Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 17, 1896, Image 9

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    '
Ein Gaunerstiickchen.
Stij(( oii8 dkm Pariser i'cbtn von D r,
, h e.
Der Schlächtermkifter Boudinoi, sine
biete, unförmliche Gestalt, saß eines
Vormittag in seinem Laden in der
Rne St. Denis in Paris und blickte
gleichailt, auf das lebhafte und lär,
mende Getriebe auf der Gaffe. Da trat
ein ungefähr zwölfiöhnger Knabe in
hui i'nhpn hfn s)Iiiferp UinelmtaQ
vertrauenerweckend war. Sein dunkler
Teint verrieth sofort den Südländer.
Der Rock, eine alte, beschmutzte und
zenissene Uniform, war um die Taille
mit einem Riemen zusammengehalten;
auf dem Kopfe trug er einen Filzhut
von zweifelhafter Farbe, uiiter welchem
struppiges, dunlles Haar hervorquoll,
und unter dem linken Arm hielt er eine
schmutzbedeckte Geige. Als Boudinot
den Jungen erblickte, verfinsterte sich
sein Antlitz; er sprang vom Stuhle
auf, und indem er mit drohender Ge
berde nach der Thur zeigte, rief er
wuthend:
Du infamer Bengel, wirst Du so
fort machen, das; Du fortkommst ! Hier
ist weder sur Bettler noch für Spitz,
buben EtmaZ zu holen."
Mit verschmitztem Lächeln antwortete
der Knabe in gebrochenem Französisch:
Ich will nicht betteln, und noch viel
weniger Kehlen, sondern ich möchte zwei
SchmeinScoteletten laufen."
So, das ist freilich etwas Anderes,"
meinte der Meister in freundlichem
Tone, hackte das gewünschte Fleisch ab
und wickelte eS in einen Bogen Papier.
Der Junge streckte die Hand nach den
Coteletten aus.
Halt, mein Burschchen!" rief
Boudinot abwehrend. Erst sechzehn
Sous, und dann die Waare !"
Der Bursche kehrte alle seine Taschen
um; es fand sich allerhand in denselben,
wie verschiedene Hosenknöpfe, ein zer
brochener Spiegel, ein halber Kamm
und andere werthlose Gegenstände, aber
nur kein Geld. Endlich begann er laut
zu weinen und zu inmmern.
, O, ich Unglücklicher, ich habe das
ganze Geld verloren !" klagte er m herz
zerreißendem Tone. O, mein lieber,
guter Herr, haben Sie doch Erbarmen
mit niir !"
Unser dicker Fleischermeister hatte nur
Sinn und Verständniß für Gold und
Sildermlinzen; Mitleid und Erbarmen
kannte er nicht. Mit wechselndem Miß
trauen hatte er der Taschenrevision zu
geschaut, und als er endlich die Gewiß
heit erlangte, daß der kleine Schlingel
kein Geld besaß, herrschte er ihn an:
Packe Dich zum Kukuk, oder soll ich
Dir Beine machen, Du abscheulicher
Taugenichts !"
Der Kleine schluchzte noch lauter; es
hätte einen Stein erbarmen mögen.
Was soll ich nur beginnen?" jam
merk er. Wenn ich meinem Vater
lein Frithstlick bringe, dann schlägt er
mich todt. O, mein guter Herr, borgen
Sie mir doch die sechzehn Sous, nach
einer Stunde bringe ich Ihnen das
Geld, und inzwischen lasse ich Ihnen
meine Geige als Pfand.
Meister Boudinot nahm das Jnstru
ment und betrachtete dasselbe prüfend
von allen Seiten. Nun, das Ding war
gewiß noch dreißig Sous werth, er ris
kirte daher Nichts, wenn er sechzehn
Sous creditirte. Ohne ein Wort zu
sagen, gab er dem Jungen die Cotelet
ten, und dieser verließ mit tausend
Segenswünschen den Laden.
Ungefähr zehn Minuten später trat
ein feingekleideter Herrein; er sah hoch
aristokratisch aus, und der Fleischer
hielt ihn für einen Baron oder für
einen Grafen. Mit gewinnender
Freundlichkeit theilte er Boudinot in
gebrochenem Französisch mit starkem
englischen Accent mit, er sei hier fremd
und) habe sich verlaufen, und er bitte
höflich, ihm den Weg nach den Boule
vards zu zeigen. Während Boudinot
dem Fremden in zuvorkommender Weise
den erwünschten Bescheid gab, blickte
dieser wie gebannt auf die Geige, welche
noch auf dem Ladentische lag.
Ist das Ihre Geige, mein Herr?"
fragte er endlich in größter Aufregung,
indem er das Instrument einer ein
gehenden Prüfung unterzag.
.Nein, mein Herr," antwortete der
Mchlächter erstaunt, ein armer Junge
rein mir die Geige für sechzehn SouZ
Mrpfändet.'
' WaS, für sechzehn SouS?" rief der
Fremde, vor Verwunderung fast außer
sich. Können Sie mir vielleicht die
Adresse des Kleinen angeben, mein
Herr?"
Ich bedaure, gnädiger Herr, der
Knabe hat seine Adresse nicht hinter
lassen, aber er versprach, binnen einer
Stunde wiederzukommen, um seine
Geige auszulösen. In spätestens fünf
undzwanzig Minuten muß er hier
fein.
Der Fremde blickte nach der Uhr.
Schade, jammerschade, so lange
habe ich nicht Zeit !" erwiderte er in de
dauerlichem Tone. Wiederum nahm
n die Geige zur Hand, und mehr zu sich
selber sprechend, fuhr er fort : Welch'
wunderbares Instrument, ein Guar
neriuS Tonnerwetter, ein seltenes
Prachtstück, ein kostbarer Schatz !"
Meister Boudinot sperrte vor Erftau
nen Nase und Mund auf ; tS regte sich
in ihn die Geldgier.
ms ffi hit rtnfthtnrr
tn?" rief et mit zitternder Stimme.
iuarneriuS waS oder wer ist denn
oan-
.GuarneriuZ war in großer Künft
Äcr
Jahrgang 17.
ler ; seine Geige find die besten, die es
nur giebt, aber ungemein selten und
daher außerordentlich theuer !"
Und dieser berühmte Künstler hätte
auch diese Geige verfertigt?"
Jawohl, mein Herr! Sehen Sie
nur hierher, da haben wir den besten
Beweis. Hier können Sie lesen
Uuanionus lecit 17U0."
Unser Fleischermeister blickte auf die
ihm bezeichnete Stelle im Innern des
Instruments, aber obwohl er sich fast
die Augen aussah, konnte er dennoch
Nichts entdecken, als Schmutz und
Staub, sowie einige Linien und Striche,
Doch jedweder Zweifel schwand, als der
fremde feine Herr die Frage an ihn
richtete :
Was wollen Sie für das Jnstru,
ment haben? Ich zahle Ihnen mit V
gnügen, was Sie fordern."
Leider muß ich Ihnen wiederholen,
daß die Geige nicht mir gehört," ant'
wartete Boudinot traurig.
Ich gebe Ihnen 200 Franken."
Unmöglich, mein Herr !"
300 Franken."
Es geht nicht."
Nun, wie viel wollen Sie? Gut,
ich werde Ihnen 1000 Franken zahlen,
Meister Boudinot schüttelte leise mit
dem Kopfe.
Noch nicht genug? Schön, so sagen
wir 1500 Franken !"
Unser Pariser Schlächter kämpft einen
schweren Kampf; Habsucht und Ehd
lichkeit stritten in ihm um die Ober
Hand. Der arme Knabe hatte ihm die
Geige verpfändet, allein wer war Zeuge
gewesen? Niemand, und wenn nun er.
Monsieur Boudinot, ein angesehener
Bürger der sranzonichen Hauptstadt,
erklärte, er habe dem Jungen die Geige
für schechzchn Sous abgekauft, wer
würde es wagen, ihn der Unwahrheit
zu zeihen? Und was für ein glänzendes
Geschäft konnte er dann mit der Geige
machen? Allein der kleine Bursche sah
so jämmerlich elend aus, er hatte gewiß
nicht einmal das liebe Sattefsen, und
das Instrument war wahrscheinlich sein
einziger Schatz. Wäre es nicht him
melschreiend, den Aermsten seines letzten
Kleinodes zu berauben? Aber er schien
ja den Werth des Instrumentes nicht zu
kennen, sonst würde er dasselbe doch
nicht für sechzehn Sous versetzt haben?
Doch der Diebstahl bleibt nichtsdeftowe
Niger verdammenswerth, und zudem
könnte ja der arme Junge früher oder
später einmal in Erfahrung bringen,
welch' großen Reichthum er in , seiner
Geige besaß. Nein, unrecht Gut ge
deihet nicht", und ehrlich währt am
längsten". Boudinot seuszte tief auf
und sagte resignirt:
Ich bedaure unendlich, Ihnen nicht
dienen zu können, gnädiger Herr. Wie
Sie wiffen, ist die Geige nicht mein
Eigenthum, und ich habe mithin kein
Recht, die Geige zu verkaufen."
Ueberlegen Sie sich die Sache, mein
Herr!" erwiderte er endlich. Haben
Sie sich anders besonnen, dann kom
men Sie zu mir. Vergeffen Sie nicht,
ich zahle Ihnen für das Instrument
20U0 Franken. Hier ist meine Karte !
Mit dem Nachtzuge fahre, ich ab. Gu
ten Morgen, mein Herr !"
Meister Boudinot warf schnell einen
Blick auf die statte. Ah, der Fremde
war ein Lord und wohnte im Conti
nental Hotel I Unser Fleischermeister
versank in tieies Nachdenken und kam
schließlich zu dem Resultate, daß er noch
eine volle Stunde warten wolle ; käme
dann der Junge nicht, um die Geige
auszulösen, so werde er das Pfand als
verfallen, folglich als fein Eigenthum
ansehen und das Instrument an Lord
Nuppet verkaufen. Vergnügt rieb er
sich die Hände ; ein solch' einträgliches
Geschäft hatte er noch niemals in seinem
Leben gemacht. Da wurde die Laden
thür geöffnet und der in Lumpen ge
hüllte Knabe trat ein.
Hier sind sechszehn Sous, mein
Herr ! Darf ich nun um meine Geige
bitten?"
Der Meister machte ein bitterböses
Gesicht.
Du kommst sehr spät, Du loser
Schlingel!" Dann setzte er freundlich
hinzu: .Sag' einmal, möchtest Tu
mir Deine Geige nicht verlausen? Ich
habe einen Buden, der soll das Geigen
spielen lernen, und da könnte ich das
Instrument gerade gut brauchen '."
Nein, mein Herr !"
Ich gebe Dir zwanzig Franken,
mein Junge !"
Da geht nicht, mein Herr ; denn
die Geige gehört meinem Vater."
Boudinot bot immer höher und
höhn, und ließ zur Unterstützung seiner
Bitte das Geld im Lasten klingen.
Nach langem Sträuben überließ ihm
endlich der Knabe das Instrument für
4oO Franken. Wer war glücklicher.
als unser ehrlicher Schlächtermeister?
Ein Prosit von ImO Franken beim
Verkauf von zwei SchweinScoteletten
das war noch nicht dagewesen ! So I
Änntagsgast.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
fort schloß er seinen Laden und begab
sich nach dem Continental-Hotel.
Ist Lord Nuppet zu sprechen?"
fragte er den Portier, während seine
Stimme vor Aufregung zitterte.
Ich kenne leinen Lord Nuppet",
lautete die Antwort.
Aber sehen Sie, hier ist seine Karte!
Lord Nuppet muß also hier wohnen."
Aha, Sie kommen wohl wegen einer
Geige?"
Jawohl, mein Herr !"
Sie sind bereits der zwölfte Herr,
der den Lord Nuppet in dieser Angele
genhcit zu sprechen wünscht."
Und Lord Nuppet ist nicht zu
Hause?"
Lord Nuppet eristirt überhaupt
nicht. Sie sind, wie die Uebrigen,
einem geriebenen Gauner in die Hände
gefallen,"
Meister Boudinot war einer Ohn
macht nahe ; er mußte sich an die nächste
Säule lehnen, um nicht umzusinken.
Aber es ist doch ein seltenes Jnstru
ment", brachte er endlich mit polternder
Stimme hervor.
Der Portier brach in ein schallendes
Gelächter aus.
Ein seltenes Instrument?" rief er.
Natürlich mußte Ihnen das der Gau
ner aufbinden, damit Sie ihm in's
Netz gingen. Mein Herr, Sie dürfen
mir aus's Wort glauben, eine solche
Geige kaufen Sie in jedem Bazar für
dreißig Sous."
Seine Leichtgläubigkeit und die ganze
Welt verwünschend, wankte Monsieur
Boudinot nach Hause.
versöhnt und geheilt.
Von H. Sri in.
Also Tu bleibst dabei, die Gesell
schaft Deines Freundes der meinigen
heut Abend vorzuziehen ?"
Aber Kind! Ich hab dem Fritz mein
Wort gegeben!"
Das wäre das Wenigste! Aber Du
willst einfach nicht mit mir in's Conzert
gehen. Und die Thatsache, daß Du
nicht nachgeben magst daß Du nicht
nachgeben kann aus Liede zu mir,
selbst wenn sich's um einen, vielleicht
um einen thörichten Wunsch handelt.
Sie brach in Thränen aus und -nun
war's fertig, denn er konnte keine
Thränen leiden und meinte heftig, er
hoffe zu einer verständigen Gefährtin,
nicht aber zu einem albernen Kinde zu
sprechen. Und so entstand aus der an
sänglich so nichtigen Ursache ein ernster,
nachhaltiger Ehezmift, der damit endete.
daß sie ihm erklärte, sie werde noch heut?
das HauS verlassen und nicht eher zu
rückkommen, als bis er selbst sie renig
hole.
Diese kleine Scene hatte am frühen
Morgen bei Dr. Vetter stattgefunden
und biö gegen Nachmittag wartete Frau
Elfe vergebens auf den um Verzeihung
outenden iiiann.
Er kam nicht er nahm ihre
Drohung nicht ernst. War sie wirklich
noch schwankend gewesen, so stand es
nun felsenfest bei ihr, daß sie ihn ver
lassen würde.
Im Rechte war sie nicht eigentlich, , .
nein . . . aber ihr zu Liebe hätte er doch
nachgeben müssen. AIS Bräutigam
hatte er ihr jeden Wunsch erfüllt, dachte
er etwa, jetzt nach viermonatlicher Ehe
könne er sie tyrannistren?
Da mußte er eben erfahren, daß sie
Ernst zu machen verstand.
In nervö er Ha ging sie nunmehr
an die Reifevorbereitungen.
Ein kurzes Lebewohl mit der Adresse
ihrer Mama Weiter enthielt das
Briefchen nichts, das ihr Mann auf
einem Aroeiisputie ftnden sollte.
Bis gegen sieden Uhr verblieb sie da
heim und als sie dann ihren Mann
wirklich das Haus verlassen hörte, berief
sie das Dienstpersonal zu sich und suchte
ihre Reise durch die Mär von einem
Telegramm begreiflich zu machen.
Mitten in der Nacht traf Elfe bei
ihrer Mutter ein, der allerlei Bedenken
über den unverhofften töchterlichen Be
such kamen, die sie aber wohlweislich
nicht äußerte. Sie kannte ihre Einzige
nur zu genau und wußte, wie diese Ge
sahr lief, ihr LebenSglück einmal am
eigenen Trotzkopf zerschellen zu sehen.
m nächsten Morgen konnte Elle
noch nicht gut Nachricht von ihrem
Manne Her gar seinen Besuch ermar
ten, aber am Abend konnle er da fein
würde er da fein.
Er sollte schön bitten, wenn sie ibn
erst reuig wieder hatte. Leicht wollte
sie eS ihm nicht machen. Und in der!
Vorfreude fibir i ihr brhnrfti)in.n
Triumph lachte sie einige Male sogar!
veu aus.
Der ersehnte Abend lam heran und
ging vorüber, ohne von Else'S Gatten
ein Lebenszeichen zu bringen.
tai war empörend! Er ängstigte
sich also nicht einmal um sie!
Elfe schlief in dieser Nacht sehr wenig.
Fiebernd vor Aufregung sah sie dem
nächsten Tage entgegen.
Und wieder wartete sie vergebens
wieder enttäuschtes Hoffen!
Ja, um alles, was war denn ge
schehen. daß er nichts von sich hören ließ?
Hatte sie ihn ernstlich so gekränkt, daß
er aus jeden Versöhnungsverfuch ver
zichtete? Freilich ja.. ..sie hatte
ihm freilich in der Erregung alles mög
liche gesagt, woran ihr Herz nicht
glaubte. Aber sie hatte ihn doch lieb,
das wußte er darum mußte er
nachgeben nicht sie. Da war sie
wieder am Anfang ihres Gedankenkrei
ses angekommen und wieder ballte sich
ihre Hand trotzig zusammen, die bereits
nach der Feder gezuckt hatte, um das
Versöhnungswort zu schreiben. Der
Starrkopf,, ,,der Eigensinn wenn
er ohne sie leben konnte gut, sie ent
behrte ihn erst recht nicht.
Ein heißer Thränenstrom stürzte aus
ihren Augen.
Noch schluchzte sie zum Erbarmen, als
ihre Mutter zu ihr hintrat. Die alte
Frau forschte und fragte nicht, aber Elfe
fühlte, daß sie nichts mehr zu verbergen
habe.
Nun war sie auf Vorwürfe, Anklagen
gesaßt, doch nichts von alledem geschah
Wie beiläufig, als wäre sie eigentlich
ilt ganz anderen Dingen beschäftigt,
sagte die Mutter nur:
Du solltest Dir gelegentlich einmal
erzählen lassen, liebes Kind, wie unsere
Erneftine zu ihren weißen Haaren kam.
Die Geschichte ist sehr lehrreich."
Else zuckte nur die Schultern.
Was ging sie das an! Hatte sie auch
zuweilen mit Interesse nach der ernsten
vergrämten Frau geschaut, die neuer
dings bei der Mutter in Diensten stand
und deren noch junges Gesicht völlig er
grautes Haar umrahmte, so lag es ihr
jetzt doch viel zu fern, sich um das Wohl
und Weh anderer Leute zu kümmern.
Da in einer Dämmerungsstunde, als
sie meinte, an dem Verföhnungsmort
ersticken zu müffen, klingelte sie nach
Ernestine. Warum sie s that? Um e
mand anderes reden zu hören, als ihr
Gewissen, dem sie sich verschließen wollte.
Die Frau kam, und als Elfe den seit
samen Wunsch äußerte, von ihr die Ge
schichte ihrer weißen Haare zu erfahren,
zeigte sich keinerlei Verwunderung bei ihr.
Es mochten sie wohl viele nach demGruude
ihres so früh ergrauten Haares fragen.
Mein Haar wurde in einer einzigen
Nacht, sowie es heute ist, gnädige Frau."
Auf ein Geheiß Elses nahm Ernestine
nun Platz.
Wie kam es? Erlebten Sie so
Schreckliches?"
Die Frau stöhnte leise auf.
Sehen Sie, gnädige Frau, soviel
ich auch gelitten habe, immer ist'S noch
nicht genug, um das abzubüßen, was
meine Schuld ist. Ich war nicht
immer so still, geduldig wie heute, ich
war ein recht wildes, starrköpfiges, ver
zogeneS Ding von Hause aus, mit dem
es sicher kein Mensch ausgehalten hätte,
wenn nicht mein Gesicht jung und hübsch
gewesen wäre. Daß mir sonst das Herz
am rechten Fleck saß, merkte ich erst, als
ich meinen Karl kennen lernte, mit dem
ich mich, als ich neunzehn Jahre alt
war, verheiratete. Wir hatten uns
gern alle zwei Gott im Himmel,
wie hatten wir uns gern! Mir ging
mein Mann über alles in der Welt
aber über meinen Eigensinn, -über mei
nen Willen ging er mir doch nicht."
Eine Pause entstand. Else athmete
schwer, als ringe sie nach Luft.
Mein Mann war Malermeister und
hatte sein gutes Auskommen. Darauf
bauend, mußte mir eines TageS der
Gebanke kommen, einen genau solch
kostbaren Hut von meinem Mann zu
verlangen, wie ihn eine reiche Kauf
mannsfrau trug. Mein sonst sebr
nachgiebiger Karl erklärte mir diesmal
rundweg, ich müßte aus meinen Wunsch
verzichten. DaS war mir noch nie pas
sirt! Ich war außer mir, eS kam zum
Zank. Als ich ihm schließlich eine un
sinnige Beschuldigung zurief, sprang er
plötzlich aus, sah mich an, wie bis in'S
Herz getroffen, und wies nach der Thür.
Ich ging nicht da ging er. In mir
lochte die Wuth. Er hatte mich weg
geschickt nun war'S aus zwischen uns.
Und so sollte eS kommen."
WaS weiter geschah? Wir sprachen
nicht miteinander, wie das so zu gehen
pflegt. Ich erwartete daS erste Wort
von ihm (i meinte, ich müßte es
sprechen. Ich sah. wie er litt, aber ich
konnte nicht nachgeben. Wir wurden
uns immer fremder. Schließlich nahm
ich mir vor, Karl am anderen Tage
anzusprechen. Ich nahm mir'S nur
vor, gnädige Frau, daS war daS Un
glück! Wie alle Tage brach mein Mann
auch an jenem, wo ich ihn bei feiner
Heimkehr vielleicht um Verzeibung bitten
wollte, früh auf, um zur Arbeit zu
gehen. Während er sonst Mittag; da
heim aß, ging er in den Zagen unseres
Grolls in einem Gafthof effen. Ich er
9to. 30.
wartete ihn also nicht. Da wird gegen
1 Uhr plötzlich an uusere Thür geklopft,
und bleich wie eine Leiche steht ein Ge
nosse meines Mannes draußen.
Ich schrie nicht aus, aber es war, als
stände mein Herz still in grauenhafter
Ahnung.
Ein Unglück. Frau Haak er
schrecken Sie nicht in der Minute,
wo er in das Restaurant eintreten wollte,
stürzte ein Balken von oben "
Nun erst fand ich einen Schrei, vor
dem mir selber graute.
Als ich an der Unglücksstätte an
langte, fand ich meinen Mann als Leiche
wieder. Erstarrt war für ewig die
Hand, der ich noch heute in Versöhnung
die meine hatte reichen wollen. i
storben ohne ein Wort der Liebe
gestorben!
In qualvoller Erinnerung stöhnte
Ernestine tief auf.
Ahnen Sie nun, gnädige Frau, wie
ich mein weißes Haar bekam? Es war
so schwarz wie das Ihrige! In jener
Nacht nach dem Tode meine? Mannes
ergraute mein Haar. Draußen auf
dem Grabstein meines Mannes stcht's
geschrieben, was mich an meine Schuld
mahnen soll mein Leben lang:
O lieb, so lang du lieben kannst!"
Nun wissen Sie meine Geschichte,
gnädige Frau. Ich darf wohl wie
der gehen?"
Lange noch saß Else allein in tiefes
Sinnen verloren.
Endlich erhob auch ste sich
Mutler ich kehre zurück zu
ihm noch heute Abend!"
rage nicht!
Skizze von Anna Fromm,
Ein köstlicher Julimorgen, strah
lend. lau und dllfteschwer. Ueber Nacht
ist ein sanfter Regen gefallen, und die
Rosen im Garten, die gestern noch
Kno wen waren, sind alle ausqeblkht.
In einem der oberen Zimmer des
nau es stehen die Fenster weit geöffnet,
aber dichte, dunkle Vorhänge lassen die
Sonne nicht hinein. Leichter hat sie es
mit einem Fenster darunter; die weißen
Gardinen wehren den Strahlen nicht
hineinzubringen und um den Kops der
kleinen L?chäserin zu spielen, die noch in
ihrem Bettchen liegt und träumt.
Jetzt regt sie sich, wacht auf, blinzelt
in das Licht und wendet das kraus
lockige Köpfchen ad. Dann reibt sie
sich die Augen und steht sich nach dem
Bett der Wärterin um, es ist leer.
Sie dehnt sich behaglich. Mit einem
Mal aber setzt sie sich mit einem Ruck
ausrecht.
Gestern Abend war etwas Großes ge
schehen! Anna, ihre alte Wärterin,
war zu ihr gekommen und hatte gesagt:
Weißt Du etwas Neues, Gleichen?
Du hast einen kleinen Bruder betörn
men! Aber nun geh' schnell schlafen.
morgen früh darfst Du das Brüderchen
sehen!"
Sie hatte der Mama nicht mehr gute
Nacht sagen dürfen, um das kleine
Kindchen nicht zu stören. Das war
Alles gestern Abend gewesen, nun aber
ist eS Morgen, nun darf sie hinaus
gehen.
Mit einem Satz ist sie aus dem Bett,
in wenigen Minuten hat sie Strümpfe,
Schuhe und ihre Röckchen angelegt.
Sie schiebt den Vorhang fort und thut
einen Blick hinaus. O wie das Alles
umher in Sonnenschein glänzt, und wie
die schönen Rosen leuchten! Sie lächelt
luftig. Es ist gewiß noch früh, sie will
hinausgehen und einen Rosenstrauß für
die Mama pflücken.
Gedacht, gethan. Im Flur ist Nie.
mand; sie huscht schnell hinaus. Auch
im Garten regt sich nichts als die
Schmetterlinge und die Vögel. Um so
besser. Sie pflückt alle Rosen, die ihre
kleinen Hände erreichen können. Sonst
darf sie kleine Blumen abbrechen, aber
heute ist ja ein ganz besonderer Tag!
Sie legt die Rosen in ihr Schürz
chen, nimmt eS bei den Zipfeln zufam
men und geht die Treppe hinauf, zu
Mama'S Zimmer. An einem Tisch im
Hausflur steht Anna und hantirte
allerlei Weißzeug.
Anna, ist Mama schon wach?"
Die Alte fährt erschrocken herum,
kehrte sich aber gleich wieder ab und
dem Tisch zu. Ach Gott. Gret
chen ?"
Ist Mama wach? Ich will ihr gu
ten Morgen sagen und mein Brüderchen
sehen."
Nein, nein." sagt Anna hastig, öff.
net einen Schrank und blickt angelegent
lichft hinein, Tu kannst noch nicht hin
eingeben."
Noch nicht? Wann denn?"
Später. Sie schläft." Tie Alte
iupft und rückt a dem Linnen im
Schrank und sagt dann, immer noch
ohne sich umzuwenden: .Sei ein gutes
Kind, Gleichen, e? ist noch sehr früh;
geh' noch einmal hinunter, ich hole
Dich, wenn eS Zeit ist."
Wenn Mama wach ist?"
Anna nickt. DaS Kind läßt das
Köpfchen hängen, aber eS trippelt ge
horsum hinunter in sein Zimmer, setzt
sich, die Rosen immer noch im chooß,
auf den Bellrand, und nicht lange, so
liegt der Kopf in den Kissen, und eS
schläft.
Die Sonne hat allmählich, an der
Wand entlang gleitend, das Zimmer
verlassen, als Gretchen aufschreckt. Je
mand ist eben hinausgegangen, sie hörte
noch, wie die Thür geschlossen wurde.
Aber hat sie das geträumt oder hat
sie wirklich ei leises Weinen ganz dicht
neben sich gehört. Sie fährt mit der
Hand über das Gesicht ihre Wange
ist naß. Wie kommt das? Sie hat
doch nicht geweint!
Oben hört sie schwere, langsame
Schritte jetzt stocken sie jetzt san
gen sie von Neuem an. Still! WaS
war das? Ein Schrei? Ein Fall?
Sie lauscht mit unruhig klopfendem
Herzen. Nein, es ist Alles still. Aber
die Schritte gingen in Mama'S Zim
mer, sie ist also wach.
Sie rafft ihre Rosen zusammen.
horcht einen Augenblick an der Thür,
sie weiß nicht recht, weshalb oder warum
sie zögert, hinauszugehen. Dann geht
sie langsam treppan. Wieder ist Anna
draußen.
Anna, darf ich jetzt hineingehen?"
Nein," sagt die Alte zögernd.
Aber Mama ist wach, sie wartet
ganz gewiß aus mich! Anna,
was ist Dir? Du hast geweint?"
Die Wärterin macht eine verneinende
Kopfbewegung, aber sie spricht nicht.
Ist etwas geschehen? Warum darf
ich nicht hinein?"
In dem Augenblick öffnet sich die
Thür von Mama's Zimmer, und der
Vater tritt heraus. Das Gesichtchen
der Kleinen erhellt sich.
Papa! Papa! Laß mich zur Mama
hineingehen, bitte!"
Was ist das? Auch er sagt kein Wort,
er macht eine abwehrende Handbewe
gung und verschwindet in einem Zim
mer gegenüber. Er hat den Kops ab
gewandt, aber Gretchen hat doch gesehen,
daß er ganz, ganz blaß ist.
Will denn kein Mensch mit ihr spre
chen? Eine ungeheuere Angst preßt das
Herz der Kleinen zusammen, sie schmiegt
sich an die Thür der Mutter, und wäh
rend die Rosen aus ihrem Schooß nie
dersallen, ruft sie jammernd: Mama!
Mama! liebe Mama!"
Da umfaßt sie die Alte, drückt das
arme Köpfchen an ihre Brust und stam
melt unter hervorstllrzenden Thränen:
Ä!e,n Herzenskind, sie ist todt!"
Diesmal half t nicht.
Folgendes Geschichtchen pflegte der
verstorbene Distrilts-Anmalt Col. Wil
liam B. Mann auf Kosten des bekann
ten Criminal-Anwalls Charles Brooke
zu erzählen.
Brooke hatte einst einen Mörder zu
vertheidigen. Die Anklage stützte sich
hauptsächlich auf UmstandSbeweise.
Diftrikts-Anwalt Mann führte als
Beweismaterial ein Paar Schuhe vor.
die man an dem Gefangenen gefunden
hatte, und welche genau in die im
Schnee vorgefundenen Fußspuren
paßten.
Er machte die Geschworenen aus
verschiedene Eigenthümlichkeiten an den
Schuhen aufmerksam und fügte hinzu,
daß es ihm nicht gelungen sei, in ganz
New York ein ähnliches Paar auszu
treiben.
Brooke bat um die Erlaubniß, einen
der Schuhe mit nach Hause nehmen zu
dürfen, da er der Meinung war, es
möge ihm doch möglich sein, irgendwo
ein ähnliches Paar aufzutreiben. Man
gab ihm den Stiefel und am nächsten
Tage überraschte er die Geschworenen
im Gericht mit einem Paar Stiefel,
welches mit demjenigen des Gefangenen
vollständig übereinstimmten. Nichts
deftoweniger wurde der Gefangene schul
dig gesprochen. Nachdem alles vorbei
war. fragte Mann Brooke: .Charlie,
sagen Sie mir doch, wo haben Sie die
Stiefel her. Ich konnte in der ganzen
Stadt keine finden?" .Ich auch nicht."
entgegnete Brooke, ich habe sie über
Nacht machen lassen."
Ein ?chlaubng.
Gattin: ..Ack. lieber Mann k,i dn
so llUt. aeb' in Meiler (In mit fcrnn
und besorge mir fünf Meter Stoff nach
oieiem wüster r
Gatte (der einen Greuel vor fflefnr.
gungen hat): Meyer & Co.? Ist
das nicht das Geschäft, wo die hübschen
Ladenmädchen sind?"
Iattm (gedehnt): .Ja a a!"
Gatte: -Weint Du nocki. die Dam,
die Dich damals bediente, war ganz
reizend, ich werde Dir die Sachen sofort
besorgen!"
Gattin (schnell): Nein, laß' nur, ich
hole sie mir schon selbst!"
Zu' Stammbuch.
Erfüll' Deine Pflicht;
Halt' fern Du die Gicht;
Schätz' gut Gericht
Und örg're Dich nicht!
?', .C4.lt.
Direktor: !ieM kommt der Liktalen.
schuß!"
Reaisieur: .Donnerwetter i tah'
vergessen, die Pistole zu laden!"
.ire:tor: .1'lachl nicht! eben
Sie einem Statisten eine tüchtige Ohr
feige'."