kann ich mir gar nicht denken!"
Frau B.: Weshalb denn nicht?"
Frau A.: Die Leute find noch immer
so höflich und liebenswürdig zu ihren
Bekannten."
Anzuslicher Bescheid,
Verkäufer: Für die Wirksamkeit der
Haartinktur leiste ich Garantie. Jedem
Käufer sind die Haare darnach ge
wachsen"
Käufer: Und wenn nun doch kein
Erfolg fich bei mir einstellen sollte?"
Verkäufer: Ja. dann ist's mit
Ihrem Kopfe nicht richtig."
Leim kieiratksvmnittler, ,
Heirathsvermittler (zum ruinirten
Lebemann): Herr Baron, daS wäre
eine paffende Partie für Sie. da? Mäd
chen ift jung, schön, geistreich "
Baron: Ader bitte, kommen Sie
doch endlich zur Sache!"
Betrübend,
Herr (zu einem Kaufmann): Ich
meinte immer, Ihr Sohn sei ein Genie
im kaufmännischen Fache?"
Ach, hören S' nur aus, jetzt ist er
schon fünfzehn Jahre Kaufmann und
kann noch nicht einmal einen ordent
lichen Konkurs machen!"
Auf Umwegen.
Lisa, eine Frage erlaube mir,
bist Du abergläubisch?"
Sie: Nein! Warum denn?"
Er: Na, da kann ich Dir'Z ja sagen,
Du bist jetzt meine dreizehnte Braut!"
Aus der hökeren Töchterschule.
Weiß Niemand sonst etwas zu neu
nen, wozu Kautschuk verwendet wird,
Ihr habt doch heute fast alle irgend
etwa? derartige! gebraucht."
Mehrere Stimmen: Das künstliche
Gebiß!"
Vorspiegelung falscher Thatucken.
Student: Du, Spund, kannst Tu
mir nicht ein paar Bücher auf einige
Tage pumpen? Mein Alter kommt
morgen zu mir auf Besuch, und da
möcht' ich wenigstens etwas im HauS
haben, was an'Z Studiren erinnert."
Leine Vcvise.
Richter: Sie sollen auch schon meh
rere DiebstSHIe im Auslande verübt
haben?"
Angeklagter: Nee, meine Devise iZ:
.Bleib' im Land' un' nähre Dir red
lich'!" verschnppt.
Onkel auf Besuch: Ist das aber ein
weiter Weg von Deiner Wohnung bis
zur Universität!"
Student: Nicht wahr, wenn man
den jeden Tag gehen müßte!"
Das ictjte.
Oberförster: Tiefen indigen Re
seiend lasse ich heut' am Stammtisch
nicht zu Worte kommen, und wenn ich
zuletzt gleich die Wahrheit reden sollte!"
Lin kleines MißvmiändniK.
Tante Lieschen: Komm' 'mal her.
Gleichen!"
Gleichen: Icke will nich!"
Tante Lieschen: Ei, ei. so darfst T u
aber nicht sagen, liebes Kind."
Gretchen (verbessernd): Ich wik
nicht!"
ßochft sonderbar.
GcschichtZprofessor: Gestern wußten
Sie mir aus keine meiner Fragen eine
Antwort zu geben. Schulze, und heute
wissen Sie auch wieder nichts. Uedri
genS habe ich zu meinem großen Be
dauern die Wahrnehmung machen müs
sen. daß Sie die jungen Madchen un
gleich mehr interesflren. als alle allen
riechen."
!Nerfrcrdtj.
Engländer: .UaS das nur sein! Hab'
ich doch getrunken lauter helleS Bier und
doch sein mir jetzt ganz dunkel vor die
Augen!"