Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 14, 1897, Image 10

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    o
Perfpielt gewonnen.
Novell! von Anna Schwarz,
Bei Oberst Roden war der Hausball
zu Ende! In dem mit vornehmem
2upS ausgestatteten Entree hatten die
Diener den Gasten die verschiedenen
Mäntel, Paletots und Pelze gereicht,
und dann war ein Wagen nach dem
anderen donnernd durch den Thorweg
gerollt, hinaus in die bereit; menschen
leeren, stillen Gassen, in denen die
Schneeflocken wirbelnd einen Reigentanz
aufführten. Einer der Letzten, die das
gastliche HauS verließen, war ein jun
ger AriillerieOWer. der, zögernd die
Treppe hinabsteigend, immer wieder
zurückschaute, wo, über die Brüstung
gelehnt, eine schlanke, in blaßgrünem
ftlberdnrchwirkten Krepp gehüllte Mäd.
chengeftalt. über deren Schulter üppige,
goldrothe Locken flössen, ihm mit leiser
Stimme eine gute Nacht" zurief. Auf
der Straße unten schlug er dann den
Kragen seines Mantels in die Höhe,
grub die Hände in die Taschen und eilte
mit schnellen Schritten einem an der
Ecke er Straße gelegenen Cafe zu, das
noch erleuchtet war und sogar ziemlich
besucht schien, trotz der vorgerückten
Nachtstunde.
Eben im Augenblick, als er das Eafe
paffiren wollte, Ilirrte die GlaSthür
desselben auf, und ein viel älter aus
sehender, schwarzbärtiger Offizier, der
aber der Uniform nach zum selben Regi
ment als der erste zu gehören schien,
trat hastig heraus.
Robert zum Kuckuck bist Du's?
Und wie siehst Du aus ist etwas
passirt?"
Der mit Namen Robert Angeredete
blieb stehen und wandte dem Anderen
daS Gesicht zu, in dem man bei'm
Schein der GaSlaterne deutlich die
Spuren einer großen Erregung wahr
nahm, denn die blauen Augen glänzten
wie im Fieber und auf jeder Wange
brannte ein dunkelrother Fleck.
Grüß Dich, Leo!" es war eine
sympathische Stimme, die aber in die
sein Augenblick seltsam gepreßt klang.
O, ich bin froh, daß wir uns hier
treffen, denn sonst wäre ich zu der spä
ten Stunde noch zu Dir gekommen!
Ich habe Wichtiges mit Dir zu reden !"
Der Andere schob im Weitergehen
seinen ArM unter den deS Kameraden.
Na, dann komm', Bruderherz, und
sag' schnell, waS denn eigentlich los ist
bei Dir ! Kommst mir ja ganz seltsam
vor, mein Bursche; warst Tu bei
Roden'S?"
Ja, ja, ich war dort, Leo " Er
stockte wieder.
Nun und die schöne Clemence wird
sich wohl wieder eifrig mit Dir unter,
halten und Dich als ihren erklärten
Liebling behandelt haben Du wirst
es doch einge eyen haben, wies"
Leo," stieß der junge Offizier fast
heiser heraus, ich bin verlobt "
WaS, mit ihr, mit Clemence?"
Wie ein jäher Schreck zitterte eS aus
der Stimme des Anderen.
Unmöglich und Emma, Deine
arme Emma, was soll um Gotteswillen
aus dem Mädchen werden ! WaS hast
Du gethan, Robert?"
Der junge Offizier nahm trotz der
schneidenden Winterkülte seine Mütze ab
und fuhr sich ein Paar Mal mit der
Hand über die Stirn und das kurz
geschnittene blonde Haar.
Ja, es ist wahr, Leo, ich bin wirk
lich mit Clemence verlobt, aber der
Gedanke an Emma ist's ja, der mir
jetzt das Herz zusammenschnürt, der
mich so schrecklich quält und Peinigt!
Freilich, wenn man'Z recht betrachtet,
s hat ja doch Alles so kommen müssen,
ein anderes Ende war nicht zu erwar
ten, aber "
Er stockte und sah, wie Antwort er
wartend, den Freund von der Seite an.
Der aber kaute an seinem Schnurrbart
und ging schweigend weiter, da fuhr
der Andere .wieder fort, und es lag
etmaZ beinahe Bittende in seinem
Tone :
Schau', Leo, die Sache mit Emma
ar ja von vornherein etwas ganz
AusfichtSloseS. AIS vermögenslose
Beamtenlochter hätte sie nie die Kaution
erlegen können, aber gesetzt auch den
Fall, dieselbe wäre unS erlaffen wor
den, womit aber hätten wir ein ftandes
gemäßes Hau führen sollen? Mit mei
ner Gage komme ich schlecht und recht
allein durch, heirathen darauf ist un
möglich. So lieb ich das Mädchen
habe, aber eine Verbindung wäre
Wahnsinn mit unseren Mitteln !"
Warum haft Tu dann das Ganze
angefangen, wenn Tu von allem An
fang das voraus gewußt haft? War
das schön von Dir, ein armes, er,
KauensvolleS Mädchenherz an Dich zu
ketten, blos aus Laune, und sie hat Dich
sosehr geliebt!"
.Nenn' eS nicht Laune. Leo !" In
obnt'Z Augen blitzte eS auf : Geliebt
hab' ich das Mädchen, das weiß Gott,
und wie sehr auch die Vernunft sich da
gegen wehrte, ich habe meinem Herzen
damals nicht gebieten können. Besser
wär' freilich gewesen, niemals anzu
fangen, denn nun ift das Ende, das
unausbleibliche Ende doch gekommen,
Z weh' eS mir thut ! O, ich hatte mir
nie ein andere Ledensgesührtin ge
wünscht, als sie aber, ich kann nicht
anders bandeln Clemence hat eS
längst schon deutlich gezeigt, daß ich ihr
Günstling bin. sie hat eZ ihrem Vater
gestanden, daß sie mir ihr Hnz ge
schenkt, daß ich der Einzige wäre, dem
sie ihn Hand reichen wolle. Tu weißt,
wie der Oberst seine Tochter vergöttert,
wie er ihr Alles zu Füßen legen möchte
was ihr Herz nur begehrt, und so hat
er den auch beute Abend mich bei
Seite genommen, hat mir die Liebe sei,
ner Tochter erklärt Leo, er hat mich
fast gebeten: Machen Sie mein Kind
nicht unglücklich" sag', was hättest
Tu an meiner Stelle gethan? Hättest
Du um einer Jugendliede willen die
Dir gebotene Hand eines Mädchens
auSae alaaen. das. reich, schön und ge,
feiert, unter allen Offizieren unseres
Regiments die Wahl hat und sich gerade
nur Dich m den huvlchen Trotziops ge,
fetzt bat?
Als Oberst Roden'S Schwiegersohn
ift meine Cariere gesichert, ihm einen
Korb zu geben, hätte dagegen dieselbe
aus's Spiel setzen geheißen, das mir
an ClemencenS Seite so viel 'verspricht
Leo, kannst Du mich tadeln, daß ich
mein Glück mit einem Opfer erkaufe?
Denn Emma aufzuopfern, Emma, die
ich geliebt habe, um ClemencenS Wil
len, die ich trotz aller Schönheit nicht
lieben kann, Leo, das fällt mir schwer,
aber ich thue eS doch, weil ich mir ein
Leben voll Ehre und Glanz damit er
ringe."
Sie waren über dem Gespräch bei
Robert'S Wohnung angelangt und dort
legte der ältere Freund dem slingeren
plötzlich beide Hände auf die Schulter,
ihm voll und ern t in das schöne, junge
Gesicht oliaend:
Tu willst es selbst so baben. ob,
nun, Jeder ist a seines Schicksals
Schmied. Ich will Dich nicht tadeln.
mein Freund, aber denken sollst Tu
daran, daß nicht der Zug des Herzens
Dich jener stolzen Schönheit in die
Arme geführt hat, von der man hin
und wieder munkelt, daß sie kein Herz
im Leide trügt, daß sie die Sklavin
ihrer Launen ift: denke, daß auch Du
vielleicht so eine momentane Laune von
ihr bist, und der Reichthum, den Du
mit ihr gewinnst, der ift dann vielleicht
nicht im Stande, Dir Ersatz zu bieten
für ein glückliches Zusammenleben in
der Ehe. Deine Frau wird der Gesell
schaft gehören und nicht Dir allein, und
dann, Rob, dann denke, daß Du ein
leichtsinniges Herz haft, das eben die
Liebe schon kennen gelernt hat! Es
wird die Zeit kommen wo Du Dich seh
nen wirst nach wahrer Liebe, ach, Rob,
ich glaub' es kaum, daß Tu glücklich
werden wirft auf diese Art !"
Einen Augenblick lieft Robert den
Kopf auf die Brust sinken, weil ihn
eine Rührung überkam, die er kanm zu
bemeistern vermochte, dann aber hob er
ihn empor, und ein schier troßig stolzes
Leuchten war in den blauen Augen:
Glaub' mir, Leo. es wird mein
Glück sein! Der aussichtslose Liebes
träum mit Emma ist ausgeträumt; ich
werde eS überwinden, wenn es auch
schmerzt, und nur die schöne Erinne
rung an eine süße Jugendliebe mit in s
fernere Leben nehmen. Und sie, sie
wird es auch verschmerzen und sich
trösten. Und Tu, Leo, bleib' mein
Freund, bleib' mir daS, was Tu mir
bisher warst, nicht wahr, Leo, Du
thust eS?"
Ein leises, schwermüthiges Lächeln
glitt über das ernste, dunkle Männer
gesicht:
Ja, Rob, mein alter, toller, leicht
sinniger Rob, ich bleib' Dein Freund,
und wenn wir auch einmal getrennt
werden sollten, zwischen unS soll sich
nichts ändern, wir vergessen niemals.
daß wir schon mit einander Kadetten
waren, mm wahr? Du hast meine
Hand, so, mein Bursch', und nun gute
Nacht und daß sich Dir AllcS zum
Besten wenden möge !"
Sie schüttelten sich die Hände, und da
sagte Robert noch einmal:
Leo, und wegen Emma gieb Tu
mir einen Rath: wie soll ich ihr das
Schwere leichter machen; mein armes
Mädchen, eS wird ihr sicher wehe
thun !"
Die Stimme konnte den festen Klang
den er sich ihr zu geben bemühte, nicht
beibehalten, sie zitterte doch vor Ruh
,rung.
Ueber Leo's Gesicht flog noch einmal
ein trüber Schatten:
Armes Mädchen! Ja. Tu haft
Recht, aber Tu hättest das früher be
denken sollen; doch laß eZ gut sein. Rob,
ich will Tir keinen Vorwurf machen,
dazu ift es ja doch zu spät. Wenn es
Dir recht ift, so will ich selber zu Emma
gehen; ich weiß, daß ihre Mutter schwer
erkrankt ift, und ich will suchen, ihr da?
Unvermeidnche so schonend, wie mög
lich. beizubringen !"
Der Andere drückte ihm stürmisch die
Hand:
O, Leo, ich danke Tir, ja, Tu wirft
es ihr am Besten sagen, und sie wird
dem treulosen Rob nicht zu viel nach
weinen, er hat S auch nicht um sie ver
dient !"
Tann knarrte die Hausthür in ihren
schweren Angeln, und Robert'S Säbel
klirrte über die Stufen der Treppe hin
auf. Leo aber ging langsam, wie in
tieseS Sinnen verloren, durch das
Wirbeln der Schneeflocken in die ein
fame, menschenleere Straße zurück.
Seit jenem Abend sind etliche Jahre
vergangen.
Clemence. die vieldewunder eautu
mit dem goldrothen Haaren und dem
blaffen, klassisch schönen, wie aus Mar
mor gemeißelten Gesicht, darinnen
dunkle Augen wie schwarze Tiamanten
glühten, war nach einem nur wenige j
Wochen währenden Brautstände Oder!
Lieutenant Robert von Fricdberg'S
Frau geworden, und kurze Zeit darauf
war dessen Ernennung zum Rittmeister
ersolgt.
Das junge Ehepaar hatte, wie allge
mein erwartet wurde, ein glänzendes
HauS zu führen begonnen,, und die
schöne Frau, die schon als Mädchen
umschwärmt und gefeiert gewesen, war
nun Abend sür Abend der Mittelpunkt
glänzender Soireen und Gesellschaften.
Man wußte zwar allgemein, daß
Clemence eS gewesen, die zuerst dem
schönen Ofsizier eine mehr als gewöhn
liehe Auszeichnung vor anderen Gasten
ihreS Vaters hatte zu Theil werden
lassen, und daß sie eS gelvesen, die er
klärt hatte, ihn heirathen zu wollen.
Anfang! ihrer Ehe schien sie die zärt
lichste, ihren Mann vergötternde Gattin
zu sein, nach und nach aber war daS
allmählich anders geworden.
Clemence, ein von Kindheit auf ver
wöhntes verzogenes Geschöpf, dem nie
mals ein Wunsch oder eine Laune ver
sagt wurde, war demnach eine jener
herzlosen, alten Naturen geworden, die
in dem Augenblick, wo sie den heiß er
sehnten und begehrten Gegenstand ihreS
Verlangens in Händen halten, die
Freude daran verlieren! Der blonde
Mann mit den eigenthümlich schönen
blauen Augen hatte ihr gefallen, und
sie bildete sich ein, ihn zu lieben.
Je kühler und reservirter er sich gegen
ihre sieggewohnte Schönheit verhalten,
desto höher war in ihr das Verlangen,
auch ihn zu ihren Füßen zu zwingen,
gestiegen!
Sie witterte irgend welche Nedenbuh
lerin, erfuhr von seinem Verhältniß zu
einer schönen, aber armen Beamten,
tochter, und von dieser Minute an setzte
ne Alles daran, sein Herz für ich zu er
obern und jene Andere aus dem Felde
zu Ichlagen.
Als eS ihr dann gelungen war, als
sie Friedberg's goldenen Trauring am
Finger trug, da freute sie der Besitz
dessen, den sie nicht so leichten Kaufes
errungen hatte, als den so vieler An
derer, noch eine Zeit lang, dann aber
kam die Reaktion, die Ernüchterung,
zuletzt die Gleichgiltigkelt.
Wie Leo es an jenem Winterabend
dem Freunde prophezeit hatte, war Ro
bert nur eine Laune seiner Frau ge
wesen, war er nicht glücklich geworden.
Er sah sie glänzen tn ihrer berücken-
den sqonveil, Borte tausendmal im
Tag in allen möglichen banalen Re,
densarten sein kolossales" Glück, der
Gatte dieser herrlichen, reichen Frau zu
ein, prei en und dabei suhlte er
mehr und mehr, wie leer und öde eS in
einem einst so lebenS und liebesfrohen
jungen Herzen wurde! Anfangs, da
war Clemence ihm noch manchmal wie
in aufflackernder Leidenschaft um den
Hals gefallen. Dann hatte er ge
danlenvoll mit den weichen Haarsträh
nen gespielt, die ihr so goldroth glei
ßend über die weißen Schultern sielen,
und träumerisch war die Erinnerung
in ihm aufgewacht, wie früher einmal
ein blonder Mädchenkopf an seiner Brust
geruht hatte, der mit so treuen, kinder
frommen Augen zu ihm aufschaute.
Ja, daS waren ganz andere Augen ge
Wesen als die funkelnden, langbewim
perten Sterne uud jenes blonde Kind
hatte ihn nie so wild geküßt und dabei
lachend ihren schönen, schönen Rob"
genannt sie war immer so still so
sonst und s treu gewesen o, so
treu. In solchen Augenblicken kam
er sich oft erbärmlich klein vor so
recht, als wäre er nur das Spielzeug
seiner schönen, verwöhnten Frau.
Und auch das hörte auf ! Sie küßte
ihn längst nicht mehr, wenn sie des
Abends so gleichgiltig zu ihm sagte, sie
würde heute hierhin oder dorthin gehen
und der russische Botschafter Graf
Iwan Fedoross würde sie begleiten, er
könne ruhig zu Hause bleiben, dann zog
ihm immer etwas das Herz schmerzlich
zusammen aber er ließ sie thun wie
sie wollte. Macht hatte er keine über
sie und gab sich keine Mühe, welche zu
besitzen.
Etwa zwei Monate nach seiner Hoch
zeit hatte er von Leo einen Brief erhal
ten, worin ihm derselbe anzeigte, daß er
sich am selbe Tage, von dem das
Schreiben atirte. in aller Stille mit
Emma vermählt habe.
Das arme Mädchen gab mir am
Sarge ihrer Mutter unter heißen Thrä
nen endlich ihr Jawort ! Von Dir ver
lassen, den sie mit aller Hingebung ge
liebt hatte, rollte sich eine düstere Zu
kunft vor ihren Blicken auf sie wäre
schütz und hilflos allein in der Welt ge
standen da bot ich ihr meine Hand!
Sie nahm dieselbe an, wie Tu siehst,
aber sie hat mir auch ausrichtig geftan
den, daß ihre Liede Tir gehört habe,
und daß sie mir nichts in die Ehe
bringe, als eine tiefe Achtung eine
kindliche Dankbarkeit und den Vorsatz,
eine treue, brave Frau zu werden: Ich
war es zufrieden und dielleicht wird
unser Leben kein unglückliches werden,
denn ich liebe das einfache, herzensgute
Wesen von ganzer Seele und kann dieser
Liebe, die ich früher um Deinetwillen
verhehlte, jetzt freien Lauf lassen. Die
Caution habe ich aus meinen Mitteln
für sie bestreiken können, und morgen
begleitet sie mich in unseren neuen
Wohnort nach Cattaro in Talmatien.
wohin ich auf eigenes Ansuchen versetzt
wurde. Gott sei mit Tir aucd in
der tfente ftetS Dein treuer Freund
0.
TaS war unter Anderem der Wort
laut deS Briefes gewesen. Ueber Ro
bert'S Herz war eS damals gegangen
wie ein leiser, erkaltender Schauer. Ter
liebste Freund der ihn verließ und
in die Ferne zog und das Mädchen?
Er dachte nicht daran, daß er ja daS
Mädchen zuerst verlassen hatte, daß er
ihr die Treue gebrochen und mit einer
Anderen vor den Altar getreten war.
sondern er dachte nur, wie sie eS Uber'S
Herz bringen konnte, einem anderen
Manne die Hand zu reichen! Wie kurz,
sichtig kann der Mensch sein in seinem
Egoismus! Er fragte nicht darnach, wie
schwerwiegende Gründe es gewesen sein
mußten, die das arme Wesen zwangen,
am karge der Mutter die einzige Stutze,
die sich ihm bot. dankbar anzunehmen,
er dachte nur: Die hielt ich für treuer
als Gold, und sie war es doch nicht.
war doch auch nur ein gewöhnliches,
schwaches Weib, wie alle Anderen sind.
Nach und nach kam über den jungen
ledenssrohen Menschen ein seil amer.
trüber Ernst eine gewisse Müdigkeit
und Gleichgültigkeit, die , sich bis zur
Apathie steigerte.
Das Einzige, wofür er nach wie vor
Feuer uud Flamme blieb, war der
Dienst. Pflichttreu und pünktlich bis
zum Aeußersten; kannte er nur ein
Ideal: seinen brennenden Ehrgeiz.
Von Leo bekam er Nachricht aus
Talmatien, aber recht selten. AIS echte
Soldaten waren sie keine Helden mit
der Feder, und das Schreiben war ihnen
etwas Lästiges, aber die Freundschaft
bewahrten sie sich treulich, auch in der
Ferne. Nur einmal kam von Leo ein
langer Brief, und darin stand.
Emma einem kleinen Buben das Leben
geschenkt hatte zur größten Seligkeit des
überglücklichen Vaters. Rob haben
wir ihn getauft, Dir zum Andenken,
schrieb Leo, aber Gott hat uns unseren
kleinen Engel nicht lange gelassen,
Schwächlich und zart von Geburt aus,
bekam er eines Nachts einen Anfall von
Bräune, und alle Pflege hat uns unser
Kind nicht retten können.
Robert hatte eS mit tiefer Bewegung
gelesen. Seine Ehe mit Clemence war
kinderlos geblieben, und wenn der
Freund auch nur ein kurzes, trauriges
Vaterglück genossen hatte, er beneidete
ihn doch darum.
Die Zeit verging. In der Gesell
schaft sing man leise an, zu munkeln,
daß die schöne Rittmeisterin v. Fried
derg und der russische Graf Fedoroff in
intimen Beziehungen ständen, nur zu
Robert's Ohren hatte sich jenes leise
"Ondit" noch -nicht gewagt, denn so
auffällig auch der reiche Ruffe die bild
schöne Frau hofirte, ein eklatanter Be
weis lag noch nicht vor. Eines Tages
nun erhielt Rittmeister griedberg Be
fehl, sich in dienstlichen Angelegenheiten
nach einer entfernt liegenden Garnison
zu begeben, um einige Zeit dort zu ver
bleiben und eine Inspektion vorzunch
men.
Er verabschiedete sich mit einer glän
zenden Soiree von der Gesellschaft, um
am nächsten Tage m Begleitung seiner
Frau abzureisen, die während der Zeit
seiner Abwesenheit sich in Nizza aufge
halten hatte. Daß in dieser Abschieds
Soiree Graf Fedoroff fehlte, den man
stets an der Seite Clemencen's zu sehen
gewohnt war, fiel allgemein auf. bis
die Hausfrau selbst leichthin auf öfteres
an .c .1 v . m .. e r ,
eiiagen ernarie, oer rar lei aoge
um cuic riivu uiimiiiuujit:
sundheit IM Süden zu krästigen.
Ein Schreiben, das dem Rittmeister
noch im letzten Momente vor der Abreife
übergeben wurde, hatte er nun Muße,
im Waggon der Südbahn zu lesen; es
enthielt nur wenige, aber siir Friedberg
erschütternde Zeilen, in denen ihm
Emma den plötzlichen Tod ihres Sat,
ten, der einem dort epidemisch auftre,
tenden Tumpfsieber erlegen war, mit
theilte.
Todtendlaß lehnte der Rittmeister
schweigend in einer Ecke des Coupee
aber ein Chaos von Gedanken wüthete
hinter seiner Stirn. Nicht einmal die
letzte Ehre war er dem heiß geliebten
Jugendfreunde zu erweisen im Stande
gewesen. Etwas, das stärker, als der
Wille war, hielt ihn gebunden, die
eiserne Pflicht des Dienstes, die er nicht
wagen ourite, zu verletzen.
Ihm war plötzlich, als liefe etwas
wie ein feuriger Strom durch seine
Adern da gegenüber in der anderen
Ecke lehnte seine Frau! Unter dem
dunkelblauen Schleier eine? Reisehüt.
chenZ hervor glänzte und gleißte das
goldrothe üppige Haar, und das blasse
Gesicht mit den wie dunkle Schatten
auf den Wangen liegenden Wimpern
sah so kalt, so regungslos aus, wie von
Marmor gemeißelt! Ihm fror eS bei
nahe, als er sie so anschaute, und un
willkürlich dachte er wieder an Emma,
die er nun so lange, lange Zeit nicht
gesehen hatte und die er doch einst im
heißen Jugenddrange so sehr geliebt.
War er denn toll gewesen damals, als
er sie aufgab, um von Reichthum und
Ehrgeiz verblendet, jeneS herzlose, kalte
Geschöpf dort zu heirathen.
Nun war sie wieder frei geworden
er aber blieb gebunden! War eS die
alte, längst entschlafen geglaubte Lei
denschast, die alte todt gewähnte Liebe,
waS sich plötzlich so heiß und begehrlich
in seinem Herzen zu regen begann I
Der Zua hielt jetzt an der Station,
wo Robert auZsteigen mußte. Er stand
aus und schlug den Mantel fest um seine
Schultern. Auf Wiedersehen, Cle
mence, und glückliche Reise bis Nizza.
unterhalte Dich gut!1 sie hob kaum
den Kopf, alZ sie ihm die Hand reichte:
.Leb' wohl. Rob auf Wiedersehen!"
Und dann war S ihm. als träte ein
Schatten zwischen ihn und sie wieder
dachte er an Emma und sich flüchtig
heradbeugend. berührte sein Mund nur
den feinen pcrlgranen Glacehandschuh
dann stand er am Perron und
der Zug brauste weiter dem SU
den zu.
Wie schimmernder Märchcnzaubcr
liegt das bläulich blasse Moudlicht über
den Gärten und Hainen von Monaco
au?gegossen flimmernd und funkelnd
spielt eS auf den leise, leise rauschen
den Mcereswellen! Man sollte meinen,
ein Stückchen Paradies sei hier vor der
Zerstörung bewahrt geblieben, und doch
ist'S nur der täuschend schöne Rahmen,
der ein oft gräßliches Bild umspannt.
Durch die tiefe, schier heilige Ruhe
tönt auf einmal in rascher Wieder
holung die Detonation eines Schusses
etwas wie halberfticktes Röcheln
klingt dort von der Palmengruppe her
dann wird eS wieder so still, daß
man nichts hört, als das eintönige An
prallen der Wogen an die steinigen
Klippen des Ufers.
Am anderen Morgen aber, da finden
sie unter den schlanken Bäumen den
Leichnam eines großen schmarzbärtigen
Mannes, dem die Revolverkugel die
Stirn zerschmettert hat, und nicht weit
entfernt liegt ein schönes Weib, dem die
goldrothen Haare wirr über Schultern
und Nacken fließen und über dessen wie
im Krampfe verzogene Lippen noch ein
schmacher Athemhauch zittert.
Auf dem weißen Kreppkleide ist an
der linken Brustseite, nahe dem Herzen,
ein sich immer mehr vergrößernder,
kreisrunder Fleck, dessen noch dunkler
gefärbter Mittelpunkt die Stelle zeigt,
wo die Kugel Eingang gefunden hat.
Die Leiche man erkennt sie sofort
als diejenige des russischen Grafen Fe
doroff bringt man in die Todten
kammer des Friedhofes, die röchelnde
Frau aber trügt man in's Hotel zurück,
wo der herbeigerufene Arzt constatirt,
daß jede Hülfe unmöglich sei: die Kugel
hat die Lunge, kaum einen halben Zoll
vom Herzen durchbohrt sie wird sich
senken und so den Tod herbeiführen
herauszubringen ist sie nicht!
Mit stockender Stimme hat Clemence
ein Telegramm diktirt an den Ritt
meister von Friedberg in Wien, er
möge sich unverzüglich hierher verfügen;
dann ist sie in Bewußtlosigkeit ver
fallen. Und wiederum am nächsten Morgen
tritt ein hochgewachsener blonder Offt
zier in das tiefdunkel verhangene Hotel
zimmer, wo ein Menschenleben mit dem
Erlöschen ringt.
Festen Schrittes, aber mit schier un
heimlich blassem Gesicht tritt er an daS
Bett, wo der schöne Frauenkopf auf
dem weißen Kissen ruht, und jetzt erst
durchläuft ein Zittern die schlanke Ge
ftalt.
Er beugt sich nieder zu ihr, da schlügt
sie die dunklen Wimpern auf und sieht
ihn an mit dem starren Blick einer
Sterbenden, in der noch einmal ein
klares Bewußtsein zum letzten Male
aufdämmert. Sie erkennt den Gatten
und tastet unsicher nach seiner Hand,
die sie mit kalten Fingern umklammert:
Verzeih mir, Rob o, verzeih
mir," stammeln mühsam die bläulich
gefärbten Lippen, der Tod hebt alle
llnden auf! Ich habe Tich elend,
schändlich betrogen, denn als ich hierher
ging, wußte ich, daß der Vras mich er
warte und dann bin ich seine Ge
liebte geworden! Gestern Nacht hat er
mit mir zusammen Unsummen ver
loren, in jener irdischen Hölle da drü
den bei dem Teufelsspiel Rouge et
noir.
Alles hat er zugesetzt, sein ganzes
Vermögen, er war ein ruinirtcr Mann
geworden, ein Bettler. Da wollte er
das Glück zwingen, er spielte weiter
mit meinem Gelde. Ader das Gluck hat
sich nicht zwingen lassen, er verlor, ver,
lor auch, was mein war, bis auf die
Brillantnadeln in meinem Haar ver
lor Alles. Und nachher hatte er ge
lacht, wie ein vom bösen Dämon Be
sessener. wie ein Wahnsinniger, und er
bat mich hinausgezogen in den Garten
da lag AUeS so blau im Mondschein
und dort sagte er, wir hätten genug
gelebt, das Leben ausgekostet bis auf
die letzte Neige und wie er mich an sich
drückte und küßte, da fetzte er mir den
Revolver an die Brust und drückte los!"
Ein furchtbares. irreS Lächeln glitt über
die schon erstarrten Züge, sie gräßlich
verzerrend.
Er wollte mich in'S Herz treffen,"
flüsterte sie kaum mehr verständlich.
aber er hat gefehlt ! Eich traf er besser
er war ja gleich todt mich hat Gott
leben lassen, auf daß ich Dir noch solle
beichten können, was ich verbrach, zur
Strafe für meine Sünden. Ob, ich
habe Alles verspielt, meine Ehre, mein
Vermögen, mein Leben, Alles. Alles.
ich habe an Tir gehandelt schlechter als
ein Schuft, und ich frage, ich bitte, ich
flehe Tich noch an: Lass' meinen Tod
sühnen, WaS ich Tir angethan lag'
mich nicht sterben, ohne Teine Ver
zeibung !"
Sie starrte ihn an mit großen, un
heimlichen Bugen, aus denen die Qual
der Todesangst leuchtete. Da bog der
bleiche Mann sich ties herab über die
Sterbende und flüsterte tonlos :
Ich habe Tir vergeben. Clemence
Dir und mir den Irrthum unseres
Lebens denn auch das meine ift ein
erspieltes Tafein. aber Tu gehe hin in
Frieden !"
Man sagt, daß sehr unglücklich ge
wefene Menschen niemals wieder glück
lich zu werden im Stande sind und
dennoch ift das nicht immer wahr!
Wenige Jahre später ift Robert von
Friedberg doch noch ein zufriedener,,
glücklicher Mann geworden, der jetzt
erst sein Dasein zu schätzen weiß.
Damals, als der schreckliche Tod sei.
ner Frau und der Verlust ihre? Ver
wögen wahre Sensation i der Ge
scllschast erregten, wollte Robert den
Dienst auittiren und reichte an aller
höchster Stelle sein Abschiedsgesuch ei
aber nicht allein, daß es nicht angenom
men Mlirde, nein, der bei allen Käme
raden, Vorgesetzten und Untergebenen
so beliebte, pflichttreue Mann erhielt
kurze Zeit darauf sogar das Patent zum
Major.
Nichts desto weniger aber hatten Kum
mer und Ausregung ihn später aus'
Krankenlager geworfen, und da war eS
eine schöne, stille, blonde Frau gewesen,
die es bis in die Ferne vernommen
hatte, waS den einst so heiß Geliebten
ihrer Jugend betroffen hatte und die
nun, da kein Band sie mehr gesesselt,
herbei eilte an sein SchmerzenSlagcr
und den mit einem Nervensieber Rin
genden mit unermüdlicher Sorge nd
Geduld betreute.
Jetzt ist Emma Majorin von Fried
berg geworden ! Sie und ihr Gatte sich
ren ein bescheidenes, ziemlich zurückge
zogcneS Leben, das heißt, zurückgezogen
nur soweit, als eS sich . mit dem Range
verträgt, den er bekleidet und den er in
der Gesellschaft vertreten muß. Ein
alter, von Jahren und Kummer ge
beugter, von Beiden liebevoll gepflegter
Greis theilt dieses Leben mit ihnen.
Es ist der längst mit Ehren pensionirie
Oberst Roden, der, fassungslos von
Jammer über das tragische Ende seines
Kindes, damals seine einzige Stütze ge
funden hatte in seinem Schwiegersohn,
der ihn auch dann nicht verließ, als
viele, viele von Denen, die feine Tochter
einst umschwärmt hatten, sich vor dem
Vater der Abenteuerin und Selbst
Mörderin," wie man sie heimlich nannte,
zurückzogen. Robert's Sorge war es
gewesen, nicht alle kleinen Details jenes
traurigen Falles in die Heimath gelan
gen zu lassen, und so betrachtete man
Clemence vielfach als eine Person, die
ihr Vermögen verspielt und dann selber
Hand an sich gelegt hatte.
In Rohert'S wohl noch immer schö
nes Gesicht hatte der bitterste Ernst des
Lebens wohl manche harte Linie gegra
den, aber die blauen Augen können noch
immer in seltsam heißem Glänze aus
leuchten, wenn er an stillen, im Kreise
seiner traulichen Häuslichkeit erbrach
ten Abenden sein geliebtes Weib in die
Arme schließend und ihre kleinen weißen
Hände küssend, sagt:
Nicht wahr, Emma der Mensch
soll nie am Glück verzweifeln, und
wenn es noch so lange auf sich warten
läßt, früher oder später einmal komint
eS ja doch im Leben und je mehr man
sich sehnen und grämen hat müssen dar
nach, desto höher weiß man'S dann zu
schützen. Hab' ich doch auch mein ganzes
Leben schon für verspielt gehalten und
hab' dann doch noch das schönste Glück
gewonnen, daS ein Mann nur gewin
nen rann : sag , mein leoilng, ist s
nicht wahr?"
Und die blonde Frau, die den Kopf
an feine Schulter lehnt, blickt zu ihm
aus mit feuchten Augen und das Ja,"
fo leise es von ihren Lippen klingt, eZ
dringt doch empor aus der tiefsten Tiefe
eines reinen, liebevollen Herzens I
' ler Falsche.
In einem südungarischen Städtchen
so erzählt der Pefter Lloyd" ist
Aushebung. Man ruft einen Militär
Pflichtigen Namens Mathias HanS auf.
Ei herkulisch gebauter Bursche tritt
vor die Kommission und sagt zum Prä
sidenten, Herr Oberstlieutenant, ich
melde mich ergebenst, . ." Schweig'
und entkleide Tich!" Ader Herr
Oberstlieutenant " Ruhe!"
Und der Bursche beginnt sich zu cntllei
den; mit freudigem Behagen blickt die
Kommission aus seine sehnigen Beine,
auf seine mächtige Brust. Die ärztliche
Untersuchung ist nicht weniger erfreu
lich. Tauglich!" lautet der schnell ge
fällte Wahrspruch. Aber HerrOberst
lieutenant,. .." Jetzt kannst Tu
reden." Herr Oberstlieutenant,
melde gehorsamst, daß Mathias Hans
krank ist und nicht bei der Assmtirung
erscheinen konnte. Daher hat er mich,
seinen Nachbar Peter Franz, Korporal
in der Reserve, gebeten, dies zu mel
den...."
Veteranen zur Ztt.
Ten Seeschiffen aus Holz wird viel
fach die Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit
gegenüber den eisernen abgesprochen, so
daß man in neuerer Zeit selbst Segel
schiffe meist aus Stahl fertigt. Und
dennoch giebt eS auch unter den Holz
schiffen ganz ehrwürdige Veteranen mit
so hohem Alter, daß man sich nur wun
dem kann, daß solche Schiffe ncch see
j tüchtig sind. Nach den in d r neuesten
Brit'.sh Mercantile shippmg Lift ent
haltenen Angaben über das Alter der
noch heute unter britischer Flagge dienst
thuenden Holzschisse befinden sich darun
ter I Schiff von 122 Jahren. 3 Schiffe
von 105 bis 1 10 Jahren. 4 Schiffe von
100 bis 105 Jahren, 13 Schiffe von 93
bis 100 Jahren. 14 Schiffe von 90 bis
95 Jahren u. f. w. Es wäre inter
effant, auch von den deutschen Schiffen
eine selche Statistik zu haben.
rd-biifcrtia.
Herr: WaS, Sie horchen an der
Thür, wenn ich mit meiner Frau
zanke?"
Tiener: Ja, ich dachte, vielleicht
mußt ich dem gnä' Herrn zu Hilfe km
men!"