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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Nov. 26, 1896)
Line vcrbrecherhölsie. - Kriminal Novelle von X. Oiiraanu. 68 war In einer finsteren, sternlosen Herbstnacht, als ich längs dem Ufer des Flusse, welcher unsere Stadt durch, schneidet, nach meiner Wohnung zurück kehrte. Die Gegend, in welcher ich mich besand, war um diese Zeit sehr einsam und menschenleer, wie lau meine andere in der ganzen Stadt, und die spärlichen Laternen verbreiteten überdies nur ein so dllrstiges Licht, daß ich unwillkürlich meine Schritte beeilte, um in eine leb haste Straße zu gelangen. Da der nahm ich dicht hinter mir ein leises Pft", und als ich mich umwandte, ge wahrte ich die Gestalt eines kleinen, schmächtigen Männchens, das äugen, scheinlich von einer fürchterlichen Angst beherrscht war und vor Erregung kaum ein Wort hervorzubringen vermochte. Ach, lieber Herr," keuchte er endlich mit bebender Stimme, ich habe etwas Schreckliches, etwas Entsetzliches ge ehen Ach. helfen Sie, helfen Sie vielleicht ist er noch zu retten!" Meine Kaltblütigkeit und sichtliche Antheilnahme schienen dem alten Mann seinen Muth zurückzugeben und nach Berlauf einiger Minuten hatte ich von ihm erfahren, daß er hierher, vom Krankenbett seiner erheiratheten Toch ter zurückkehrend, an der Böschung des Fluffes entlang gegangen sei und daher sehr aufmerksam um sich geschaut habe, weil er in der einsamen Straße ftch nicht wenig fürchtete. Da habe er denn mit einem Male wahrgenommen, wie ein kleiner Kahn, in welchem zwei Männer saßen, ganz still und geräuschlos und von der Dunkelheit des hohen Ufers beinahe ganzlich verborgen auf dem Waffer daher gekommen sei und es sei eine unheimliche Ahnung in ihm leben big geworden, daß es sich bei dieser ver ftohlenen Gondelfahrt zu einer so unge wöhnlichen Stunde um irgend ein ver döchtiges, lichtscheues Unternehmen han deln müsse. Er habe sich dann hinter einem breiten Pfeiler des Gebäudes nie dergeduckt und Alles beobachtet, was auf dem Flusse vorging. Die Männer hatten den Kahn mit zwei leichten Ru derschlägen bis in die Mitte der Was serfläche getrieben, sich dann nieder gebeugt und einen schweren, dunkeln Gegenstand, welcher ganz das Aussehen einer menschlichen Gestalt hatte, vom Boden des Fahrzeuges aufgehoben, der Eine von ihnen habe halb laut bis drei gezählt, und auf dieses Signal hätten sie den Körper in's Waffer geworfen, Sie seien da bei aber sehr vorftchtig zu Werke ge gangen, so daß das plätschernde Ge räusch nur ein sehr geringfügiges ge, wesen sei, und nur in dem Äugen, blick, als sich das Wasser über den scheinbar leblosen Körper schloß, hob er einen Laut, wie einen dumpsen Ausschrei oder wie ein angstvolles Stöhnen vernommen. Die beiden Männer in dem Kahn hätten sich benso rasch und geräuschlos entfernt. als sie gekommen waren, und es sei natürlich seine erste Regung gewesen. laut um Hülfe z schreien. Aber die furchtbare Aufregung hätte ihm die Kehle wie mit einer Klammer jusam, mengeschnllrt. so daß es ihm unmöglich gewesen wäre, auch nur den kleinsten Ton hervorzubringen und dann habe ihn auch die Besorgniß erfaßt, es möchte irgendwo am Ufer ein Spießgeselle der Uebelthüter lauen, der ihn dann eben falls niedermachen könnte. Da die Erzählung in allen Stücken durchaus da Gepräge der Wahrhaftig keit trug, und mir eine sofortige Unter suchung der Angelegenheit schon durch meinen Beruf zur unabweisbaren Pflicht gemacht war, so zog ich meine Signal pfeife hervor, um die etwa in der Nähe befindlichen Wächter und Constabler her bnzurusen und forderte den alten Mann aus, mich unverzüglich an die Stelle zu führen, an welcher das vermeintliche Verbrechen geschehen sein sollte. Mit großer Bestimmtheit bezeichnete er mir den Pfeiler, hinter welchem er sich nie dergekauert hatte, und den er an einem ausgesprungenen Steinstück wieder er kennen wollte, und von da aus deutete n ohne Zögern mit dem Finger auf die Stelle im Fluffe, an welcher der mensch liche Körper verschwunden sein sollte. Schon nach kaum drei Minuten befan den sich mehrere SicherheitsBeamte an meiner Seite, denen ich mit wenigen Worten von dem Vorgefallenen Mit tbrilung machte, und die sosort zu euer gischem Eingreifen bereit waren. Einer von ihnen eilte zu einem etwa hundert Schritte weiter vor Anker liegenden größeren Fahrzeug, schwang sich ohne viel Bedenken von der Userböschung aus auf dasselbe und löste, ohne erst den Eigenthümer aus dem Schlummer zu wecken, das an dem Schiffe befestigte kleine Boot. Eine Auderftange und ein Boots baten lagen glücklicher Weise in dem kleinen Kahn, und nachdem noch ein zweiter Beamter in das rasch flott ge machte Fahrieug gestiegen war, wurde dasselbe mit starken Stößen an die von dem Augenzeugen des räthselhasten Bor gangs bezeichnete Stelle befördert. Mit gespanntester Aufmerksamkeit folgten ir vom Ufcc aus den Bemühungen der Männer, welche mittelst der Ruder stanze und des Bootshakens das keines weg sonderlich tiefe Flußbett unter suchten. Eine Zeit lang schien es, als sollten ihre Nachjorschungen erfolglos bleiben, und schon begannen sich in mir wieder kinige Zweisel an der ZurechnungS fäbiakeit des alten Manne zu regen, als plötzlich einer der Männer im Booie einen Ruf ausstiek. der uns verrieiy, das er aus etwas Verdächtiges gestoßen sei, und mit Hülfe seines Genoffen hatte er in der That nach weiteren süns Minuten und unter unsäglichen An strengungen den scheinbar leblosen Kör, per eines Mannes aus dem Waffer ge. ,oaen und in den Kahn niedergelegt, Den alten Mann an meiner Seite befiel ein so hcstiges Zittern, daß er sich kaum auf den Beinen zu alten vermoqte, und er bat mich mit flehentlichen Aus drücken, man möge es ihm ersparen. den Ermordeten anzuschauen. Er könne nun einmal keine Leiche sehen, und wenn er nun gar einen Menschen be, trachten solle, der gewaltsam um s Lebm gekommen sei, so wäre das sicher lich sein Tod. Wir beruhigten ihn denn auch darüber, aber seine Bitte, ihn jetzt nach Hause gehen zu laffen, konnte ich leider nicht erfüllen, da die geheimnißvolle Angelegenheit sofort zur Anzeige gebracht werden mußte. Wäh rend der Körper des aus dem Wasser Gezogenen in das zum Glück sehr nahe Krankenhaus geschafft wurde, begab ich mich mit dem alten Schneider, denn dieses Zeichens war der brave Herr, dem wir die Kenntniß des Borgesalle nen m verdanken hatten auf das Criminal-Eommiffariat, wo ein Proto koll ausgenommen wurde, auf deffen Grund am nächsten Morgen die Staats anwalischaft unterrichtet und die weite- ren Nachsorschungen ausgenommen wer den konnten. Es hatte den Anschein, als wenn uns diese Nachforschungen sehr leicht gemacht werden sollten ; denn es war wundev barer Weise den Bemühungen der Aerzte gelungen, den Halbtodten, der eine un gewöhnlich kräftige Körper-Constitution besaß, wieder in's Leben zurück zu rufen, wenn er auch sofort in einen tie- fen, ohnmächtigen schlaf gesunken war, der vor der Hand jeden Gedanken an seine Vernehmung ausschloß. Aber man durfte wohl annehmen, daß er bei seinem Erwachen eine genügende Ans kunst über den Zusammenhang des. räthselhasten Ereignisses werde geben können, und der in dem betreffenden Saale beschäftigte Wärter hatte die strenge Weisung, sofort bei'm Erwachen des Patienten eine diesbezügliche Acel dung auf die Polizei gelangen zu lassen. In seinen Kleidern hatte sich weder ein Papier, noch sonst ein Gegenstand ge- zeigt, aus Grund bellen man eine Per sönlichkeit hätte feststellen können, und auch an Geld oder Geldeswerth war nichts an ihm vorgefunden worden. Nichts desto weniger führte ein ande rer Umstand sehr bald seine Jdcntifi' zirung herbei. In früher Morgen stunde erschien nämlich auf dem Polizei, bureau eine noch junge, einfach geklei, dete Frau mit verstörtem Geficht und verweinten Augen, welche die Meldung erstattete, ihr !v!ann sei seit dem gelln gen Nachmittag spurlos verschwunden, und da er in der Stadt völlig fremd ge wesen sei, könne kein Zweifel bestehen, daß ihm ein Unglück zugestoßen wäre. Schon nach der ersten flüchtigen Be schreibung, welche die Frau von dem Aeußeren ihres Mannes entwarf, war man überzeugt, daß er mit dem aus dem Waffer Gezogenen identisch sei; aber man fragte die Frau auf das Gründlichste aus, ehe man fle an sein Krankenbett sührte. Was sie zu erzäh- len hatte, war freilich wenig genug. Sie hatte ein kleines Bauerngütchen in der Provinz besessen und sich's redlich sauer werden lassen, um ihren Unter halt darin zu gewinnen, aber die Un gunft der Zeiten hatte so schwer auf ihnen gelegen, daß sie zuletzt nach man chen herben Schicksalsschläaen und nach, dem ihnen ihr einziges Kind gestorben war, den Entschluß gesaßt hatten, nach Amerika auszuwandern. Zum Glück hatten sie einen Käufer gefunden, wel, eher ihnen das kleine Gut mit einer an, gemessenen Summe abnahm, und sie waren Tags zuvor in der Hauptstadt angekommen mit der Absicht, ihre Reise zu der Hasenftadt, in welcher fte sich ein schiffen wollten, am nächsten Morgen fortzusetzen. Sie waren in einem klei nen Gafthof abgestiegen, und am Nach mittag war ihr Mann noch einmal nach dem Bahnhof zurückgekehrt, um sein Gepäck, das sie vorläufig dort zurück gelassen hatten, abzuholen. Von die sein Ausgang aber sei er nicht wieder zurückgelehrt, und als sie zuletzt voll Angst und Verzweiflung ebenfalls auf den Bahnhof geeilt sei, habe sie ersah ren, daß ihr Mann mit seinem Hand, gepäck un in Begleitung eines mageren ; uno lang ausgeicyoiienen blonden un gen Menschen schon vor mehreren Stun den wieder fortgegangen sei. Weiter wußte sie nichts, und wir hatten damit natürlich noch keinen Anhalt für unsere Recherchen gewonnen. Daß es sich aber nicht etwa um einen Selbstmordversuch gehandelt habe, sondern daß die Erzäh lung deS alten Schneiders aus Wahr heit beruhte, und daß an dem jungen Landmann ein Verbrechen verübt wor den sei. erhellte des Weiteren auch aus dem Umstand, daß er nach der glaub würdig? Versicherung seiner Frau außer verschiedenen Ringen und einer silbernen Taschenuhr mit goldener Kette, die ganze Kausfumme für sein Gütchen im Betragt von mehreren Zausend Mari in einer ledernen Geld taiche bei sich getragen habe. Er war also auf das Gründlichste ausgeplün dert worden. Am Mittaz endlich erwachte Keil holz, s hieß der Beraubte, aus seinem tedtenähnlichen Schlaf. In Beglei! tung deS Arztes trat ich an sein Bett und begann ihn über die Vorgänge des erstoffenen Abends und der letzten Nacht zu besragen. Seine Antworten waren ansänglich vollständig unklar und verworren und erst ganz allmählich kehrte ihm die Erinnerung an das Ge schehene zurück. Als sich endlich sein Bewußtsein eini gcrmaßen gellürt und er seine Aus sagen in leidlich verständigem Zusam menhang gemacht hatte, war ich über die Dürftigkeit derselben, welche mir eine sehr schwierige und wenig ausstchts reiche Untersuchung in Aussicht stellte, sehr unangenehm enttäuscht. Er war auf dem Bahnhofe von einem auffallend langen und mageren jungen Menschen mit hellblondem Haar und vielen Som mersproffen im Gesicht angeredet wor den. Derselbe hatte ihm in sehr zuvor kommender Weise seine Hülse bei dem Transport des Gepäcks angeboten und habe sich in ein tiespräch mit ihm einge lassen, in deffen Verlauf ihm der arg lose Keilholz alle seine Verhältniffe offen dargelegt und ihn mit seinen Ausman dernngsabffchte bekannt gemacht hätte. Plaudernd wären sie mit einander durch mehrere Straßen gegangen und als sein Begleiter vor einem größereu Restaw rant Halt gemacht und ihn eingeladen habe, ein Gläschen Bier mit ihm zu trinken, sei er ihm ohne Bedenken ge solgt. In dem Lokale seien sehr viele Menschen gewesen, und sie hätten sich an einen Tisch gesetzt, an welchem be- reits ein anderer schwarzbärtiaer Herr von sehr freundlichem und vertrauen- erregendem Aussehen Platz genommen hatte. Sem Begleiter habe denselben zwar nicht gekannt, aber der freundliche Herr habe nichtsdestoweniger an ihrer Unterhaltung Theil genommen, und als von seiner bevorstehenden Auswan derung die Rede gewesen sei, habe er erklärt, das träfe sich ausgezeichnet, da sein Bruder und dessen Frau ebcnsalls mit dem nächsten Schiff von Hamburg aus nach Amerika gehen wollten, und es dieselben gewiß sehr ersreuen würde, wenn sie gleich jetzt die Bekanntschaft ihres Reisegefährten machen könnten. Er habe zwar die Einladung, diesen Bruder auf der Stelle aufzusuchen, an fänglich abgelehnt; aber der freundliche Herr habe ihm so lange mit Bitten zu gesetzt, daß er endlich ja gesagt habe. Der blonde junge Mann hätte sich dann entfernt, da er, wie er sagte, keine Zeit mehr habe, das Gepäck hätten sie vorläufig, in der Restauration zurllckge lassen und wären gemeinschaftlich fort gegangen. Es war mittlerweile schon vollständig dunkel geworden, und da sich der Weg sehr in die Länge gezogen habe, au m veständigem Zickzack über die verschiedensten Straßen, Gassen und Plätze gegangen sei, habe es ihn bald gereut, sich der Führung des wildfrein den Menschen anvertraut zu haben. Da er indessen ein starler und furcht loser Mann war. sein Begleiter auch wiederholt versicherte, daß sie dem Ziele ihrer Wanderung sehr nahe seien, so hätte er seine Besorgnisse unterdrückt, und sie wären dann in der That endlich in ein Haus eingetreten, in welchem sich die Wohnung des Bruders angeblich befinden sollte. Ein junges Madchen don großer Schönheit hätte ihnen auf das dreimalige Klopfen seines Führers geöffnet, und ein bald darauf erschiene ner Mann mit ganz kurz ge chorenen Haaren und von recht unheimlichem Aussehen wäre ihm als der erwähnte Bruder vorgestellt worden. Was von diesem Augenblicke an mit ihm geschehen war, vermochte Keilholz nicht mehr zu sagen. Er erinnerte sich nur noch dun kel, daß ihm ein GlaS Wein angeboten worden war und daß er dasselbe mit einem Zuge geleert habe. Soweit es ftch auf Grund dieser un vollständigen Aussage thun ließ, wur den logleich die vorsichtigsten und um fassendsten polizeilichen Erhebungen an gestellt; aber meine Befürchtung, daß sie nur einen sehr geringen Erfolg haben würden, erwies sich als vollkommen ge rechtfertigt. Zwar bestätigte sowohl der Portier des Bahnhofes, als der Kellner des durchaus angesehenen und unverdächtigen Restaurants sämmtliche Angaben des Mannes; Niemand aber hatte seine Begleiter gekannt oder auch nur zu irgend einer früheren Zeit ae sehen, und ihre Beschreibung paßte überdies auf keine derartigen Personen. welche der Polizei als Bauernsänger oder als andere Mitglieder der Ver brecherwelt bekannt waren. Als Keil hol, nach ei..',zen Tagen die Folgen der verhängnißvollen Nacht überwunden hatte und als wieder hergestellt aus dem Krankenhause entlanm werden konnte, machte er zwar wiederholt Ver suche, das unglückliche Haus wieder aufzufinden, aber er war so geschickt in die Irre geführt worden, daß er zuletzt ganz verzweisctt von seinem Beginnen ablassen und erklären mußte, eS sei ihm unmöglich, das Gebände oder den Weg, welchen er dahin gemacht, wieder zu er kennen. Tie Polizei blieb somit ganz aus ivre eigene pürtrast angewiesen, und für den Beraubten war es ein vcrhältnißmaßig großes Glück, daß sich ein mitleidiger Mann, welcher in den Zeitungen von dem Vorfall gelesen hatte, erbot, ihm Beschäftigung zu geben und ihn damit für den Augenblick vor bitterstem Mangel zu bewahren. Schon waren mehrere Wochen nach jenen Ereignissen vergangen, und ich hatte dasselbe fast aus dem Gedächtniß verloren, da ich inzwischen zur Ermit telung der Urheber eines Raubmordes für mehrere Tage in ein benachbartes Torf hatte reisen müssen. Ich hatte es auch in diesem Falle mit sehr ver schlagenen Verbrechern zu thun gehabt, und ich hatte es deshalb vorgezogen, in dem Dorse nicht unter meiner wahren Gestalt aufzutreten, sondern mich in der MaSke eines Viehhändlers einzil führen, um in dieser Verkleidung meine Nachforschungen desto sicherer betreiben zu können. Nichtsdestoweniger waren sie vorläufig ohne jeden Erfolg geblieben, und ich kam darum recht übel gelaunt und nie dergeschlagen wieder aus dem Bahnhofe der Hauptstadt an. Ich steckte noch in meinem BikhhündlerAnzug und auch mein Gesicht war durch einen falschen Bart genugsam entstellt, um mich selbst für meinen besten Freund unkenntlich zu machen. In dem Augenblick, in welchem ich das Coupee verließ, siel mein Blick auf einen lang aufgeschnsscnen jungen Menschen mit brennend rothen Haaren, der in geringer Entfernung von mir in der Bahnhofshalle stand und sich sehr aufmerksam umsah. Wie ein Blitz schoß mir der Gedanke an den beraubten Keilholz durch den Sinn und ich war rasch entschlossen, diesem ver dächtigen jungen Menschen ein wenig ans den Znbn zu suhlen, vollständig zu meiner Rolle zurückkehrend, stieg ich langsam und mit schwerfälligen Tritten ans dem Waggon, bemühte mich, mei ncm Gesicht einen möglichst einfältigen Ausdruck zu geben und blieb scheinbar ganzlich rathlos mitten aus dem Perron teilen. Meine Erwartung hatte mi nicht betrogen; der Gimpel machte wirk- lich Miene, auf den Leim zu gehen Hiach wenigen Augenblicken kam der junge Mensch auf mich zu. Schon nach feinen ersten Worten wußte ich, daß ich es mit einem ehrsamen Mitgliede der Bauenisäiigerzunft zu thun habe, und nun verdoppelte ich meine Bemühn gen, ihn in seiner gefährlichen Täu schung z erhalten. In dem breiten Bauern-Tialekt der Umgegend, der mir glücklicher Weise ebenso geläung war, als das Hochdeutsche, erzählte ich ihm, daß ich nach Brasilien auswandern wolle, und das Herz schlug m,r vor Freude, als der junge Mensch bei.dieser Mittheilung mit gut gespieltem Erstau nen die Hände zusammen schlug und von einem vniel zu erzählen anfing der sich genau mit derselben Absicht trage, i yaoe gerade eine Zusammen, kunst mit diesem Onkel verabredet, und wenn ich Lust hätte, meinen Reiseqe, fährten, der ein prächtiger, jovialer 'jjirnm et, gleich kennen zu zu lernen. so würde ich am besten thun, ihm aus ein ktünbchen Ge ellschast zu leiltin Natürlich nahm ich die Einladung mit Freuden an, nachdem ich mich durch einen Griff in die Tasche überzeugt, daß mein kurzer eiserner Todtschläqer," die einzige Waffe, welche ich außer einem blind geladenen Revolver stet! bei mir zu tragen pflegte, an der rich, tigen Stelle und gut zur Hand sei, Ebenso wie es seiner Zeit mit Keilholz der Fall gewesen war, forderte mich mein Begleiter unterwegs auf, zu einem Glas Bier in ein Restaurant zu treten ; aber da ich den sauberen Vogel, der mich gesangen zu haben glaubte, nicht entwischen lassen wollte, lehnte ich diese Aufforderung kurzweg ab und bat. mich oyne Weiteres zu dem Onkel zu sichren. Nun ging eS in einem endlosen Kreuz und uucr durch die Straßen der Stadt und ich konnte dabei im Stillen der Geschicklichkeit meines Führer meine Bewunderung nicht versagen. Ein Fremder hätte aus diesem Zickzackmeae sicherlich nicht bemerken können, daß wir im Grunde immer i demselben Stadt viertel blieben und zuletzt nur eine Ent fernung zurückgelegt hatten, die man in gerader Linie sehr wohl in wenigen Mi nuten hätte durchmessen können. Wir aber hatten mehr als eine Stunde dazu gebraucht. Als ich zuletzt einige Unge duld zu äußern begann, beruhigte mich der junge Mensch mit der Versicherung, wir seien gleich am Ziel, und in der That machten wir gleich darauf an ei nem nicht weniger, als Vertrauen er weckenden Hause in einer übelberüchtig ten Straße Halt. Ich folgte furchtlos meinem voran schreitenden Begleiter über einen langen, engen und düsteren Hos. Auch Das stimmte genau mit der Beschreibung, welche Keilholz entworfen hatte, über- ein, ebenso wie das eigenthümliche drei malige Klopsen, das ohne Zweifel das zwischen der sauberen Sippschaft verab redete Signal bildete. Das junge Mäd chen, welches uns die Thür der zu edener Erde gelegenen Wohnung öffnete, war in der That von bedeutender Schönheit, aber diese Schönheit interessirte mich in diesem Augenblick viel weniger, als die Entdeckung, daß sie eine der gefährlich sten und seit Langem von der Polizei vergeblich gesuchten Taschen und Laden diedinnen sei, welcher eine Aburtkeilung wegen einer ganzen Reihe von Verbre chen wartete, Natürlich ließ ich nichts von meiner I freudigen Uederraschung merken, ließ mich vielmehr herbei, der jungen Dame ' einige vomplimentc zu machen und ver-1 langte dann, den versprochenen Onkel, zusehen. Mein Bekannter vorn Bahn ! Hof vertröstete mich damit, daß er gleich j erscheinen müsse und machte den Vor schlag, wir sollten unZ die Zeit bis zu seiner Rücklehr bei einer Flasche Wein und einem unschuldigen Spielchen ver treiben. Das Erstere lehnte ich mit dem Bemerken ad, daß ich keinen Wein ver tragen könne, daS zweite Anerbieten aber nahm ich unter der Bedingung an, daß nur TechsundsechSzig" oder SchasZkops" gespielt werden dürfe. TaS junge Mädchen rückte dienstfertig ! zwei Stühle an den Tisch und ich be merkte wohl, daß sie dem eine, welcher für mich bestimmt war, mit einer ge wissen Sorgsalt eine augenscheinlich ganz genau berechnete Stellung gab. Ich sollte demnach offenbar mit dem Rücken gegen eine Portiere gcivandi werden, die mir von vornherein ausgc fallen war, und die mir nach der Ab sicht der guten Leute jedenfalls in ir gend einer Hinsicht verhüngnißvoll wer den sollte. Da es mir aber sehr um das Erscheinen des Onkels" zu thun war, so blieb ich noch immer in meiner Rolle und nahm widerspruchslos den mir an gewiesenen Platz ein. Als sich jedoch die liebreizende junge Dame hinter mei nem Stuhle ausstellen wollte, um, wie sie sagte, dem Spiel ein wenig zuz sehen, erbat ich mir das sehr entschie den, weil ich eS nicht liebe, daß mir Jemand in die Karten schaue. In Wir! lichleit aber hatte ich zu diesem Verlan gen meine ganz besonders triftigen Gründe. Ich hatte nämlich einen tle! Taschenspiegel hervorgezogen, den ich sehr wohl hinter meinen Karten verber gen und mit dessen Hülfe ich ganz genau Alles beobachten konnte, was hinter mei nem Rücken vorging; daß diese Vorsicht eine keineswegs überflüssige gewesen war, sollte ich nur zu bald erfahre, denn plötzlich schob sich die Portiere öl lig geräuschlos auseinander und ich sah in meinem Spiegelchen zunächst den Kops, dann aber die ganze Gestalt eines Mannes, der mir durchaus nicht mehr unbekannt war, und von dem man nach seiner Vergangenheit Alles, nur nichts Gutes erwarten konnte. Es war ein in der Gaunerwelt iinter dein Spitznamen der Schuster-Otto" bekannter Verbre cher, der schon unzählige Mal wegen ein fachen und schweren Tiebstahls und zu letzt sogar wegen Straßenraubs und ge- sayrlicyer Körperverletzung zur Rechen schast gezogen war. Wegen der letzteren verbrechen zu einer Iangähngen Zucht hausstrafe verurtheilt, hatte er es vor gezogen, sich der Verbüßung derselben durch eine äußerst verwegene Flucht ans dem Gefängniß zu entziehen, und alle Nachforschungen nach seinem Verbleib waren bisher völlig vergeblich gewesen. Meine Genugthuung über diese Ent deckuug war so groß, daß ich die Gefahr meiner eigenen Situation vollständig vergatz und mit einem gewissen Wohl, behagen, das einem anderen Menschen wahrscheinlich ziemlich unbegreiflich er, schienen wäre, jede Bewegung des Elen, den in meinem Spiegelchen verfolgte. Ich sah, daß er meinem Gegenüber ein Zeichen machte, und es amüsirte mich köstlich, als darauf hin der junge Vtam mit verdoppeltem Eiser die Kar, ten auf den Tisch warf, offenbar in der Absicht, meine Aufmerksamkeit dadurch vollsiaiidig in Änspruch zu nebmen. Dann gewahrte ich, wie der unheimliche Onkel" die Hand, welche er bisher auf dem Rucken gehalten, mit einem Fläsch chen und einem weißen Tuche, das ver, zweifelte Ähnlichkeit mit einem Knebel hatte, zum Vorschein brachte und aus den Fußspitzen einen Schritt gegen mei nen Stuhl hin vorwärts machte. Nun galt es freilich, nicht einen Augenblick länger m zögern und die Schurken durch eine rasche That verblüffen. Blitzschnell fuhr ich empor, meinen Stuhl durch eine rasche Bewegung hinter mich schleu dernd und ehe sich noch der hinterlistige Angreifer von seinem plötzlichen Schrecken erholt hatte, fauste mein Todt schläger mit solcher Wucht auf seine rechte Schulter nieder, daß der Arm so fort wie gelähmt herab sank und er mit einem dumpfen Aufschrei zurück tau melte. Vor seinen Gewaltthätigkeiten war ich für den Augenblick sicher, und da ich weder den schmächtigen jungen Menschen, noch die schöne Dame sürch tete, so griff ich ohne Bedenken zu mei nem zweiten Hülfsmittel, daß mich selbst den trotzigsten Verbrechern gegenüber noch niemals ,m stich gelaffe batte, Ich zog nämlich meinen blind geladenen Revolver aus der Tatche. richtete die Mündung drohend auf die beiden zit ternd und todtenblaß dastehenden Sub jelte und forderte sie mit drohender Stimme aus, ihren Complizen in die Mitte zu nehmen und vor mir her die Wobnung zu erlassen. Ich bin der Polizei-Commissär H. donnerte ich ihnen zu. Ich denke. Ihr habt schon einmal von mir gehört und wißt, daß ich nicht mit mir spaßen lasse. Also vorwärts! Und den Ersten, wel cher Miene macht, zu entwischen, schieße ich ohne Erbarmen über den Haufen." Sie mochten mir wohl ansehen, daß ich nicht der Mann sei, mit Leuten ih resgleichen zu spaßen, und mit innerem Frohlocken nahm ich wahr, daß sie sich zögernd und zähneknirschend alle drei anschickten, meinem Beseht zu folgen. Ter Schufter-Otto" hatte bei meinem unerwarteten Schlage daS kleine fläsch-1 chen. welches er in der Hand getragen, I ... . r . . ' ZU Boden tauen lauen, und ich scdob ks , jetzt mit der Fußspitze vorsichtig bei i Seite, um es nachher bei meiner Rück - kehr in die Wohnung zu untersuchen. Meine drei Uedellhälcr aber trieb ich mit erhobenem Revolver vor mir her, wie eineHeerde Schaase. und als wir erst die strafte erreicht hatten, waren sie mit Hülse eines durch meine Signal flöte herbeigerufenen honftablers und einiger Passanten bald in sicheren Ge i ,.uv,i.i.? uiiii . wabrwm gebracht. Die später vorgenommene Haus tucdung brachte das ganze keheimniß er eroreaieroanoe zu z,agk.uno in ' -t-'uuu, lotust er .-qimer. Otto" schließlich selbst verrieth, sand mim uumi utii mubicn ver ,',0 summe, welche dem armen Keilholz ze, stöhle worden war. Derjuuge Mensch, welcher sich durch verschiedene PerrUcke und veränderte Kleidung stet sehr ge schickt kenntlich zu machen gewußt hatte, war der Schlepper" der Bande gewesen. Die schöne junge Dame hatte dem biederen Landmann den Wein krc denzt, von welchem wir noch mehrere Flasche vorfanden' und der mit einer stattlichen Dosis Morphium vermischt war. Der größeren Sicherheit halber aber hatte man das arme Opfer dann nochmitHilfe vonffhloroformineine tiefe Betäubung versetzt und es in diesem Zu stände die unsreimillige Wassersahrt ma chen lassen, von der es nur durch ein Wunder wieder ins Leben zurückgekehrt war. Offenbar halte man mir ein glei cheS Schicksal zngedacht, und ich zitterte nachher, als ich mir den ganzen Vorgang mit kaltem Blut überlegte, doch ein we ig bei der Erinnerung an die Gefahr in welche ich mich so tollkühn und über miithig begeben halte. Die Verbrecher versuchten eS zwar anfänglich mit dem Leugnen, als aber einer von ihnen aus der Schule geschmatzt halte, bequemten sie sich alle zu einem Geständniß, und ich brauche nicht wohl erst ausdrücklich zu versichern, daß sie allesammt sllr eine gute Weile zuiu Nutzen der menschlichen Gesellschaft unschädlich gemacht wur den. Keilholz und seine Frau aber hatten, obwohl sie den größten Theil ihres Geldes zurückerhielten, alle Lust zum Auswandern verloren. Sie fingen mit ihrem bescheidenen Kapital ein klei nes Geschäft an, in welchem sie es denn auch durch ihren Fleiß und ihre Recht schaffendes bald zu einem ganz anfehn lichcn Wohlstand brachten. t?tvas für Groccr. Wie ein Leser der Berliner Täg liehen Rundschau" mittheilt, sucht ein findiger Kaufmann eines kleinen vom mer'fchen Seebades seine Käufer durch die Dichtung rührender Töne anzulocken. Auf seinen Düten prangt ein Gedicht, in dem eS u. A. heißt: Hier ist to hewwen allerhand Good un billig wie bekannt. Bier un Schnaps un söten Wien, Echten Gilt ut Berlin, Suren Essig, starken Rum, Eonjack n Petroleum. Ok de Oebelteitsverdriewer: Hossmannsdrüppen! bör de Wiever, Priem is dünnen un ock dicken, Ok för Kinner wat tom Licken. Bottersämmeln, Stewelmichs, Gäle Knöp to Röck un Büz. Woagenschmär un grot Rosinen, Zuckerkandel för de Bienen, Muskatblum un Schörtenband, Bleistift rund un ok gekant't. All wat sünst noch hört' tom Schriewen. Wähl to Kuchen un to Kliewen Twern is schwarten, witt un grau, Streichholz. Licht un Kuzelblau Dischlerlihm un Kaffeebohnen, Is allens her. blos kein Melonen. Torin steckt hier kein Geschäft, De Dinger waren hier nicht köft." Zwei gute Menschen. Ter Doktor von Jrgendheim war in der ganzen Umgegend als ein seelen guter, menschenfreundlicher Herr be tannt. An einem sehr strengen Winter tag fuhr er einmal auf Prariz über Land. Da steht vor ihm am Weg ein altes Weiberl und sagt: Ach, Herr Doktor, i' bitt' halt gar schö', nehmen S' mi' do' mit bis in's nächste Dorf i' kann'S in dem liefen Schnee rein nimmer derschnaus'n. Vor'm Dorf können S' mi' ja absetz'n, daß Ihnen net ,' geniren brauch' mit mir!" .Nun, freilich." erwidert eutselia der Toltor. setzen Sie sich nur herein zu mir, Frauerl" macht der alten Frau Platz und ist gar bald in lebhaf tem Gespräch mit ibr. Sckon bakm fi. fast das nächste Torf erreicht als sich eine Kiühe aus dem Schnee erhebt. Der Gaul scheut und macht einen Seiten sprung. Der Schlitten kippt um und das alte Weiblein fliegt weit hinaus in den Schnee; ehe der Doktor abir sich zu besinnen vermag, wie das Alles so schnell gekommen, vernimmt er schon die Stimme der Alten unter dem Schnee herauf: .I' sag' halt tausendmal Ver gelt's Gott. Herr Doktor, das; B' mi' bis daher g'fahr'n hab'n jek' find' i' schon allein heim!" Di cxgelspxache. Ter Komponist Anton Brückn' murr.. bekanntlich unter dem Rektorate deS vroseors xr. Adolf Erner zum Ehren Doktor der Wiener Hochschule ernannt. Nach Vollzug der feierlichen Handlung schickte sich der Meister an, dem akademi schen Senat sür die ihm m Ibeil aewor. Eh ZU danlen. Dieser Aufgabe """'M nun Bruikner ,n einer xüttttai unbeholfenen Weife. Nach eini t llllU...V I! 1 . . """",vr -aoiien verlor er IN ?em 1"a?f ttn aden der Tankesrede. j, " audernd,nneh,elt. Durch j1". eigenartigen Einfall half cr sich 'ch"elich aus der unangenehmen Lage i"!' 'n0tm. sagte: So wie ich möchte, kann ich Jhuen nicht danken; j ,,nt lßtl ich würde es V,?nn 'n 'S1-" Das Wort deS ln mner Mei,, naiven, be "j'e,0tn" ""!( getproijen, wurde nur . . . "" von der nächsten Umgebung vernommen. Mizren,z,!!,n,e, ait.n (zu ihrem Manne, der seht verauia,! na Hause lomm- O ich Bejamm - rnsirkrtde k betrunken!" wolle: 'Siitf Tu lia fluA Sophie?"