Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 25, 1897, Image 12

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    Postmeisters Lustspiel.
HunwreSke v Wilhelm G c o r g.
Der Postassistent Maz Wernn saß
an dem einzigen ,emk jung
gesellenheimS und schrieb an einem Lust,
spiel. Den Uuiforinrock halb ausge,
,ntt tten Nickelkneifer auf der dito
nen, kühn gebogenen Nase, nippte er ab
und zu an dem GlüSchen Lagerbier, das
neben ihm stand und zupfte dann in
regelmäßigen Zwischenpausen an dem
kleinen Schnurrdärtchen, das, nicht all
zuviel versprechend, über der Oberlippe
fichtbar ward,
in fatale Situation das nach,
dem man sechs Stunden am Schalter
underer Leute Geld in mvsang ge,
,mmmn. den Bauern plausibel ge
macht, daß die Briefinarken nicht unter
dem Selbstkostenpreis aogegcocn
K,n Unntm und manchen Brief gewo
iinti nl8 u sännet bekunden jetzt,
nach des TageS und Mühen, noch den
Pegasus besteigen uno in iieoiicuen w
men ein Lustspielchen zurecht zimmern,
W sollte man eigentlich einem jungen,
25jährigen Beamten am schönsten Tage
im ganzen , an oem oieiueiuiigt,
nen Ersten" nicht zumuthen l Dq
i, fine veut und tt gehorcht.
Und war er eigentlich nicht selbst
daran schuld? sragte er ftch letzt inner
(ich, an seiner Federhalter nagend,
Hatte sich der junge Assistent, der, m
dem kleinen Städtchen als Dichter
längst bekannt, für jede Hochzeit oder
Kindtaufe, die in der oeneren" weu
schuft gefeiert wurde, liebenswürdigst"
die Fabrikation von Geoiazien uver,
nabm, nickt selb die aame Suppe ein,
gebrockt? Freilich, das waren damals
nur harmlose Gedichte, aber diesmal
sollte eS etwas ganz Besonderes weroen,
ein Lustspiel, das auf der Postmeisterin
Geburtstag unter Mitwirkung mehrerer
höherer Töchter vor möglich großem
Auditorium gespielt werden sollte. Er
und Tilli. des Postmeisters Jüngste.
mußten natürlich die Glanznummern
spielen in dem Stück. Gelang eS dem
jungen Verliebten, die Gunst seines
Alten", wie der Postmeister trotz seiner
besten Jahre vom Briefträger bis zum
Assistenten herauf genannt wurde, zu
werben, dann war die Festung ge
stürmt, denn sie" liebte ihn, das Ge
ftändniß hatte er ihr beim Eislauf vor
einigen Wochen erpreßt. Aber wo die
Verse hernehmen und nicht stehlen?
Herrn Werner riß die Geduld. Mit
einem Fluch gab er dem angefangenen
Manuskript einen Stoß, daß eS in die
entfernteste Ecke des ZimmerS direkt in
den Spucknapf' flog und zündete sich
dann mit nervöser Unruhe eine Ciga
rette an. Da pochte eS an die Thür,
die gleich darauf geöffnet wurde, und
pfeifend, die Hände in die weiten
Taschen seines Uniformmantels vergra
ben, erschien sein Kollege Kuhlmann.
Kublmann war, was Phlegma und
Behaglichkeit anbetraf, ein Genie. Kein
Mensch im Städtchen entsann sich,
jemals auf diesem Antlitz eine Zornes
falte gesehen zu haben. Nachdem er
seinen halbverzweifelten Freund und
Kollegen Maz kurz begrüßt, warf er ftch
in den alten Lehnstuhl, das Schmuck
stück der würdigen Wirthin Werners,
daß dieser in allen Fugen krachte, und
sandte seinem Freunde einen halb mit
leidigen, halb schadenfrohen Blick zu, da
er nur allzu gut wußte, was hier die
Uhr geschlagen hatte.
Wieder mal vom Pegasus gefallen
Mäxchen?" meinte Frfy Kuhlmann mit
leisem Spott.
Hilf mir, Fritz, rette mich," ant
wartete der unglückliche Dichter wim
mernd, oder zwei Menschenleben gehen
zu Grunde !"
Statt aller Erwiderung zog Kühl
mann eine Berliner Zeitung aus der
Tasche, deutete auf ein blau angeftriche
neS Inserat und las triumphirend :
Bureau für Eelegenbeitsgedichte,
Gelegenheitsgedichte, Toaste, Luftspiele
für Familienfestlichkeiten werden billigst
und diskret angefertigt von
W. Müller. Schriftsteller.
Mülheimerftr. 12, Hof 2 Treppen.
Werner freute sich wie ein Kind am
WeihnachtStag. FlugS ward die Brief
Mappe auf dem Tisch ausgebreitet und
das Luftspiel in der Fabrik" bestellt.
Fesselnd, in Versen in der Roccocozeit
spielend und nicht über dreißig Minu
ien während also lautete der Bestell
zettel. In dem Postskriptum hieß eS
alSdann noch: Selbstverständlich soll
da Ganze als mein Eigenthum gellen,
weshalb Sie auf dem Umschlag des
Manuskripts meinen Namen notiren
wollen."
Abgemacht," rief Mar erleichtert,
ei lebe die Poesie. eS lebe Tilli !"
ES lebe auch der Dichter, unser
Dichter," ergänzte Äuhlmann und um
seine Mundwinkel zuckte eS eigenthüm
lich. Im Uebrigen kann ich Dir noch
mittheilen, daß auch der Alte etwas für
den Abend zu dichten scheint. Als ich
ihn vorhin aufsuchte, sah ich ein ange
sangeneS Poem auf seinem Schreibtisch
hegen, und mindestens suns Minuten
stand ich an der Thür, ehe er mich nur
bemerkte. Ich mußte erst gar nicht,
was mit dem guten Mann loS war:
mit allerhand Geftikuliren rückte er auf
feinem Stuhl hin und her und rezitirte
dabei:
soll glüx ftllch, Herren und Tarnt all,
Mein Korie sinn nicht leerer sckall.
I, braun mein R nie f onnrrljau
Da erlaubte ich mir die ganz
schüchterne Bemerkung, daß die letzte
Strvrhe wohl nicht ganz korrekt sei.!
den. ich hätte in der Schule Die
Wacht am Rhein" ander gelernt.
Wüthend fuhr er mich an, ob ich mir
erlauben wollte, seine Geiftesprodukte
zu kritisiren? Na, weißt Du, ich hielt eS
für das Gerathenste. mich schleunigst zu
empfehlen. Er will, wie er mir noch
nachrief, mit Dir in Wettbewerb treten
und sein Stück mit dem Deinigen bei
der ersten Leseprobe vortragen lassen."
ES muß sein," sagte Max, couver
tirte alSdann flink den Brief und
steuerte nach wenigen Minuten Arm in
Arm mit Kuhlmann dem rothen
Ochsen" zu.
Juft zur selbigen Stunde hatte auch
der Herr Postmeister da! Dichten satt.
Gar zu gern hätte er seiner lieben Gat
tin die Freude gemacht und den Lor
beerkranz auf'S eigene Haupt gesetzt,
denn diesem jungen, halb verrückten
Maz Werner gönnte ir den Triumph
deS Abends am allerwenigsten, aber der
Pegasus ist nun einmal ein störrisches
Thier, das sich selbst nicht dem Post
mester von Karlsheim fügen will.
Unschlüssig, was er beginnen sollte,
stieg er die Treppe hinab und in den
Briefabfertigungsraum und ließ mecha
nisch die dort für den Abendzug aufge
stapelten Briefe durch die Hände gleiten.
Jetzt hatte er ein plumpeS, viereckiges
Couvert von grauem faserigem Papier
in der Hand, schon wollte er eS wieder
bei Seite legen, als er stutzte. Potz
Tausend, wie hieß es denn da auf der
Adresse: An das Bureau für Gelegen
heitsgedichte in Berlin O., MUHlheimer
ftraße 12, Hof zwei Treppen." Daß
die Handschrift ihm bekannt vorkam
daran dachte er im ersten Moment gar
nicht, für ihn bedeutete diese Adresse bei
nahe so viel wie das Knäuel Garn, das
Anadne ihrem gnechnchen Helden gege,
den, damit er wieder glücklich aus dem
Labyrinth herauskam. In der Freude
seines Herzens rief er ein so lauteS
Heureka!", daß der die Briefe abstem,
pelnde Unterbeamte entsetzt den Stempel
aus der Hand fallen ließ und vergeblich
in seinen 45jährigen Gedächtnißkaften
nachforschte, welche Poftstation der
Alte" wohl damit gemeint haben
könnte. Der glückselige Postmeister aber
zog, nachdem er sich die Adresse auf eine
seiner Manschetten geschrieben, freudig
nach seinem Allerheiligften, und eine
Viertelstunde später lag ein zweiter
Brief an das Bureau fllr Gelegenheits
gedichte" im BriesadsertigungSraum.
ES war richtiges Dezembecwetter ge,
worden. Die Schneeflocken wirbelten
in tollem Reigen durch die Luft und der
Oftivind pnn schneidend und Ichars.
In Postmeisters guter Stube" aber
war es um so molliger, so daß der alte
krummbeinige Teckel, der dicht hinter
dem hohen Porzellanosen lag, vor Be
Hagen gar nicht wußte, wie er sich aus
strecken sollte. Heute sollte die erste
Leseprobe sein und gleichzeitig eine Art
Dlchterkrieg ausgesochten werden; denn
sowohl der Postmeister wie sein Assistent
Werner hatten, wie eS hieß, die wunder
barsten Luftspiele geschrieben also An
Ziehung genug, um die Spannung bei
Allen, die um die Sache wußten, auf'S
Aeußerste wachzurufen. Beide Stücke
sollten direkt hinter einander von dem
Kantor Hunger verlesen werden und der
Redakteur deS ffarlsbeimer Wochen
blSttchens, der gleichzeitig das ehrsame
Gewerbe eines Winkeladvokaten und
NaturarzteS versah, durfte äß Schieds
richtn fungiren. Dieser, Holting mit
Namen, galt in Karlsheim als Kapa
zität, was Kunst und Literatur an
betraf.
Höltmg hatte auf dem Sopha Platz
genommen und musterte mit zufriedenen
Blicken den stattlichen Kreis von Däm
chen und Herrchen, die sich um den run
den Nußbaumtifch gruppirten. Rechts
von ihm laß der Postmeister, IinkZ Maz
Werner, Jeder in der Hand ein Schreib
heft, das einen Umschlag von Rosa
Papier trug, jedes Heft war mit einem
weißen Schildchen versehen, als hätten
beide einen Buchbinder zum Bater;
Jeder hatte auch mit blauer Tinte ge
schrieben, wie auf der ersten Deckelseite
zu sehen war.
Wer von den Herren Versauern
führt da Kind seiner Muse zuerst vor ?"
begann Hölting geziert.
Latten wir da LooZ entscheiden.
meinte Kantor Hunger mit seiner dün
nen, ängstlichen Stimme.
.Adgemccht. scholl eS von der So
phaecke her und gleich darauf flog auch
schon ein Geldnua aus den Tisch, das
über das Schicksal zweier Dichter ent
scheiden sollte. Das Thalerftuck nel auf
die Wappenseite. Max Werner'S Seite
sein Stück hatte den Vorrang, es
sollte also zuerst verlesen werden.
Der err Kantor begann. Seme
Fistelstimme, die manchmal einen krei
sehenden Ansatz zeigte, wie ein schlecht
geschmierteZ Wagenrad, erzählte von
einem jungen Pärchen aus der Roccoco
zeit, einem Schäfer und einer Schäferin,
die sich nicht kriegen konnten, denn er
hatte nichts und sie noch weniger, bis
ihr eines Tages im Walde ein Köhler
begegnete, um ihr eine seltene Pflanze
zu zeigen, die eine große Heilkraft in sich
bergen sollte. Sie brach die wild wach
senden Blumen, trug sie nach der Stadt
und als man deren Heilkraft erkannte,
erhielt sie dasür ungezähltes Geld, und
Reich und Arm wallfahrten gar bald zu
der Schäferin, um dort Heilung zu
suchen für ihre Gebrechen
Mit geönnetem Munde war der Poft
meifter der Vorlesung gefolgt. Ein
Zittern überfiel ihn am ganzen Körper
und die kalten Schweißtropfen rannen
ihm fortwährend von der Stirn, so da
er unaufhörlich sein rothseidene Ta
schentuch benutzen mußte, um sie zu
trocknen.
Träumte er oder wachte er? Das
war ja s e i n Lustspiel, daS der Kantor
aus dem Werner (chen Heste vorlas !, . .
Aber das konnte ja gar nicht sein,
oder sollte gar dieses unglückselige Ber,
liner Bureau auch seinem Assistenten
und Widersacher ein Manuskript auf
Bestellung geliefert haben? Wenn er
seine Arbeit jetzt lesen mußte, kam die
Sache an S Tageslicht, er war lein Dich
ter mehr, sondern ein blamirter Post,
meister und in allen Kneipen lachte man
ihn auS. Furchtbarer Gedanke!
Hunger hatte jetzt geendet., Bravo
Bravissimo!" scholl eS von allen Seiten;
begeistert ward Werner, der jugendliche
Dichter, beglückwünscht. Jetzt sollte deS
Postmeisters Arbeit verlesen werden.
Eben hatte Werner deS Alten Manu
skript in die Hand genommen, um
darin zu blättern, als es ihn wie ein
elektrischer Schlag traf. Alle guten
Geister loben den Herrn," brummte er
mit geheimem Grauen und seine Blicke
schweiften dabei hinüber, wo der Po t,
meister in der peinlichsten Aufregung
saß. Aber schon hatte dieser seine Be,
wegung bemerkt und ihm hastig daS
Heft auS der Hand gerisien.
Lesen, Postmeisterchen, lesen," krähte
jetzt HöUing mit dem Mephistopheles
gesicht und über das blaßgelbe Antlitz
huschte ein verbindlich sein sollendes
Lächeln. Die Anderen stimmten ein,
Der Aufgeforderte aber stotterte
einige Worte von plötzlichem Unwohl,
sein, schob das Manuskript in seine
Brusttasche, da, wo fte am tiefsten war,
und verließ schwankenden Schrittes, ge,
stützt von Tilli, das Zimmer, die Der-
dutzt dreinschauenden Gäste zurück-
lallend.
Am anderen Tage empsing Maz, der
einen moralischen und physischen Jam,
mer von seltener Vehemenz hatte, fol,
gendeS Briefchen von Tilli:
Mein einziger Lieber!
Ich weiß Alles, Papa hat gebeichtet.
Du ha t unrecht an , ihm gebandelt,
allein er verzeiht Dir, da doch nur ein
unglücklicher Zusall die eS Beryängni
heraufbeschworen, natürlich nur unter
der Bedingung, daß Du schweigst,
immer und ewig! Er, sowie Mama
halten eS deshalb für daS Beste, wenn
sie Dir ein Schlößchen vor den Mund
hängen, be er gearbeitet, wie Papa
geno's Schloß. Dieses Schlößchen aber
bin ich! Komm und hole so bald wie
möglich
Deine treue Tilli."
Ein halbes Jahr später war bei Post,
meisterS Hochzeit. DaS Bureau für
Gelegenheitsgedichte in Berlin O aber
hat an jenem Tage gleichzeitig zwei
Kunden wieder verloren, und in Karls
heim herrscht Verlegenheit um einen
neuen Lokalpoeten. Bewerber mit
guten Zeugnissen können sich jederzeit
melden.
Die liebe ZNama.
Erzählung von Anna Leyiiert.
Nu erschrecken Se man nich, jnä'
grau, Jyr Mäzeien 13 m n feee le
fallen!"
Die Angeredete, eine blühende junge
Frau, erhob sich schlaftrunken von der
Chaiselongue, auf welche fte sich zu
kurzem Nachmittagsschlummer nieder
gelegt, und starrte der Portierfrau, der
rücksichtslosenUnglücksperson, ungläubig
in das verarbeitete Gesicht.
Zugleich fühlte sie, daß ein lähmen
deS Entsetzen sie an jeder weiteren Be
wegung hindere.
Wie, erschrecken sollte fte nicht, wo eS
sich um ihr Kleinod, ihr einziges adgöt
tisch geliebtes Kind handelte?
Ich will ja Nichts gesagt haben,
aber ich meine doch, jnä' Frau waren
manchmal zu streng mit dem armen
Jungen. "
Martya (Stirnen hob die schönen,
sprechenden Augen, die auch ihr Kind
besaß, in flehender Bitte zu der vor ihr
Stehenden empor.
Diese hatte die stumme Frage wohl
verstanden. Schnell senkte sie den
Blick. Martha sah aber doch die
Thräne, die ihr verborgen bleiben
sollte. Jetzt erst war eS ihr, als habe
sie einen tödtlichen Schlag erhalten.
Ein schmerzhaftes Aechzen entrang sich
ihrer gemarterten Bruft.
Da is nichts mehr zu machen, jnä'
Frau," murmelte die Andere unbe
halfen, was dot is, das is dot, un das
Grad jiebt Keinen wieder heraus!"
Martya n sich jag empor.
Hülse, Rettung für mein Kind!"
wollte sie rufen, aber der Ton blieb ihr
m der Kehle Necken; mit einem unter
drückten Ausschrei sank sie auf daS
Rubebett zurück, denn soeben wurde
die Thür aufgerissen, und vom Flur
herüber tönten schwere Schritte.
Wie im Krampf wand sich ihr Körper
und doch öffnete sie weit die Augen und
ihr Blick schien ftch festzusaugen an dem
todtbleichen Antlitz ihres Kindes, dessen
Köpfchen auf dem Arm deS ToktorS
ruhte, der soeben das Zimmer betrat.
Sin matteS Lächeln irrte um
Martha'S Mund. Wie gut. daß der
Doktor, ein Freund ihre Mannes, mit
ihnen dieselbe Villa in der Sommer
frische bewohnte ohne seine Hülfe
oh das Furchtbare ist nicht ausm.
denken er wird den Knaben retten
Ta löst sich ihr Blick von dem lilien
haft weißen Antlitz ihres Kindes und
hcftct an deS ToktorS fliiaen.l I
Diese sind ernst und verschlossen.
Um so vernichtender treffen sie seine
trostlosen Worte. Sie faltet wie in
Todesangst die Hände: O, mein Gott,
mein Gott, nimm mir nicht mein
Kind!" So betet fte verzweiflungsvoll in
Gedanken, über die bebenden Lippen
zwingt fte kein einziges Wort.
Und dann sieht sie, wie der Arzt den
Körper des Kindes auf den Tisch legt,
wie er mit scharfer Scheere die wasser
getränkte Kleidung zerschneidet, das rei
zende, mit buntseidener Borte bestickte
Röckchen, an welchem sie eine volle
Woche mit ach, so frohen, Hoffnung?
reichen Empfindungen gearbeitet.
Noch einige bange Augenblicke, und
der kleine Leib ist endlich von der nassen,
kältenden Kleidung befreit. Jetzt be
ginnt die schwere, verantwortungsvolle
Arbeit deS ArzteS der Wiederbele.
biingsdersuch.
Martha verfolgt AlleS mit fieberhaft
gespanntem Blick, und während der
Doktor immer von Neuem auf ein
Lebenszeichen des Ertrunkenen lauscht,
leidet fte unsägliche Qualen.
Es bedarf nicht erst noch der weni
gen, feierlichen Worte deS ernsten Man
nes, die ihr den Tod deS Lieblings klln
den, seit Minuten weiß fte bereits, daß
sie ihr süßeS Glück verloren.
Sie sieht es an dem langgestreckten
Körper ihres Knaben. Wie seltsam die
Glieder sich bereits verändert haben,
auch auf dem weißen, plötzlich so schmal
gewordenen Gesichtchen thront die herbe
Majestät des Todes.
Und da ist eS plötzlich, als dehne ftch
eine unendlich weite, öde Fläche vor
Martha's innerem Blick aus, Alles leer
und kalt um sie her, ein unbeschreib
liches Grauen schüttelt fte.
O, furchtbares Geschick! Vor einer
halben Stunde noch hielt sie ihr Kind
lebensfrisch in den Armen bei dieser
Erinnerung ist es der jungen Frau
plötzlich, als wachse ein ungeahntes
Etwas in ihr empor, als brenne sich
ein tödtlicher Schmerz in ihrem Herzen
fest
Hat sie denn zuletzt ihren herzigen
Jungen liebkosend im Arm gehalten,
sich mütterlich an seinem Kindesüber
muth erfreuend?
O nein, nein o grausames Ver
hängniß, das ihr nun nicht mehr ge
stattete, gut zu machen, was sie in un
verzeihlichem Mißmuth und kleinlicher
Ungeduld verfehlt I
Miixchen war unartig gewesen. Er
hatte an einer feinen Decke, welche
Mama mit bunten Arabesken verzierte,
weiter gearbeitet" und dadurch den
kostbaren Stoff arg mitgenommen, so
wie die durch leise Umrisse angedeuteten
Figuren zum Theil beschädigt, der
Mama also, anstatt zu helfen, wie er
meinte, eine recht unliebsame Ueber,
raschung bereitet.
Mama hatte es sich in den Kopf ae,
setzt, die Decke noch am selbigen Tage
fertig zu machen, und in ihrem Unwil
len über die Verzögerung hatte sie sich
hinreißen lassen, ihren Jungen sehr
yan zu zuqtigen.
Fast ungeheuerlich erschien eS ihr
nun, daß sie das vierjährige Kind so
arg genrast hatte, und noch jetzt tönt
ihr daS jämmerliche Geschrei des Klei
nen in den Ohren.... Unerbittlich
hart war fte mit dem Knaben versah
ren, denn durch die Schläge, welche sie
austheilte, war ihr Blut mehr und
mehr in Wallung gerathen, und sie
hörte nicht eher auf, bis sie der Arm
schmerzte, bis das Geschrei des Knaben
in einem konvulsivischen Schluchzen er
stickte !"
So war es heute gewesen, aber leider
auch oft genug vor dem !
Und trotzdem der kleine Sünder
schließlich reuevoll um einen Kuß bat,
hatte sie ihm diesen mit harten Worten
versagt.
Freilich, alsbald that es ihr leid, da
sie sich wieder zu einer so exemplarischen
Bestrafung hatte fortreißen laffen, und
unter Selbstvorwürfen und mit dem
Vorsatze, den Kleinen später für die er
littenen Schmerzen reichlich zu entschädi
gen, schlief sie ein.
Mit diesen übertriebenen LiebeSbe
theuerungen aber fehlte sie noch weit
mehr, und ihre Küsse mochten Märchen
ebenso viel Qual bedeuten, wie die
schweren Strafen, welche er zu dulden
hatte.
TüS kam der Bedauernswerthen erst
jetzt zum Bewußtsein, während ihr klar
die einzelnen Scenen vor die Seele tra
ten. Ein unbeschreiblicher Kampf mar,
terte ihn Bruft, aber die Reue um be
gangenes, nicht zu sühnendes. Unrecht
kam zu spat I
Diese Reue aber bohrte ftch wie glü,
hendeS Eisen ein in ihr Inneres. Wie
sollte fte weiter leben, jeden Augenblick
versolgt von den schmerzlich anklagenden
Blicken deS Verlornen Lieblings?
In seldflauülerischer Grübelei suchte
sie zu erforschen, aus welche Weise das
Kind, das sie wohl gehütet glaubte,
allein an den See gelangt sein könne.
Sollte daS kleine Herz so verzweifelt
gewesen sein, daß eS sich scheute, jemals
wieder unter die Augen der gestrengen
Mama zn treten.
WaS Martha in diesen Minuten litt,
als ihr die Vermuthung auftauchte, ihr
Knabe könne in Folge ihrer Grausam
keilen den Tod gesucht haben, das wiegt
den Schmerz eine ganzen Menschen
ledenZ auf.
Ancftverwirr schweift ihr Blick hin
über zu der kleinen Leicht ; kann nicht
ein Wund geschehen, um den stillen
Schläfer zu neuem Leben zu erwecken?
Soll sie eS ein langes Leben hindurch
&.JijZifJI?S&
büßen, daß sie gefehlt, wo sie doch so
unbeschreiblich geliebt? I
Sie befindet sich jetzt allein in dem
Zimmer, der Doktor hat eS mit der
Fran schweigend verlassen.
Scheu wie eine Verbrechen erhebt
sich Martha, sie schwankt, aber dann ist
sie doch an den Tisch getreten, auf wel
chem, nur mit einem Tuch bedeckt, die
kleine Leiche ruht.
Sie will ftch überzeugen, ob sie ihr
Kind in Wirklichkeit so hart behandelt,
wie die krankhaft erregte Phantasie eS
ihr jetzt ausmalt.
Durch die eigene Schwester wurde die
Bäuerin mit Mann und Kindern vom
Hofe getrieben. Vor wenigen Monaten
wurde dem Hänsele sein Gut, und
Alles, was dazu gehört, versteigert.
Um ein Dritttheil des Schätzwertes
ging es weg.
In alten Märchen kommt nun zu
braven Bauern, wenn sie so recht in der
Tinte sitzen wie der arme Hänsele, ent,
weder eine gute Fee oder ein Zauberer.
Feen giebt's heutzutage nicht mehr,
aber Tirol hat ictzt einen großen, hilf,
reichen Zauberer und der heißt: Frem,
denverkehr. Der Kurort Erics lockt
viele Gesunde und Kranke an, die Um,
gebung von Bozen aber flihrt zahlreiche
Touristen hinab in da? gesegnete Süd,
Tirol, und diesem Zauderer nun
haben auch der Hänsele und seine armen
kleinen Buben und Gitsch n" ihr neue!
Glück zu verdanken. Kam da vor ein!
gen Wochen ein recht reicher, alter Herr
von Schlesien herab, wo er große
Fabriken besitzt. Der wollte ftch eden
falls an den herrlichen Tiroler Bergen
und ihrer würzigen Luft erfreuen, und
so stieg er auch einmal hinauf zum
Burgfrieden von Wangen und kam in
das kleine Haus, wo der Hanfele eben
sein Bündel schnürte. Ein Wort gab
das andere, und so hatte er denn gar
bald den ganzen Jammer erfahren.
Tieferschüttert hörte der alte Herr zu
und in seinem guten Herzen keimte ein
edler, großherziger Plan. Er selbst ist
kinderlos, sieht ganz allein auf der wei
ten Welt und freut ftch nur, wenn er so
recht vom Herzen wohl thun kann.
Also war's ihm denn auch sofort klar,
daß da geholfen werden müsse. Was
aber konnte einfacher sein, als das Gut
wieder anzukaufen und den armen Leu
ten damit Haus und Familienleben zu
retten? Und so geschieht's!
Mit Hilfe einer wackeren Bozener
Bürgersfrau wird die Sache zurecht ge
macht. Sie kauft im Auftrage Jenes
das Gut. Und jetzt wird es auf den
ältesten Sohn, der sich schon als Knecht
hat verdingen müssen, übertragen
und dem alten Hänsele wird's wohl
Jeder gönnen, wenn er vor Freude
etwas tiiser in die LepS" Kanne
steigt....
Ein Srsinder um jeden Preis.
JameS Watt, der große Schöpfer der
Dampfmaschine und Dußender von an
deren technischen Neuerungen, dessen
Talent Humphry Davy eines TageS
zu dem AuSspruch hinriß: Man be
stellt bei Watt Erfindungen, wie man
beim Schneider einen Rock bestellt!"
dieses Genie des Erfinders beschränkte
seine schöpferische Gabe keineswegs auf
die Technik. Er war vielmehr ein so
gewandter und hinreißender Geschichten
Erfinder und Erzähler, wie nur einer
je auf englischem Boden gefunden
wurde. Eine Freundin seiner Mutter,
bei der er als Jüngling einmal zu Be
such weilte, erzählte, daß JameS' Unter
Haltungen und phantastische Geschichten,
die er Abend für Abend im Kreise die
ser begründeten Familie vortragen
mußte, bald daS ganze HauS in einen
Zustand von Erregung und Schlaf
losigkeit versetzten. Man lauschte dem
Erzählir Stunde für Stunde, ohne S
zu merken, ließ die halbe Nacht auf
diese Weise verstreichen und war dann
für den Rest derselben zu aufgeregt.
um Ruhe zu finden. Watt behielt diese
Gabe deS FabulierenS bis in sein Grei
senalter, und wäre er nicht ein so großer
Ingenieur gewesen, er wäre gewiß ein
Romandichter von Ruf geworden. Wie
Walter Scott mittheilte, passirte dem
82jährigen Watt noch folgende heitere
Geschichte. Er hatte wieder einmal eine
Tafelrunde durch eine seiner leben!
wahren und nur zu wahrscheinlicher
fundenen Erzählungen in Verwunde
rung gesetzt, als einer seiner Zuhörer,
was für gewöhnlich Niemand wagte,
schüchtern bemerkte: Sollten Sie uns
da dielleicht eine von Ihnen erfundene
Geschichte erzählm?" Dieser Zwei
sei setzt mich in Erstaunen." erwiderte
lächelnd Watt, ich habe ja seit zwanzig
Jahren nichts anderes gethan, wenn ich
das Glück hatte, die Abende mit Ihnen
zuzubringen.
Ein aufmerksamer (Sitte .
Er (zum Kellner): A gutes Bier
möcht ich haben und etwas zum Ellen.
Haft Du auch Hunger, Karoline?"
Sie: Ja."
Er: Tann bringen'! blos a Bier!"
Darum!
Vater (fein Söhnchen spät auf der
Strofze treffend): Was treibst denn
Tu Tich so spät hier herum? Tu gehst
obl auch schon in die Kneipe?"
Sohn: Ja wohl Mutter bat
mich, ich soll Tich holen."
Abaebliyt.
Wie mag nur Ihn Nase so roth
geworden kein?"
Au? Scham über die dielen nase
weisen Menschen auf der Erd!"
Abgeblitzt.
Geck: Mein Fräulein, was würden
Sie mir antworten, wenn ich Ihnen
mein Herz zu Füßen legte?"
Dame: Ich würde Ihnen rathen,
Ihr Herz in den Korb zu thun, den ich
Ihnen geben würde."
3Iii5 junger (Ehe.
Mann: Es ist mir unmöglich, wei
ter zu essen, liebe Fanny; ich Hab' ein
Haar im Gemüse gesunden!"
Frau: DaS ist jedenfalls eins mei
ner Haare, lieber Emil, das bei'! K
chen hineingefallen ist. Du versicherst
mir röglich. Du könntest mich aus
Liebe aufessen und nun verdirbt Dir
schon ein Haar von mir den Appetit!"
Der Man ohne Kops.
Frau: Aber, lieber Mann, woran
denkst Du denn? Hältst ja Deinen
Schirm geschlossen, trotzdem eS in Strö
men regnet."
Professor: Hm, sehr sonderbar, ich
war die ganze Zeit in dem Glauben,
daß ich ihn vergessen Hütte!"
Erklärung.
A. : Wie kommt das nur? Ihr
Bart ist ganz schwarz und Ihr Haar ist
schon vollständig weißl"
B. : DaS ist ganz natürlich ! Das
Haar ist ja auch schon fünfundzwanzig
Jahre älter!"
Ausrede.
Herr (zum Haufirer): Die Uhr. die
Sie mir verkauften, ist , miserabel!
Zehn Stunden geht sie gut, dann bleibt
sie aber ftehen!"
Hauftrer: Na, wenn Sie zehn Stun
den gehn, werden Sie auch a bissel aus
ruh'n wollen!"
Zrech.
Baron: Sie bekommen nichts,
sind noch zu jung und können
arbeiten!"
Sie
noch
Bettler: Haben Sie gearbeitet, Herr
Baron, als Sie jung waren?"
Anstandshalber.
Gattin: So kommst Du heim, Du
bist ja total betrunken!"
Gatte: Ja. weißt Tu, Alte, heut'
hatten wir in unserem Verein ein klei
nes Stiftungsfest, und da muß ich eS
doch anstandshalber sein!"
Appetitlich,
Tourist: Sie, Herr Wirth,
das
iicener ,chne,et aber miserabel!"
Plauschen S' nicht, ich hab mir ge,
stern Abend noch die Hühneraugen da,
mit g'schnitten."
Lr weiß sich zu helfen.
Patient: Herr Doktor, Sie sagten
mir neulich, eine einzige Flasche Wein
könnte mein Tod sein, und gestern hab'
ich mit meinem Freund sechse aetrunken
und bin heute gesund! Wie kommt denn
das?"
Doktor: Das ist sebr einfach! Da
war halt gerade die, welche Sie hätte
tödten können, nicht dabei."
Na ja!
Lieutenant (der in einem Stück fiebt.
wie ein Lieutenant einen Korb kriegt):
Na. hätte blos ich auf der Bühne sein
sollen!"
pari.
l'iast: Sie, Kellner, wenn man an
der Wurst riecht, wird einem ordentlich
schlecht!"
Kellner: Die Wurst ist aber nicht
zum Riechen da, fondern zum Essen!"
Sin prompter Schuldner.
Oberst: Ist das Darlehn getilgt,
welches Sie bei dem Banquier Gold
beiger aufgenommen hatten?"
Lieutenant: ..Selbstverständlich; die
fünizigtausend Mark habe ich ja schon
nach vier Monaten wieder abgehe!
rathet!"
Er weiß es.
A. : Wie kommt eS. daß Graf
Pumpwitz nicht mehr im Klub er
scheint?"
B. : Wie ich hörte, soll er krank sein.
Das alte Nervenleiden hat ftch wieder
eingestellt."
A.: Aeh, versteh' schon, der.nervus
rsruW'!"
In der ?ckule.
Lehrer: In welchen Meeren lebt
wohl der Tintenfisch weifet SV
Karl?"
Der kleine Karl: Im schwarzen
Meer."
Aus der Rolle getan.
Professor Tiftelmeier inftruirt seinen
kleinen Neffen Maz: Wenn Herr
Ouaffelmeier kommen sollte, so sagst
Tu, ich wäre nicht zu Hause."
Nach geraumer Zeit kommt Herr
Ouaffelmeier. Ontel ist nicht zu
Hause." schreit Maz schon von weitem
dem Besuch entgegen.
So." meint dieser, wann wird er
denn wiederkommen?"
Ta ruft Maz in'Z Zimmer hinein
Tu. Onkel, wann wirst Tu beim
kommen?"
v,e bötne Z.
Schugermeifterin ,,um Katiens:
Ader. Paul, warum prügelst Tu denn
heute unseren Lehrbuden fortwähren!?'
Na. waßt's net! Ter lernt heute
den letzten Tag. morgen wird er lo?e
sprechen, und da muß ich'! doch noch
ausnützen!"