Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 17, 1896, Image 12

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    V
MS'
Migräne.
HumoicSkk von V, W, Zell
Sie waren nun schon mehr ali drei
Monate verheiratet. Trotzdem erklärte
Assessor Hartig jeden Tag, der dem
glücklichen Paare heranzog, daß er
eigentlich tolllopfig verliebt in seine
kleine Frau sei, mehr noch denn als
Bräutigam savs die Überhaupt im
Bereich der Möglichkeit läge I
Sie war aber auch allzu lieb und
süß, die blonde Hanna mit der zierlichen
Figur und dem seinen Kinbergesichtchen.
Und daei so reizend srauenhast und
mütterlich, wenn es vorläufig ja auch
nur der (alte war, den sie nach Kras
tcn verjvg und verhüischclte. Wer hätte
ie dacht, daß das verwohnte Prinzeß
chc so wirthschaststllchtig sein und sich
nicht mir eingehend um den Haushalt
flimmern, sondern auch mit den kleinen
Händen selber wacker zugreisen würde !
Sogar das Kochen besorgte ne hocyw
selbst und erlaubte der Köchin nur, ihr
dabei hulsreiche Hand zu leisten.
Freilich war Hanna's Haussrauew
tugend auch zugleich ihre Schwäche,
Gerade, weil sie ihre Pflichten so ernst
nahm und stets die unfehlbare Herrin
im Getriebe des Haushalts sein und
bleiben wollte, gerieth sie häufiig mit
den Mädchen aneinander, die manches
besser zu verstehen meinten als so ein
junges Frauchen. Das aber vertrug
die kleine Frau Assessorin nicht, und wo
ne ie auf dergleichen Rebellion stieß,
kündigte sie dem Mädchen sofort. Und
so geschah es, daß in den sechs Wochen
eigener Äirihschaftsslihrung bereits das
siebente Mädchen im Hause war.
Das junge Ehepaar hatte noch keine
Besuche gemacht, sondern bis jetzt ganz
sich selber gelebt. Aber gerade, als das
achte Mädchen angezogen war und der
junge Hausherr es mindestens etwas
unbequem, wenn nicht gar peinlich
empfand, schon wieder eine polizeiliche
Ab und Anmeldung in doppelten
Exemplaren ausfällen zu mllssen, eihielt
er einen Brief seines Betters Alfred,
der eben von einer italienischen Reise
heimkehrte, den Weg Über Berlin nahm
und darauf brannte" wie er
schrieb , das neue Wäschen kennen zu
lernen.
Am liebsten wäre ich ja unangemel
det bei Euch eingeschneit und Hütte a la
fortune du pot einen Löffel Suppe
. mitgegessen. Aber eine so junge Haus
fia, wie Deine Hanna es ist, könnte
das in Verlegenheit bringen. Da
meine ich denn, es ist das Beste, Du be
suchst mich heut erst im Hotel Reichs
hos" und meldest mich Deiner gewiß
reizenden Hausehre für morgen seiet
lich an !"
Dein lieber, guter Fred !" sagte der
Assessor ganz gerührt, nachdem er das
Schreiben wie alle nicht amtlichen laut
vorgelesen. Immer rücksichtsvoll,
immer auf alles bedacht "
Frau Hanna aber zog ein Mäulchen.
Es hätte mich aber gar nicht in Ver
legenheit gesetzt, wenn Dein Fred unge
meldet erschienen wäre," grollte sie.
War unsere Kartoffelsuppe heute nicht
ausgezeichnet und das Filet auch?"
Aber selbstverständlich, Liebchen!
Und doch ist's besser, er kam heute nicht I
denke doch, das funkelnagelneue Mäd
chen, das mir Übrigens nichts weniger
als gewandt aussieht "
Frauchen nickte seufzend.
Und vielleicht kaum weiß, wie man
einen Gast eintreten läßt und meldet."
Da haft Du recht ! Und was hätte
Dein Vetter von mir und meiner Haus
halliingssührung für einen Begriff be
kommen, wenn das nicht alles tadellos
verläuft !"
Nun also, Herzlieb. Und darum
ist's am besten, ich gehe heute noch ein
mal hin und Tu benutzest die Zeit mei
ner Abwesenheit, dem neuen Hausgeist
ein wenig auf den Zahn zu fühlen."
Du kommst doch aber bald wieder,
Heinz?"
Natürlich. Zum Abendlhee bin ich
wieder da."
Es ist das erste Mal, daß Du allein
ausgehst, Schatz, ohne daß Dein Amt
Dich ruft." sagte sie seierlich mahnend.
Ja, Kind, einmal muß es doch das
erste Mal sein," entgegnete er leichtser
tiq, küßte ihr alle ferneren Unheilspro
phezeiungen von den rosigen Lippen
und ging.
Frau Hanna stand noch ein Weil
chen. überlegte die Speisenfolge des
morgenden Mittagessens und begab sich
dann zur Küche, das neue Mädchen auf
das große Ereigniß des ersten GaftcS
vorzubereiten.
Kochen werde ich selber," sagte sie
wichtig. Damit haben Sie nichts zu
thun wissen Sie aber auch, wie man
einen Gast einführt und meldet?"
Aber, gnädige Frau, Besuche kom
men doch allerwegen," meinte Minna
etwa; beleidigt,
Gewiß. Dennoch mochte ich Ihnen
sagen und zeigen, wie es in meinem
Hause damit gehalten wird. Da sehen
Sie einmal hier die silberne Schale
ouf der Epiegelconsole im Vorflur ist
dazu da. die Visitenkarte aufzunehmen,
durch welche der Fremde sich melden
läßt. Diese Karre bringen Sie mir,
nachdem Sie den Gaft sehr höflich gebe
ten haben, ein wenig zu verziehen.
Tann führen Sie ihn, vorausgesetzt,
daß ich den Besuch annehme, in den
Vorflur, schließen sehr leise die Thür
und find beim Auskleiden behülflich."
Beim Auskleiden?"
Natürlich ! Herren müssen doch den
Paletot ablegen, bevor pe eintreten,
Ach so ja freil:ch, Frau Acssor." ,
Dann öffnen Sie die Thür zum
Empfangszimmer und bitten wieder
sehr höflich, dort eintreten zu wollen."
Schön, gnädige Frau. WaS kommt
nun?
Damit sind vorläufig Ihre Oblie
umbetten erfüllt und Sie haben sich,
wenigstens morgen, schleunigst wieder
in die Küche zu begeben, damit das
Essen nicht inzwischen anbrennt."
Hinter der brodelnden Theemaschine
saß am zierlich gedeckten Tisch Frau
Hanna und studirte eifrig das Koch,
buch. ES war acht Uhr, Heinz mußte
jeden Moment eintreten. Als sie sich
eben in die Schöpfungsgeschichte eines
Wkiiivuddings vertieft hatte, schreckte
ein tönender Schlag der Uhr sie auf
was. schon halb neun und der sonst so
pünktliche Gatte noch nicht da? Erregt
blättert sie weiter und liest konfuses
Zeug durcheinander, ohne es zu der
stehen wo er nur bleibt?
Zehn Uhr ! Sie liegt schluchzend im
Sessel. Es mußte sicher ein Unglück
vassirt sein was kann in der Groß,
stobt nicht alles geschehen? Ob man der
Polizei Meldung machte? Sie rang die
Hände in maßlosem Jammer; das, das
schon nach drei Monaten glücklichster
Ehe!
Elf ! Nun hilft nichts mehr, sie muß
hinaus in die Nacht, den Verschwunde
nen suchen. Am ganzen Leibe zitternd
hüllt sie sich draußen im Vorflur in
einen Mantel, zieht Kapuze und
Schleier UberS Gesicht, ganz wie sie das
immer in Romanen gelesen, steckt den
Hausschlüssel zu sich und wendet sich zur
Thür. Da was ist das? Draußen
ein Schleifen, Tasten und Klirren am
Thürschloß, als ob eine unsichere Hand
sich vergeblich mühte, den Schlüssel an
rechter Stelle einzuschieben eine freu
dige Ahnung durchzuckt sie Heinz ! Sie
reißt die Thür auf und wirft sich dem
endlich Heimgekehrten mit einem unter
drückten Jubelfchrei an den Hals. Der
Anprall muß etwas stürmisch gewesen
sein, denn Heinz chwanlt o bedenklich
dabei, daß beide beinahe die Treppe
inabgeflogen wären.
Geliebteste Engel !" stammelt der
zärtliche Gatte. . Ich fürchtete. Du
Du wurdest böse sein und nun dieser
liebevolle Empfang "
Hanna besinnt sich plötzlich auf sich
selbst, mustert ihren Heinz mit kritischen
Blicken, zieht ihn dann schleunigst ins
Zimmer hinein und schleudert ihm hier
mit vernichtender Verachtung entgegen:
Ich glaube gar, Du hast getrunken
über den Durst getrunken, während sich
Dein Weib in Todesangst um Dich fast
verzehrte."
Er sieht sie seelenvergnllgt, harmlos
wie ein N.eugcborener an.
Natürlich haben wir getrunken
auf Dein Wohl, Herz !" vier cliquoni
fchen Wittwen haben wir den Hals ge
brachen alles auf Dein Wohl."
Am nächsten Morgen ist der Assessor
krank". Hanna muß infolge dessen
die bereitgehaltene Strafpredigt ver
schieben und ist tief unglücklich der
Gatte krank, gerade heut, wo man den
ersten Tischgast erwartet !
Heinz tröstet sie mit schwacher
Stimme, indem er den schmerzenden
Kopf in beide Hände stützt.
Aengstige Dich nur nicht ich
glaube, es ist nur bis Mittag wird es
jedenfalls viel besser sein, wenn man
etwas dagegen thut."
Frau Hanna fahrt plötzlich herum.
Das ist ja ganz derselbe Zustand, den
sie von Papa her kennt Herrgott, ihr
lieber, süßer Heinz und ein ganz gemei
ner Kater !
Aber auch dieses Verhängniß wird sie
mit Heldengröße tragen.
Heinz ich werde Dir eine ganz
starke Tasse Kaffee machen Papa hals
das immer," sagt sie energisch.
Er nickt ihr gerührt, Verständniß!'
mg zu.
Nein, Kanee nicht mir nützt er
nicht. Das ist bei Herren verschieden,
weißt Du."
Aber was hilft Dir?"
Kraftbrühe. Kind, aber ganz starke.
kolossal starke hatte als Student im
mer Lieblg auf der Bude."
In meinem Haushalt ist alles
Nöthige zu haben, selbst dieser Fleische
ertrakt." erklärte sie stolz und drei
Minuten später duftete eine Tasse
kolossal" starker Brühe vor dem Lei
denden.
i das erquickt da? belebt, jetzt
noch eine Stunde Ruhe und ich bin ge
snnb!' sagte er ausathmend, die klei
nen Hände der Labung spendenden
Samariterin an feine Lippen ziehend.
Diese aber riß sich los und eilte zur
Küche. Welche Aufgabe harrt heut
ihrer das erste Mittagessen für einen
Gast herzurichten und zugleich die hohe
Aufgabe zu erfüllen, nicht nur die eigene
Ehre, sondern die aller jungen Haus,
srauen zu retten !
Endlich war das große Werk voll
bracht, alles stand fix und fertig da und
nun faß sie erwartungsvoll im Salon.
Heinz war noch nicht vom Amt zurück,
mußte aber jeden Moment kommen.
Da tönt die Klingel draußen Better
Fred. Wenn nur Minna sich correct
benimmt das Madchen hat einen so
merkwürdig dummen Ausdruck in dem
überrothen Geficht l
Es dauert lange, ehe die Salonlhür
geöffnet wird und der Gast erscheint
aber nein, zuerst muß doch die Karte
gebracht werden. Da endlich, Minna
kommt eilig und reicht auf dem silbernen
Teller ungeichickt die arte hin
.Ein !
Lieutenant", flüstert sie dabei leise, käst i
aufgeregt. Es ist natürlich Vetter Fred, j
nur hatt! Hanna nicht erwartet, daß er
aus der Reise in Uniform erscheinen
werde. Ich lasse bitten", sagt sie
mit hoheitsvoller Ruhe und Minna
hastet hinaus. Wieder eine Pause
dann draußen Wortwechsel. Was ist
da? angstvoll lauscht die junge Frau
hinaus.
Herr Lieutenant mllssen hier ab
legen, gnädige Frau hat's gesagt und
ich muß dabei helfen", erklärt Minna
energisch.
Ein luftige Lachen antwortet darauf.
Aber Menfchenslind, ich habe nichts
abzulegen! Sie sehen, ich bin ohne
Paletot, soll ich mich Ihrer Gnädigen
in HemdZärmeln prüsentiren?" Darauf
nähern sich sporenklingende Schritte der
Thür, Minna eilt voraus, öffnet sie dem
Gast und flüstert dabei hastig mit be-
deutsamen Augenzwinkern ihrer Herrin
zu: Er wollte durchaus nicht ablegen,
gesagt habe ich's ihm drei Mal."
Frau Hanna ist einer Ohnmacht
nahe. Aber Vetter Fred begrüßt sie so
herzlich liebenswürdig, im selben Mo-
ment erscheint auch Heinz und sie sindet
gar nicht Zeit, über das Unerhörte nach
zudenken. Bald darauf fetzt man sich
zum Mahl nieder, und die unge grau
athmet auf. Nun ist ja die Gelegenheit
da, dem Gaste zu zeigen, was sie kann
und die Ungeschicklichkeit dieser dummen
Minna wieder gut zu machen.
Die Suppe wird gebracht, aber schon
ihr wässeriges Aussehen erfüllt die ehr
geizige Hausfrau mit bangen Ahnun
gen, sollte die famose Köchin sie nach
eigenem Gutdünken verdünnt haben?
Man greift zum Löffel, aber fast ent
fällt dieser Hanna's bebenden Fingern,
nachdem sie gekostet bie Suppe ist
thatsächlich fast ungenießbar. Aber
Heinz und Fred löffeln sie unter ange-
regtest Unterhaltung aus und scheinen
nichts zu merken. Dann kommt der
Fisch, ein stattlich schön garnirter Zan
der nur erweist er sich als völlig un-
gesalzen, und auch die schönste Trüffel-
sauce kann diesem Mangel nicht adhel
fen. Hanna ist ganz verblüfft sie
weiß doch genau, daß sie eine ganze
große Hand voll Salz darüber geschüttet
hat! Vetter Fred macht da eben eine
tiefsinnige Bemerkung vom Salz der
Ehe soll das eine Anspielung sein?
Aber nein, er sieht so harmlos lustig
drein vielleicht liebt er es sogar, Fisch
unge alzen zu e en, der Geschmack ist ia
doch ver qieöen.
Der Puter wird hereingetragen sein
glanzend schwarzdraunes Aussehen er
räth, daß Minna ihn richtig im letzten
Aioment noch hat anbrennen lassen,
Frau Hanna ist außer sich, aber Heinz
zerlegt das Prachtstück, ohne eine Miene
zu verziehen und Fred langt tapfer zu,
obgleich das Fleisch trocken, nüchtern,
wie gedörrt schmeckt. Die junge Frau
kommt wieder zu sich. Auch bleibt ja
noch der Weinpudding und das selbst
bereitete Eis, ihre Hausfrauenehre zu
retten.
Aber als sie den ersten Bissen Pud
ding im Munde hat, fliegt ein Schauer
über ihren Körper, Heinz sieht sehr er
staunt aus und selbst Fred schneidet eine
Grimasse, um dann gleich zu erklären,
daß diese Speise vorzüglich sei und or
dentlich erfrischend wirke. Hanna saß
bleich und ftill da: sie wußte, daß der
Pudding ungenießbar sei, sie sich in der
Hast jedenfalls vergriffen und Essig statt
Wein dazu genommen haben müsse.
Ganz verzweifelt ob all dieses Mißge
schicks hoffte sie nun schon gar nicht
mehr, daß der Schneemann sie und ihr
Mittagsmahl herausreißen werde
und es war gut, daß sie nicht hoffte,
denn es blieb ihr so noch die letzte Ent
täuschiing erspart. Langsam führte sie
den ersten Löffel voll zum Munde
richtig ihre Unheilsahnung hatte nicht
getrogen, denn das Salz, das dem Fisch
gefehlt, war von ihr dem Eis zugetheilt
worden!
Da aber des Assessors Tischmein gut
war, blieben die Herren vergnügt wie
bisher, und als man ftch endlich vom
Mahl erhob, erklärte Vetter Fred, der
Hausfrau voll Begeisterung die Hand
schüttelnd, noch nie so ausgezeichnet ge-
speist zu vaben.
Ja," sagte Heinz strahlend, und
das AllcS hat sie selbst gekocht !"
Ader als die beiden im Rauchzim
mer sich eine Cigarre anzündeten, und
Hanna wie gebrochen zurückblieb, hörte
sie ganz deutlich, wie Fred zu ihrem
Gatten sagte:
Deine Frau ift süß, Heinz, an
betungswürdig. haft eben kolossales
Glück gehabt, alter Junge. Nur laß
sie um Himmelswillen nie in die Küche
Mensch, wie hältst Tu eS aus, derlei
Zeug zu verdauen und dabei gesund zu
bleiben?"
Hanna hörte nur noch einen Laut
des Staunens von ihres Gatten Lippen.
Tann bekam sie plötzlich Migräne"
und ließ das mit aufrichtigem Be
dauern" den Herren vermelden.
Ein Pifttlenfchuß
S.ne riminal
ffia)ie nach dem I!
gariichkn.
Im Zimmer deS BaronS ertönte ein ,
Schuß. Der Baron hatte kurz vorher!
die Thüre seines Arbeitszimmers der
schloffen. Die Dienerschaft lief zu der
Thür hin, pochte und schlug dann hef
tia gegen dieselbe. Niemand antwortete
von mnen auf den Lärm, trotzdem sich,
der Baron nicht allein eingeschloffen
hatte: er hatte einige Minuten vorher
seine Gattin u sich bitten lernn, mit!
welcher er einiae ernstere Anaeleaenbei
ten besprechen wollte.
T Dienerschaft war überzeugt, daß !
dort drinnen irgend eine blutige
Katastrophe stattgefunden habe: c5
wurde sofort nach der Polizei geschickt,
und als diese anlangte, war die Die
nerschast eben mit der großen, starken
Eichenthllr fertig geworden. Sie hatte
dieselbe aus den Angeln gehoben.
Drin bot sich den Blicken der Eintre
tenden in der That ein schrecklicher An
blick dar.
Der Baron lag mit durchschossenem
Haupte inmitten einer Blutlache auf
dem Boden hingestreckt. Neben ihm lag
ohnmächtig die Baronin.
Die verhängnisvolle Pistole, welche
das Leben des Barons ausgelöscht hatte,
fand man auf dem Stehschreibpult
neben dem Tintenfaß. Die leere
Patrone rauchte och in derselben und
obwohl es nur eine einläufige Pistole
war, war der Hahn dennoch auf's Neue
aufgezogen, als ob der Betreffende, der
das Mordwerkzeug hingeworfen hatte,
noch einen Schuß aus demselben hätte
erzwingen wollen.
Wenn die Baronin den ersten Schuß
gethan, so hatte sie gewiß den zweiten
für sich bestimmt und deswegen den
Hahn wieder aufgezogen.
Der Polizeideamte, der aus dem An
blicke, der sich ihm darbot, sosort zu
kombiniren begann, hielt es durchaus
nicht für unmöglich, daß die Baronin
nur deshalb vor Schreck ohnmächtig ge,
worden sei, weil sie für sich über keine
Ladung mehr verfügte. Hier hat ein
Familienstreit ftattgefund," so kalku-
Irrte er im Stillen.
Kaum kehrte die Baronin zur Besin
nun zurück, brach sie in lautes Schlucht
zen auS und warf sich mit einem herz,
erschütternden Aufschrei auf ihren Gt
tcn, dessen Tod die Aerzte inzwi chen
konftatirt hatten.
Sie schien ihren Gatten aufrichtig zu
bedauern und zu beweinen.
Wie, wenn der Baron den Schuß
dennoch selbst auf sich abgegeben Hütte!"
dachte der Polizeibeamte. Diese jam
mernde Frau scheint ganz unschuldig zu
sein. Heutzutage ist es nicht eben eine
Seltenheit, daß selbst ein der besten
Verhältnisse sich erfreuender Mann zum
Selbstmörder wird, und zwar des
Oefteren aus ganz geringfügiger Ur
fache."
Der Polizeiarzt war mit seiner Süße
ren Untersuchung ferkig. Er erklärte mit
voller Bestimmtheit, daß die Kugel von
rückwärts, und zwar in etwas schräger
Richtung von unten nach oben, in den
Schädel eingedrungen sei, daß der
Schuß mindestens aus einer Entfernung
von drei bis vier Spannen gefallen
und daher die Möglichkeit des Selbst
mordes ausgeschlossen sei.
Nun bot sich Raum zu gercchtfertig
tem Verdachte.
Man nahm die Baronin als einzige
Augenzeugin in's Verhör.
Ihr Geständniß lautete indessen so
seltsam, daß sie sofort die Verdächtige
wurde. Sie hatte den Rücken gewen
det, als der verhünißvolle Schuß fiel:
als sie sich umwandte, lag ihr Gatte
schon auf dem Boden. Und als sie den
Todeskampf ihres Gatten sah, verlor sie
das Bewußt ein.
Die ernste Besprechung, zu welcher
sich ihr Gatte mit ihr einschloß, bestand
in nichts Anderem als m einem Haus
kaufe, dessen zu Papier gebrachte Ve
tragspunktationen da auf der Erde um
herlagen.
Die Baronin hatte dieselben, ehe sie
noch zu Ende gelesen hatte, aus der
Hand fallen lassen.
Der Baron und die Baronin hatten
miteinander in der schönsten Eintracht
gelebt. Es gab nicht einmal einen
ernsteren 'Woitwechsel zwischen ihnen.
Die Baronin lebte in einer besonders
musterhaften Zuruckgezogenheit. trotz-
dem sie dem Baron die Hand nicht aus
Liebe gereicht hatte. AIs die Tochter
eines Verwalters hatte sie ihn auf Be
fehl ihres Vaters geheirathet. Ein
junger, herrschaftlicher gorftadjunlt be
saß ihre Liebe und sie war schon fast
seine Braut, als der Baron dazwischen
trat und durch seine Werbung ihr
Glück vereitelte.
Der Forstadjunkt liebte sie außer
ordentlich. Er vermochte sie nicht zu
vergessen und blieb ledig. ES war all
gemein bekannt, daß er das aus der
Mädchenzeit der Baronin stammende
Bild noch immer auf dem Herzen trage,
man machte aber auch die Erfahrung,
daß er jede Begegnung mit der Ba
ronin absichtlich vermeide. Wenn er
auch darunter litt, so wußte er dieS zu
verheimlichen, und Niemand hatte je
mals auch nur ein Wort der Klage von
ihm vernommen.
Der Forstadunlt steckte Sommer
und Winter draußen in den Herr
schastlichen Wäldern, das gegenwär
tige blutige Ereigniß aber fand drin
nen in der Hauptstadt statt. Seine
Hand konnte also bei diesem räthsel
haften Falle auch nicht mitgewirlt ha
den. Das Zimmer wurde sorgsam durch
forscht. Verborgen konnte in demselben
Niemand sein. Der Schußwar auch nicht
von außen gekommen, denn die Fenster
waren ganz; überdies hatte auch dn
rasch angelangte Polizeibeamte die auf
dem Schreibpulte liegende Pistole noch
rauchen asehen,
Der Perdacht des MordeS richiete sich
ganz entschieden gegen die Baronin.
ES wurde die Untersuchung gegen sie
eingeleitet und aus rund der ausge
tauchten Verdachtsmomente wurde sie
trotz all' ihres Leugnen; unter Anklage
gestillt, jedoch nicht verhaftet.
Der Baron hatte vor einigen Mona,
ten sein Testament gemacht und sie zur
Universalerbin seines Vermögens er
Hoden. Die wußte auch die Baronin
und man setzte daher von ihr voraus,
daß sie, wenn auch nicht ans anderen
Gründen, so doch zur Beschleunigung
des ErdschaftSantrittcS den Mord be
gangen habe.
Tausenderlei Klatschereien knrsirtcn
über sie in der Stadt und in den Zei
hingen. Ihre Affaire wurde von Tag
zu Tag mit interessanteren Momenten
bedacht und besprochen. Jedermann
wurde zu ihrem Feinde. Auch selbst
ihre eigene Dienerschaft, Jede ihrer
Bewegungen wurden belauscht, man
notirte alle ihre fallengelassenen Worte
und gab selbst aus ihre Gedanken Acht
Sie mußte entsetzliche Wochen tox
bringen: verachtet, von Spionen um
geben, von allen Bekennten gemieden
und selbst von ihren Verwandten zu
rückgewiesen. Es verging lange Zeit,
bis endlich der Tag der Verhandlung
kam.
Sie hatte einen ausgezeichneten Ver
theidiger, allein auch dieser vermochte
nur ihr Leugnen als Beweis vorzu,
bringen und hauste zu ihrer Entschuldig
gung etliche mildernde Umstünde zu,
stimmen. .
Die ganze Menge der Beweise und
der schein waren alle gegen sie. Je
dermann erwartete ihre Verurthei
lung.
Nach Anhörung der Anklage und
Vertheidigungsreden forderte der Prii,
stdent die Angeklagte auf, sie möge
sagen, ob sie nicht etwa noch etwas zu
ihrer Bertheidlgung vorbringen könne,
Die Baronin winkte verneinend.
In diesem Augenblicke begann es
sich in der Menge des ZuhömpuMl
kums zu bewegen. Eine angenehme
metallische Männerstimme unterbrach
die Dtille.
Es sei mir gestattet, auch zur Sache
z sprechen!"
Wer ist das?" ertönte es von den
Lippen deS Präsidenten.
Ein einfacher Forstbeamter deS ver,
storbenen Barons."
Sprechen Sie, was wollcn Sie?
Weshalb haben Sie sich nicht schon
früher als Zeuge gemeldet?"
Ich kam erst im Laufe der Verband
lung zur Kenntniß des Umstandes, daß
der Hahn der Pistole, aus welcher der
tödttiche Schuß gefallen war, aufge,
zogen und die Pistole selbst aus das
Schreibpult geworfen, neben dem harten
Tintenfasse gefunden war. Ich frage
nun: wurde von den Sachverständigen
der jtupsertheil der in der Pistole losge,
gangenen Patrone daraufhin unter,
sucht, ob auf demselben der gewöhnliche
Schlag des Pistolenhahus wahrnehmbar
sei? Denn wenn nicht, dann ist eS als
wahrscheinlich anzunehmen, daß jene
Patrone in der von dem Baron lässig
auf den Tisch geworfenen Pistole von
selbst losging und daß folglich die
Baronin unschuldig ist."
Die Richter wechselten betroffene
Blicke. Die Urtheilssüllung wurde slkS
pendirt, eS wurden rasch Sachverftän
dige herbeigeholt, und diese konftatirten,
daß der Schuß in der That in Folge der
Erschütterung in der Pistole von selbst
losgegangen sei.
Den Tod deS Barons hatte also nur
Zusall verschuldet.
Die Baronin wurde freigesprochen.
Ein Jahr darauf brachten die Blätter
die Nachricht, daß die Baronin den
Retter ihrer Ehre, den armen Forst
adjunkten, geheirathet habe.
Humorist und Zauberer.
Vor einigen Jahren trafen sich der
verstorbene Humorist Bill Nve und der
Zauberer Herrmann zum ersten Male
in einer kleinen Stadt in Ohio. Sie
kannten sich gegenseitig, doch waren sie
sich nie vorgestellt worden. Der Zufall
wollte es, daß Beide sich an der Tafel
desselben Hotels wieder trafen.
Herrmann saß dem Humoristen ge,
genüber und als dieser eben seinen
Salat zerschneiden wollte, rief der Zaw
derer plötzlich: Entschuldigen Sie, aber
ich habe da soeben, wenn ich mich nicht
irre, etwas sonderbares in ihrem Salat
gesehen."
Nye durchsuchte denselben, aber konnte
nichts finden, als er edoch weiter effen
wollte, sprang Herrmann auf und
sagte: Tiesesmal habe ich mich aber
nicht geirrt. Sehen Sie hier!" Mit
diesen Worten hob er ein Blatt des
Salats auf und holte einen prachtvollen
Diamantring, der mehrere Hundert
Dollars werth war, hervor.
Nye nahm denselben langsam in die
Hand, betrachtete ihn und ohne irgend
welches Erstaunen zu zeigen, sagte er:
DieS geht jetzt aber zu weit. Wohin
ich mich bewege, überall verliere ich
Diamanten. Vorgestern habe ich einen
Solitär in einer Zuckerdose in PittS
bürg verloren und heute Morgen erst
hat das Zimmermädchen beim AuS
kehren drei oder vier in meinem Zimmer
gefunden. Tiefe Sache greift mich so
sehr an. daß ich die Tinger immer
gleich fortgebe." Tann rief er die aus
wartende Kellnerin an den Tisch, gab
ihr Herrmann'S Ring und sagte: Hier
ift eine Kleinigkeit sür Sie. Behalten
Sie eS als Andenken."
Es kostete Herrmann mehrere Fla
schen Wein und auch sonst noch etwas,
ehe er wieder in Besitz seines Ringes ge
langt war.
Stück.
Gauner (welcher in dem Augenblicke,
als seine Schwiegermutter aus Besuch
kommt, verhaftet wird): ,To7,nerwet
ler. hab' ich Glück!"
nt(jtnrcmmrnd.
Hausarzt: WaS fehlt Ihnen, gnä
dige Frau?"
WaS Ihnen am besten paßt, Herr
Doktor!"
höflich.
Blaustrumpf (in der Gesellschaft):
Mein Gedicht wollen Sie also nicht
bringen; wenn ich Sie nun recht sehr
darum bitte?"
Redakteur: Dann muß ich Ihnen
trotzdem ein Papierkörbchen geben, meine
Gnädige!"
B wchl
Johanne (zu Weihnachten): Endlich
ist Jemand draußen, der tvaZ bringt."
Warum hast Du eS denn nicht ab
genommen?"
Johanne: Er muß eS selbst Ubcr
geben, eS ist eine Vorladung vor das
Bezirksgericht."
SchneiSig,
Schaffner: Hier ist die Nothleinc
gezogen worden?"
Lieutenant: Jawohl, sofort um
kehren! Bin in den unrichtigen Zug
eingestiegen."
Line maßvolle Unterhaltung,
Gigerl: Reden Sie nicht, Herr
Maas, nehmen Sie Ihr Maß und neh
men Sie mir Maß!"
Schneider: Aber das Jaquet hat
doch das richtige Maß."
Gigerl: Sie maßen sich ein Urtheil
an? Sie sind mir nicht maßgebend,"
Schneider: Aber maßnehmend
bitte, mäßigen Sie sich!"
Dom Kasernenhofe,
Sergeant (zu einem Einjährigen):
Na Sie, machen Sie nicht so ein dum
mes Gesicht, als ob Sie mindestens schon
ein Professor wären!"
Am postschalter,
Fremder: Lagert hier eine Postan
Weisung für Joses Müller?"
Beamter: Können Sie sich legiti
miren!
Fremder: Na gewiß, hier ist meine
Kostmirthin, die mir schon acht Tage
auf diese Geldsendung gepumpt hat."
Gemüthlich.
Polizeidiener: Gleich begleiten Sie
mich mal zum Bürgermeister!"
Strolch: Lassen Sie mich schon lau
fen. Herr Wachtmann, mit mir legen
Sie heute keine Ehre ein!"
Dienstfrei.
Herr (zu einem anderen, der ihm als
Claqneur bekannt, im Theater): ,,Wa
rum applaudiren Sie nicht?"
Claaueur: Ich bin ja heute zum
Vergnügen da!"
Modems kieloin,
,Jhr Fräulein Tochter, Herr Kom
merzienrath, ist gegen die Herrenwelt
aber sehr spröde!"
Allerdings! Sie weiß meine Mit
lionen tapfer zu vertheidigen!"
l?erxlaxocrt.
Dame: O. ein Jäger ist mir etwas
Entsetzliches! Wie kann man ein Ver
gniigen darin finden, so unschuldige
Thiere zu quälen!"
Eonntagsiäger: Ja, ich sönnt 8
auch nicht!"
Boshaft.
Junge Mutter: Das Kind wird
ganz reizend; es kann schon Papa und
Mama sagen! Da! Haben Sie 'S ge
hört?" Besuch Jungge elle): Ja. ich hab'S
gehört. WaS sagte es denn eben, Papa
oder Mama?"
Eine klnge Hausfrau,
Sieh, Männchen, wie kommt eigent
lich dieses Schrotkorn in den Hasen? ES
ist doch ein gelauster."
Naiv.
Aeltere Schwester: Wie konntest Tu
nur Vetter Theodor einen Kuß geben?"
Jüngere Schwester: Ich stieg auf
eine Fußbank, und da ging es."
Gemüthlich.
Nachtwächter: Jetzt begegne ich Jh
nen schon zum vierten Male; Sie haben
wohl keine Wohnung?"
Strolch: Augenblicklich nicht, aber
ich suche eine .... wiffen Sie nichts Pas.
sendeS?"
seine Diagnose.
Herr: Herr Doktor, WaS halten Sie
von dem Unwohlsein meiner Frau?"
Doktor: Hm. weiß Gott, in wel
chem Schaufenster Ihre Frau wieder
eine neue Robe gesehen hat."
Sie Xantixpe.
Sie: Freust Tu Dich nicht über die
neuen Gardinen?"
Er: .Deine Prediaten bleiben docb
die alten!"
Malmos.
Sonntagsjäger der wieder einen Ha
seji gefehlt): .Sehen Sie nur. wie
der läuft!"
Förster: .Das ist ein toller Kerl!
Der will Ihnen die Blamage ersparen.
saus sie wieder nach ihm schießen soll
ten!"
PnicficMrr.
Und die Köchin aina bin und fAr.üt
! sich den Arauokops ob.