Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 19, 1896, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    ißeboilt.
Erzählung von M, Man.
Sie liebt mich nicht mehr!"
Ein tiefer Soifzer begleitete diese
Worte, und Derjenige, welcher dieselben
vor sich hiiimurmelt, Fritz Sommer,
durchmißt dabei mit hestigcn Schritten
das geräumige Parterrezimmer seines
in der Vorstadt der kleinen Residenz
gelegenen HauseS. Endlich, ach einer
langen Weile, hält der junge Mann in
einer unruhevollen Wanderung inne
und tritt an das grüne, umranlte, weit
geöffnete Fenster. Seine dunklen Augen
haben einen traurigen, gramdedillckten
Ausdruck, als er i den bliihenden,
duftenden Garten hinaus schaut, in
dessen schattigem Laubgange das lichte
Kleid seiner grau verschwindet.
Vor etwa zwanzig Minuten hatte
diese ihn verlassen, nachdem sie mit ein
ander hier in diesem Raume einen über
aus beftiaen Wortwechsel gehabt hatten.
den ersten in ihrer einjährigen Ehe. O
wie häßlich war diese Scene gewesen!
Die heiße Rothe der Scham steigt bei der
Erinnerung daran dem jungen Ehe
mann in daS hübsche, männliche, ge
bräunte Antli. Nicht, daß er sich in
seinem Gewissen bedrückt suhlte, der
schuldige Theil zu sein; nein, durch
aus nicht. Seine kleine Frau hatte ihn
auf das Höchste gereizt. Er war sich
bewußt, eine schier übermenschliche Ge
duld die letzten Wochen gezeigt zu haben,
und das war das Schlimmste und
machte dem Manne die größte Sorge;
der döse Austritt war nicht die Folge
eines plötzlich entstandenen Mißverstünd
nisses gewesen, sondern die lang verhal
tene leidenschaftliche Lösung einer seit
geraumer Zeit bestehenden Spannung.
Fritz Sommer, der vielbeschäftigte
Prokurist eines der größten Fabrik
Etabliffements der Stadt, war durch
aus keine fentimal angelegte Natur,
doch geht durch sein Wesen ein licbenS
würdiger idealer Zug, der ganz alltäg
lich ist und welcher, gepaart mit einem
festen Charakter und einem hellen Ver
stand, ihn zu einer außerordentlich be
liebten Persönlichkeit in der Residenz
machte. Ein Jeder gönnte ihm, daß er
bei verhältnißmüßiger Jugend Som-
mer stand erst in der Mitte der Dreißig
ger sich schon in dieser ansehnlichen
Stellung befand, welche ihm eine sehr
behagliche Existenz sicherte; eine aus
kömmlich behagliche keine luxuriöse,
da er von Hause aus kein großes Ber-
mögen besaß. Den Stempel soliden
Wohlstandes trägt sein ganzes Haus-
tvesen, und mit berechtigtem Stolze und
herzlicher Freude hatte seine Lori Jahr
und Tag darin als liebende und a
liebte Hausfrau in anmuthendster Weise
gewaltet. Plötzlich hatte sich ein Wetter
an ihrem ungetrübten ehelichen Himmel
aufgethiirmt, hatte nach und nach eine
drobendere Gestalt angenommen, war
schließlich zu dem schwärzesten Gewitter
Himmel angewachsen, welcher sich eben
heute unheilvoll entladen hatte.
Der linde Abendwind streicht durch
das offene Fenster und kilhlt die erhitzte
Stirn des jungen Mannes, welcher sich
einen Sessel heranzieht und in Zriibeln
verfallt. Vor seinem inneren Auge er
hebt sich die Gestalt der jungen Frau,
welche, Zwietracht säend, sich zwischen
ihm und seiner geliebten Lori stellt.
Marie Bonti ist es, die Frau eines jun
gen Bankiers, welcher vor Kurzem sich
hier in der Residenz etabliert und welche
eine flüchtige, zufällige Begegnung in
Lori's Mädchenzeit in einem thiiringi
schen Badeorte sofort zum Anknii
pfungspunkte intimster Beziehungen ge
nommen hatte.
Er empfand nicht die leiseste Sym
pathie weder für die Frau, noch für
deren Gatten, und seinerseits geschah
nichts, um ein sreundschastliches Ver
hältniß anzubahnen. Im Gegentheil,
er that AUeS, um seine Frau von die
sem Verkehr in seiner taktvollen Weise,
welche Niemanden verletzen konnte, fern
zu halten. Vom Ansang an erkannte
er die Gefahr, welche für seine leicht er
ngbare, lebensfrohe Lori in dem häu
figen Zusammensein mit dem allen
Aeußerlichkkiten des LebenS huldigenden
Ehepaare lag. Mariens große schlanke
Gestalt erregte überall, wo sie sich
blicken ließ, Ausmerksamkeit und Be
wunderung. Ihre llberputzn, auffällig
betriebene Art der Kleidung gab auch
vielfach Anstoß, und ihre laute, kecke
Art war mehr der Geschmack der jungen
Herrenwelt, als der der Damen ihres
Kreises. Ihrem Manne ging der Ruf
eines gewandten Geschäftsmannes vor
auS; er gebot über ein höchst gewin
nendes Benehmen, doch lag für auf
mcrksame Beobachter etwas Lauerndes,
Falsches in seinem Blick. Ueber seine
finanzielle Lage herrschte einiges Tun
lel. Nach dem Auswande zu urtheilen,
mußte er übr bedeutende Baarmittel
verfügen.
AlleS in Allem genommen, wer eS
Fritz Sommer nicht zu verübeln, wenn
n an diese noch unbewährten Neu
ankömmlinge den allzu engen Anschluß
zu verhindern suchte. Jedoch seine bis
jetzt so fügsame, liebe, kleine Lori. deren
munteres Wesen, heitere, harmlose, zu
sriedene Art ihn so lies beglückt hatte,
war in diesem Punkte entschieden ande
rn Meinung. Sie war wie umge
wandelt durch Marie Bonti, zu der sie
eine blinde, bewundernde Freundschast,
gefaßt hatte, und welche mit tausend
kleinen berechnenden Zügen immer giö
ßere Gewalt über sie gewann. Frau
Lori's LedenSanschauungen ränderten
sich unter diesem Einfluß vollkommen.,
Eine anspruchsvolle, vergnügungssüch'
tige Ader kam bei ihr zum Vorschein
und zersetzte alle guten Eigenschasten.
Ihr Sinnen und Trachten strebte aus
den vier Wänden des Hauses heraus in
die rauschende Welt der Vergniigungen
und Abwechselung. In dieser eine Rolle
zu spielen, erschien jetzt Lori als daS er
strebenswertheste Ziel ihres Lebens.
Die Beschränkungen, welche ihr Mann
ihr in dieser Beziehung auserlegte, seine
Bemühungen, sie von dem sich taglich
steigernden Verkehr mit Frau Bonti ab-
zuhalten, verbittern die junge Frau und
sie entfremdete sich ihrem Gatten zusc
hends in launischem Begegnen. Seinem
liebevollem Entgegenkommen nach bis
jetzt kleinen, aus diesen Ursachen ent
standenen Reibungen setzte sie eine schroffe
Zurückhaltung entgegen, welche einen
weniger geduldigen und weniger warm
liebenden Ehemann wohl schon früher.
wie Fritz Sommer aus dem Glcichge
wicht gebracht Hütten.
Heute nun war denn doch seine lang
geübte Selbstbeherrschung aus den Fu
gen gegangen.
Den unmittelbaren Anlaß zu dem
heftigen Zusammenstoß hatte seine We:
gerung gegeben, heute Abend wiederum
in Gesellschaft von Herrn und Frau
Bonti das Theater zu besuchen, nach
dem man schon gestern sehr gegen seine
Neigung zusammen im Cirkus gewesen
war.
Als er, Fritz Sommer, müde und ab
gespannt von einem überaus anstren
geiiden Nachmittag im Geschüft vor ei
ner Stunde heimgekehrt, war Lori nicht
anwesend gewesen. Ihr früher ihm nie
fehlendes herzliches Willkommen, die
sonst ihm stets bewiesenen kleinen Liebes
dienste entbehrte der Gatte heute recht
empfindlich. Er hatte sich mit der Hoff
nung geschmeichelt, seine kleine Frau
würde ihm nach dem gestern gewährten
Vergnügen durch erhöhte Freundlichkeit
ihren zufriedengestellten Sinn beweisen.
Es kam ganz anders.
Nach halbstündigem vergeblichen Har
ren war Frau Lori mit allen Zeichen
ungeduldiger Erregung in das Zimmer
gestürmt. Ein Fragen nach seinem Er
gehen, ein herzliches Wort fand sie nicht.
Ein flüchtiges Guten Abend" dann
im kategorischen Imperativ: Lieder
Fritz, eile Dich, mache Toilette, ich ver
sprach Bonti's, daß wir sie pünktlich
zum Theater abholen würden."
Liebe Lori," war in etwas gekränk
tem Tone die Antwort gewesen, es thut
mir leid, Deine Pläne zu ändern. Aber
ich fühle mich in der That heute außer
Stande; ich bin sehr ermüdet. Uebri
gens weißt Du auch, daß es durchaus
gegen meine Ansicht ist, diese schönen
Sommerabende in dem heißen geschlos
senen Raum zu verbringen. Schreibe
Frau Bonti einige Zeilen und entschul
dige uns." ,
Fritz," die großen blauen Augen
blitzten das kann Dein Ernst nicht
sein !"
Mein vollkommener Ernst. Komm',
liebe Lori, sei erstündig, setze Dich
rasch hin und erledige mit einigen
freundlichen Worten diese Angelegen-
het."
Mit freundlichen? Da irrst Tu.
Wahr werden sie sein. Ich werde Marie
schreiben, daß Dein kraffer Egoismus
mich um dieses Vergnügen dringt.
Niemals denkst Du daran, daß ich jung
und auch büb cd genug bin, um mich
nicht einsperren zu laffen. Tu solltest
Dir ein Beispiel an Herrn Bonti neh
men, der versteht es, seine Frau glück-
na) zu machen.
Lori ! mäßige Dich. Ein Glück,
welches auf thönernen Füßen steht, das
erstrebst Du? Tann unser Vermögen
ist nicht groß genug, um in dem Stil
wie Herr Bonti zu leben. Ich sagte
Dir das schon etliche Male. Du quälst
mich, Lori !" Die letzten Worte sprach
Fritz weich, und er zog mit beiden Hän-
den die zierliche Gestalt der jungen Frau
näher an sich heran. Doch diese ent
wand sich ihm.
Ich hasse Deinen Schulmeisterton!
Ich will mein Leben genießen, und Du
mußt heute Abend mit mir kommen."
Dabei hatten die kleinen Füße sehr
energisch auf den Boden getreten, und
die Stimme hatte einen gellenden Ton
angenommen. Da war dem Gatten
die Geduld geriffen.
So ich soll ich muß! Ich
danke sür die Rolle, die Tu mir zu
theilst. Eine tolle vergnügungssüchtige
Frau, wie Marie Bonti, ist Dir lieber,
wie Dein Mann. Ich bedaure Tich
uno mich. Es ist mir auch ganz gleich
gültig, was Tu thust." Mit dielen
Worten hatte er sich heftig auf dem Ab
satz herum gedreht, zornig mit der
Faust auf den Tifch geschlagen Frau
Lori hatte die Thür in ähnlicher Weife
mißhandelt, als sie in heller Wuth das
Zimmer verließ.
Während er in hochgradiger Errc
gung zurück geviieoen war, yaiie er
über sich in dem Ankleidezimmer seiner
Frau eiligst Schritte hin und her gehen
hören. Nun, vor wenigen Minuten
war Lori in ihrem neuesten weißen
Kleid und höchst koketten mit Blumen
geschmückten Hütchen an seinem Fenster
hier vorüber gegangen Fächer,
Operngucker in der Hand, ihr feines
Köpfchen recht hochmüthig zurückgewor
fen. Also offene Rebellion!
Tem jungen Ehemann war es wahr
lich nicht zu verdenken, wenn er Ange
fichtS dieser Situation zu dem Schlüsse
kam, daß seine Frau ihr Herz von ihm
abgewendet und das drohende Gespenst
einer unglücklichen Ehe in greisbarer
Rade nq vor ihm ervod. Xie alt
Marie Bonti's war der Wegweiser auf j
diesem trostlosen Psadc seiner Zukunft.
Fritz Sommer giebt seinen Gedanken
lange Audienz.
Er entläßt sie schließlich ohne giinsti
gen Bescheid, denn er siebt keinen Aus
weg aus dem traurige vonslilt. Leu
ersten Schritt zur Versöhnung kann er
nicht thun. Seine Manuesehre giebt
er nie auf. Seine Frau muß ihn thun,
muß ihre Reue bekunden über den Heu
tigen Akt deS offenbaren Mißachiens
seiner Wünsche. Jedoch auch ihre ganze
Lebensweise verlangt die Rückkehr in
das alle liebe Geleise, sonst sind Beide,
wenn auch nicht äußerlich, doch innerlich
getrennt.
Dieser Fall tritt ei, dem uuerqilick,
lichen leidenschaftlichen Wortwechsel
folgt keine Versöhnung.
Lori trug die Miene einer schwer be
leidigten Frau zur Schau, als sie an
jenem Abend von dem Ehepaar Bonti
geleitet in ihre Behausung zurückkam.
Ihr Mann zeigte kalte Gleichgültigkeit
trotz seinem inneren bitteren Weh.
Keine Brücke wurde gebaut. Die Kluft
verbreiterte sich täglich. Mit trotziger
Ostcntation gab sich Lori dem innigsten
Berkehr mit der neugewonnenen Freun
bin hin, mit geflissentlicher Kalte über
sah Fritz dieses Treiben. Stürzte sich
seine Frau in einen Strudel von Ver
gnügungen, so vergrub er sich mit rast
losem Eifer in die Arbeit und nahm
dieselbe zum Vorwand für sein häusiges
Fernbleiben an dem geselligen Leben,
welches um diese Jahreszeit in Som
merfesten aller Art, Picnics und Eon-
zerten zum Ausbruch kam.
Der selten schöne Sommer mit sei
nen sonnigen Tagen, seinen lauen
weichen Adendwinden schmolz nicht das
Eis, welches sich immer fester um die
Herzen des Ehepaares legte.
Hätte irgend Jemand Fritz und Lori
noch vor drei Monaten gesagt, daß sie
an einem solchen herrlichen Mondschein
Abend, wie es heute der Fall ist, gleich
zwei Antipoden auf der blumen
geschmückten Veranda ihres Hauses sitzen
würden sie hätten dem Betreffenden
in's Gesicht gelacht, dem armen Schelm,
der nicht weiß, zu welchem gluthseligen
Liebesgeplauder der alte Gesell da dro
den versührt. Kein Kosen, kein Flüstern
giebt es heute z belauschen. Hinter
einer Windlampe sitzt Herr Fritz und
scheint vertiest in seine Zeitung, Frau
Lori gähnt auf der anderen Seite der
Terrasse, in ein illustrirtes Journal
flüchtig blickend. Die Gedanken Bei
der sind aber mit gleichem Stoff des
Nachdenkens gcsüllt. Fritz war vor
einiger Zeit eine kleine Erbschaft zuge
fallen, rund 5000 Mark. Die Post
brachte sie heute. Mancher Lieblings
wnnsch ließ sich damit erfüllen, und
Lori hätte gar zu gern gewußt, welches
die Pläne ihres Mannes seien. Viel
leicht eine große Reise? Oder eine Er
Weiterung ihres Grundstückes? Der an
grenzende Garten war frei und billig
zu haben? Sie schaute von Zeit zu
Zeit verlangend zu ihm hin, doch kein
Blick fand Erwiderung. Sie hatte sich
den vertraulichen Meinungsaustausch
lange verscherzt.
Jetzt wirft Fritz die Zeitung fort,
ergreist den Hut, welcher neben ihm
liegt, murmelt ein flüchtiges Lebe
wohl, ich gehe eine Stunde in Rohr's
Weinstube. Ich muß noch mit einigen
Herren in geschäftlichen Dingen Rück
spräche nehmen. Gute Nachts "
Fort ist er. Lori sllhlt ein seltsames
Kitzeln in ihrem Halse, die Augen
brennen ihr heiß. Sie hätte ihm nach
stürzen mögen, ihn halten, ihn liebevoll
um cylingen mögen dorn nein
Marie hat Recht ..vergieb Dir ja
nichts." Er muß kommen, er muß
um Verzeihung bitten." Marie war
viel klüger, wie sie, halte also sicherlich
Recht, wenn sie ihr darlegte, daß sie mit
dieser Diplomatie sich ihren Mann voll
kommen gefügig gemacht und man ohne
jeglichen Zwang vergnügt an seiner
Seite lebte. Immer ist man aber nicht
in Gesellschaft allein kommen dumme
Gedanken und feuchten sich wohl gar
die Augen.
Lori!" Ein heller Ruf ist es.
Leichte rasche Schritte komme über den
hell beschienenen Kiesweg den Garten
herauf, behend springt Marie Bonti die
wenigen Stufen der Veranda hinan
und wirft sich fast athemloS in den be
quemen Faullenzerstuhl, welcher neben
Lori's Platz steht: Schatz, da bin ich!
Gottlob, daß Dein Brummbär das Feld
räumte! Und ahnst Tu, was mich her
trieb? Gewiß nicht! Also ausge
merkt! Du erzähltest mir heute Mit
tag, daß Tu eine höchst destinguirte
Toilette von Berlin bekamst. Ich kann
nicht schlafen, ehe ich sie gesehen!
Komm, wir gehen hinauf, Tu probirst
Tein Toilettchen an!"
Laß uns lieber im Mondenfcheine
spazieren gehen."
0, mir ist eS viel zu kühl."
So scheint es. Tu haft den großen
Mantel umgethan."
Ein vielsagendes Lächeln glitt bei
diesen Worten über Marie Bonti's
scharf geschnittenen Mund, doch ohne
Antwort zog sie den Arm der Freundin
in den ihren, mit munterem Gcplaudcr
steigen sie die Treppen empor, riefen
die beiden Dienerinnen deS HaufcS zur
Hülfe. Bald war das Kleid, welches
noch in schützender Umhüllung lag, vor
den bewundernden Blicken der Damen
ausgebreitet. Schließet die Thüren,
damit Dein Mann uns nicht über
raschi." .Sie, Emma," wendet sich
dann Marie zu Lori erstem Mädchen.
Sie helsen ankleiden Sie. Agne
leuchten und ich bewundere ,
rief neckisch die lebhafte Frau. Tann
trällerte sie ein Liedchen, warf mit
Scherz und Wißwortcn um sich, ließ
Niemanden zur Besinnung komme.
Ach. brillaule Toilette." rief sie jetzt
händellaschcnd, als Lori in dem aller
ding? entzückenden rosa Adeudkleide vor
ihr steht.
Still, Marie, ich höre Schritte im
Garten, sollte mein Man schon zurück
kommen?" Frau Bonti eilt an das Fenster, öfs
et es, lehnt sich weit hinaus. Alles
in Ordnung. Niemand zu sehen."
Sonderbar Marie spricht diese Worte
in den Garten laut hinein nicht zu
der Freundin im Zimmer. Rasch,
Emma," nimmt nun diese das Wort,
legen Sie das Kleid wieder zurück, rei
chen Sie mir meinen Schlasrcck, löschen
Sie dann die Lichter. Ich eile hinun
ter, denn ich vergaß vollständig, daß
üciemand im Hause und Alles unten
offen stand. Recht thöricht von mir.
Komm'. Marie, mir trinken noch eine
Tasse Thee."
Schatz, das geht nicht. Mein Mann
erwartet mich. Leb' wohl, Lori Du
bist ein guter Kerl vergiß mich nicht
über Nacht," sügt Marie Bonti rasch
hinzu, als Lori's Blick befremdet in den
ihren taucht. Leb' wohl, " Ehe Lori
weiß, wie ihr geschieht, fühlt sie einen
Kuß auf ihren Lippen Liebkosungen
sind sonst nicht der Freundin Art,
flüchtigen Schrittes, wie sie gekommen,
enteilt die junge Frau.
Zu Lori's neuesten Angewohnheiten
gehörte auch ein ungebührlich langer
Morgenschlaf. Aus süßem Halbschlum-
mer weckt sie am Morgen nach dem er
zählten Vorgang ein ungewohntes
Durcheinander von Stimmen und Thü
ren schlagen, es ist eine Unruhe, die Un
heil verkündet. Nicht lange soll die läs-
sige Hausfrau im Unklaren bleiben.
Kaum, daß sie sich erhoben und ange
kleidet, tritt ihr Mann bei ihr ein.
Bleich, verstört, ist sein Aussehen.
Um Gottes Willen, Fritz, was ist
geschehen ?"
Bonti's Bank ist geschloffen. Er
selbst entflohen. Ein zurückgelassener
Brief legt ein trauriges Zeugniß von
der Demoralisation dieses Menschen ab.
Sein Buchhalter suchte mich soeben auf.
Der Brief lag anf einem Pult. Er
entblödet sich nicht, sich zu einem Dieb-
tafcl zu bekennen, er brüstet sich damit.
Empörend! Ich kann es Dir nicht er-
sparen, Lori," lügt Fritz Sommer wei-
cher hinzu, als er sah, mit welcher Tod-
tenbläie das Gesicht der vor ihm ie
henden sich überzog.
eine rau i" Mühsam brachte Lori
diese Frage Über ihre zitternden Lippen,
sm 11)111 entflohen. Doch nun.
Lori, kommt das Widerwärtigste für
uns. Meinen Schreibtisch fand ich er
Krochen die fünf Tausend Mark ent-
wendet und Bonti ist der Thäter. Tu
gabst der Frau Kenntniß von unserem
Besitz, der Schurke frohlockt darüber, er
gab öieS schwarz auf weiß "
Er kommt nicht weiter. An seiner
Brust liegt seine kleine Frau, seine Lori
wieder, sie weint, sie schluchzt, als ob
das Herz ihr brechen wollte, sie llam
mert sich an ihn, als ob sie ihn nie wie
der laffen könnte. Kannst Tu mir
verzeihen? O, Fritz, die Schande, welche
ich über Dich gebracht, dieser Menschen
beste Freundin war ich. Habe Mitleid
mit mir. Sag' daß Du mir vergibst.
Schlecht, lieblos war mein Benehmen,
Fritz, verzeih'!"
Fritz Sommer hatte Unrecht gehabt.
Marie Bonti in seinem Herzen eine Zeit
lang hindurch als den bösen Dämon
seines Lebens verwünscht zu haben.
Nach jener Episode reifte seine Lori zur
edlen Weiblichkeit heran und der reiche
chatz ihrer Liebe und Zärtlichkeit ent
schädigte ihn vieltaufcndmal für die
uaalm jenes einen Sommers.
Der Affe.
Im Affenhause des Zoologischen Gar
tens standen zwei Personen vor einem
der Käfige und amüsirten sich über die
Kapriolen der Insassen. Tie beiden
Personen waren ein älterer korpulenter
Her: und ein Marine-Cadett,
Großartig sind diese Biester," sagte
der alte Herr, man könnte ihnen stiin-
denlang zusehen. Rein wie die Mm
schen benehmen sie sich."
Ach, das ist' noch gar nichts!'
prahlte der Kadett. Als wir neulich
auf den Molukken waren, haben wir
ganz andere Eremplare gesehen!
Kurt Nicmann, der Kadett, hatte
nämlich nur diese einzige weite Reise
nach den Molukken mitgemacht, und
jetzt, da er sich auf Urlaub befand, be
gann er seine meisten Sätze mit: Als
wir neulich auf den Molukken waren
" womit er Anfangs dem dicken
Herin, dem Braucreibesitzer Niemann,
feinem Onkel, gewaltig imponirt hatte.
Tas reizte Kurt, fortzufahren: Auf
den Molullen habe ich Orang-Utangs
gesehen, die vollständig ebenso wie Men
schen herum gingen und miteinander
sprachen "
.Sprachen? Kurt, sprachen? Tu
willst mich wohl dumm machen?!"
Auf Ehre. Onkel nein, ich will
nicht gerade sagen: auf Ehre dazu ist
die Sache zu unbedeutend aber bei-
nahe auf Ehre! Tie OrangS faßen an
einem Tische und unterhielten sich in
der Affensprache.-
Da schlag' Einer lang hin! So einen
Affen möchte ich einmal sehen!"
Nichts leichter, als das, Onkel; in
acht Tagen fahren wir zum zweiten
Male nach den Molukken, von da schicke
ich Tir einen schönen Orang-Utang.
Willst Tu?"
Ter Onkel dachte bei sich: Aufschned
den thut der Junge, das ist klar. Nun
heißt es, ih gründlich abführen." Und
laut sagte er: Ja, schick' mir mal
einen, aber vergiß eS ja nicht."
Einiie Monate später saß Kurt
Vater, der Bürgermeister Nicmann, i
seinem Büreau, als der Postbote ikm
eine Kiste und ein Schreiben brachte.
Die Kiste kam von den Molulken und
enthielt allerlei Geschenke an die ga
milie des Bürgermeisters, außerdem
lag noch ein Bes an den Onkel bei.
Das erwähnte Schreiben kam von
dem Eapitiin eines Dampsers, welcher
meldete, daß der Kiste auch noch ein
Käfig mit einem Affen beigegeben war,
der Affe sei aber unterwegs krepirt, und
man habe ihn in Meer geworfen
Bald darauf klopfte es, und herein
trat ein alter Mann in Begleitung eines
Jungen von etwa fünfzehn Jahren,
deffen AeußenS von der Natur stark
vernachlässigt war.
Nun, Schneidermeister Wolle, waS
verschafft mir das Vergnügen?"
lotn Bürgerin ter, feie erinnern
sich wohl, daß Sie bei meinem August
hier de Pathenstelle übernahmen. Jetzt
ist er eingesegnet, und meine Alte und
ich, wir haben beschlossen, ihn. Brauer
werden zu lassen. Vielleicht legen Sie
ein gutes Wort bei Ihrem Herrn Bru
der ein, daß er ihn in seine Brauerei
als Lehrling ausnimmt."
Sehr gern," sagte der Biirgermei
ster und wandte sich dann zu August:
Nun. mein Sohn, hast Tu auch Lust
zur Brauerei?"
Der Junge stieß zuerst eine Art von
Grunzen aus, dann begann e?: J-i-i
ich woo-o-o-ollte I"
Aha, er stottert, sagte der Bürger
meister.
Ja, Sie wissen das schon? fragte
Meister Wolle verwundert.
Nun, ich hoffe, daß dieser Fehler
ihm in feinem Beruf als Brauer nicht
hinderlich sein wird. Ich will Ihnen
schnell eine kleine Empfehlung an mei
nen Bruder mitgeben. Üebrigens,
Meister, lassen Sie Ihren August nur
ganz allein hingehen, damit mein Bru
der gleich sieht, was an dem Jungen
dran ist."
Der Bürgermeister schrieb das
Empfehlungsschreiben und übergab es
August.
Hier, mein Junge, das gibst Tu
Deinem künftigen Prinzipal, und
ehe ich's vergesse, hier ist noch ein Brief
au meinen Bruder. Meister, geben
Sie den Brief Ihrem August ' auch
mit !"
August ging also in die Wohnung
des Brauereibefitzers. und es gelang
ihm. Dem öffnenden Menltmadchkn vor,
zusiottcrn, daß er vom Herrn Bürger
meister komme und daß er Herrn Nie
mann sprechen wolle. Von dieser
sprachlcistung war August so sehr er
schöpst, daß er, im Zimmer vor dem
Brauereioeiitzer fieyend, nur einige
grunzende Amt? hervorbringen konnte.
Sonderbarer Kunde !" ' dachte der
dicke Herr, wandte sich dann aber sehr
freundlich zu August: Nun, was
gibt es?"
August griff in seine Rocktasche und
brachte einen der Briefe hervor, den er
dem Herrn überreichte. Kaum hatte
der aber einen Blick in das Schreiben
geworfen, als er aufsprang und August
entsetzt anstarrte. Ter Brief fing näm
lich so an:
Lieber Onkel! Hiermit sende ich
Tir den versprochenen Affen "
Das war allerdings Trumpf. Tas
vor ihm stehende Jndiviöuum hatte
allerdings ein affenartiges Aussehen,
aber es stand ausrecht, war modern ae
kleidet und benahm sich ganz menschlich.
Eben dasselbe hatte aber Kurt ja von
den Orang-Utangs auf den Molukken
behauptet. Ter Brauer war von ent
setzlichen Zweifeln geplagt.
Wie sN e !
" oull
er der Sache aus den Grund kommen?
Halt, alle Affen haben doch einen deut I
lichen Schweif oder einen Ansatz dazu.
lichen Schweif oder einen Ansatz dazu,
Nieinann that, als gehe er sinnend mn
her ; plötzlich schlich er sich hinter den
Jungen und hob rasch dessen Rockschöße
empor. Ta sah er aber nur einen ge
wissen Theil des Beinkleides.
Jetzt war aber August entsetzt. Er
stieß ein sürchterliches Geheul aus und
schrie : L-a-la-la-la miii-i Ruh !"
Tas sollte heißen : Lassen Sie mich
in Ruh'!" Aber Niemann stöhnte
Tie Affensprache, das ist die Affen
I brache '
Er erinnerte sich nun daran, was
ihm Kur. von der großenS.ärke ud,
l'iotMutt ver Affen erzählt hatte. Er,
sah sich nach einer Waffe m und fand
die eiserne Ofenzange, die er ergriff und
August entgegenhielt, welcher kreischend
auf einen ciuyl Mang.
C weh, letzt sängt er an. zu klettern
kusch, kusch !"
Hi-hi-hi-hi-hi, bi-bi-bi-bi-bi "
versuchte August sich verständlich ,u!"
machen, kriegte aber in der Aufreauua
Wn anrnc 8 Wart htritus. i
; ganus !
Ich weiß, verehrter Herr Orang.
Utang, was Sie sagen wollen. Sie
wünschen einige Porzellanvasen zu zer
schlagen. Gkniken Sie sich nicht, aber
schonen Sie mein junges Leben !
uiini cic üiciu luiiure curn :
. i.. .Lu!j. &.
O ',",, ,.,.,. n uu
,n Unfc er w !, m nn .Inttpr.r
T,
wenn auch nicht geläusig sprechen, so i
boO geiaung singen tonne, und er legte,
plötzlich mit seiner Fistelstimme los:
.Xu bist verrückt, mein nid "
Ter Brauer ließ die Feuerzange sal
len und knickte zusammen.
Wenn die Affen auch singen lön
nen. dann ergebe ich mich," seuszte er.
.Nimm mich hin, Orang-Utang, mache
mich kalt, ich bin für diese Welt zu
oilinin I"
Aber der so schnöde verkannle August
hatte gerade den zweiten Brief in seiner
Rocktasche gefunden, den er nun auf
den Tisch warf. Der Brauer begann
sofort zu ahne, daß eS mit den Brief
fchaftc eine besondere Bewandtniß hu
be müsse, er ergriff den zweiten Brief
und las daS Empfehlungsfchreibeu
seines Bruders.
Also Tu bist August Wolle?"
Je-je.je.ja !"
Na, dann geh' nur nach Hause und
koii' mit Teinem Vater wieder; wir
Beide könne uns doch nur schwach ver
ständigen !"
August verschwand, offenbar froh,
fort z kommen. Der Brauer aber las
nun den Brief seines Neffen weiter.
Lieber Onkel! Hiermit sende ich
Dir den versprochenen Affen. Einen
Orang'Utnng habe ich nicht kriegen
können, weil sämmtliche Affen dieser
Art zu einer Generalversammluug noch
Neu Guinea abgereist sind. Laß Tir
vorläufig an diesem kleinen Exemplar ge
niigen "
Und in einem Postskriptiim des
Bürgermeisters stand: Der sür Dich
von Kurt gesandte Affe ist unterwegs
eingegangen.
Was mich unendlich freut!" sagte
der Brauer, erleichtert aufathniend.
Wie Herr Pumperdick Gelegenheit
fand, seiner Zrau die Wahr
heit iu sage.
Herr Pumperdick, der bei seiner Frau
sehr unter dem Pantoffel stand, klagte
schon seit einiger Zeit über hestigc Ma
genschmerzen.
Weißt Du," sagte eines Tages seine
Frau zu ihm, Tu solltest Deinen Ma
gen 'mal räch dem Röntgen'schen Ver
fahren aufnehmen laffen. Diese neue
Ersindung hat doch schon zu so vielen
Entdeckungen gesührt. vielleicht dürfte da
durch auch das Räthsel Deines Magen
leidens gelöst werden."
.Da hast Du übrigens Recht." er-
widerte Herr Pumperdick eilig, und wenn
Du erlaubst, mache ich mich noch heute
auf den Weg zu einem Photographen!"
ivrau Pumperdick gab soiort die ail-
tige Erlaubniß dazu, und Herr Pum-
perdick, hoch erfreut, auf eine so leichte
und schnelle Art aus dem Hause zu kom-
men, ging eilenden Fußes nicht zu ei
mm Photographen, sondern in eine ge
müthliche Kneipe, wo seine Freunde ver
kehrten und ihn mit Freude willkommen
hießen.
Als er nach mehreren Stunden wie
der nach Hause kam, fragte ihn seine
Alle natürlich sofort: Nun, Mann,
hast Tu meinen Rath befolgt, und wie
war es?"
Gewiß, liebe Freu, meinte Pum
perdick, habe ich Deinen Rath befolgt,
und wenn Tu mir versprichst, nichts
übel aufzufaffen, dann werde ich Tir
die Aussage des Photographen wörtlich
wiederholen."
Frau Pumperdick, dadurch aus's
Höchste neugierig gemacht, versprach hoch
und heilig, nichts übel zu nehmen, so
daß sich ihr Mann dann herbei ließ,
folgendes ausiusaaen: Wn mir w
Photograph erzählt hat, hätte ich mir
übrigens auch selbst sagen können. Sie
wollen wiffen, lieber Herr Pumperdick,
meinte er sehr mitleidig zu mir, was für
ein Uebel Sie im Magen haben? Ich
will es Ihnen sagen: Ihre Frau ist es.
die Ihnen wie zehn Pfund schwarze
Seife im Magen liegt !"
Po den tapfere Sachsen.
Zum Kapitel Humor im falbe"
i zwei n.ue Stücklcin : Tie braven Sach-
jen. die bei St. Privat so muthig ge
kümpst hatten, schloffen vom 19. Sev
tcmbet ab links von den Preußen -
mit leneti Pari in fc.r fcilrm. t
MM-L T- 2
3 lM u?pm Bmtö! ' "Q
's1 f"mmi'n der
Truppen nach bedrohten Punlten ver
stärkt. Immer jedoch richtete sich das
Geschützfeuer der Franzosen zumeist ge
gen unsere sächsischen Nachbarn. Wir
konnten uns das nicht erklären, bis wir
hörten: die Sachsen beobachteten daS
Feuer des Feindes hinter einer Deckung,
wie auf den Schießplätzen, und ein Mann
mit Flagge sprang nach jedem admei.
ÖftJV.?' "ffl il8Ä
ozenven Schutz aus den
. u"f" j z"i. ni usn
ihn
I-
IT, & Tm mt
?
ü 7" ?" "T. '. TU u".'a
iiminmi (tonn von linieren amptge
nonen gefallen laffen. Wir lazen in
le Blanc.Mcsnil und hatten le Bourget
besetzt. Links von uns lagen in Aulna
die Sachsen und gegen 'Tranen, das
von Franzosen besetzt war, sollte eine
Erkundigung iRecognoscirung) unter
Z' f.ro n
r 0a.,D" " "
U,C ,rnzo,i,cok Satzung silier
üttmt in der Nahe von Aulna das Ge.
hoft verlaffen hatte, obne die Waffen
mitzunehmen, um dem Gefecht zuzusehen.
Tie Sachsen schlicken sich kokort an ims
Gehos! heran, besetzten eS. und stürzten
r. ' . ,' , " .3
ch auf die wanenlosen feinde, die,, ae,
,,, ...... $r
21..U..I. .... ..,." ......
'"""" iuii
?'"Tt-! " 1 majneur:
'
-
plölzlich rnkauen.
Mein Fräulein, Sie glauben mir
nichts Ich gede Ihnen meine Hand
daraus."
Ach. ja. um den Preis will &
Ihnen gern glaub'." X