wie ich Schiffsarzt wurde. Humoriflischk Erzählung von G. Scheller. Ali ich mein Dottor.Examen beftan den ti war vor etwa zwanzig Jahren niste ich nach New Z)ork, um einen lieben Verwandten zu besuchen, welcher eine ausgedehnte PraziZ besaß und mich als Partner haben wollte. Die Geschichte, die ich jetzt erzählen will, ward die Veranlassung dazu, ah ich mein Leben lang Schiffsarzt blieb. Ich hatte von jeher eine große Neigung zum Weifen lenen, ,o ronnre uo , bei meinem Beruf derselben in weitestem Maaße nachhangen. Eines Abends aina ich allein aus Ich besuchte ein Theater, in welchem nicht aerade die beste Gesell cha t vw kehrte, und dann in ein eben solches eftaurant, wo ich mein Abendessen einnahm. Ausgerüstet mit einem derben Stock und einem gesunden, kräftigen Kdrver mit breiten Schultern, in gehöriger m kenntniß der Gegend und der Leute, schritt ich dabin, unbekümmert darum, in welche Straße ich einbog, da ich mich recht unternehmungslufllg suhlte. fei aerietb ich bald in die berüchtiaste Ge, gend von New York. Ich entftnne mich nur noch schwach, daß ich in einer Hafenschönke mit einem robusten Mann an einem Tische saß und mich mit ihm m eine Unterhaltung einlie; serner, daß ich ein Glas Grog trank. Wai sonst noch an jenem Abend stattfand, weiß ich nicht mehr. Als ich erwachte beiläufig bemerkt, muß ich länger als vierundzwanzig Stunden geschlafen haben war es stockfinster um mich her. Wo ich mich befand, davon hatte ich keine Ahnung Das aber wußte ich. daß ich mich furcht, bar elend fühlte. Dabei verspürte ich -em seltsames Schaukeln und Schwin, gen. Ich begann an meiner eigenen Identität zu zweifeln. Ueberdies, wenn ich wirklich ich selber war, dann hätte ich Uhr und Kette bei mir haben müssen, Das war aber nicht der Fall. Und ferner, die Kleider, die ich auf dem Leibe hatte, gehörten mir auch nicht, Ich betastete meinen Körper und fand, daß dieselben aus rauhem, grobem Stoff waren. Als ich die and aus streckte, sühlte ich eine Holzwand an der Seite, und als ich mich erheben wollte, stieß ich ziemlich derb gegen irgend einen übn mir hängenden Gegenstand und fiel zurück. Eine seltsame Ahnung überkam mich jetzt.' Mein feiner Geruch that das Uedrige. Ich war auf See, an Bord irgend eines Schiffes. Gleich darauf vernahm ich acht Glockenschläge. Ich wußte, daß dies ein auf den Schiffen übliches Signal fei, welches Ablösung der Wache bedeutete. Zu gleicher Zeit brüllte ein Mann mit wahrer Donnerstimme in meiner Nähe : ,He, aufgestanden, Ihr faulen Jungen I" Dabei hing er eine düster scheinende, übelriechende Lampe an einen Haken. Ich sah bei deren Schein, daß ich mich in einem Schiffsraum be fand. In demselben Moment sah ich über meinem Kops erst ein Bein, dann zwei baumeln, denen gar bald der Kör per folgte. ES war ein Matrose, wel eher aus seiner Hängematte kletterte Diesem folgten mehrere Andere, die sich Alle in demselben Raume befanden. Ist der neue Maat noch nicht zur Besinnung gekommen?" ertönte da plötzlich eine rauhe Stimme. .Wenn er jetzt nicht aus seiner Be wußtlostgkeit erwacht ist, dann wird er wohl überhaupt todt sein," antwortete ein Anderer, indem er mich bei der Schulter packte und heftig schüttelte, Ich richtete mich in die Höhe. .Wo bin ich?' .Na, wo sonst als auf See!" sagte ine alte Theerjacke, die eine Pfeife im Munde hielt. .Aber machen Sie schnell, Sie gehören zu der Wache, die nachher anzutreten hat. Hoffentlich flnd Sie ebenso tüchtig, wie Sie lang sind." Ich bin kein Seemann. Wie kam ich denn eigentlich hierher?" fragte ich in höchster Bestürzung. Wie Sie hierherkamen? Sie wur den an Bord gebracht. Ihr Freund brachte Sie her, weil er wußte, daß wir in See gingen." .Ich wünsche den Kapitän zu spre chen." .Steward ! Schicken Sie 'mal sofort den Kapitän hierher!" sagte der Alte mit grinsendem Gesicht, worauf die sämmtlichen Umstehenden in ein zwerch fellerschütternde Lachen auSdrachen. Dann begab sich die ganze Wache auf Deck; ich folgte ihnen. Die Nacht war rabenschwarz, dennoch konnte ich sehen, daß sämmtliche Segel gerefft waren. Mir war ganz jömmer lich zu Muthe. Ich war schläfrig, mein Kopf brannte wie Feuer. Ich sah. wie sich die neue Wache am Hütten deck aufstellte, und nun wurden die Namen aufgerufen. Auf jeden dersel den folgte ein lautes Hier !" Jetzt wurde d Name .Ernst Con rad" gerufen. Keine Antwort erfolgte. .Ist er denn noch nicht nüchtern?" hörte ich eine Stimme fragen. .Er ist vorhin aufgeweckt worden," antwortete eine andere. ' .Wo ist n denn also?" .Geh', hole ihn. Wilhelm '." meinte Einer au der Gruppe. Der gute, alte Seebär, der mir vor her meine Fragen beantwortete kam aus mich zu. .Sind Sie's. Konrad?" fragte er. antwor .Ich heiße nicht Konrad, tete ich. Na, na, Sie find immer noch nicht nüchtern, mein Junge. Sie heißen Kon rad ich habe ja Ihren Paß gesehen. Kommen Sie nur mit!" .Ernst Konrad!" rief die laute Stimme nochmals vom Hüttendeck her. ?!cb antwortete aber nicht. Hier ist er." erklärte da plötzlich mein neuer Freund. Ich bin'S nicht!" erklärte ich ent rüstet. ..Ich heiße nicht Konrad!" Was soll das heißen?" fragte der wachthabende Offizier in scharfem Tone, Ich bin kein Seemann! Ich begreife überhaupt nicht, wie iffl hierher kam. versetzte ich. Ich bin Arzt und wünsche an Land gebracht zu werden." Unter der versammelten Mannschaft entstand ein unterdrücktes Lachen. .Der ist aller Wahrscheinlichkeit nach den Strandwerbern in die Hände ge fallen," meinte der Alte bedeutsam. An Land kommen Sie jedenfalls nicht eher, bevor wir nicht Sidney er reicht haben, sagte der Steuermann. ..Wenn es wahr ist. was Sie sagen. dann hätten Sie sich nicht so schwer be rauschen sollen. Hier find Sie Matrose und bleiben eS!" Die wahre Situation, in der ich mich befand, wurde mir von Sekunde zu Sekunde klarer. Ich wurde wüthend. Ich widerhole Ihnen, daß ich kein bemann, sondern ein Arzt bin. Mein Name ist Dr. Bergmann. Ich muß den Kapitän sprechen." Bedaure lehr. Ihretwegen den m pitän nicht wecken zu können," erwiderte der Steuermann ironisch. Morgen früh können Sie ihn sprechen, eher nicht." Wieder wollte ich empört auffahren, als mich der Alte beim Arm faßte und mir freundlich zuraunte: achte, achte, mein Junge! Bringen Sie den Mann nicht in Zorn, sonst geht eS Ihnen schlecht. WaS Sie auch sein mögen Sie sind hier aus unserm Schiff als Matrose und müssen drei Monate da bleiben. Wenn Sie sich hübsch ruhig verhalten und Ihre Arbeit thun, wird für Sie gar nicht so schlimm sein. Ich war so wüthend, daß ich am Heb, ften über Bord gesprungen wäre. Was mußten meine Verwandten denken Sicherlich hielten sie mich schon für todt, ES war ganz fürchterlich. Sie sind wirtlich einem strandwev der in die Hände gefallen, sagte ein an, derer Matrose zu mir: denn sie sahen ja schließlich alle an meinem Gang und an meinen Manieren, daß ich kern See, mann sei. Zch zeigte ihnen meine Hände. Die werden schon bald hart und braun werden," meinte eine dicke See, ratte. Später erfuhr ich, daß die Seeleute unter Strandwerbern" solche Männer verstanden, welche einen jeden Mann, der sich in einem gewissen berüchtigten Theile New Jork betrunken machen läßt, als Matrosen auf irgend ein Schiff !chleppen. Um ihrer Sache ganz sicher zu gehen, schütten sie stets in das letzte Glas, da ihr Opser trinit, ein beläu bendes Pulver. Ja, nun verstand ich alles. Da ich einsah, daß mir weiter gar nichts übrig blieb, fügte ich mich in das Unvermeidliche, bis ich den Kapitän prechen könnte. Um acht Uhr am andern Morgen sah ich den Kapitän auf der Kommando brücke stehen. Kurz entschlossen ging ich aus ihn zu. Wer. zum Kukuk, find sie eigen!, lich," fuhr er mich an. Mein Name ist Bergmann. Ich bin Arzt und wurde gestern unter merk, würdigen Umständen an Bord Ihres chlfteS bracht. Ich bin betäubt worden." Verwundert starrte er mich an. dann lachte er laut auf: WaS wollen Sie sein?" fragte er ironisch. ..Arzt I" Der Kapitän maß mich vom Kopf bis zu den Fußen. Verrückt find Sie!" fuhr er los. Sie sind Ernst Konrad, Matrose, 25 Jahre alt und zu drei Monaten Schiffs dienst auf meiner .Viktoria" verpflichtet. Verstanden? Nun gehen Sie an die Ar beit! Vorwärts bafta!" Am liebsten hätte ich ihn zu Soden geschlagen. Wa sollte ich nun thun ? Ich schmieg eine Weile, dann sagte ich : Ich habe ia aber keine Ahnung, wa für Pflichten ich hier ,u erfüllen habe. Ich sage Ihnen, ich bin Arzt." Und ich sage Dir. mein ?lunae. Du bist ein Matrose. Nun vorwärts. marsch!" HeimlicheVerwünschungen murmelnd. ging ich davon. Ha, wenn ich mich hätte rächen könne I Unterwegs rannte ich mit dem alten Seemann zusammen. Holla, Konrad, mein Junge! Hören Sie mich an. Ich sehe es Ihnen an. daß Sie kein Matrose sind. Seien Sie vernünstig, machen Sie gute Miene zum bösen Spiel. Unter drei Monaten kommen Sie nicht fort von hier. Geben Sie sich Mühe, dann wird schon alles gut gehen." Der Alte hatte recht. Ich schluckte als meine Wuth hinunter und that, wa man von mir verlangte. Es war eine an, gute Schule für mich. Das in den Maftkord klettern und Ausschau halten fiel mir allerding zuerst recht 'chwer aber auch das ließ sich erlerne. Mit einige meiner Kameraden gerieth ich in Streit, zeigte ihnen jedoch bald und handgreiflich, daß ich e ruhig mit dem Kräftigsten ausnehmen könne. Fortan hatte ich Ruhe. Meine Revanche sür die Mißachtung meiner Person und meines Beruses sollte ich früher erhalten, al ich erwar tet hatte. Eines Tage? kam der erste Steuer mann zu mir und sagte: Wenn Sie wirklich Arzt find, dann können Sie es heute beweisen. Der Kapitän ist aus der Treppe ausgerutscht und hinuntergesallen. Mit seinem Bein ist irgend etwas nicht in Ordnung. Er kann ftch nicht rühren." Ich bin hier als Matrose angestellt, nicht als Arzt," gab ich trotzig zurück. Ich beziehe Lohn als Matrose, muß die Arbeiten eine? solchen verrichten, werde als solcher behandelt." Unsinn I" sagte er. .Machen Sie schnell und kommen Sie an Deck I" Befehl war Befehl, das mußte ich nur zu gut. Ich folgte ihm also. Der Kapitän lag am Fuß der Treppe. Hier, sehen Sie nach meinem Bein, wenn Sie ein Arzt find," sagte er übel launig. Ich errieth sosort, daß er das Bein nicht gebrochen hatte, sonst hätte es anders gelegen. Ich bitte um Ent chuldlgung," der, setzte ich höflich, aber Sie sagten doch selbst, ich sei hier kein Arzt, fondern ein einfacher Matrose." Was soll das heiken s" fuhr er mich an, während nch sein Genql iqmerziia, verzog. Sie find das, was ich Ihnen befehle. Jetzt sind Sie Arzt damit punitum !" Sie sagten, ich sei Matrose, und Matrose bin ich hier, weiter nichts !" be harrte ich widerspenstig. Es sei denn, daß Sie mir eine Bescheinigung geben, daß ich in der That Arzt bin !" Machen Sie keinen Unfinn! Sehen Sie nicht, daß ich von heftigen Schmer zen gequält werde?" Auch ich habe Schmerzen genug aus gestanden während der letzten vier Wochen," entgegnete ich festen Tones. Glauben Sie nicht, daß eS Unmensch lich grausam ist, einen Mann, wie ich es bin, so vor fich selber und anderen zu erniedrigen? Nein, ich bin und bleibe hier nichts weiter als Matrose I" Der Steuermann trat auf mich zu. Kommen Sie, Konrad, helfen Sie dem Kapitän !" Und ich soll fernerhin so leben, wie früher?" Natürlich!" Für welches Honorar?" Na, für dasselbe, was Sie jetzt be ziehen," sagte der Kapitän. Ich schüttelte mit dem Kopf. Das geht gegen die Würde eines Arztes," entgegnete ich. Ich will Ihnen dreißig Dollars monatlich geben," bot der Kapitän. Unter hundert Dollars thue ich es nicht," beharrte ich kühl. Der Kapitän tobte und stöhnte dabei. DaS kann ich nicht geben," knirschte er. Dann bleibe ich eben ein einfacher Seemann." ' Ich schieße Sie einfach über den Haufen, Mann!" brüllte er. Doch in demselben Moment hielt er inne und verzog wieder das Geficht vor Schmerz. Fünfzig Tollars sollen Sie haben." sagte er dann etwas kleinlaut. Ich blieb aber standhaft, und schließ- ling ging er bis aus fllnsundftebzig Dollars. Tann stöhnte er wieder laut, ob vor Schmerz oder wegen des Geldes, weiß ich nicht. Gehen Sie noch fünfundzwanzig höher, Kapitän," sagte ich. Tann helfe ich Ihnen !" Gut, ich willige ein." So stellen Sie mir die Bescheini gung aus, daß Sie mich als Arzt mit hundert Dollars monatlich engagiren. fern dringen feie mein Bein in Ordnung." Bevor ich das Zeugniß nicht in Hän- den habe, weiß ich nicht, wer und was ich bin," beharrte ich. Fünf Minuten später hatte ich das, selbe. Sofort änderte ich mein Wesen und untersuchte ihn. Es ist, wie ich dachte, Kapitän, nur die Hüfte ist ausgerenkt, nichts ge- brochen. Herr Schmidt" das war der Steuermann ich bitte um einige Handtücher! Und senden Sie mir ein paar kräftige Männer mit einem dicken Tau." Guter Gott, was wollen Sie da- mit?" fragte der Kapitän. Das sollen Sie gleich sehen. Herr Kapitän", erwiderte ich. Dann legte ch ihn neben die Strickleiter des Hinter decks und befestigte das Tau um fein Bein und feinen Fuß. Er war in höchster Angst, sprach aber kein Wort, sondern sah mit schreckerfüll ten Augen meinem Beginnen zu. Das eloe thaten die anderen. Sie find ein starker Mann. Herr Kapitän. Ihre Muskeln können schon etwas vertragen. Hier, Leute, halt das Tau oben scft ein ! Die Matrosen thaten, was ich sie hS. .Nun ganz fest geschnürt oben und langsam hinaufgezogen ! In zwei Minuten war die Hüfte wie der vollständig in Ordnung. .Losgelassen!" rief ich. Die Operation war zu Ende. Ich band den Gequälten los und sagte freundlich zu ihm: .Nun ein paar Stunden Ruhe. Herr Kapitän; darauf ein paar Einrei bangen, dann wird wieder alles in Ordnung sein!" Die einzige Antwort, die ich erhielt, war ein wüthender, giftiger Blick aus leinen zornigen Augen. Ich ging ruhig und kaltblütig in eine der besten Kajüten und ließ mich dort behaglich nieder. Beim Abendessen schloffen der Kapi tön und ich Freundschaft. Sie sind ein verwünscht kluger Kerl." sagte er zu mir. Haben Sie jemals so etwas durch gemacht, wie ich?" gab ich ruhig zurück. Er sah ein, daß es abscheulich war, einen gebildeten Menschen so behandelt zu haben, und fortan standen wir aus dem besten Fuße miteinander. Nie in meinem Leben habe ich wieoer eine so vergnügte Seefahrt gehabt, wie die während der letzten Wochen auf der Viltoria". Die Aventiure des Tobias. Humoreske von R. Pohl, Herr Suldner fuhr Dritter" von Bozen nach Meran. In diesem freund- lichen Kurorte nährte sich Herr Sul dener recht und gut von dem Ertrage einer .Selcherei" und dem flotten Han del mit Würsten. Er war Junggeselle geblieben; weniger aus Abneigung gegen die Ehe, als aus einer gewissen Schiich- ternheit im Verkehre mit dem schöneren Geschlecht. Es wurde deshalb auch im Stadtbräu", wo er allabendlich am Stammtische mit seinen Freunden und Kneipgenossen zusammenkam, weidlich gehänselt. Alle diese Witze prallten scheinbar an dem Gleichmuthe des Angegriffenen wirkungslos ab, innerlich wurmte es ihn doch ungemein, daß ihm selbst so gar nichts auf dem Gebiete der Liebelei zustieß, und er verwünschte seine Blödig seit, die ihn jedesmal packte, wenn er ein weibliches Wesen nur anreden sollte. Davon träumte er auch jetzt im Coupee. Sie machen ja schon ein Kopfpolster aus mir!" lachte ihm eine muntere Frauenstimme in das linke Ohr. Verwirrt fuhr Tobias aus feinem Traume. Richtig ! Da lag er mit seinem runden, dicken Schädel, über welchen er das bunte Taschentuch ge, breitet hatte, aus der weichen, vollen Schulter seiner Nachbarin, die Nase bei- nahe in einige frische Ro en ergraben. welche sie an der Brust trug. Erröthend stammelte er einige Worte der Entschul, digung: Gar nicht bemerkt eingenickt nicht übel nehmen." Die Nachbarin lachte hell aus: Ich und etwas Übel nehmen! DaS fehlte gerade! Ja, was glauben s denn! Seh ich etwa so zimperlich aus?" Er betrachtete die viachbarin, die ein- gestiegen war, ohne daß er es gemerkt, Außer ihr saß in eine Ecke des Coupee'S jetzt auch noch ein Mann mit einer Dienstmütze. Aber der war in eine Zeitung vertieft. Herrn Suldner gefiel die Reise gesährtin, die wirklich hübsch war. Einem feinerem Beobachter wäre ein ,Zug von Schlauheit aufgefallen, der um den Mund spielte, und er hätte von der stark abgetragenen, fleckigen Kleidung seine Schlüsse auf die Träge rin gezogen. Aber Herr Suldener war kein feinerer Beobachter. Er begnügte sich mit der Wahrnehmung, daß diese junge Person nicht wegrückte, als seine Hand zufälligerweise die ihre berührte. Das gab ihm Muth. Die Freunde im Stadtbräu" soll ten fich wundern I Jetzt war die Ge legenheit für ein galantes Abenteuer gegeben, jetzt würde er sie beim Schöpf packen. ES war ja gar kein Zweifel: er hatte den günstigsten Eindruck ge macht. Nichts festigt eine neue Bekanntschaft mehr, als ein gemeinsam genommenes Mahl. Herr Suldner zog aus seiner Tasche zwei in Zeitungspapier säuber lich gepackte, vorzüglich gesulzte Kalb süßchen und eine Flasche Cognac und bot seiner Nachbarin an, welche ohne lange Ziererei beherzt zugriff. Prost !" sagte fie und nahm einen tüchtigen Schluck. .Prost!" erwiderte Tobias. .Par don. wie heißen Sie eigentlich?" Sie zögerte einen Augenblick und sah in die Unke Ecke: dann flüsterte fte leise: .Marietta Gadermi . .Also Italienerin? Nein", sagte fie sinnend, ich bin in Ungarn geboren, aber in Italien aus, gewachsen. Mein Vater war ein vor, nehmer Kavalier, dem meine Mutter ernst viel Glück aus seiner Hand weis sagte. Von meiner Mutter habe ich das Wahrsagen gelernt. Lassen Sie sehen !" Sie nabin seine braungebrannte Hand in die ihre und blickte aufmerksam in die sich kreuzenden Linien. .Sie sind wohlhabend. Sie find gut. Wenn Sie etwas geschenkt haben, so verlangen Sie es nicht wieder zurück. Sie trinken gern Rotbmein, aber auch Bayrisch. Sie effen ost, viel und gut. Sie trauen sich nicht an die Damen, aber wenn Sie merken, daß Eine eS ehrlich mit Ihnen meint, kriegen Sie öonrage." Sie ließ die Hand sinken und lächelte: Ich meine ei ehrlich!" Er wurde purpurroth vor Ver gnügen. Erzählen Sie doch etwas von sich," bat er. Ich muß mich erst besinnen," erwi derte fie. Ja alsdann meine Mutter heirathete einen herumziehenden Menageriebefitzer und ich lernte mit der Zeit Thiere dresfiren," fuhr sie fort. Herr Suldner erschrak. .Alle Wrti ter!" sagte er. .da ist gefährliches Ge, werbe." Das ging bi zu meinem neunzehn, ten Lebensjahre, dann meldeten fich ernttliche Freier, weil ich ein fesche Mädel war. Aber mein Stiefvater wollte sich meine Kraft für sein Unter, nehmen möglichst lange erhalten. Die Anträge wurden als alle zurückgewie, sen. Kennen Sie den Taucher von Schillers Nein! Sollten Sie den heirathen? Sie sah ihn ein wenig verwundert an, blickte dann scharf nach dem Manne mit der Tienftmütze und sagte zöaernd .Nein aber mein Stiefvater hatte ein gutes Mittel, die Heirathskandidaten abzuschrecken. Er bat sich von jedem ein Geldstück au bitte, haben Sie eines bei sich?" Herr Suldner legte einen Silbergul, den in ihre geöffnete Hand. Also -sehen Sie! Er stellte ftch mit dem Betreffenden an ein Wa er, ahm da Geldstück so in die Hand passen Sie gut aus und warf eS, ernS, zwei, drei" sie that, als würfe fie den Gulden zum offenen Fenster hinaus so in die Fluth." Oho." rief Herr Suldner ver blüfft. Weg ist er I Wer ihm den Gulden wiederbrächte, bekäme mich zur Frau." Und Keiner hat den Gulden wieder bekommen?" fragte Tobias. Keiner! Da konnten fie fich auf mei nen Stiefvater verlaffen. Das Kunst stück aber nannte er: den Taucher." Ach o! Und in's Waffer ist wohl Niemand gesprungen?" Nein, so dumm war keiner. ES en dete allerdings gewöhnlich mit einer Prügelei, wenn ein gar zu schäbiger Freier sein Geld durchaus wieder haben wollte!" Herr Suldner unterdrückte heroisch ein ähnliches Gelüste in seinem Busen und hals seiner Nachbarin zu einem IIe, nen Bündel, das über ihr auf dem Ge, päckSbrette lag. Der Zug fuhr eben in die !v!eraner Bahnhofshalle. Ich begleite Sie!" sagte er leise und galant zu ihr. Da klopste ihm Jemand auf die Schulter. Er drehte fich um; eS war der Atann aus der Ecke. Haben Sie der Person den Gulden freiwillig geschenkt ?" Entrüstet fuhr Tobias auf. Ge wiß habe ich ihr ihn geschenkt! Was kümmert Sie das ? Kennen Sie das Fräulein?" Der Mann lachte auf. Ob ich die Marie Gaber kenne? Ich bin ja vom Bezirksgericht Bozen, habe fie auf den Schub zu bringen und hier abzuliefern! Eingesteckt wegen HerumvagirenS, vor be (rast wegen allerlei Schwindeleien. Die größte Lügnerin und Geschichten erfinderin im Lande Tirol!" Die iunge Dame hatte längst ihr Kopstuch über das Gesicht gezogen und schritt nun an der Seite ihres Begleiters zur Halle hinaus. Herr Tobias Suldner stand aber aus dem Perron noch immer wie angewur zelt und kam erst zur Besinnung, als ein Gepäckträger ihm mit einem größe, ren eisenbeschlagenen Koffer unsanft in die Rippen fuhr. Die Schildkröte. Ich weiß nicht, waS das mit unserer Schildkröte ist," sagte Frau Lucie zu ihrem Gatten, dem Gutsdentzer Jan, sen, jetzt liegt fte wieder drei Tage. ohne ftch zu rühren, auf dem Kamin rand. Ich habe keine Ahnung, wie fte da hinausgekommen sein kann, oder können Schildkröten klettern?" Herr Jansen erinnerte fich dunkel, daß er vor einigen Tagen, als er von einem Feste aus der Stadt heimkehrte. über die Schildkröte gestolpert war und dieselbe, um ne aus dem Wege zu räu mn, auf den Kaminrand gelegt hatte. Jedoch war ihm offenbar daran gelegen, en Thatbestand zu verdunkeln. Ich glaube," erwiderte er stockend. einmal irgendwo gelesen zu haben, daß Schildkröten in der That die Fähigkeit des KletternS besitzen. Nur thun sie's nicht, wenn man fie dabei beobachtet Es sind etwa? genirliche Thiere. Viel leicht giebt es auch Nachtwandler unter den Schildkröten, nun, wie dem auch sein mag," schloß er, plötzlich ad brechend, ich habe Dir doch gesagt. daß ich heute nach A. muß, um dem Landrath Vertrag zu halten" .Schon wieder?" rief ucie in schmerzlichem Tone. ES ist dach von dem Landrathe etwas viel verlangt, daß er Dich wöchentlich zwei bis dreimal nach A. kommen läßt, um ihm Vortrag zu halten ! Wenn da nicht anverS wird, ist eS am besten. Du legst die Amtsvorfte herschaft nieder." .Nein, Lucie, das verstehst Tu nicht. Wenn unS gewissermaßen da Vater land ruft, müssen wir folgen. Seinen Kohl nur für fich bauen, ist die Sache der Egoisten. Heute ist die Sache besonders wichtig, e? wiid eine lange und schwere' Sitzung werden." .Run," sagte Lucie, indem fie fich demüiite, eine recht freundliche Miene zur Schau zu tragen, im Grunde haft Tu wo.l Recht, ich werde Dir dann ein paar Stullen zu uniervegs zu recht machen. Nimmst Du auch Alten mit?" WaZ denlst Tu !" rief Jansen wich tig. ohne Alten kann ich keinen Vor trag halten. TaS Bündel liegt bereits geschnürt, auf meinem Schreibtisch. orae nur oaur, Dog der tkmlcher es in den Wagen legt." Da werde ich thun." sagte Fraul Lucie und schritt mit heiterer Miene hinan. Aber innerlich war ihr ganz f anoers zu MUtyc. in irazieriicher Verdacht hatte fie ergriffen. In der den Flitlerwochen folgenden Zeit fing Jan sen an, seine alten Fieunde in der Stadt aufzusuchen und mit ihnen zu kneipen. Dagegen hatte Lucie so ener gisch proteftirt, daß er die Sache wieder aufgab. Dann kam plötzlich ein Re skript vom Landrath, in welchem die Amtsvorsteher angewiesen wurden, wöchentlich mindestens zweimal ach A. zu kommen, um dort Bortrag zu hal ten. Lucie hatte das amtliche Schreiben damals nicht zu sehen verlangt, sie war ganz arglos. Als sie später danach fragte, war eS spurlos verschwunden, und Jansen äußerte den dringenden Verdacht, die Schildkröte habe eS ge fressen. Das Thier hatte seit acht Tagen keine Nahrung zu sich genommen, wo von sollte eS denn satt werden? Frau Lucie war also ihrem Gatten aus's Freundlichste bei der Abreise be HUIflich. AIS dieser nach Mitternacht heimkehrte, fand er Lucie wider ihre Gewohnheit och wach, auf ihn wartend. Sie saß an seinem Schreibtisch und las einen Roman. Wieder empfing fie ihn sehr liebenswürdig. Aber man riecht den Alkohol auf zehn Schritte." schmollte sie. Ja, wenn der Landrath einem ein Gläschen anbietet " Und Du gehst etwas unsicher." Die Sitzung war sehr angreifend." Haft Du auch Deine Akten nicht ver gcssen?" Die liegen im Vorzimmer." , Bringe sie doch her wie leicht kön nen die Papiere von der Schildkröte ge fressen werden." Aber so laß doch für heute. ich bin so müde " Nein, nein, thu' mir den Gefallen und hole die Akten." Jansen holte das Bündel und legte es auf den Schreibtisch. Haft Du die Alten heute benutzt?" Natürlich, ich mußte fie ja dem Landrath vorlegen, aber ich begreife nicht, weshalb Du Dich auf einmal so sür die Akten interesfirst." Ich interesfire mich für AveS, was Dich angeht. Worüber habt Ihr denn heute verhandelt?" Ueber Ach, laß mich doch in Ruh', die Geschichte steht ja in den Akten, morgen gebe ich sie Dir, jetzt wollen wir schlafen gehen." Nein, bin ich so lange aufgeblieben, kommt'S auf ein paar Minuten nicht mehr an." Sie nahm das Bündel, schnürte es mit einem Griff aus, hob die eine Hülste der Akten ab, und auf der andern Hälfte lag die Schildkröte. Lucie hatte sie vor der Abreise ihres Mannes nach A. in das Bündel eingepackt. Jan sen starrte in größter Verblüfftheit auf das Thier. Die Schildkröte bemerktest Du also nicht, während Du dem Landrath aus den Akten Vortrag hieltest?" Lucie," rief Jansen reuevoll, .ich werde mich bessern, ich werde von jetzt an nur alle Monate einmal dem Landrath Vortrag halten." Er hielt fein Versprechen. Und wenn er einmal rückfällig werden wollte, er innerte Lucie ihn an die Schildkröte. Hartnäckiger Gläubiger. Der französische Schriftsteller LeSpeS wuide eine Tage hart von einem Gläubiger bedroht, der ihm erklärte, er würde die Wohnung nicht eher verlas sen. als bis er sein Geld hätte. Der Gläubiger setzte sich auf einen Stuhl, und LespeS sah mit Entsetzen, wie er ein Butterbrod aus der Tasche zog und zu frühstücken anfing. Mehrere Stun den vergingen; Lespes hatte seine Arbeit beendet und einen Artikel geschrieben. Der Gläubiger machte nicht die geringste Miene, sich ,u entfernen. Plbklicd er hob fich Lespes und begann sorgfältig alle Oeffnungen, durch welche Luft in das Zimmer dringen konnte, zu ver stopfen. Dann traf er alle Vorberei tiingen, ein Kohlenbecken anzuzünden. orawie aver vorver ein Papier aus der Wand an, auf dem die Worte ganden : Wir sterben freiwillig." .WaS soll denn da heißen?" rief der Gläubiger ärgerlich. Na, das ift ganz einfach ; da mir in Ihrer Gesellschaft das Leben unerträglich wird, so ziehe ich eS vor. Selbstmord zu begehen." Ter Gläudi ger räumte das Feld auf der Stelle. in interessant Wette. Eine interessante Wette, die ein der Herzog von Oueensberr!) einging, ift folgende: Ter Herzog wettete um 10,000 Pfund Sterling, daß Gänse auf einem Wege von zwanii englischen Meilen den Truthübnern weit vorauskommen würden. Die Wette wurde sogleich an genommen und ausgeführt, denn e schien unmöglich zu sein, daß der Herzog sie gewinnen könnte. Tie ganze Gesell kchast folgte den Heerden, unv gencn Abend waren die Truthühner fünf Mei len voraus: al fie aber nach Sonnen unterganz in den Wald kamen, flogen sie alle auf und setzten fich auf die Bäume, von denen sie nicht fortgetrieben werden konnten. Tie Gänse dagegen waschelten langsam immer weiter und kamen mitte in der Rächt am Ziele ih rer Bestimmung an. So gewann der Herzog, weicher voraus berechnet hatte, wa geschahen würde.