Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 07, 1897, Image 10

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    Neujahr an Bord.
Erzählung von (M u (t S 5 f( 1 1.
Die Seeschwalbe" lag still, schloss
herab hingen ihre Segel. Am Boll
werk standen müßig die Matrosen und
pfiffen leise in der Richtung nach Nord,
im bin. aus der sie den Wind
wünschten. Das über dem Verdeck auf,
nrfHnnnif klttuck, schüfest die Kajüten,
Paffagiere gegen die heißen Strahlen
der Sonne.
ES war nur eine kleine Schaar be
vonugter Menschen, welchen die An
nehmlichkeit des Sonnenschutzes zu
Theil wurde ; die große Masse der Aus.
Wanderer bewohnte das Zwiicyenoea,
welche kein Zeltdach hatte. Hier sah
man ausaewannte Sonnen und Regen,
schirme und sonst allerlei Vorrichtungen
zur Schattenbildung.
lar und blendend wie ein Spiegel,
der elektrisches Licht zurückstrahlt lag
das Meer in stiller Unbeweglchket da.
und es wäre um diese Zeit wohl Nie
mand an Deck gewesen oder geblieben.
wenn nicht tief im Südosten die zart
umriffenen Höhenzüge der australischen
Küste am Horizont erschienen wären und
wenn dieser heutige nuyl em ganz oe.
sonderer Tag gewesen wäre, nämlich der
letzte Tag Im alten Jahre !
.Schade," sagte eben ein eleganter,
junger Mann mit sonnengebräunten
Zügen zu dem neben ihm stehenden
Kapitän, schade, daß uns gerade hier
solche Windstille befallen mußte! War
eS schon öde genug, den Weihnachten
an Bord verleben zu müssen, so war es
noch ärgerlicher, angesichts der Küste
festzuliegen und das neue Jahr in die
ser Todenstille an sich herankommen zu
sehen. Ich muß nun doch wünschen,
meine medizinischen Studien in Eng.
land statt in Ihrem Deutschland ge.
macht zu haben. Ich märe dann wohl
nicht in die Lage gekommen, ein Segel
schiff zur Heimreise benutzen zu müssen."
Wer weiß, wozu es gut war, Herr
Sanders," sprach lächelnd der Capitün,
Sie hätten ja auch einen Dampfer be
nutzen können."
Sie meinen ?" sagte der junge
Mann zerstreut, während er sein
Opernglas auf eine Gestalt deS Zwi.
schendecks richtete, die soeben erst unter
der Masse der Auswanderer aufgetaucht
war und nun einsam am Bollwerk
lehnte.
Nun, warum nicht," fuhr der
Capitün in gemüthlichem Tone fort,
Ein Mann wie Sie; der einzige Sohn
und Erbe eines der reichsten auftraw
n Heerdenbesitzer, der kann doch ganz
ch Gefallen reisen. Freilich, wenn
n so arm ist, wie die junge Dame
da, auf der Sie eben Ihr Auge ruhen
lassen, dann hat man keine Wahl. Da
ist das Zwischendeck eines Segelschiffes
noch ein ganz willkommener Ausent
halt."
Fast erschreckt richtete Herr Sanders
sein GlaS sofort auf einen Punkt am
Horizont, während eine dunkle Röthe
m seinem Gesicht aufstieg. Er blickte
wohl nur deshalb so angestrengt nach
der Küste, die noch immer in nebelgrauer
Ferne lag.
So Sie meinen Miß Berger sei
sehr arm?" fragte er beklommen.
Ah, Sie kennen ihren Namen be
nitS!" rief der Capitün in leichter
Verstimmung, während sein blaues
Germanenauge ernst und forschend auf
dem Gesicht des jungen Engländers
ruhte.
Ja, arm und verlassen," beantwor
tete er deS Anderen Frage. Auf
meine Vorstellungen hin hat der Rheder
ein Einsehen gehabt und ihr vom Fahr
preise etwas abgelassen, sonst schwämme
sie wohl heute nicht hier mit uns der
neuen Heimath zu."
So, das haben Sie gethan?" sprach
SanderSmit Wärme. Das ist schön
von Ihnen.
.Menschenpflicht !" warf der Capi,
tan leicht hin. Außerdem," fuhr er
mit stärkerer Betonung fmt, habe ich
der jungen Dame während ihres Auf
ttoaites an Bord meinen schütz zuge
sichert."
Der junge Man nickte Verständniß
voll.
.Sehr recht und drüben?"
' Drüben, Mister Sanders, wird
Fräulein Berger unter dem Schutze
ihrer Reinheit und Bildung stehen, und
ich bezweifle nicht, daß dieser Schul
immer stark Zenug sein wird, um sie
vor Beleidigung und Erniedrigung zu
bewahren."
Die Worte waren mit einer solchen
Bestimmtheit gesprochen, daß man eine
dsicht unschwer herausfinden konnte.
ES klang fast wie eine Warnung.
Der Andere schüttelte den Kopf.
Sie mißverstehen mich, Capitän,"
sagte er. Ich meine, was die junge
Dame drüben beginnen wird?
,Musit.Unterricht geben."
' Und darum nach Australien?"
Der Capitün zuckle die Achseln.
.Man thut drüben ja Manches, des.
scn man ia Teuschland sich schämen
würde."
In diesem Augenblick trat der wacht
habende zweite Steuermann heran und
machte dem apitan eine Meldung,
welche sofort dessen ganze Aufmerksam
Kit in Anspruch nahm. Er folgte dem
(Steuermann nach dem Zwischendeck.
Alfred Sanders blieb in Gedanken
zurück.
Er war von uftrauen naaz deutsch
fmfc int Vl7)lmtt 1.1 ftilhinM
hat hatte Sinn ; aber von Deutschland "n n ftch drüben in Australien hatte
ach Australien , kommen, um Kla. H?!"1 '.'""Matratze
.ier-Unterrich, ,u geben. tcS üox olvtät Selten. I bestand in
unlogisch, er konnte cS nicht fassen.
Dahinter steckte wohl noch etwas an
deres.
ES war nicht daS erste Mal seit der
mehrmonatlichen Reise, daß oer junge
Mann sich so ernste Gedanken über das
Schicksal einer ihm gänzlich Fremden
hingab, und nicht zum ersten Mal stieg
so mancher häßliche Verdruß in ihm auf,
der sich gegen den Charakter dieses selten
önen Mädchens richtete. frcmifl),
wenn man ihr in die Augen blickte, sie
sprechen hörte, dann schwand einem ie,
der böse Gedanke aus der Seele. In
diesen Auaen laa eine Welt voll Hu,
schuld und Herzensgüte ; im Uebrigen
zeigte Marie Berger sich erschlossen und
jeder Annäherung abhold. Das hatte
ganz besonders Alfred SanderS erfahren
müssen, der von Anfang an ein starkes
Interesse für die schöne Unbekannte
empfunden und was aber Niemand
hier wuktench zur Reise mit der See
schwalbe" erst entschlossen hgtte, als er
bei einer ersten, zufälligen Begegnung
mit der iungen AuSwanderin in am
bürg zugleich deren Reiseziel erfuhr.
Marie Berger hatte gerade ihn mit einer
gewissen vornehmen Kälte behandelt und
war jedem Alleinsein mit ihm sorgfältig
ausgewichcn. um so enger hatte sie sich
von Beginn der Reise her an einen
Menschen geschlossen, auf welchen Ban
ders schon immer mit Mißtrauen und
heimlichem Abscheu geblickt hatte,
Auch letzt war imer Oswald Fernau
zu ihr getreten, die noch immer einsam
am Bollwerk lehnte, und hatte ihr heim
lich eine Mittheilung gemacht, die sie
sehr zu cychrecken schien. Er hatte da
bei verstohlen nach dem Zwischendecks
eingang geblickt, in welchem soeben Ea
pitän und Steuermann verschwunden
waren. Auch das junge Mädchen blickte
letzt ängstlich dorthin, aber Fernau s
Gesten und Mienenspiel schienen anzu
deuten, daß er ihre Besorgniß verlachte
und ne ermunterte, die sch leicht zu
nehmen.
Wäre Sanders vorhin nicht so anae
legentlich mit seinen Gedanken an Frl.
Berger beschäftigt gewesen, dann würde
er ohne Zweifel gehört haben, was der
Steuermann dem Eapttän mu halblau
ter Stimme und in großer Erregung
meldete. So war es ihm entgangen.
Es mußte schon ein ungewöhnlicher Vor
gang sein, der den Capitän veranlaßte,
das Zwischendeck zu betreten.
Der Zunge Mann war zu gut erzo,
gen, um Neugierde zu bekunden. Ihn
ärgerte nur das Besammensein der schö-
nen Veutlchen mit jenem unsagbar ge
wöhnlichen und, wie es Sanders schein
nen wollte, brutalen Mann, der gleich
ihr, das düstere, unsaubere Zwischendeck
bewohnte. Er konnte diesen Anblick
nicht länger ertragen und stieg in seine
ikaoine dinad, wo er nch nnschlo.
Bei der Mittagstafel in der großen
Kajüte geschah es zum ersten Mal, daß
der Capitän sich verspätete. Es waren
daher Alle gezwungen, zu warten, da
es ein althergebrachtes Recht der Schiffs,
capitäne ist, der Tafel zu präfidiren.
Endlich kam er, nur mit einem nüch
tigen: Entschuldigen Sie!" seinen
Platz einzunehmen. Man sah es ihm
an, er war übel gelaunt und erreat.
versuchte aber, feine Kaiütenpassagiere,
die er gewohnheitsmäßig mit großer
Artigkeit veyanoelie, das nicht merken
zu lassen.
Bald wurde das zuerst etwas emnl
bige Gespräch allgemein, und natürlich
drehte es sich um drei Dinge, welche
jetzt allein noch interessiren konnten:
die Nähe der australischen Küste, die
Aussichten auf Wind und Sylvester
fein. An Bord der Seeschmalbe"
wurde dieselbe mit Punsch und Pfann
kuchen begangen, ganz wie in Deutsch,
land.
Im' Zwischendeck werden wir. wie
ich höre, sogar einen Sylvefterdall ha
ben." sagte eben Ichmunxlnd ein älterer
Herr. Nun, Capitän," wandte er sich
an diesen. Sie waren ja lange genug
unten, wie sind die Vorbereitungen aus
gefallen ?"
Auch Sanders hatte längst von diesem
projektirten Sylvefterdall im Zwischen
deck reden hören, und die Aussicht dar
auf war für ihn eine Quelle des stillen
Glücks gewesen. Natürlich waren alle
KajütenPassagiere eingeladen, und er
hatte es sich so schön ausgemalt, dann
vor aller Welt die heimlich Geliebte an
lein yerz nehmen und. von ihren Armen
umfaßt, durch den mit Fahnen ge
schmückten Feftraum fliegen zu können.
Hm daraus wird nun wohl Nichts
werden," fagte der Capitün verdrieß
lich, denn " Er brach kurz ab und
fuhr in freundlicherem Tone fort :
Aber Punsch und Pfannkuchen die
sollen Kit haben. Wir hier wollen uns
wenigstens die gute Laune nicht trüben
lassen."
In diesen Worten, daS merkte sofort i
ein Jeoer. lag noch was Besonderes.
ein oriflcaier mn, UN von auen i
f3:iiit fwhrAnnf torCtanh fi(i X sC.;-
Seiten bedrängt, verstand sich der Cavi,
tän, aber nur widerstrebend, zu einer
Erklärung.
Im Zwischendeck war n diesem er,
eignißvollen letzten Tage im Jahr ein
grotzer Tiebftahl entdeckt worden. Man
konnte nicht sagen, ob er erst heute oder
schon vor einiger Zeit ausgeführt wor
den war. Entgegen der wohlgemeinten
Warnung der Rheder, alles Geld und
GeldeSwerthe dem Eapitan zur Aufbe
Wahrung zu übergeben, hatte ein über,
mißtrauischer, bäuerlicher Zwischen !
deckz.Pasiagier sein sauer erworbenes, !
nicht undetröchtlicheS Vermögen, mit !
einem Bündel australischer Banknoten,
drüben gültiger Ein und Fünf.Pfund
Noten, deren Nummern er nicht notirt
hatte. -
Jetzt, Angesichts der Küste und der
nahe bevorstehenden Landung hatte er
zum ersten Mal wieder nach seinem
Schatz gegriffen, um ihn in seiner
Brusttasche zu verbergen, und nun war
er fort. Der Dieb mochte den Aermften
einmal belau cht haben, wie er ftch un
beobachtet wähnte, und so war er hinter
das Berste gekommen.
Nun ist der arme Mann gänzlich
mittellos," schloß der Capitän seinen
ausregenden Bericht und Alle äußern
oder heucheln wirkliche Theilnahme an
seinem Verlust. Alle fühlen sich be
drückt und niedergeschlagen, und
darum, meine Herrschasten, werden wir
heute keinen Sylvesterball haben."
Alfred Sanders war gleich bei den
ersten Worten des Kapitäns der Bissen
im Munde stecken geblieben. Er war
kreidebleich geworden. Vor seinen Au
gen stand das Bild der schwer erschrocke
nen Marie Berger, als ihr Fernau leise
und heimlich Mittheilung von dem
Vorgefallenen gemacht, und wie er dann
bemüht gewesen, ihre Besorgniß hin
wegzulachen. Er wußte jedenfalls, in
welchem hohen Ansehen sie bei dem Ca
pitän stand und daß auf sie kein Ver
dacht fallen würde. Vielleicht war es
das, was er ihr sagte, als Sanders voll
Unmuth das Deck verließ, um in seine
Kabine hinabzusteigen.
Eden ante eine Dame: An Bord
eines Schiffes sollte man dergleichen gar
nicht für möglich halten. Da beobachtet
immer einer den anderen, und was
die Verstecke anbetrifft, die müßten doch
von Ihren Leuten zu erforschen sein."
Der Capitän schüttelte verneinend den
Kopf.
Sie irren." saate er. ..wir baben
sogleich Alles durchsucht, aber "
IN die em Auaenb ck eckte der
wachthabende erste Steuermann hastig
den Kopf zum geöffneten Glasdach hin
ein, schrie etwas Unverständliches hinab
und eilte fort.
Ohne ein Wort weiter sprang der
Capitän in großer Erregung von seinem
Sitze auf und rannte ohne Kopfbe
deckung nach oben. Bald im gleichen
Augenblick entstand an Deck ein tolles
Laufen, Rufen, Pfeifen und Schreien,
das etwas Unheimliches an sich hatte.
Rathlos sahen die Passagiere sich ein-
anoer an. xann eilten auch sie nach
vom.
War das Geld gefunden? Hatte nian
den Dieb gefaßt?
Sanders dachte unwillkürlich wieder
an Marie Berger und an ihren der
trauten Mitreisenden. Waren sie die
Diebe?
Verstört erstieg er die kleine zum Deck
suyrenoe Treppe. Noch ehe er die
oberste Stufe erreicht hatte, traf ein
furchtbarer Windstoß das Schiff und
legte es fast auf die Seite. Aus einem
dunklen Pünktchen am Himmel hatte
sich blitzschnell ein ganzes Wolkenheer
enlwiaeil. Wer Sturm be tsch e das
Meer aus seiner tiefen Mittaasrube
auf. Nach wenigen Minuten fuhr die
Seeschmalbe" mit kunaesvannten Se.
geln und doch noch mit Windeseile durch
die aufgeregte See, welche ihre Spritz
wellen über das Deck hinsandte,
Sekt zu unserer Sylvester-Bowle!"
spottete ein Herr. Besorgt blickte die
Mehrzahl der Passagiere in den toben.
den Kampf der Elemente. Im Sturm
wollte das alte Jahr abfahren und wie
würde dem gefährdeten Schiffe das neue
nahen? Drohend wuchs die Küste heran,
wie eine sich ausbreitende. Alles über.
flügelnde. schwarze Wetterwolke. Die
Sonne hatte ihren Schein verloren.
Die Wolken sanken immer tiefer, die
Wellen gingen immer höher. Die Nacht
eilte heute dem Abend vorauf und schon
um Sonnenuntergang lag dichteste Fin
sterniß über dem vom Sturm aufge
wählten, unstüt schwankenden schäu
mcnoen uno zisqenven Meere.
So nahte den Weltpilgern mit der
Seeschwalbe" die Neujahrsnacht. Der
kleine Zwischenfall von heute war ver
gessen.
ES war etwa in der neunten Stunde,
als plötzlich laute, gellende Hülferufe
über das Deck hinfchalltcn.
Matrosen und Passagiere liefen
gleichzeitig hinzu und fanden hier im
Kampf zwei Männer m Bnn fi
winden. In des einen kkau blikte ein
langes Messer, der andere hielt den so
bewaffneten Arm krampfhaft fest und
suchte ihn von sich abzuhalten. Beide
Gegner gaben keinen Laut von sich,
Man sah es. es war ein Ringen aus
Tod und Leben. Die so ge'chrien. war
ivcaiie erger. Jetzt lag sie Jemandem
oynmüchtig in den Armen. Wer konnte
sur die, äthsel eine Erklärung sin
den?
Aeißt sie auseinander! Laternen!
cor donnerte der Capitän.
S.n , - , .
qneu waren beide Kämpfer aus
aaizn veive wampter a
ander und vom Boden aufgeriffen.
aieinen leulyienn lynen in S Gesicht.
ES waren SanderS und Fernau.
Mister SanderS Sie?" rief er
staunt der Capitün.
Ich, Capitän," entgegnete der junge
Engländer feft. .Verbaften Sie den
Mann da! Er ist der Dieb, und er tvöre
Schlimmeres, wenn meine und ?tb
azwiilyeniunsl seine große Schur
kerei vielleicht msine Ermordung, nicht
vereitelt bült,.
Er lügt, schrie Fernau auf und
suchte mit Gewalt sich frei u machen.
um nm noam5is aul SanderS ,u
stürzen.
.Unter Deck mit ihm! Legt ihn
!N
Eisen!" befahl der Capitän. Mister
Sanders, berichten Sie weiter!"
Während der hart sich widerstrebende
Verbrecher fortgezerrt wurde und dann
im Matrosenlogis verschwand, erzählte
der junge Engländer mit fliegendem
Athem:
Mein Verdacht hatte sich gleich An.
fangs auf diesen Menschen gelenkt und
ungeahnter Weise auch auf das un
glückliche, junge Mädchen hier, eine
arme, elternlose Waise, welche viel mit
diesem Buden verkehrte, ohne etwas von
seinen geheimen Absichten mit ihr zu
ahnen, ohne ein leise warnendes Ee
fühl für seine Schlechtigkeit in ihrem
kindlich-arglosen Herzen zu haben. Als
ich nun, nach bereits erwachtem Vev
dacht, die Beiden eben jetzt hier in üeim
lichem, erregten Gespräch wieder zusam
men sah, schlich ich mich heran in der
Erwartung, das Wahre über den Dieb,
stahl von heute zu hören, und so war
es auch."
Jener Schurke hatte ihn bedangen,
das gestand er jetzt dem erschreckten
Madchen ganz offen, aber weniger um
oer seivflvereicherung willen, als viel
mehr in der Absicht, diese Unglückliche,
wenn sie seinem Werben widerstrebte,
zu seinem Willen zu zwingen. Er hat
nämlich ohne ihr Wissen das gestohlene
Geld in ihrer Kabine versteckt und drohte
ihr mit Anzeige, wenn sie sich ihm nicht
angeiovie ais seine Braut.
Schreie der Entrüstung und Trobun
gen gegen den Elenden unterbrachen auf
einen Augenblick den Erzähler.
Sie bat. ne lebte, sie beschwor ibn."
fuhr Sanders in tiefer Erbitterung
fort, vergebens. Sie enthüllte ihm und
dem heimlichen Lauscher einen Theil
ihrer Vergangenheit, wie sie, in Glanz
und Reichthum ausgewachsen, plötzlich
elternlos wurde, in Noth und Armuth
versank, wie sie auswanderte mit ihrem
letzten Gelde, um daheim nicht auf
Schritt und Tritt Leuten zu begegnen,
die sie einst in anderen Verhältnissen
gekannt hatten. Sie könne ihn, einen
Verbrecher, niemals lieben, nur er
achten und werde, wenn er seine furcht-
bare Drohung, sie als Diebin birnu
stellen, wahr mache, in'S Wasser sprin
gen, um der Schande und einer ihr
entsetzlichen Verbindung zu entgehen.
Das Scheusal war nicht zu überzeugen,
nicht zu rühren, trotzdem sie vor ihm
kniete.
Nun, griff ich ein, mit welchem Er
folge, das haben Sie hier gesehen.
Capitän," schloß Sanders seinen kur
zen Bericht, Sie sagten heute zu mir:
Wer weiß, wozu es gut war !" als ich
beklagte, statt des langsamen Seglers
nicht ein Dampfschiff benutzt zu haben.
Sie hatten Recht, und ich danke Gott,
daß er mich dazu auserfehen hatte, die
Unschuld in diesem einen Falle offenbar
zu machen und ein Menschenleben vor
dem Verderben zu bewahren."
Ein Gemurmel des Beifalls lief durch
die Reihen der staunenden Hörer. Marie
Berger hatte sich von ihrem Ohnmachts
anfall erholt und blickte nun ebenfalls
voll Bewunderung auf den Sprecher.
O. hätte ich Sie immer so gekannt,
Mister Sanders," sagte sie. ich hätte
wohl den Muth gefunden, Ihren Bei
stand zu erbitten gegen die mir aufge
zwungene, zudringliche Freundschast die
ses unwürdigen Reisegenossen. Aber
gerade vor Ihnen warnte er mich ein
dringlichst, Ihr ganzes vergangenes
Leben, das er sicher gar nicht kannte.
verunglimpfend. Nehmen Sie meinen
lebenslänglichen Dank und verzeihen
Sie es meinem Mangel an Welt und
Menschenkenntnitz, wenn ich Ihre
ehrenvollellAnnöherung und Ihre mir
bewiesene liebevolle Theilnahme so
falsch beurtheilte."
Sanders sührte die ihm dargereichte
kleine Hand galant an seine Lippen,
und in Beider Augen lag ein Blick, der
für sie glückverheißend war.
Der arme Beftohlene erhielt sein
Geld wieder. Die Anderen waren
froh, daß der Verdacht von ihnen ae
nommen war, und daß ein so gefübr,
licher Mensch nicht länger , unter ihnen
weuie.
Aus dem Sylvefterdall wurde zwar
auch letzt nichts den tanzte die .See,
schwalbe" mit den Wellen allein aber
Punsch und Piannkuchen gab es genug
in dieser NeujahrSnacht auf dem Meere
und zwar sur Alle.
Aber Sanders und Marie Berger
sanken wahrend denen endlich die bei,
derseits wohl erwünschte Gelegenheit zu
heimlicher Aussprache, und als von un
ten herauf nach guter, alter, deutscher
Art das Prosit Neuiayr!" erschallte,
tauschte oben auf Deck ein glückliches,
junges Paar den Beriodungskug.
Unter den Straßenkehrern.
Berliner Tlizie oi Aar Wundlke,
Eine kühle erfrischende Nachtluft webt
durch die Straßen Berlin?. In öder
Stille liegen die Häuser: ihre Fenster
glitzern im saiden Mondschein todte.
meitgeöftnete Augen eine? erstarrten
RiesenleideS. Nur am Leipiiger Vla
flrayikn oven noch die Lichter, da tönt
noch Leben in die stille Nacht hinaus.
Unten stehen die Kuttchen und die Kut
scher schlafen auf den Blcken. bis die
Stimme deS Dieners zum Vorfahren
auffordert. Beim Gesandten oben iii
große Fete: n feiert daS Fest der filber
nen Hochzeit.
Da plötzlich wird es in der Straße
lebendig; aber ein eigenthümliches Tret
den ist's, das sich j.tzt entwickelt. In
langsamem Tempo fahren die kehr
Maschinen, in schräger Staffelform,
hinter einander die Straße entlang,
mächtige Staubwolken hinter sich aus,
wirbelnd. Kurz darauf ergießt sich eine
zahlreiche Kolonne grauer Männer aus
einer Mieden träne verein, den langge
stielten Besen über der Schulter, wie
eine Heeresabtheilung. bereit, dem
Feinde zu Leibe zu gehen. Um den
Vergleich vollständig zu machen, rasselt
gleichsam als Train oder Geschütz eine
Zahl ei einer Karren hinter ihnen her.
In der That, dieses wohlarmirte Heer
hat es auch mit einem Feinde zu thun.
der nicht zu unterschätzen ist und dessen
Beilegung einem so großen Gemein,
Wesen wie in Berlin ein erkleckliches
Sümmchen kostet derGroßstadtschmutz,
dem rationell deizukommen sämmtlichen
Stadtvätern immer noch ein ungelöstes
Problem ist.
Enisig und schweigend zumeist machen
sich die Leute an ihre Arbeit. Es ist
ein bunt zusammengewürfelter Troß,
der sich da in die wenig einladende Be
schäftigung theilt. Alte Männer mit
ergrautem Bart und verwitterten ZU
gen, jüngere, denen man es ansieht,
wie gedrückt sie sich in dieser ihnen neuen
Stellung, fühlen, dieser mit frohgesinn
ter Miene, jener mit apathischem Ge
stchtsausdruck. Dort steht ein junger
schlanker Mann traumverloren an die
Anschlagsäule gelehnt, wer genau hin.
sehen wollte, der würde eine große
schwere Thräne bemerken, die sich an
schickt, über die bleiche eingefallene
Wange zu rinnen. Aber sie soll ihm
nicht zum Verräther werden. Mit dem
Rücken feiner linken Sand. die rechte
stützt sich auf den Stiel seines BesenZ
fährt er über daZ Antlitz, dessen feine
weiche Linien beredte Kunde geben von
einstigen Leiten und herben Lebensstür
men.
Er lehnte an der Säule und seine
Gedanken schweifen in gar nicht zu ferne
Zeit zurück. Er denkt daran, wie er
noch in Dresden im Hause seines Va
ters weilte, der sich vergebliche Mühe
gab, ihn zu einem geregelten, arbeits
samen Leben zu erziehen. Aber anstatt
im Eomptoir seines Vaters zu sitzen,
zog er es vor, in leichtlebiger Gesell
schaft und in zweideuiigen Lokalen Geld
mit vollen Sünden zu eraeuden. Und
als er dann in seinen Mitteln knapp
gehalten wurde, da war er leichtsinnig
genug, den ehrlichen Namen seines Va
ters zu betrügerischen Handlungen zu
mißbrauchen.
Lange konnte dieses Treiben nicht
verborgen bleiben ; aber er besaß nicht
mehr so viel moralische Kraft, seinen
Eltern die Schuld zu bekennen und sich
zu einem heilsamen Entschluß aufzu
raffen. Immer weiter, haltloser denn
je, trieb er auf der abschüssigen Bahn
dahin, und als er sah. daß seine Rolle
ausgespielt war, verschwand er eines
Tages mit einer bedeutenden Baar
summe, die er seinem Vater entwendet
hatte, aus Dresden, um das Geld in
derselben Weise wie bisher zu ver
jubeln.
Als jedoch die Mittel ansinaen auf
die Neige zu geyen, packte ihn die Angst
um die fernere Existenz und er schrieb
an den betrogenen Vater. Kurz genug
war der Bescheid, der umaebend ein
traf. Keine Gemeinschaft mehr!" lau
teten die Zeilen. Verlaß den Boden
unseres Erdtheils! Schaff' Dir mit
eigener Hand das Glück, dessen Du
Dich unwerth gezeigt hast. Nicht eber
trilt wieder vor. meine Augen, bis Du
gewiesen, vav Vu arbeiten gelernt haft. "
. Wenige Tage später befand er sich
auf der Reise nach Amerika, der letzten
Hoffnung aller schiffbrüchigen Ezi
ßenzen, aber daS Glück, das er suchte,
wollte sich nicht sinden. Er wurde
ZeitungsverkSufer, Hoteldiener. Kut
scher, Kellner, Gepäckträger AlleS eine
kurze Zeit, weil er sich in keine Lage
zu schicken verstand. Entweder lief er
von selber davon, oder man jagte ihn
weg.
Nachdem er sich noch einige Wochen
als Bettler in den äußeren Stadttheilen
New Jork's umhergetrieben hatte, fand
er schließlich aus Gnade und Barm
Herzigkeit als Kohlenschlepper auf einem
Oceandampfer Unterkunst, der ihn mit
nach Bremen nahm. Die paar Gro
schcn, die er sich unterwegs zusammen
gespart hatte, reichten gerade noch zur
Fahrt nach Bkrlin. Als ein Gebeugter,
aber auch als Geläuterter betrat er
das Pflaster der Kaiserswdt. Ihn be
seelte der feste Entschluß, zu arbeiten
und so die Achtung, die er bei seinem
Baier vericycrzr yane, wieder zu gewm
nen. Anfänglich glückte eS ihm; er fand
eine Stelle als Laufbursche in einer
Lampenfabrik; aber der schlechte Ge
schüstSgang nöthigte seinen Arbeitgeber,
einen Theil feiner Leute zu entlassen,
und der Schwergeprüfte gehörte zu
ihnen. Wieder stand er ohne Per
dienst da; doch er war nicht gesonnen,
lange zu zögern, frisch griff er zu und
nahm, was sich ihm bot, und fo kam er
bei der Straßenreinigung unter. -
Sinnend steht der junge Mann an
der Säule: er scheint die traurige Außen I
weit um sich her vergessen ,u haben.
Ob er an seinen Vater nach Dresden
schreiben soll? Er hat noch immer nicht
den Muth; seine schändliche That dünkt
ihm größer, denn daß sie ihm vergeben
werden könnte, wenigstens jetzt noch
nicht. Die Worte: .Schaff' Dir mit
eigener Kraft da. Glück, dessen Tu Dich
hier unwerth gezeigt haft!" haben sich,
unverlierbar in leine -eele aepräat:
zudem kennt er den unbeugsamen Sinn
deS BaterS. Als immer weiter, so
lange eS geht ! Möglich, daß ihm daS
Glück noch einmal lächelte. Tann
erst,.,, o, wann wird daS einnial"
sein? , . ,,..
Oben am Leipziger Platze ist es
lebendig geworden. Rufe ertönen,
Kutschciischläge werden zugeworfen,
Pfcrdegetrappel, Räderrollen, die Lich
ter verlöschen das Fest bei dem Ee
sandten ist zu Ende. Von der Drei,
faltigkeitskirche her dröhnen drei dumpfe
Schlüge in die Nacht hinaus. Ver
schiedene Geführte jagen an dem tröu
mcnden Straßenkehrer vorüher, den
seine Genossen, da er regungslos im
Schatten der Säule steht, vergessen
zu haben scheinen; denn sie sind schon
eine Strecke von ihm entfernt. Müde
schweift sein Blick die Straße aus
wärts.
Drüben vor der Porzcllanmanufaktur
scheut und bäumt ein widerspenstiges
Kutschpferd. Vergeblich sucht der Kut
scher im Pelzkragen daS Thier zu be
ruhigen. Da, ein gewaltiger Satz, und
in rasendem Galopp jagt das Pferd
die Leipziger Straße hinab. Bald
links, bald rechts herüber fliegt das
leichte Gefährt und läuft Gefahr, an
dem ersten besten Hinderniß zerschellt zu
werden.
Ohne rechte Aufmerksamkeit sieht der
Träumende die Equipage heranbrauscn,
aber da ist'S, als gewönne ein plötz
licher Impuls die Herrschast über ihn.
Mit einem muthigen Sprung fällt er
dem Thier in die Zügel und reißt es
seitwärts. Dabei kommt er zu Fall
und wird einige Schritte vorwärts ge
schleift; aber er läßt die Zügel nicht
aus der Hand. Schnaubend, zitternd
eht da? Pterd. Der Straßenkehrer
erhebt sich und schüttelt sich Gottlob!
er ist unverletzt. Ein weißhaariger
Mann springt auS dem Wagen und
streckt dem jungen Mann beide Hände
entgegen.
Dank, dank, junger Mann," sagt
er athemlos. Wir wären ohne Sie
verloren gewesen! Aber " setzt er
erschrocken hinzu, da er seinen Retter
blaß werden sieht, Sie haben sich
doch nicht wehe gethan?"
Einen Augenblick ängstliche Stille,
indeß der Alte fühlt, wie die Hand, die
er in der seinigen hält, heftig zittert.
Vater, Vater!" klingt es da aus
dem Munde des Jungen und Thränen
strömten über das bleiche Gesicht. Ich
bin es ja, Franz! Darf ich denn nicht
wieder Dein Sohn fein?"
Wie erstarrt steht der alte Herr da.
Die Hände hat er zurückgezogen. Dann
aber reicht er sie ihm auf's neue.
Mein Retter ist mein Freund,"
spricht er leise, und seine Blicke mufter
ten den jungen Mann von oben bis
unten. Und da ich sehe, daß Du ar
beiten gelernt haft auch mein Sohn!
Gott segne die Stunde, da ich Dich
fand; Gott segne das Hochzeitsfeft mei
neS Freundes da oben am Leipziger
Platz, denn ohne dieses wäre ich schwer
lich nach Berlin gekommen. DaS Va
terhauS steht Dir offen. Franz. ES
scheint, daß Du ein Besserer gewordm
bist."
Mein lieber, lieber Vater! Nun bin
ich auch wieder am alücklicb. mMt
der Sohn am Halse des Alten.
Die genarrie Rthhaut.
Nichts setzt einen Indianer so sehr in
Erstaunen," berichtete unlängst ein ame
rikanischer Ofsizier. als der Vorstellung
eines reisenden Taschenspielers beizu
wohnen, von denen fo manche ihren
Weg in den dünnbevölkerten Nord
Westen des Landes sinden, wo sie immer
sicher sind, eine reiche Ernte einzuheim
sen. Ter Zauberkünstler .Professor"
McAllister besuchte einmal ein Lager
von River CrowS am Yellowftone. und
nachdem er verschiedene Päckchen Karten
und andere kleine Gegenstände aus den
Mrra, Nasen. Kleidern und vom
Nacken seiner Zuschauer hervorgehet
hatte, wurde er von den erstaunten In
dianern zu einem großen Feste mit
Hundebraten und ähnlichen Herrlich,
keiten eingeladen. Der Häuptling Tmo
"l S'W"' SW medizini.
Ichen" Kräften deS Professors so eingc
nommen, daß er ihn nach feinem Wig
wam mitnahm, zu seiner Tochter Miß
Wicisia.Necta (dS heißt Wildkatze)
führ, und ihm diese für den niedrigen
Pr.'iS von zwei Ponies ,r ft (,
DaS Fest und- die Tochter wurden höf
lichft abgelehnt, doch als McAllister das
Zelt verließ, bemerkte er einen dürren
rivc,, vier, xa fragte den
Häuptling Two Bclly. wie viel er für
den Hund haben wollte; gleichzeitig
streichelte er das Thier über den Rücken
und brachte wiederholt am Schwanzende
eine Hand voll Gold hervor. Das i
ja ein recht werthvoller Hund,' bemerkte
McAllister dazu, als er aus dem Auae
M "5 M R6t"s wieder ein
Geldstück hervorzog. Ich stbt mi
Ponies für ihn. Häuptling!" Mit M.
lergroßen Augen standen die Indianer
ftmnm vor Erstaunen umher und schüt
telten verneinend die ,..
McAllister! Weggange schlepp,.
A)a rlfnia c n, . k
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unter, und schlitzten eS auf. Tie San,
hatte aber nicht die erwarteten goldenen
Eier und f, trotteten die Rothhu
ÄÄ.". lüfft. doch s. frlich
UJ.? m88ll5' naä 'Wm Lager
Grob.
fafl'n' Jbk' Tochter
2i 1 JVamm Um k-irathen?
'S glaub ich denn doch nicht "
Srautixier: Gewiß, da, können
ja schon daran erkennen, daß sie
:e heiraihen will.